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[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Dr. Kranzbühler! Der Gerichtshof hatte, wie Sie wissen, die Absicht, die Anträge auf Vorlage der Dokumente und Vorladung von Zeugen zu behandeln; sollten Sie aber mit Ihren Dokumenten in kurzer Zeit fertig sein können, so wünscht der Gerichtshof, daß Sie fortsetzen und, wenn möglich, damit zu Ende kommen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Vorsitzender! Ich glaube, daß ich auch bei Beibehaltung des bisherigen Tempos etwa eine Stunde brauche. Ich werde deshalb darum bitten, es am Montag morgen fortsetzen zu dürfen.

VORSITZENDER: Dr. Kranzbühler! Wenn Sie glauben, daß es tatsächlich noch so lange dauern wird, müssen wir es natürlich bis Montag morgen verschieben, aber der Gerichtshof hofft wirklich, daß Sie nicht annähernd so lange dazu brauchen werden; es würde dem Gerichtshof nichts nützen, in Einzelheiten bei diesen Dokumenten zu gehen. Sie werden doch alle noch einmal ganz genau behandelt werden müssen, sowohl in Ihrem Plädoyer wie in den Beratungen des Gerichtshofs.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich werde mich ganz darauf beschränken, nur den Zusammenhang zu zeigen, Herr Präsident. Aber trotzdem glaube ich, daß es besser wäre, es am Montag morgen zu machen.

VORSITZENDER: Gut. Der Gerichtshof wird sich also jetzt die Anträge vornehmen.

Ja, Sir David?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn es Euer Lordschaft gefällig ist. Der erste Antrag ist vom Angeklagten von Schirach, der Ladung eines gewissen Hans Marsalek als Zeugen im Kreuzverhör beantragt. Die Anklagevertretung hat schon ein Affidavit von diesem Mann vorgelegt und hat nichts dagegen einzuwenden, daß er zum Kreuzverhör vorgeladen wird.

Mylord! Der zweite Antrag des Angeklagten von Schirach betrifft einen gewissen Kauffmann. Die Verteidigung will Kauffmann Fragebogen vorlegen, anstatt ihn vorzuladen; er ist als Zeuge schon zugelassen. Dagegen besteht kein Einwand.

Dann, Mylord, kommt ein Antrag von Dr. Seidl im Namen des Angeklagten Heß. Er beantragt fünf Dokumente, die sich auf die deutsch-sowjetischen Abkommen von August und September 1939 beziehen. Weiter beantragt er Ladung des Botschafters Gaus als Zeugen in diesem Zusammenhang. Es würde zu weit gehen, auf alle früheren Anträge zu verweisen; ohne auf Einzelheiten einzugehen, möchte ich dem Gerichtshof jedoch sagen, daß diese Sache bereits sechsmal bei anderen Gelegenheiten vorgelegen hat. Ich kann die Einzelheiten vorbringen, wenn der Gerichtshof sie wünscht.

VORSITZENDER: Nein, denn der Gerichtshof hat die Übersetzung dieser Dokumente angeordnet, nicht wahr?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Mylord!

VORSITZENDER: Und wir haben beschlossen, nach der Übersetzung darüber zu beraten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mylord! Der Gerichtshof hat am 25. März die Übersetzung dieser Dokumente angeordnet. Ich möchte nur an die Tatsache erinnern, daß am 28. März Fräulein Blank, die Privatsekretärin des Angeklagten von Ribbentrop, über dieses Abkommen vernommen worden ist, und Euer Lordschaft werden sich vielleicht daran erinnern, daß mein Freund, General Rudenko, Einspruch dagegen erhob. Aber der Gerichtshof hat entschieden, daß die Fragen zuzulassen waren, und die Zeugin sagte aus, daß sie von dem Bestehen des Geheimabkommens wisse, machte aber keine näheren Angaben.

Am 1. April, im Laufe des Kreuzverhörs, das Dr. Seidl mit dem Angeklagten von Ribbentrop vornahm, wurde dann das Gaus-Affidavit verlesen, und am 3. April stellte Dr. Seidl den Antrag auf Vorladung der Zeugen Hilger und Weizsäcker darüber, und am 15. April beantragte Dr. Seidl die Vorladung des Botschafters Gaus.

Am 17. April, Euer Lordschaft, wurde darüber vor dem Gerichtshof verhandelt, Ich erklärte, daß ich in Anbetracht der bereits gefällten Entscheidung des Gerichtshofs die Frage des Abkommens nicht anfechten könne, erhob jedoch Einspruch gegen die Zeugen. General Rudenko, glaube ich, erklärte, daß er seine Einwendungen schriftlich vorgebracht hätte, und der Gerichtshof sagte, daß er über diese Angelegenheit beraten würde.

Was die fünf Dokumente betrifft, Euer Lordschaft, so scheint die Sache so zu stehen, daß das Affidavit von Dr. Gaus bereits als Beweisstück vorliegt. Das ist das erste Affidavit, Mylord. Das zweite Affidavit von Dr. Gaus liegt als Beweisstück nicht vor.

Der Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion liegt als Beweisstück vor. Was das geheime Zusatzprotokoll zum Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion betrifft, so liegt es inhaltlich vor, und zwar im Gaus-Affidavit.

Dann, Mylord, haben wir den deutsch-sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag vom 28. September 1939 und das geheime Zusatzprotokoll zu diesem Pakt Die Anklagebehörde trägt von, daß diese Dokumente für die Verteidigung des Angeklagten Heß unerheblich sind und sieht keinen Grund, warum sie verlangt werden. Wenn nötig, kann mein Sowjetkollege weiter zu dieser Sache Stellung nehmen, aber das ist die allgemeine Sachlage. Wir tragen ferner vor, daß das zweite Affidavit von Botschafter Gaus angesichts seines früheren Affidavits überflüssig ist; ohne noch einmal nähere Angaben zu machen, wiederhole ich meine Einwendungen gegen die Vernehmung von Zeugen über die Verhandlungen, die zum Abschluß dieses Vertrages führten.

Es wird vorgetragen, daß es in Wirklichkeit vollkommen unerheblich ist und daher unnötig, die Zeit des Gerichtshofs dafür in Anspruch zu nehmen. Ich weiß nicht, Mylord, ob es recht wäre..

VORSITZENDER: Sir David! Der Gerichtshof wird, wie ich schon gesagt habe, über diese Sache beraten. Er hatte noch keine Gelegenheit, über diese Dokumente zu beraten, aber ich möchte Sie fragen, ob irgendein Grund zur Vorladung des Botschafters Gaus als Zeuge vorliegt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Kein einziger, Mylord.

VORSITZENDER: Er hat ja schon den Inhalt dieser Dokumente angegeben, ebenso wie der Angeklagte Ribbentrop. Wenn diese Dokumente jetzt vorgelegt werden – angenommen, daß der Gerichtshof der Ansicht ist, daß sie zuzulassen sind –, so wäre es vollkommen überflüssig, Gaus als Zeugen zu laden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, das ist auch meine Ansicht darüber, Mylord.

VORSITZENDER: Ich glaube, der Gerichtshof sollte dann diese Dokumente einsehen, wie er in seiner Entscheidung bereits ausgesprochen hatte, sobald sie vorgelegt werden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wie es Euer Lordschaft recht ist.

Der nächste Antrag ist im Namen des Angeklagten Funk, und er beantragt die Verlesung des Affidavits des Zeugen Kallus. Es war Funk bereits bewilligt worden, dem Zeugen Kallus einen Fragebogen vorzulegen, das ist auch geschehen, und der Fragebogen wurde schon vorgelegt. Das Affidavit, um das es sich hier handelt, und das er erhalten hat, ergänzt diesen Fragebogen, und die Anklagebehörde erhebt keinen Einspruch dagegen.

Der nächste Antrag ist vom Angeklagten Streicher auf Vorladung des Zeugen Gaßner, der über den »Stürmer«, dessen Auflage und Einnahmen aussagen soll. Die Anklagevertretung trägt vor, daß es unnötig ist, einen Zeugen darüber zu hören, was der »Stürmer« nach 1933 war, da eine reichhaltige Anzahl von Nummern der Zeitung dem Gerichtshof vorliegt, aus denen der Inhalt durchaus zu ersehen ist.

Über den zweiten Punkt, die Auflage des »Stürmer«, haben sowohl der Angeklagte Streicher als auch der Zeuge Hiemer bereits ausgesagt, und es wird ergebenst darauf hingewiesen, daß die Einnahmen aus dem »Stürmer« und ihre Verwendung unerheblich sind.

Der nächste Antrag, Mylord, ist für den Angeklagten Sauckel auf Ladung eines Zeugen namens Biedermann statt eines bereits zugelassenen Zeugen, der unauffindbar ist. Die Anklagebehörde erhebt keinen Einspruch dagegen und auch nicht gegen die beantragten Dokumente. Ich werde mich daher mit Genehmigung des Gerichtshofs nicht in Einzelheiten über sie ergehen.

VORSITZENDER: Sir David! Wir möchten gerne wissen, was Sie für den geeigneten Zeitpunkt halten für die Zeugenvernehmungen bei den Angeklagten, deren Fälle schon vorgetragen worden sind. Sollen wir sie erst nach Beendigung aller Beweisaufnahmen vernehmen oder vorher?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mylord! Ich glaube, daß es besser wäre, sie früher zu vernehmen; wenn der Gerichtshof einen Samstagmorgen dafür reservieren könnte oder sonst bald, bevor noch die Fälle der einzelnen Angeklagten zu weit in den Hintergrund getreten sind.

VORSITZENDER: Wir werden darüber beraten und Ihnen Bescheid geben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wie es Euer Lordschaft recht ist.

Der nächste Antrag ist vom Angeklagten Seyß-Inquart, der beantragt, Dr. Stuckart einen Fragebogen zur Ergänzung der Aussagen des Zeugen Lammers vorzulegen. Die Anklagebehörde erhebt keinen Einspruch gegen einen solchen Fragebogen, behält sich nur das Recht vor oder bittet den Gerichtshof, ihr das Recht vorzubehalten, ein Kreuzverhör vorzunehmen.

Der nächste, der Angeklagte Frick, beantragt einen Dr. Konrad als Zeugen über die Frage der Kirchenverfolgung. Die Anklagebehörde glaubt, daß zu diesem Punkt ein Fragebogen genügt, aber ich glaube, daß hier eine kleine Verwirrung vorliegt. Ich glaube auch, daß hier ein Affidavit gemeint ist. Der Originalantrag lautet: »Ganz im Gegensatz zu der Beschuldigung, daß der Angeklagte an den Kirchenverfolgungen teilgenommen hat, wird ein Affidavit von diesem Zeugen beweisen, daß Frick die Interessen der Kirche stark verteidigt hat.« Es handelt sich hier also nur darum, ob ein Affidavit oder ein Fragebogen, nicht aber ein mündlicher Zeuge oder ein Fragebogen zuzulassen ist.

Zum nächsten Antrag für den Angeklagten Göring will ich mich nicht äußern, da mein Kollege, Oberst Pokrowsky, diesen behandeln wird.

Ich gehe nun zu den Anträgen für die Angeklagten Heß und Frank über. Dr. Seidl stellt den Antrag – wenn ich hier aus der Note des Generalsekretärs verlesen darf – auf eine amtliche Auskunft des amerikanischen Kriegsministeriums oder einer anderen Dienststelle des Office of Strategie Services. Er behauptet, daß er diese amtliche Auskunft zum Nachweise dafür wünscht, daß der Zeuge Gisevius im Zeugenstand einen Meineid geleistet habe, und sie möchten dieses nachweisen, um seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Es wird ferner behauptet, daß der Meineid darin bestehe, daß Gisevius im Kreuzverhör geleugnet habe, für eine auswärtige Macht gearbeitet zu haben und ebenso bestritten habe, von einer mit Deutschland im Kriege befindlichen Macht Vorteile empfangen zu haben. Diese Aussage stehe jedoch im Widerspruch zu seiner Angabe, er habe freundschaftliche und politische Beziehungen zum amerikanischen Secret Service unterhalten, sowie zu anderen später veröffentlichten Berichten. Er beantragt diese amtliche Auskunft zur Bestätigung der Richtigkeit dieser beiden Umstände, die angeblich im Widerspruch zu früheren Angaben des Zeugen stehen. Für den Fall, daß der Gerichtshof eine solche amtliche Mitteilung nicht für zulässig oder ausreichend erachten oder das amerikanische Kriegsministerium die Erteilung einer solchen Auskunft verweigern sollte, wird die Vernehmung des amerikanischen Kriegsministers, Herrn Patterson, als Zeuge für die wesentlichen Punkte beantragt.

Mylord! Ich behandle diese Sache lediglich vom Standpunkt der Rechtswissenschaft und trage vor, daß die englische Ansicht hierzu vernünftig ist und der Gerichtshof danach vorgehen sollte. Nach dem englischen Recht, wenn ich es recht verstehe, ist man, wenn man einen Zeugen über seine eigene Glaubwürdigkeit ins Kreuzverhör genommen hat, an seine Antworten gebunden. Es gibt nur eine einzige Ausnahme von dieser Regel, die meiner Erinnerung nach in einer Anmerkung in Roscoe's »Criminal Evidence« angegeben ist: Wenn man einen Zeugen über seine Glaubwürdigkeit im Kreuzverhör vernommen hat, kann man noch einen anderen Zeugen zitieren, der aussagen kann, daß er den allgemeinen Leumund des Zeugen, der über seine Glaubwürdigkeit kreuzverhört wurde, kennt und wegen dieses allgemeinen Leumundes, und nur deswegen, dem Zeugen keinen Glauben schenkt. Das ist die einzige Ausnahme nach englischem Recht, die ich kenne.

VORSITZENDER: Und dann kann er natürlich widerlegt werden, wenn er über ein Verbrechen oder ein Vergehen kreuzverhört wird.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gewiß, Euer Lordschaft haben recht. Ich hätte noch als weitere Ausnahme erwähnen sollen, daß, wenn er über eine bestimmte Verurteilung vernommen wird, diese Verurteilung nachgewiesen werden kann. Ich danke vielmals, Euer Lordschaft. Aber nach englischem Recht ist es unzulässig, wenn ein Zeuge über bestimmte Tatsachen zum Nachweise seiner Glaubwürdigkeit vernommen wurde, weitere Beweise über diese Tatsachen zu erbringen, es sei denn, daß es sich um eine Verurteilung durch den Staat handelt. Ich möchte noch vorbringen, daß der Grundsatz: »Interest rei publicae ut sit finis litium«, der sicherlich in allen Rechtssystemen gilt, auch hier zur Anwendung kommen muß und meinen Standpunkt unterstützt. Ich bitte um Entschuldigung, ich werde es jetzt übersetzen: »Es liegt im Interesse des Staates, daß Prozesse zu Ende gebracht werden.«

Mylord! Wenn man hier nicht die vom englischen Recht vorgesehene Grenze zöge, könnte man Beweisanträge stellen, um die Glaubwürdigkeit der Anklagezeugen zu erschüttern. Die Anklagebehörde würde dann antworten und Beweise beantragen zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit der Zeugen, die die Glaubwürdigkeit der Anklagezeugen angegriffen hatten, und so würde es niemals zu einem Ende eines Prozesses kommen. Mylord, darum, aus diesem allgemeinen Grund – ich will hier nicht akademische Ausführungen machen, aber es handelt sich hier um ein Prinzip von praktischer Bedeutung, um einen Prozeß in annehmbaren Grenzen zu halten – beantrage ich, diesen Antrag zurückzuweisen.

Ich glaube, Mylord, ich habe jetzt alle Angelegenheiten erledigt mit Ausnahme des Antrags des Angeklagten Göring, den mein Freund Oberst Pokrowsky behandeln wird.

OBERST POKROWSKY: Euer Lordschaft! Der Angeklagte Göring beantragt die Ladung weiterer Zeugen in der Sache der Massenmorde im Walde von Katyn, und zwar zur Feststellung der Rolle, die die Wehrmacht dabei gespielt hat. Mit anderen Worten, er will beweisen, daß die Deutsche Wehrmacht nichts mit dieser Hitler-Provokation zu tun hatte. Die Sowjet-Anklagebehörde widerspricht kategorisch...

VORSITZENDER: Oberst Pokrowsky! Wir kennen diese Geschichte ganz genau, da wir uns hier vorher damit beschäftigt haben. Sie brauchen daher nicht auf Einzelheiten einzugehen, denn, wie ich es verstehe, handelt es sich hier um neue Zeugen, deren Vernehmung nicht beantragt wurde.

OBERST POKROWSKY: Ich dachte daran, daß hier neue Zeugen beantragt werden, und unter diesem Gesichtspunkt wollte ich dem Gerichtshof unseren genauen Standpunkt, das heißt den Standpunkt der Sowjet-Anklagebehörde, mit Bezug auf die Ladung neuer Zeugen mitteilen. Ich habe keine Absicht, die Angelegenheit des Zwischenfalls von Katyn eingehend zu behandeln. Die Sowjet-Anklagebehörde hat von Anfang an den Fall Katyn als eine allgemein bekannte Tatsache angesehen, und der Gerichtshof kann aus dem beschränkten Raum, den wir diesem Verbrechen in unserer Anklageschrift gewidmet haben und aus der Tatsache, daß wir es für möglich erachteten, hier nur wenige Auszüge aus dem Bericht der Kommission zu verlesen, ersehen, daß wir diesen Vorfall nur als eine Episode betrachten. Sollte jedoch die Frage, über die mein Kollege, Sir David, soeben gesprochen hat, aufgeworfen werden, das heißt, sollte der Gerichtshof an der Glaubwürdigkeit der angenommenen Beweisdokumente und der Zeugenaussagen zweifeln, dann wären wir genötigt, neues Beweismaterial vorzulegen, um die von der Verteidigung erneut vorgelegten Beweise zu erschüttern.

Sollte der Gerichtshof es für notwendig erachten, dieses Beweismaterial, das heißt zwei neue Zeugen in der Sache der Erschießungen im Walde von Katyn zuzulassen, dann wird die Sowjet-Anklagebehörde es für notwendig erachten, ungefähr zehn neue Zeugen, Sachverständige und Spezialisten zu laden, sowie dem Gerichtshof neues Beweismaterial, das uns zur Verfügung steht, das heißt neue, soeben erhaltene Dokumente vorzulegen und neuerlich den ganzen Bericht der Kommission, aus welchem wir dem Gerichtshof Auszüge verlesen haben, ins Protokoll zu lesen. Ich glaube, daß es das Verfahren sehr verzögern und nicht nur Stunden, sondern Tage in Anspruch nehmen wird.

Was uns anbetrifft, ist das nicht notwendig, und wir glauben, daß es als eine unzweckmäßige, durch keine Notwendigkeit bedingte Maßnahme abzulehnen ist.

Das, Mylord, ist, was ich zum Antrag des Angeklagten Göring vorzubringen hatte.

Nun möchte ich einige Worte anschließen an das Vorbringen Sir Davids zum Antrag Dr. Seidls. Ich will nicht im einzelnen ausführen, warum wir Sir David vollauf unterstützen und es als nötig betrachten, den Antrag Dr. Seidls abzulehnen. Ich will hierzu bemerken, daß ich heute morgen ein Dokument unterzeichnet habe, das dem Gerichtshof überreicht wird und alle unsere Erwägungen in dieser Angelegenheit enthält. Da dieses Dokument dem Gerichtshof vorliegt, habe ich andererseits Gelegenheit gehabt, dem Gerichtshof unsere Lage ohne Zeitvergeudung klarzumachen.

VORSITZENDER: Es ist nicht notwendig, dem Verteidiger des Angeklagten Schirach das Wort zu erteilen, weil gegen seine beiden Anträge bezüglich des Zeugen Marsalek und eines Fragebogens für Dr. Kauffmann keine Einwendung erhoben wird.

Was den Fall des Angeklagten Heß betrifft, wird der Gerichtshof darüber beraten, wie in einer bereits getroffenen Entscheidung bekanntgegeben wurde.

Bezüglich des Angeklagten Funk besteht kein Einspruch gegen das Affidavit von Kallus, und so brauchen wir uns weiter damit nicht aufzuhalten, es sei denn, daß der Verteidiger Funks in dieser Angelegenheit dem Gerichtshof etwas vorbringen will.

Im Falle des Angeklagten Streicher wurde Einspruch gegen den Zeugen Gaßner erhoben. Vielleicht soll der Verteidiger des Angeklagten Streicher mitteilen, was er hierzu zu sagen wünscht.