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[Keine Antwort.]

Also dann wird der Gerichtshof darüber beraten.

Im Falle Sauckel sind keine Einwendungen erhoben worden.

Im Falle Seyß-Inquart bestehen gegen den Fragebogen auch keine Einwände.

Im Falle des Angeklagten Frick hat Sir David einen Fragebogen vorgeschlagen. Es ist nicht ganz klar, ob ein Fragebogen beantragt war. Ist der Verteidiger für Frick hier?

[Keine Antwort.]

Wir werden darüber beraten.

Im Falle Gering wird der Gerichtshof über die Anträge des Angeklagten beraten.

Dr. Seidl! Wollen Sie in Sachen Heß und Frank zur Zeugenaussage Gisevius Stellung nehmen?

DR. ALFRED SEIDL, VERTEIDIGER DER ANGEKLAGTEN HESS UND FRANK: Herr Präsident! Der Antrag auf die Einholung einer amtlichen Auskunft beim Kriegsminister wurde nur zu dem Zweck gestellt, um Unterlagen für die Glaubwürdigkeit des Zeugen Gisevius zu bekommen. Ich habe nachher noch einen Antrag auf Vernehmung des amerikanischen Kriegsministers Patterson durch einen Fragebogen gestellt, der sich mit dem gleichen Beweisthema beschäftigt und einen Tag später noch einen Antrag auf Vernehmung des Chefs des OSS, des Generals Donovan, auch durch Vernehmung im Wege eines Fragebogens. Ich glaube, daß dieser neue Antrag in Händen des Gerichts ist. Diesen weiteren Antrag habe ich nur gestellt, weil der erstbenannte Zeuge Patterson nur während einer verhältnismäßig kurzen Zeit Kriegsminister war und es vielleicht zweckmäßig erschien, daneben den Leiter dieser Organisation selbst als Zeugen zu benennen. Zur Begründung dieser Anträge nehme ich Bezug auf meine schriftliche Darstellung vom 1. Mai dieses Jahres, die ich als Anlage 1 dem Formblatt beigegeben habe, und auf die Anlage 2, die Meldung der Associated Press über diesen Vorgang. Ich möchte nur ganz kurz auf das erwidern, was Sir David Maxwell-Fyfe hier gesagt hat.

Das Tribunal ist bei der Frage, ob derartige zusätzliche Zeugen, die sich auf die Glaubwürdigkeit anderer Zeugen beziehen, zugelassen sind, nicht an irgendwelche Regeln gebunden. Weder das Statut für den Internationalen Militärgerichtshof noch die Verfahrensordnung enthalten darüber irgendwelche Bestimmungen. Es ist meines Erachtens vielmehr ausschließlich dem freien Ermessen des Gerichts überlassen, ob und unter welchen Umständen solche zusätzlichen Beweismittel, die sich auf die Glaubwürdigkeit eines Zeugen beziehen, zugelassen werden sollen oder nicht. Im deutschen Strafprozeß sind derartige Beweismittel ohne weiteres zulässig.

Nachdem aber das Tribunal in der Gestaltung des Verfahrens durch keinerlei Verfahrensvorschriften gebunden ist, sehe ich keinen Grund, warum man nun irgendwelche Verfahrensgepflogenheiten des anglo- amerikanischen Rechts hier zugrunde legen sollte, nachdem das Statut weder das anglo-amerikanische Rechtsverfahren noch das kontinental-europäische Rechtsverfahren zur Grundlage gemacht hat, sondern es sich hier um einen Prozeß und Gerichtsverfahrensgesetz handelt, das durchaus eigene Wege geht und dem Ermessen des Gerichts völlig freien Spielraum läßt.

Das ist alles, was ich dazu noch sagen wollte.

VORSITZENDER: Dr. Seidl! Einen Augenblick bitte Betreffen die Fragen, die Sie über den Zeugen Gisevius stellen wollen, nur seine Glaubwürdigkeit?

DR. SEIDL: Ich habe bereits in meinem schriftlichen Antrag ausgeführt, daß es sich für mich nicht darum handelt, ob nun gegebenenfalls der Zeuge Gisevius sich einer Handlung schuldig gemacht hat, die nach deutschem Recht vielleicht als Verbrechen des Landesverrats zu beurteilen wäre. Ich habe die Frage nur im Hinblick auf die Prüfung der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen vor diesem Tribunal gestellt.

VORSITZENDER: Das habe ich auch angenommen.

Ich möchte noch eine andere Frage stellen. Wurden diese Verträge oder Pakte, die, wie Sie sagen, zwischen der Sowjetunion und Deutschland bestanden, gedruckt veröffentlicht? Sind alle Dokumente, die Sie verwenden wollen, schon vervielfältigt und an den Gerichtshof verteilt worden?

DR. SEIDL: Herr Vorsitzender! Ich habe am 13. November dieses Jahres sechs Abschriften dieser fünf Dokumente dem Herrn Generalsekretär übergeben und habe darüber hinaus der Anklagevertretung auch eine entsprechende Anzahl von Dokumenten übergeben. Alle diese Dokumente sind mit Schreibmaschine, beziehungsweise im automatischen Verfahren vervielfältigt worden.

VORSITZENDER: Sehr gut.

DR. SEIDL: Ich darf vielleicht noch einiges hinzusetzen?

Das Gericht hat bei einer früheren Gelegenheit die erste eidesstattliche Versicherung des Botschafters Gaus als Beweismittel zugelassen. Die erste eidesstattliche Versicherung ist eine Inhaltsangabe dieser geheimen Verträge. Es ist nun meine Ansicht...

VORSITZENDER: Das weiß ich ja.

DR. SEIDL:... wenn man die Verträge selbst hat, man zu den Verträgen zurückgehen sollte und sich nicht mit einer bloßen Inhaltsangabe begnügen sollte. Wenn das Gericht es wünscht und wenn es es für notwendig erachten wird, dann wäre ich bereit, im gegenwärtigen Zeitpunkt oder zu einem späteren Zeitpunkt auf die Beweiserheblichkeit dieser Verträge hinzuweisen.

Ich habe nur acht Punkte notiert, aus denen heraus mir die Verträge beweiserheblich erscheinen, und ich darf vielleicht nur darauf hinweisen, daß diese Zusatzverträge...

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat schon angeordnet, daß diese Dokumente vorgelegt werden sollen und wird sie dann prüfen. Und da wir dies vorhaben, ist es jetzt nicht nötig, auf Einzelheiten darüber einzugehen. Wir werden darüber beraten.

DR. SAUTER: Herr Präsident! Es ist bei der Vernehmung des Angeklagten Funk ein Film vorgezeigt worden hier an der Wand und ein Affidavit eines Zeugen Puhl verlesen worden – Emil Puhl, Vizepräsident der Reichsbank. Das Gericht hat damals auf meinen Antrag beschlossen, daß dieser Zeuge Emil Puhl zum Kreuzverhör hierher kommen soll. Nun würde ich bitten, daß Sie Ihren Beschluß nach einer Richtung ergänzen. Ich halte es nämlich für zweckmäßig, daß dieser Zeuge Puhl den Film, den Sie neulich – vor einigen Tagen – an der Wand gesehen haben, auch vorgeführt bekommt, damit er sich darüber äußern kann, ob tatsächlich die Stahlkammern der Reichsbank so ausgesehen haben, wie es auf dem Film gezeigt wurde.

Deshalb würde ich Sie bitten, Herr Präsident, daß angeordnet wird, daß dieser kleine Film, der uns neulich zweimal vorgeführt wurde, auch dem Zeugen Puhl vor seiner Vernehmung gezeigt wird. Es ist das natürlich nicht notwendig in der Sitzung des Gerichts, sondern kann in Gegenwart des Herrn Staatsanwalts und in meiner Gegenwart auch außerhalb der Sitzung geschehen. Nur habe ich eben an den Zeugen Puhl verschiedene Fragen zu stellen, und dazu ist notwendig, daß er diesen Film vorher sieht. Diesen Antrag wollte ich heute stellen, damit bei der Vernehmung des Zeugen Puhl keine Hinderung eintritt.

VORSITZENDER: Kennt der Zeuge Puhl die Stahlkammern in Frankfurt, die photographiert worden sind?

DR. SAUTER: Ja.

VORSITZENDER: Er war Direktor in Berlin, nicht wahr?

DR. SAUTER: Ja. Aber ich nehme an, Herr Präsident, daß der Zeuge Puhl, der doch geschäftsführender Vizepräsident war, die Stahlkammern in Frankfurt auch kennt, und außerdem glaube ich, daß die Stahlkammern in den verschiedenen Filialen der Reichsbank alle nach demselben System gebaut und nach demselben System auch in der Praxis behandelt worden sind. Er wird ja auch dann darüber Auskunft geben können, ob diese Art der Aufbewahrung, wie sie in dem Film dargelegt wurde, wirklich so ist, wie die Reichsbank ihre Depots aufzubewahren pflegte.

VORSITZENDER: Hat die Anklagebehörde etwas zu sagen?

MR RALPH G. ALBRECHT, BEIGEORDNETER ANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Herr Vorsitzender! Ich glaube, da es sich um ein auf den Fall bezügliches Dokument handelt, würden wir es dem Zeugen sehr gerne zeigen, bevor er von Dr. Sauter ins Kreuzverhör genommen wird.

VORSITZENDER: Ja, es wäre wahrscheinlich am besten, dem Zeugen, wie Dr. Sauter vorgeschlagen hat, den Film hier im Gericht zu zeigen; nicht gerade in diesem Verhandlungssaal, sondern in einem anderen Raum.

MR. ALBRECHT: Ja, wir können das in Gegenwart der Anklagevertretung wohl machen.

VORSITZENDER: Sie können das mit Dr. Sauter vereinbaren?

MR. ALBRECHT: Jawohl, Herr Vorsitzender.

DR. SAUTER: Danke bestens.

VORSITZENDER: Dr. Sauter! Ist schon irgendeine Zeit für die Vernehmung des Zeugen Puhl verabredet worden?

DR. SAUTER: Nein, es ist nichts verabredet worden. Der Zeuge ist, soviel ich gehört habe, bereits hier. Wann er vernommen wird, weiß ich nicht; das überlasse ich ganz der Staatsanwaltschaft.

VORSITZENDER: Wann wäre es wohl am zweckmäßigsten?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mylord! Herr Dalton schlägt vor, beim Abschluß des Falles des Angeklagten Dönitz.

VORSITZENDER: Wäre das zweckmäßig? Wäre es nicht besser, die Vernehmung nach dem Fall des Angeklagten Raeder einzuschieben, da ja die beiden Fälle doch in ziemlich engem Zusammenhang stehen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn der Gerichtshof das vorzieht, so könnten wir sie nach dem Fall Raeder erledigen.

VORSITZENDER: Ich weiß nicht, ob auch Dr. Kranzbühler und Dr. Siemers das vorziehen würden.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ja.

VORSITZENDER: Vielleicht können Sie das mit ihnen vereinbaren.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gewiß, Mylord.

VORSITZENDER: Das heißt also, wir würden Puhl so bald als möglich vernehmen, entweder nach der Beweisaufnahme im Fall des Angeklagten Dönitz oder nach der Beweisaufnahme im Fall des Angeklagten Raeder – was Sie vorziehen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn es Euer Lordschaft so recht ist, werden wir das tun.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich möchte dem Gericht mitteilen, daß ich an den Anträgen, die der Kollege Stahmer für den Angeklagten Göring zur Aufklärung des Falles Katyn gestellt hat, auch mit Rücksicht auf meine Mandanten interessiert bin. Ich habe aus dem Antragsverfahren, das durch den Herrn russischen Anklagevertreter vorgenommen worden ist, entnommen, daß auch dieser Komplex zur Belastung des Generalstabs und OKW vorgetragen worden ist, obwohl keine Beweise in der Richtung vorgebracht wurden, daß diese Vorfälle auf Befehl oder unter Billigung des Generalstabs oder OKW vorgekommen sind.

VORSITZENDER: Dr. Laternser! Sind nicht vielleicht alle Angeklagten daran interessiert?

DR. LATERNSER: Ja. Ich möchte nur dem Gericht mitteilen. daß ich an den Anträgen des Kollegen Stahmer interessiert bin und bitte, ihnen stattzugeben; denn wir haben eine Aufgabenteilung vereinbart, und deswegen ist der Antrag vom Kollegen Stahmer gestellt worden. Das wollte ich dem Gericht zunächst mitteilen.

Und dann möchte ich Sie noch darauf aufmerksam machen, daß ich vor einiger Zeit, als der Kollege Nelte für den Angeklagten Keitel auf die Vernehmung des Zeugen Halder verzichtet hat, ich das Gericht darauf aufmerksam machte, daß durch diesen Verzicht meine Rechte beeinträchtigt wurden und daß der Zeuge Halder zum Kreuzverhör durch die Russische Anklagebehörde gestellt werden müsse. Mir wurde damals in Aussicht gestellt, und ich habe das Protokoll daraufhin nachgesehen, daß der Zeuge Halder zum Kreuzverhör erscheinen werde, und das Gericht wollte mir in der damaligen Sitzung, als ich darauf hingewiesen habe, in den nächsten Tagen eine Entscheidung darüber verkünden. Obwohl schon längere Zeit verstrichen ist, ist die Entscheidung noch nicht verkündet worden. Ich wollte das Gericht auf diesen Punkt aufmerksam machen.

VORSITZENDER: Über Ihre Zeugen ist noch nicht verhandelt worden, nicht wahr? Sie haben doch noch keine Anträge auf Zeugenladung gestellt? Sie sind doch nicht angeboten worden? Die Sache wurde noch nicht behandelt?

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Es taucht wieder das gleiche Mißverständnis auf, das aufgetaucht ist, als ich damals darauf aufmerksam machte, daß durch den Verzicht auf den Zeugen Halder meine Rechte beeinträchtigt würden. Es war doch so, daß damals von der Russischen Anklagebehörde ein Affidavit des Generalobersten Halder vorgelegt wurde und auf Widerspruch der Verteidigung, der damals auch in meinem Namen vorgenommen wurde, das Gericht bestimmt hat, daß der Zeuge Halder zum Kreuzverhör zu stellen sei. Und dieses Recht zum Kreuzverhör steht mir doch zu, deswegen ist es doch der richtige Zeitpunkt, daß ich das Hohe Gericht darauf aufmerksam mache.

VORSITZENDER: Ja, aber es handelt sich doch darum, wann der angemessene Zeitpunkt dazu ist. Sie werden Gelegenheit haben, ihn ins Kreuzverhör zu nehmen, die Frage ist nur, wann Sie wünschen persönlich dieses Kreuzverhör für das OKW vorzunehmen?

DR. LATERNSER: Ja.

VORSITZENDER: Wir werden darüber beraten, Dr. Laternser.

Das Gericht wird die Verhandlung jetzt vertagen.