[Zum Zeugen gewandt:]
Welchen Unterschied bedeutete der Zustand gegenüber der Blockadeerklärung vom 17. August?
WAGNER: Bezüglich der Ausdehnung des als gefährdet erklärten Gebietes bestand praktisch kein Unterschied, wie das auch seinerzeit Ministerpräsident Churchill im Unterhaus erklärte. Der Unterschied lag darin, daß wir uns bis zu diesem Zeitpunkt selbst auf die ebenerwähnten Gebiete in der Nähe der englischen Küste beschränkt hatten, während wir nunmehr die gesamte USA-Kampfzone als Operationsgebiet in Anspruch nahmen. Die Blockadeerklärung beruhte auf der Tatsache, daß inzwischen Frankreich aus dem Kriege ausgeschieden war und nunmehr England im Mittelpunkt allen Kampfgeschehens stand,
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Entsprach das deutsche Blockadegebiet in seinen Ausmaßen genau oder ziemlich genau der USA-Kampfzone?
WAGNER: Es entsprach der USA-Kampfzone fast genau; es waren nur einige kleine Begradigungen vorgenommen.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Ich überreiche noch eine weitere Seekarte als Dönitz 92, in der...
VORSITZENDER: Ich glaube, es wird ein passender Zeitpunkt sein, die Sitzung jetzt zu unterbrechen.
[Pause von 10 Minuten.]
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Vorsitzender! Ich übergebe als Dönitz 94 eine Karte des deutschen Blockadegebietes
[Zum Zeugen gewandt:]
Admiral Wagner! Wie war, um das nochmals zu wiederholen, die Abgrenzung des deutschen Blockadegebietes im Verhältnis zur USA-Kampfzone?
VORSITZENDER: Ich glaube, das haben Sie uns schon gesagt. Sie haben uns gesagt, daß das Blockadegebiet dasselbe war wie die USA-Zone, nicht wahr?
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ja, Herr Vorsitzender, ich habe gedacht, daß das vor der Pause nicht mehr richtig verstanden worden wäre.
[Zum Zeugen gewandt:]
Wie war die Seekriegspraxis auf der gegnerischen Seite im Hinblick auf Operationsgebiete? Gab es so etwas auch?
WAGNER: Jawohl, die Seekriegspraxis des Gegners war genau so wie die unsere. In den von uns kontrollierten Seegebieten der Ostsee, der östlichen Nordsee, des Skagerraks und später auch der norwegischen und französischen Gewässer, setzte der Gegner alle geeigneten Kampfmittel warnungslos ein, ohne uns vorher mitzuteilen, mit welchem Kampfmittel andere Schiffe versenkt wurden, U-Boote oder Minen oder Flugzeuge oder Überwasserschiffe. Genau so ging es dann in diesen Seegebieten den Neutralen und insbesondere den Schweden.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich möchte Ihnen jetzt vorhalten eine Erklärung des Ersten Lords der Britischen Admiralität, die abgedruckt ist auf Seite 208 im Urkundenbuch, Band 4. Es ist eine Erklärung vom 8. Mai 1940. Ich habe festgestellt, Herr Vorsitzender, daß sie bedauerlicherweise falsch abgeschrieben worden ist im britischen Urkundenbuch. Ich möchte sie deshalb aus dem Original verlesen:
»Therefore we limited our operations in the Skagerrak to the submarines. In order to make this work as effective as possible, the usual restrictions which we have imposed on the actions of our submarines were relaxed.
As I told the House, all German ships by day and all ships by night were to be sunk as opportunity served.«
(»Wir beschränken deshalb unsere Tätigkeit im Skagerrak auf Unterseeboote. Um diese Tätigkeit so wirkungsvoll wie möglich zu gestalten, wurden die dem Vorgehen unserer Unterseeboote gewöhnlich auferlegten Beschränkungen gelockert. Wie ich dem Hause gesagt habe, waren alle deutschen Schiffe bei Tag und alle Schiffe bei Nacht zu versenken, wo sich Gelegenheit dazu bot.«)
Ich übergebe dieses als Dönitz 102.
VORSITZENDER: Was ist der Unterschied, den Sie gemacht haben in dem Exemplar, das wir vor uns haben – »... alle Schiffe werden bei Tag versenkt und deutsche Schiffe bei Nacht...«. Ist das so?
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Vorsitzender! Es muß richtig heißen: »... alle deutschen Schiffe bei Tag und alle Schiffe bei Nacht...«.
VORSITZENDER: Ja, ich habe es verkehrt gesagt – »... und alle Schiffe bei Nacht...«. Ja, sehr gut.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Admiral Wagner! Was bedeutet diese Erklärung und diese Praxis für die deutschen Schiffe?
WAGNER: Es bedeutet, daß sämtliche deutschen Schiffe bei Tag und bei Nacht in diesem Seegebiet warnungslos versenkt werden sollen.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Und was bedeutet es für die neutralen Schiffe?
WAGNER: Es bedeutet, daß sämtliche neutralen Schiffe in diesem Seegebiet bei Nacht warnungslos...
VORSITZENDER: Dr. Kranzbühler! Das Dokument spricht doch sicherlich für sich selbst. Man braucht es uns nicht auslegen von einem Zeugen, der kein Jurist ist.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sehr gut.