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[Zum Zeugen gewandt:]

Können Sie bei einem dieser Daten genauer angeben, ob die anwesenden Personen richtig genannt sind, oder ob noch mehr da waren, oder ob der Admiral Dönitz gar nicht dabei war?

WAGNER: Ich kann genau angeben, daß die Liste unvollständig ist, denn es kam überhaupt nicht vor, daß entweder der Feldmarschall Keitel oder der Generaloberst Jodl im Hauptquartier nicht vorhanden waren. Hier sind aber zum Beispiel am 4. März 1945 beide nicht erwähnt; auch am 6. März nicht und auch am 8. März nicht. Daraus schließe ich, daß diese Liste keinesfalls vollständig sein kann – während an anderen Stellen wieder der Name von Jodl auftaucht, zum Beispiel am 18. März 1945.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Der entscheidende Punkt scheint mir zu sein, ob der Admiral Dönitz an allen diesen Tagen im Führerhauptquartier war. Können Sie das bestätigen?

WAGNER: Ich kann natürlich nicht aus dem Gedächtnis das bestätigen bezüglich der Richtigkeit jedes einzelnen Tages Ich habe aber den Eindruck, daß die Liste in dieser Beziehung richtig ist, denn die Häufigkeit der Besuche des Großadmirals entspricht durchaus den Angaben dieser Liste, und einige Stichproben beweisen mir, daß die Daten stimmen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Aus welchem Anlaß begab sich der Großadmiral Dönitz ins Führerhauptquartier? Was waren die Gründe?

WAGNER: Der Hauptzweck der häufigen, am Kriegsende immer häufiger werdenden Besuche des Großadmirals Dönitz war die Absicht, sich mit der Entwicklung der allgemeinen Kriegslage in enger Fühlung zu halten, damit er die Führung der Kriegsmarine und des Seekrieges entsprechend handhaben konnte. Daneben gab es häufig oder meistens auch Punkte vorzutragen oder zu besprechen, die der Großadmiral nicht aus eigener Machtvollkommenheit entscheiden konnte, die er wegen ihrer Wichtigkeit persönlich vortragen wollte oder die er mit Vertretern des OKW oder der Generalstäbe persönlich zu besprechen beabsichtigte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Fand in allen diesen Fällen ein persönlicher Vortrag des Großadmirals beim Führer statt?

WAGNER: Die Sache war folgende: Das Gros der Fragen und Vorträge für den Führer wurde vom Großadmiral im Laufe der militärischen Lagebesprechung, anläßlich des Vortrages der Seekriegslage, erledigt.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Einen Augenblick. War der Großadmiral jedesmal in der militärischen Lagebesprechung, wenn er im Führerhauptquartier war?

WAGNER: Der Großadmiral nahm mindestens an der Hauptlagebesprechung jedes Tages teil.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Was nennen Sie Hauptlage?

WAGNER: Es fand zunächst jeden Mittag eine militärische Lagebesprechung statt, die mehrere Stunden dauerte. Diese nenne ich Hauptlagebesprechung. Daneben fand teilweise monatelang, teilweise aber auch in Ausnahmefällen eine Abend- oder Nachtlage statt, an der der Großadmiral nur teilnahm, wenn zu erwarten war, daß schwerwiegende, besonders für die Kriegführung wichtige Punkte zur Sprache kamen. Dann nahm er, wie gesagt, daran teil.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie sagen nun, daß die meisten Fragen, die der Großadmiral dem Führer zu stellen hatte, in der militärischen Lage erledigt wurden. Gab es außerdem noch persönliche Vorträge?

WAGNER: Persönliche Vorträge des Großadmirals bei Hitler waren selten. Persönliche Besprechungen mit dem OKW und den übrigen militärischen Stellen im Hauptquartier waren dagegen an der Tagesordnung.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich möchte nun noch etwas Näheres von Ihnen hören über diese sogenannte Lagebesprechung.

Die Anklage stellt auch diese Lagebesprechung als eine Art Kriegskabinett hin, bei denen zum Beispiel Ribbentrop vortrug über Außenpolitik und Speer über Produktionsfragen und Himmler über Sicherheitsfragen. Ist dies richtig? Wer nahm überhaupt teil an dieser Lage? Wer nahm regelmäßig teil und wer nahm ausnahmsweise teil?

WAGNER: Die Teilnahme an der Lagebesprechung war im allgemeinen etwa folgende:

Ständige Teilnehmer: Vom OKW Feldmarschall Keitel, Generaloberst Jodl, General Buhle, Kapitän zur See Aßmann, Major Buchs und einige weitere Generalstabsoffiziere. Dann der Chef des Generalstabs des Heeres mit einem oder zwei Begleitern Meistens auch der Chef des Generalstabs der Luftwaffe mit einem Begleiter. Weitere ständige Teilnehmer: Der Chef des Heerespersonalamts, zugleich Chefadjutant beim Führer; der General Bodenschatz bis zum 20. Juli 1944; der Vizeadmiral Voß, der ständige Vertreter des Großadmirals; der Gruppenführer Fegelein als ständiger Vertreter von Himmler; Botschafter Hewel; der Gesandte Sonnleitner als ständiger Vertreter des Außenministers; der Reichspressechef Dr. Dietrich. Häufig nahmen teil: Der Oberbefehlshaber der Luftwaffe; seltener Himmler. Dazu kam eine wechselnde Teilnahme von Spezialoffizieren, hauptsächlich aus dem Generalstab des Heeres und von gerade im Hauptquartier anwesenden höheren Frontbefehlshabern des Heeres und der Luftwaffe. Außerdem nahm, gegen Ende des Krieges, in steigendem Maße der Reichsminister Speer als Rüstungsminister und in seltenen Fällen auch der Reichsaußenminister von Ribbentrop als Zuhörer an der militärischen Lagebesprechung teil.

Ich glaube, das ist die vollständige Liste.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wer trug nun bei dieser Lagebesprechung etwas vor und was wurde vorgetragen?

WAGNER: Die Lagebesprechung diente dem ausschließlichen Zweck, Hitler über die Kriegslage zu unterrichten, und zwar durch den Generalstab des Heeres über die Ostlage, durch das OKW über die Lage auf allen anderen Kriegsschauplätzen bei allen drei Wehrmachtsteilen. Die Lage wickelte sich folgendermaßen ab:

Zunächst trug der Chef des Generalstabs des Heeres die Ostlage vor, dann Generaloberst Jodl die Lage auf allen übrigen Landkriegsschauplätzen. Anschließend oder aufgeteilt auf die Kriegsschauplätze trug Kapitän zur See Aßmann vom OKW die Seekriegslage vor und schließlich, als letzter, der Major Buchs vom OKW die Luftlage.

Zwischendurch fanden häufige, oft stundenlange Besprechungen militärischer Spezialfragen, Panzertypen, Flugzeugtypen und ähnliches statt. Mit Abschluß der Luftlage, war die Lagebesprechung beendet. Wir verließen den Lageraum. Ich habe oft gesehen, daß dann der Botschafter Hewel noch mit einem Bündel Meldungen, anscheinend des Auswärtigen Amtes, an Hitler herantrat und ihm davon Kenntnis gab, ohne daß wir von dem Inhalt der Vorlage erfuhren.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wurde in der Lagebesprechung irgendwie abgestimmt oder beraten, oder wer erteilte da Befehle?

WAGNER: In dieser Lagebesprechung wurden sämtliche militärischen Fragen besprochen und häufig vom Führer militärisch entschieden, wenn nicht noch weitere Vorbereitungen für eine Entscheidung notwendig waren.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Was tat nun zum Beispiel der Außenminister von Ribbentrop da, wenn er anwesend war?

WAGNER: Ich habe Außenminister von Ribbentrop nur vielleicht fünf-, sechsmal bei der Lagebesprechung gesehen und kann mich nicht entsinnen, daß er sich während der ganzen Besprechung überhaupt geäußert hat. Er nahm lediglich zu seiner eigenen Information an der militärischen Lagebesprechung teil.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wie war es mit dem Minister Speer, was machte der?

WAGNER: Auch der Minister Speer kam mit Fragen der Rüstung während der Lage selten zu Wort. Ich weiß, daß Rüstungsfragen zwischen Hitler und Speer immer in Sonderbesprechungen behandelt wurden. Jedoch sind hier einzelne Ausnahmen möglich.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Was machte Himmler da oder sein ständiger Vertreter Fegelein? Sprachen Sie über Sicherheitsfragen, oder was war deren Aufgabe?

WAGNER: Nein, Sicherheitsfragen standen während der militärischen Lagebesprechung überhaupt nicht zur Diskussion. Himmler und sein Vertreter traten in Erscheinung, und zwar sehr viel in Erscheinung, im Zusammenhang mit der Waffen-SS, und zwar hatte Fegelein ständig Auskünfte zu geben über Aufstellung, Organisation, Bewaffnung, Transportfragen und auch den Einsatz der SS-Divisionen. Zu dieser Zeit spielten noch die SS-Divisionen, nach meinem Eindruck, eine besonders große Rolle, weil sie augenscheinlich eine besondere strategische Reserve darstellten, und die sind viel behandelt worden.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich habe hier ein von Ihnen geschriebenes Protokoll der Sitzung, das die Nummer GB-209 hat. Es ist nicht im Urkundenbuch abgedruckt. Da heißt es im dritten Abschnitt, ich lese Ihnen einen Satz vor:

»Der Vertreter des Reichsführers-SS im FHQu, SS- Gruppenführer Fegelein, übermittelt die Rückfrage des Reichsführers, wann er mit dem Eintreffen der aus Libau zuzuführenden Panther« – also Tanks – »rechnen könne.«

Ist das die typische Beschäftigung des SS-Gruppenführers Fegelein?

WAGNER: Jawohl. Diese Art Fragen wurden in jeder Lage gestellt.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Am Schlusse des Krieges ist auch Kaltenbrunner einige Male aufgetaucht. Hat er da gesprochen oder vorgetragen?

WAGNER: Ich kann mich keiner einzigen Äußerung von Kaltenbrunner während der militärischen Lage erinnern.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Welche Rolle spielte nun der Admiral Dönitz in dieser militärischen Lage?

WAGNER: Auch bei Anwesenheit des Großadmirals Dönitz wurde die Seekriegslage vom OKW-Vertreter, dem Kapitän zur See Aßmann, vorgetragen. Der Großadmiral benutzte aber die Seekriegslage, um im Zusammenhang mit den einzelnen Kriegsschauplätzen – oder zusammengefaßt am Schluß – die Fragen, die er sich vorgenommen hatte, zur Besprechung vorzutragen. Zu irgendwelchen Fragen des Landkrieges oder Luftkrieges, die mit der Seekriegsführung nichts zu tun hatten, wurde der Großadmiral weder gefragt, noch hat er sich dazu geäußert. Er hat sich in seinen Äußerungen streng auf das Gebiet der Kriegsmarine beschränkt, hat sich allerdings auch äußerst energisch verbeten, wenn jemand anderes während der Lage ihm in die Seekriegsfragen hineinzureden versuchte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Ich bin hier an einem Abschnitt. Wenn es dem Tribunal recht ist, jetzt eine Pause eintreten zu lassen...

VORSITZENDER: Gut. Wir vertagen uns.