[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]
Nachmittagssitzung.
[Der Zeuge Wagner im Zeugenstand.]
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich heute nachmittag um 4.30 Uhr vertagen, um eine geschlossene Sitzung abzuhalten.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Admiral Wagner! Im Laufe der Zeit kam zwischen Adolf Hitler und dem Großadmiral Dönitz ein enges Verhältnis zustande. Beruhte dieses Verhältnis darauf, daß der Großadmiral sich gegenüber den Wünschen des Führers besonders nachgiebig zeigte?
WAGNER: Nein, durchaus nicht. Die Tätigkeit des Großadmirals Dönitz als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine begann mit einem scharfen Gegensatz zu Hitler. Hitler hatte die Absicht, die großen Schiffe der Kriegsmarine, also die verbliebenen Schlachtschiffe und Kreuzer abzuwracken. Großadmiral Raeder hatte diese Absicht bereits abgelehnt.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Dieser Vorfall ist bereits bekannt, Herr Admiral, Sie brauchen darauf nicht weiter eingehen.
WAGNER: Gut. Außerdem lag die Achtung, die Hitler für Dönitz empfand, darin, daß jede Äußerung des Großadmirals absolut zuverlässig und absolut aufrichtig gegeben wurde. Der Großadmiral legte besonders Wert darauf, daß gerade ungünstige Entwicklungen, Mißerfolge und Fehler im Hauptquartier ohne Umschweife objektiv und unverblümt zur Sprache kamen. Ich möchte als Beispiel erwähnen, daß der Großadmiral mir den Befehl erteilt hatte...
VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß wir Beispiele dafür brauchen, die allgemeine Erklärung ist bestimmt vollkommen genügend.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Zeigte sich der Großadmiral in irgendeiner Form bereit, den politischen Wünschen des Führers oder der Partei zu entsprechen?
WAGNER: Nein. Solche Wünsche der Partei sind nach meiner Ansicht an die Kriegsmarine nur in drei Fällen herangetreten. Das erste war die Kirchenfrage, die hauptsächlich schon zur Zeit des Großadmirals Raeder spielte. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß die Kriegsmarine ihre Kirchenorganisation beibehalten und durch eine Vergrößerung entsprechend erweitert hat. Der zweite Wunsch der Partei war, nach russischem Vorbild politische Kommissare innerhalb der Wehrmacht zu schaffen. In diesem Falle ging Großadmiral Dönitz zu Hitler und verhinderte diese Absicht Als nach dem 20. Juli 1944 Bormann trotzdem erreichte, daß die sogenannten NSFO's, die Nationalsozialistischen Führungsoffiziere innerhalb der Wehrmacht eingeführt wurden, geschah dies nicht im Sinne der Partei als politische Kommissare, sondern lediglich als Offiziere, die dem Kommandeur unterstellt waren und die ihm in keiner Weise in die Führung der Truppe hineinreden durften Der dritte Fall war die Absicht der Partei, der Wehrmacht überhaupt die politischen Straffälle abzunehmen.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Dieser Fall ist auch schon bekannt, Herr Admiral.
Sie führten über die Besuche im Führerhauptquartier Protokolle. Ist das richtig?
WAGNER: Ja.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Eine Reihe von diesen Protokollen sind hier nun als Beweismittel vorgelegt worden. Bitte erläutern Sie dem Tribunal, welchen Zweck diese Protokollführung verfolgte über die Besuche der Oberbefehlshaber im Führerhauptquartier?
WAGNER: Mit diesen Protokollen sollten der Chef der Seekriegsleitung, der Chef der Marinerüstung und der Chef des Allgemeinen Marineamtes, also die drei führenden Leute des Oberkommandos der Marine über alle Vorfälle unterrichtet werden, die sich in Gegenwart des Großadmirals abgespielt haben, soweit sie irgendwie für die Kriegsmarine von Interesse waren. Das lag im Rahmen meiner Aufgaben.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie sagten eben: »Über Vorfälle unterrichten, die sich in Gegenwart des Großadmirals« ereignet hätten. Bedeutet das, daß er altes auch persönlich mitgehört haben muß, was Sie in diesem Protokoll niedergelegt haben?
WAGNER: Nicht unbedingt. Es kam öfter vor, daß der Großadmiral sich bei Lagebesprechungen, wenn sie in großen Räumen stattfanden, bei Themen, die ihn weniger interessierten, in einen anderen Teil des Raumes zurückzog und eigene Sachen erledigte oder mit anderen Teilnehmern Marinefragen besprach. Bei dieser Gelegenheit konnte es durchaus vorkommen, daß ich Dinge gehört und protokolliert habe, die der Großadmiral persönlich nicht gehört hatte. Er erfuhr sie dann allerdings spätestens durch mein Protokoll.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich lasse Ihnen das von Ihnen geführte Protokoll über Besprechungen am 20. Februar 1945 schicken. Es hat die Nummer GB-209 und ist im Dokumentenbuch der Anklage abgedruckt auf Seite 68. Es betrifft Erwägungen über den Austritt aus der Genfer Konvention. Bitte, schildern Sie einmal diesen Hergang dieser ganzen Angelegenheit, so wie Sie ihn in Erinnerung haben.
WAGNER: Etwa zwei bis drei Tage vor dem Datum dieses Protokolls also etwa am 17. oder 18. Februar 1945 wurde ich von Admiral Voß aus dem Hauptquartier angerufen, das sich damals in Berlin befand, und mir wurde mitgeteilt, daß Hitler im Zusammenhang mit der angelsächsischen Propaganda zum Überlaufen unserer Truppen im Westen die Absicht geäußert habe, aus der Genfer Konvention auszutreten.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Was sollte das bezwecken?
WAGNER: Nach diesem ersten Eindruck, den ich damals hatte, augenscheinlich den Truppen und dem deutschen Volke zum Ausdruck zu bringen, daß die Gefangenschaft keine Vorteile mehr brächte. Nun habe ich daraufhin sofort die Seekriegsleitung angerufen, da ich diese Absicht für völlig falsch hielt und um ein militärisches und völkerrechtliches Gutachten gebeten. Am 19., bei Teilnahme an der Lage, kam Hitler wieder auf diese Frage zu sprechen, und zwar diesmal nicht im Zusammenhang mit den Angelegenheiten der Westfront, sondern mit den Luftangriffen der Westgegner auf offene deutsche Städte – die Angriffe auf Dresden und Weimar waren gerade gewesen. Er beauftragte den Großadmiral, die Folgen eines Austritts aus der Genfer Konvention vom Standpunkt der Seekriegführung aus zu prüfen; eine sofortige Antwort wurde nicht erwartet und auch nicht gegeben Der Generaloberst Jodl war ebenfalls aufs schärfste gegen diese Absicht eingestellt und suchte die Unterstützung des Großadmirals.
Daraufhin wurde eine Besprechung vereinbart; das ist die Besprechung, von der dieses Protokoll unter Ziffer 2 spricht.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das ist die Besprechung vom 20. Februar, Herr Admiral?
WAGNER: Ja.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wer nahm an dieser Besprechung teil?
WAGNER: Großadmiral Dönitz, Generaloberst Jodl, Botschafter Hewel und ich.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Was war der Gegenstand?
WAGNER: Der Gegenstand war die Absicht des Führers, aus der Genfer Konvention auszutreten.
Das Ergebnis war die einstimmige Auffassung aller Beteiligten, daß dieser Schritt ein Fehler sei, neben militärischen Gründen vor allem deswegen, weil ein Austritt aus der Genfer Konvention nach unserer Überzeugung sowohl bei der Wehrmacht wie beim deutschen Volk das Vertrauen zur Führung untergraben mußte, weil die Genfer Konvention als der Inbegriff des Völkerrechts allgemein galt.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Nun findet sich in Ihrem Vermerk der Satz: »Man müßte für notwendig gehaltene Maßnahmen ohne Ankündigung treffen und nach außen hin auf alle Fälle das Gesicht wahren.« Was soll dieser Satz bedeuten?
WAGNER: Dieser Satz soll bedeuten, daß auf keinen Fall irgendwelche wilden Sachen gemacht werden sollten. Wenn die oberste Führung es für notwendig hielt, Gegenmaßnahmen gegen die Luftangriffe des Gegners auf offene deutsche Städte oder gegen die Überlaufpropaganda im Westen zu ergreifen, so sollte man sich im Rahmen des dafür notwendig und berechtigt erscheinenden Maßes halten. Man sollte nicht durch globale Kündigung sämtlicher Genfer Abkommen vor der Welt und vor dem eigenen Volke sich selbst ins Unrecht setzen und Maßnahmen ankündigen, die weit über den Rahmen des notwendig und berechtigt Erscheinenden hinausgehen.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wurde dabei von irgendwelchen konkreten Maßnahmen gesprochen oder an solche konkreten Maßnahmen gedacht?
WAGNER: Nein. Ich kann mich genau entsinnen, daß über irgendwelche Einzelmaßnahmen während der verschiedenen Besprechungen überhaupt nicht gesprochen worden ist. Es handelte sich lediglich um die globale Frage: Aus der Genfer Konvention auszutreten oder nicht?
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ist Ihnen irgend etwas bekanntgeworden über eine angebliche Absicht Adolf Hitlers, als Vergeltung für den Luftangriff auf Dresden, 10000 Kriegsgefangene zu erschießen?
WAGNER: Nein, davon habe ich nie etwas gehört.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Bedeutet der Ausdruck »das Gesicht wahren« nicht irgendeine Heimlichkeit, das Verschweigen der wahren Tatsachen?
WAGNER: Meines Erachtens ist es gewiß, daß eine Heimlichkeit in keinem Fall in Frage kommen konnte, denn weder eine Gegenmaßnahme gegen die Luftangriffe noch eine Abschreckungsmaßnahme gegen Überlaufen konnte wirksam werden, wenn man sie verheimlichte.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wie lange hat dieses ganze Gespräch gedauert, das Sie hier protokolliert haben?
WAGNER: Ich bitte um Auskunft, um welches Gespräch es sich handeln soll.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das Gespräch vom 20. Februar, in dem sich die Sätze befinden, die ich Ihnen eben vorgelesen habe.
WAGNER: Das wird 10 Minuten oder eine Viertelstunde gewesen sein.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ihr Protokoll bedeutet also eine starke Zusammenfassung des Inhalts?
WAGNER: Jawohl. Es sind nur Stichworte aufgenommen worden.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Hat Admiral Dönitz seine ablehnende Auffassung nun dem Führer auch vorgetragen?
WAGNER: Nach meiner Erinnerung ist es dazu nicht gekommen. Man kam zu der Überzeugung, daß Hitler schon bei seiner Fragestellung an den Großadmiral aus den Mienen des Großadmirals und der Haltung der übrigen Beteiligten die glatte Ablehnung seiner Ansicht entnommen hatte. Wir haben dann unsere Stellungnahme noch schriftlich an das OKW gegeben und haben weiter von der ganzen Sache nichts mehr gehört.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich gebe Ihnen jetzt ein anderes Protokoll, das unter GB-210 eingereicht ist. Es ist auf der nächsten Seite des Urkundenbuches der Anklage und betrifft Besprechungen im Führerhauptquartier vom 29. Juni bis 1. Juli 1944.
Am 1. Juli finden Sie dort eine Eintragung, die lautet: »Der Führer äußert im Zusammenhang mit dem Generalstreik in Kopenhagen, daß Terror nur mit Gegenterror bekämpft werden könne.« Ist diese Äußerung gefallen in einem Gespräch zwischen Hitler und Admiral Dönitz oder in welchem Zusammenhang?
WAGNER: Das ist eine Äußerung Hitlers während der Lagebesprechung, die weder an Großadmiral Dönitz noch überhaupt an die Kriegsmarine gerichtet war.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wenn sie nicht an die Kriegsmarine gerichtet war, weshalb haben Sie sie dann ins Protokoll aufgenommen?
WAGNER: Ich habe alle Äußerungen im Protokoll aufgenommen, die irgendwie von Interesse für die Kriegsmarine sein konnten; denn das Oberkommando der Kriegsmarine war an dem Generalstreik in Kopenhagen naturgemäß interessiert, weil in Kopenhagen unsere Schiffe repariert wurden und außerdem Kopenhagen ein Seestützpunkt war.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: An wen ist dieses Protokoll hier von Ihnen weitergegeben worden, wer ist der Empfänger?
WAGNER: Nach dem Verteiler, der auf Seite 4 angegeben ist, hat nur der Oberbefehlshaber und die erste Abteilung der Seekriegsleitung das Papier bekommen.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Hatte die Seekriegsleitung irgend etwas mit der Behandlung der Werftarbeiter in Dänemark zu tun?
WAGNER: Nein, gar nichts. Die Werften unterstanden seit 1943 ausschließlich dem Rüstungsministerium.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Die Anklage sieht in dieser Äußerung und der Weitergabe der Äußerung an eine Abteilung des Oberkommandos eine Aufforderung zur rücksichtslosen Behandlung von Landeseinwohnern. Entspricht das irgendwie dem Sinne eines solchen Protokolls?
WAGNER: Davon kann gar keine Rede sein. Das Protokoll diente lediglich den Stellen der Oberkommandos zur Unterrichtung.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich übergebe Ihnen nun ein anderes Dokument, das die Nummer US-544 trägt. Es ist abgedruckt im Urkundenbuch der Anklage auf den Seiten 64 und 65. Es ist ein Vermerk des völkerrechtlichen Referenten in der Seekriegsleitung über die Behandlung von Saboteuren. Kennen Sie diesen Vermerk?
WAGNER: Ja, ich habe ihn auf der ersten Seite abgezeichnet.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Am Schluß des Vermerks steht der Satz:
»Für den Marinebereich bleibt zu prüfen, ob der Vorgang nicht dazu zu benutzen ist, um nach Vortrag bei dem Ob. d. M. sicherzustellen, daß über die Behandlung der Angehörigen von Kommandotrupps bei allen daran interessierten Stellen volle Klarheit besteht.«
Ist es zu diesem Vortrag beim Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, das war also damals seit 10 Tagen der Großadmiral Dönitz, gekommen?
WAGNER: Nein, zu diesem Vortrag ist es nicht gekommen, wie aus den verschiedenen Vermerken am Kopf des Schreibens hervorgeht.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Bitte, erläutern Sie das einmal.
WAGNER: Der Völkerrechts-Referent der Seekriegsleitung I i machte diesen Vorschlag über den Operations-Referenten I a an mich, als Chef der Operations- Abteilung. Der I a hat in einem handschriftlichen Vermerk neben seine Abzeichnung geschrieben: »Die unterstellten Befehlshaber haben Kenntnis«. Er hat also gegen den Vorschlag des Völkerrechts-Referenten Stellung genommen, er hielt eine Erläuterung der Befehle innerhalb der Kriegsmarine für überflüssig. Ich habe diese Angelegenheiten geprüft, bin zur Entscheidung gekommen, daß dem Operations-Referenten recht zu geben sei; habe mir den Völkerrechts-Referenten Dr. Eckardt kommen lassen, ihn mündlich von meiner Entscheidung in Kenntnis gesetzt und ihm dieses Papier zurückgegeben. Damit entfiel auch der hier im Zusammenhang mit den Erläuterungen zu diesem Befehl gemachte Vorschlag eines Vertrags beim Ob.d.M.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Erinnern Sie sich, ob Großadmiral Dönitz bei irgendeiner späteren Gelegenheit Vortrag erhalten hat über den Kommandobefehl?
WAGNER: Nein, ich kann mich daran nicht erinnern.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ihnen ist von mir vorgelegt worden das Protokoll GB-208 über den Fall des Motor-Torpedobootes in Bergen. Es ist der Fall, der im britischen Urkundenbuch auf Seite 66/67 abgedruckt ist. Haben Sie von diesem Vorfall vor diesem Verfahren jemals etwas gehört?
WAGNER: Nein, erstmalig bei den Vernehmungen im Zusammenhang mit diesem Verfahren.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Aus den Akten des britischen Kriegsgerichts, die von der Anklage hier im Kreuzverhör vorgelegt worden sind, habe ich entnommen, daß vor der Erschießung der Besatzung dieses Motor-Torpedobootes zwei Telephongespräche stattgefunden haben, und zwar zwischen dem Führer des Sicherheitsdienstes in Bergen und dem SD Oslo und zwischen dem SD Oslo und Berlin. Können Sie sich entsinnen, ob ein solches Gespräch des SD Oslo mit Ihnen oder einem Ihrer Sachbearbeiter im Oberkommando der Kriegsmarine geführt worden ist?
WAGNER: Mit mir ist ein solches Gespräch keinesfalls geführt worden; auch nach meiner Kenntnis nicht mit einem anderen Offizier meiner Abteilung oder des Oberkommandos.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Halten Sie es überhaupt für möglich, daß der SD Oslo sich mit dem Oberkommando der Kriegsmarine in Verbindung setzte?
WAGNER: Nein, ich halte es für völlig ausgeschlossen. Wenn der SD Oslo sich mit jemand als Zentralstelle in Berlin in Verbindung setzt, so nur mit seiner eigenen vorgesetzten Behörde, dem Reichssicherheitshauptamt.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich halte Ihnen jetzt ein anderes Dokument vor, und zwar GB-212, das abgedruckt ist auf Seite 75 des Urkundenbuches der Anklage. Dort ist ein Beispiel erwähnt von einem Lagerführer eines deutschen Kriegsgefangenenlagers. Es heißt dort, daß er Kommunisten plötzlich und unauffällig von der Bewachung umlegen ließ, die sich in der Lagerbesetzung bemerkbar machten. Ist Ihnen dieser Vorfall als solcher bekannt?
WAGNER: Ja, ein solcher Vorfall ist mir bekannt, und zwar erhielten wir die Meldung, ich glaube durch einen ausgetauschten Schwerverletzten, daß der Kommandant, der deutsche Kommandant eines Gefangenenlagers in Australien, in dem sich die Besatzung des Hilfskreuzers »Cormoran« befand, einen Mann seiner Besatzung hatte heimlich umbringen lassen, weil er sich als Spitzel und Vaterlandsverräter betätigt hatte.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: In diesem Befehl steht nun aber nichts von Spitzel, sondern es steht da etwas von Kommunist. Wie ist das zu erklären?
VORSITZENDER: Es steht nicht Kommunist, sondern Kommunisten, im Plural.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Kommunisten, Plural.
WAGNER: Nach meiner Auffassung ist es nur dadurch zu erklären, daß man den wahren Sachverhalt verschleiern wollte, um dem feindlichen Nachrichtendienst keine Möglichkeit zu geben, dem Fall nachzugehen und damit dem genannten Oberfeldwebel Schwierigkeiten zu machen. So hat man eine andere Darstellung gewählt.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Die sowjetische Anklage war der Auffassung, daß daraus ein Plan zu entnehmen war über die unauffällige Beseitigung von Kommunisten überhaupt. Können Sie aus der Entstehung dieses Befehls etwas darüber sagen, ob ein solcher Plan bestand und überhaupt diskutabel war?
WAGNER: Zunächst war dieser Befehl gerichtet an die Personalstelle, die die Auswahl des Offiziers- Nachwuchses und Unteroffiziers-Nachwuchses innerhalb der Kriegsmarine zu erledigen hatte. Das waren etwa sechs bis sieben Personalstellen. Darüber hinaus kann ich nur sagen, daß selbstverständlich...
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Einen Augenblick, Herr Admiral, bitte.
VORSITZENDER: Dr. Kranzbühler! Ist es notwendig, auf alle diese Einzelheiten einzugehen? Die Frage hier ist: Gab es bezüglich der Beseitigung von solchen Leuten einen Befehl oder nicht – aber nicht alle Einzelheiten, wie dieser Befehl zustande kam.
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich werde die Frage dann so stellen: