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[Pause von 10 Minuten.]

DR. SIEMERS: Herr Admiral! Ich lege Ihnen jetzt die Urkunde C-124 vor.

Herr Präsident! C-124 ist gleich USSR-130. Es handelt sich hierbei um ein Schreiben der Seekriegsleitung vom 29. September 1941 an die Gruppe Nord. Betreff: Zukunft der Stadt Petersburg. In dieser Mitteilung an die Gruppe Nord steht drin, daß der Führer sich entschlossen habe, die Stadt Petersburg vom Erdboden verschwinden zu lassen. Mit dieser Mitteilung hat die Marine an sich gar nichts zu tun, trotzdem wurde sie aber an die Gruppe Nord geschickt.

[Zum Zeugen gewandt:]

Ich komme darauf gleich noch zurück, Herr Zeuge. Ich möchte Sie vorher nur fragen – Sie haben die Photokopie des Originals dort – und bitte Sie mir zu sagen, ob Raeder dieses Schreiben überhaupt vor seinem Abgang gesehen haben kann?

WAGNER: Entsprechend meinen vorherigen Ausführungen hat der Großadmiral Raeder dieses Schreiben nicht gesehen, da es keinerlei entsprechenden Vermerk und keinerlei entsprechende Abzeichnung enthält.

DR. SIEMERS: Und nun die wichtigere Frage hierzu: Angesichts der ungeheuerlichen Mitteilung, die von Hitler in der Ziffer 2 erwähnt ist, warum hat die Seekriegsleitung diese Mitteilung überhaupt weitergegeben, obwohl die Marine an sich nichts damit zu tun hatte?

WAGNER: Die Seekriegsleitung hatte beantragt, daß bei einer Beschießung von Leningrad, bei der Besetzung oder beim Angriff auf diese Stadt die Hafenanlagen, die Werftanlagen und alle besonderen Marineanlagen geschont werden möchten, damit man sie später als Stützpunkte benutzen konnte. Dieser Antrag wurde durch die Äußerung Hitlers, wie in diesem Schreiben niedergelegt wird, abgelehnt, wie aus Ziffer 3 des Schreibens hervorgeht.

Wir mußten diese Tatsache dem Admiral Carls mitteilen, damit er sich darauf einstellt, daß er auch im Falle einer späteren Besetzung von Leningrad mit diesem Hafen als Stützpunkt nicht rechnen konnte.

DR. SIEMERS: Ich darf wegen der Bedeutung dieser Aussage dem Gericht eben zitieren den entscheidenden Punkt, auf den der Zeuge hingewiesen hat, das ist III vom USSR-113. Ich zitiere:

»Die ursprünglichen Forderungen der Marine auf Schonung der Werft, Hafen und sonstigen marinewichtigen Anlagen sind dem Oberkommando der Wehrmacht bekannt. Ihre Erfüllung jedoch angesichts der Grundlinie des Vorgehens gegen Petersburg nicht möglich.«

Das war also der entscheidende Punkt, den die Seekriegsleitung Generaladmiral Carls als Oberbefehlshaber Gruppe Nord mitteilte.

WAGNER: Das war der ausschließliche Grund für dieses Schreiben!

DR. SIEMERS: Wissen Sie, ob Generaladmiral Carls irgendwas mit diesem Schriftstück unternommen hat? Ist das irgendwie weitergegeben von ihm, oder ist Ihnen darüber nichts bekannt?

WAGNER: Soweit ich informiert bin, ist dieses Schreiben nicht weitergegeben worden, und es lag auch keineswegs eine Absicht vor, daß es weitergegeben werden sollte, denn es war ausschließlich für die Gruppe Nord bestimmt. Auf Grund dieses Schreibens hat Generaladmiral Carls die Vorbereitungen, die für eine spätere Inbetriebnahme der Leningrader Marine- Angelegenheiten bereits getroffen waren und für diesen Zweck bereitgestellt waren, aufgehoben und das Personal für andere Zwecke zur Verfügung gestellt. Das ist die einzige Maßnahme, die von seiten der Kriegsmarine auf Grund dieses Schreibens getroffen wurde und getroffen werden konnte.

DR. SIEMERS: Ich darf dem Hohen Tribunal mitteilen, daß ich dementsprechend in meinem Dokumentenbuch Raeder unter Nummer 111 ein Affidavit überreichen werde, das diese Tatsache bestätigt, an die auch der Zeuge erinnert, nämlich, daß von der Gruppe Nord aus nichts weitergegeben ist, so daß die führenden Seeoffiziere niemals etwas von diesem Schriftstück erfahren haben. Es handelt sich dabei um ein Affidavit von Admiral Bütow, der seinerzeit Befehlshaber in Finnland war. Ich komme darauf zurück, wenn ich meinen Fall Großadmiral Raeder vortrage.

Ich habe dann keine weiteren Fragen an den Zeugen.

VORSITZENDER: Wünscht irgend ein anderer Verteidiger Fragen an den Zeugen zu stellen?