[Zum Zeugen gewandt:]
Wollen Sie sich den dritten Absatz ansehen:
»Die Kriegsmarine kommt zum Ergebnis, daß das mit den vorhandenen Kräften erreichbare größte Maß an Schädigung Englands nur zu erzielen ist, wenn den U- Booten der uneingeschränkte warnungslose Waffeneinsatz in einem auf der beiliegenden Karte bezeichneten Sperrgebiet gegen feindliche und neutrale Schiffe freigegeben wird.«
Sagen Sie immer noch, daß Sie nicht von Beginn des Krieges an die Absicht hatten, neutrale Schiffe warnungslos zu versenken, sobald Sie Hitlers Zustimmung dazu erhielten? Sagen Sie das noch immer?
WAGNER: Jawohl, durchaus. In diesem Schreiben steht im ersten Absatz drin: »In den anliegenden, vom OKW der Kriegsmarine übersandten Unterlagen wird die Frage des uneingeschränkten U-Bootkrieges gegen England erörtert.« Ich kann diese Unterlagen nicht beurteilen, wenn ich sie nicht zur Kenntnis bekomme.
OBERST PHILLIMORE: Sie waren damals im Generalstab. Sie waren der Leiter der Abteilung Ia. Diese Ansicht wurde doch von Ihrer Abteilung vertreten. Nicht wahr?
WAGNER: Jawohl. Ich sagte ja schon, wir waren entschlossen, nach Rücksprache mit dem Auswärtigen Amt uns so lange strikt an das Londoner Protokoll zu halten, bis wir Beweise in der Hand haben, daß die englische Handelsschiffahrt militärisch gesteuert und militärisch eingesetzt sei. Hier handelt es sich augenscheinlich lediglich um eine Unterrichtung und einen Meinungsaustausch mit dem Auswärtigen Amt...
OBERST PHILLIMORE: Ich habe Sie nicht nach Ihrer allgemeinen Ansicht über dieses Dokument gefragt, das können wir selbst lesen. Ihr Ziel war, die kleinen neutralen Staaten zu terrorisieren und sie davon abzuschrecken, auf rechtmäßige Fahrt zu gehen. Stimmt das?
WAGNER: Nein.
OBERST PHILLIMORE: Ist das nicht der Grund, warum in dem Befehl, den Sie im Januar 1940 herausgegeben haben, die größeren Länder von diesem Risiko, warnungslos versenkt zu werden, ausgenommen sind? Schauen Sie sich das Dokument C-21 an. Das ist GB-194, auf Seite 30 im englischen Dokumentenbuch der Anklagebehörde; Seite 59-60 im deutschen Dokumentenbuch. Schauen Sie sich einmal den zweiten Eintrag auf Seite 5 an, vom 2. Januar 1940. »Bericht von Ia.« Das sind doch Sie, nicht wahr? Das waren Sie, stimmt das nicht?
WAGNER: Ja, ich kann aber das nicht finden, was Sie da zitieren.
OBERST PHILLIMORE: Auf Seite 5 des Originals unter dem Datum 2. Januar 1940. Bericht von Ia über die Weisung der Wehrmacht – des Oberkommandos –, datiert den 30 Dezember, bezüglich verschärfter Maßnahmen im See- und Luftkrieg im Zusammenhang mit dem Fall »Gelb«.
»Die Kriegsmarine wird mit dieser Weisung bei Beginn der allgemeinen Verschärfung des Krieges die warnungslose Versenkung aller Schiffe durch U-Boote in den Seegebieten vor den feindlichen Küsten freigeben, in denen die Verwendung von Minen möglich ist. Nach außen hin ist in diesem Falle der Einsatz von Minen vorzutäuschen. Verhalten und Waffenverwendung der U-Boote soll dem Rechnung tragen.«
Das hat nichts mit der Bewaffnung englischer Handelsschiffe zu tun. Das ist nicht der angeführte Grund, nicht wahr? Der Grund ist, daß es in Ihre Operationen für Fall »Gelb« paßte.
WAGNER: Ich habe den letzten Satz nicht verstanden.
OBERST PHILLIMORE: Sie geben nicht als Ihren Grund an, daß die Engländer ihre Handelsschiffe bewaffneten. Der Grund, den Sie anführen, ist, daß es notwendig war im Zusammenhang mit den verschärften Maßnahmen für Fall »Gelb«. Warum?
FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Die deutsche Übersetzung ist so schlecht, daß es kaum möglich ist, die Fragen zu verstehen.
OBERST PHILLIMORE: Ich stelle Ihnen die Frage noch einmal.
Der Vorwand für diese Weisung ist, daß die Verschärfung der Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Fall »Gelb« stehen. Sie sehen doch, nicht wahr, daß nichts von der Bewaffnung englischer Handelsschiffe, um diesen Schritt zu begründen, hier steht. Das ist doch richtig?
WAGNER: Ich erbitte mir, erst die Papiere in Ruhe durchlesen zu dürfen.
OBERST PHILLIMORE: Natürlich. Das haben Sie doch selbst geschrieben.
WAGNER: Nein, das ist nicht von mir geschrieben worden. Ja, diese Maßnahme hielt sich ja tatsächlich innerhalb der Warnungen, die wir den Neutralen am 24. November 1939 haben zukommen lassen.
OBERST PHILLIMORE: Es steht nichts über die Warnung vom 24. November darin. Wenn Sie diese dazu berechtigte, wie Sie sagten, neutrale Schiffe zu versenken, dann brauchten Sie doch diese Sonderweisung nicht. Stimmt das nicht?
WAGNER: Nein.
OBERST PHILLIMORE: Nein. Also werden wir...
WAGNER: Wir haben hier aus militärischen und politischen Gründen befohlen, daß Minentreffer vorgeschützt werden sollen, das ist eine besondere Note dieses Befehls.
OBERST PHILLIMORE: Bevor wir dieses Dokument als erledigt betrachten, sehen Sie sich die Eintragung vom 18. Januar an. Haben Sie es gefunden, 18. Januar?
WAGNER: Ja.
OBERST PHILLIMORE: Das ist der wirkliche Befehl zur warnungslosen Versenkung. Sie sehen im letzten Satz: »Ausgenommen von diesen Angriffen bleiben die Schiffe USA, Italien, Japan und Rußland.« Und dann wird noch Spanien hinzugefügt, in Bleistift.
Ist es nicht richtig, daß Sie darauf aus waren, die kleinen neutralen Staaten zu terrorisieren und einzuschüchtern? Aber Sie wollten kein Risiko mit den großen neutralen Staaten eingehen.
WAGNER: So ist es nicht. Es ist aber so zu erklären selbstverständlich, daß man militärische Nachteile in Kauf nimmt, wenn man dafür politische Vorteile einhandeln kann.
OBERST PHILLIMORE: O ja. Es war also einfach eine Frage, wie es sich politisch am besten für Sie bezahlt machte. Das war alles, nicht wahr?
WAGNER: Selbstverständlich waren alle Kriegshandlungen von dem politischen Interesse des eigenen Landes stark beherrscht.
OBERST PHILLIMORE: Und weil die Dänen und Schweden nicht in der Lage waren, irgendwelche ernsten Proteste zu erheben, haben Sie deren Schiffe ohne Warnung versenkt? Das stimmt, nicht wahr?
WAGNER: Die Begründung dieses Vorgehens ist keineswegs richtig.
OBERST PHILLIMORE: Was ist der Unterschied?
WAGNER: Wir haben die Schiffe aller Neutralen in diesen Gebieten versenkt, mit Ausnahme derjenigen, bei denen ein bestimmtes politisches Interesse vorlag.
OBERST PHILLIMORE: Ja, aber Sie hatten zu der Zeit kein politisches Interesse an Norwegen, Schweden und Dänemark, und Sie haben deshalb deren Schiffe ohne Warnung versenkt. Richtig, nicht wahr?
WAGNER: Wir haben sie versenkt, weil sie sich trotz Warnung in diese Gebiete begaben.
OBERST PHILLIMORE: Ja, aber wenn ein russisches Schiff oder japanisches Schiff in diese Gewässer gekommen wäre, hätten Sie es nicht versenkt?
WAGNER: Nein, zu diesem Zeitpunkt nicht.
OBERST PHILLIMORE: Ich will Ihnen nur zeigen, was Sie wirklich taten. Sehen Sie sich Dokument D-846 und 847 an.
Euer Lordschaft! Es sind zwei neue Dokumente D-846 und 847. Sie werden als GB-452 und 453 eingereicht werden.