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[Zum Zeugen gewandt:]

Sehen Sie sich bitte das erste Dokument D-846 an. Es ist ein Telegramm von Ihrem Botschafter in Kopenhagen, datiert den 26. September 1939. Das ist vor Ihrer ersten Warnung und bevor jene Zonen als Gefahrenzonen bezeichnet wurden.

Der zweite Satz:

»Versenkung schwedischer und finnischer Schiffe durch unsere Unterseeboote haben hier lebhafte Besorgnisse wegen der dänischen Lebensmitteltransporte nach England hervorgerufen.«

Also, Sie begannen mit der Versenkung von Schiffen kleiner neutraler Länder schon in den ersten drei Wochen des Krieges, nicht wahr?

WAGNER: In Einzelfällen, ja, aber dann hat es immer seinen ganz besonderen Grund gehabt, und mir ist bekannt, daß verschiedene Fälle gerade mit dänischen und schwedischen Schiffen vorgekommen sind, wo Schiffe sich gegen die U-Boote gewendet haben und die U-Boote gezwungen waren, wegen dieses Widerstandes diese Schiffe anzugreifen.

OBERST PHILLIMORE: Sie glauben doch nicht etwa, daß dies geschah, weil man die Minen dafür verantwortlich machen konnte?

WAGNER: Zu diesem Zeitpunkt keineswegs.

OBERST PHILLIMORE: Sehen Sie sich bitte das zweite Telegramm an vom 26. März 1940. Es ist wieder vom deutschen Gesandten in Kopenhagen. Ich lese den ersten Absatz:

»König von Dänemark ließ mich heute zu sich bitten, um mir zu sagen, welchen tiefen Eindruck die anscheinend warnungslose Versenkung sechs dänischer Schiffe in voriger Woche auf ihn und das ganze Land gemacht habe.«

Ich übergehe zwei Sätze:

»Ich erwiderte, daß die Ursachen des Untergangs noch nicht geklärt seien. Auf jeden Fall hielten sich unsere Streitkräfte immer streng an Prisenordnung, aber Schiffe, die sich im feindlichen Geleit oder in dessen Nähe auf Fahrt begeben, nähmen alle Gefahren des Krieges auf sich; soweit etwaige Versenkungen warnungslos erfolgt seien, schienen sie nach den bisherigen deutschen Verlautbarungen hierauf zurückzuführen. Zugleich betonte ich Gefährlichkeit Gewässer vor englischer Küste, wo neutrale Schiffahrt durch englische Maßnahmen zwangsläufig in kompromittierende Situation gebracht würde. König versicherte mit Nachdruck, daß keines der dänischen Schiffe im Konvoi gefahren sei, aber Vorgänge, die zu Untergang geführt hätten, würden sich wohl niemals nachträglich einwandfrei aufklären lassen.«

Hegen Sie irgendwelche Zweifel, daß diese sechs Schiffe vorsätzlich versenkt wurden, und zwar auf Grund Ihrer Politik der warnungslosen Versenkung?

WAGNER: Ich kann ohne Nachprüfung der einzelnen Fälle diese Frage nicht beantworten. Jedoch bin ich der Auffassung, daß sie möglicherweise versenkt sind in dem Seegebiet vor den englischen Küsten, wo durch eine starke militärische Sicherung von einem freien Meer nicht mehr die Rede sein konnte.

OBERST PHILLIMORE: Sehr schön. Wir werden zu einem Fall kommen, wo ich glaube, Ihnen die Einzelheiten schildern zu können. Wollen Sie sich bitte Dokument D-807 ansehen?

Euer Lordschaft! Es ist ein neues Dokument, es wird als GB-454 eingereicht.

[Zum Zeugen gewandt:]

Sehen Sie, dieses Dokument ist vom 31. Januar 1940 datiert, und es bezieht sich auf die Versenkung dreier neutraler Schiffe: »Deptford«, »Thomas Walton« und »Garoufalia«.

Das Dokument besteht aus drei Teilen. Der erste Teil führt die Tatsachen auf, wie sie Ihnen bekannt waren. Der zweite Teil enthält eine Note an das Auswärtige Amt, und der dritte Teil ist der Entwurf für eine Antwort, die Ihr Auswärtiges Amt den neutralen Regierungen übermitteln sollte, und wenn Sie sich das Ende des Dokuments ansehen wollen, dann sehen Sie »Ia«; das stammt also aus Ihrer Abteilung.

»Es wird vorgeschlagen, bei Beantwortung der norwegischen Noten nur die Versenkung des Dampfers ›Deptford‹ durch ein deutsches U-Boot zuzugeben, die Ver senkung der beiden anderen Dampfer dagegen abzuleugnen.«

Wollen Sie bitte folgen?

»Nach den von der Norwegischen Regierung den Noten beigegebenen Unterlagen scheinen zwar die Verdachtsgründe dafür, daß die Ursache des Unterganges ein Torpedo war, in allen drei Fällen dieselbe Stärke zu haben. Nach der Rede des norwegischen Außenministers vom 19. 1. scheint jedoch in Norwegen der Verdacht der Torpedierung durch ein deutsches U-Boot beim Dampfer ›Deptford‹ am stärksten zu sein, während in den anderen Fällen mindestens vorgegeben wird, daß mit der Möglichkeit von Minentreffern gerechnet wird, bei dem Dampfer ›Deptford‹ aber schon deshalb für unwahrscheinlich gehalten, weil dieselbe Stelle von anderen Fahrzeugen passiert worden war.

Beim Dampfer ›Thomas Walton‹ läßt sich die Vermutung eines Minentreffers aufrechterhalten, da die Torpedierung gegen Abend erfolgte und nichts gesehen wurde und da ferner in derselben Gegend infolge von Fehlschüssen mehrere Detonationen erfolgten.

Beim Dampfer ›Garoufalia‹ scheint eine Ableugnung schon deshalb zweckmäßig, weil es sich um einen neutralen Dampfer handelte, der warnungslos angegriffen wurde. Da er mit Eto angegriffen wurde, konnte eine Torpedo-Laufbahn nicht gesehen werden.«

Wollen Sie angesichts dieser Einzelheiten noch behaupten, daß Sie die neutralen Staaten nicht getäuscht haben? Das ist doch der Vorschlag, den Sie dem Angeklagten Raeder als sein Stabsoffizier machten, nicht wahr?

WAGNER: Dieses Schreiben stammt nicht von mir, sondern stammt aus Iia.

OBERST PHILLIMORE: Woher stammt es?

WAGNER: Das ist der Hilfsarbeiter des Völkerrechtsreferenten.

OBERST PHILLIMORE: Sie hätten es also nicht gesehen?

WAGNER: Mir ist dieses Schreiben nicht erinnerlich.

OBERST PHILLIMORE: Warum sagen Sie, daß es aus Iia stammt? Es hat doch Ia am Ende.

WAGNER: Wenn das Schreiben ausgegangen ist, dann habe ich es auch gesehen...

OBERST PHILLIMORE: Ich werde einmal den nächsten Teil der Note verlesen, damit Sie sich erinnern. »Die folgenden Tatsachen wurden festgestellt«: – Das schreiben Sie an das Auswärtige Amt – »Der Dampfer ›Deptford‹ ist am 13. Dezember von einem deutschen U-Boot versenkt worden...«

Entschuldigen Sie, ich hätte früher anfangen sollen.

»Es wird angeregt, die norwegischen Noten wegen des Unterganges der Dampfer ›Deptford‹, ›Thomas Walton‹ und ›Garoufalia‹ etwa in folgendem Sinn zu beantworten:

Auf Grund der Mitteilung der Norwegischen Regierung ist die Angelegenheit des Untergangs der Dampfer ›Deptford‹, ›Thomas Walton‹ und ›Garoufalia‹ genau untersucht worden. Dabei sind folgende Feststellungen getroffen worden:

Der Dampfer ›Deptford‹ ist am 13. Dezember von einem deutschen U-Boot versenkt worden, da er als bewaffnetes feindliches Schiff erkannt wurde. Nach Meldung des U-Bootkommandanten ist die Versenkung nicht innerhalb der Hoheitsgewässer, sondern unmittelbar außerhalb erfolgt. Die deutschen Streitkräfte haben strenge Anweisung, innerhalb neutraler Hoheitsgewässer keinerlei Kriegshandlungen vorzunehmen. Sollte sich der U-Bootkommandant in der Position geirrt haben, wie dies nach den Feststellungen der norwegischen Behörden der Fall zu sein scheint, und infolgedessen die norwegischen Hoheitsgewässer verletzt haben, so wird dies von der Deutschen Regierung auf das aufrichtigste bedauert. Die deutschen Seestreitkräfte wurden auf Grund des Vorfalles nochmals zur unbedingten Achtung der neutralen Hoheitsgewässer angehalten. Daher wird eine weitere Verletzung norwegischer Territorialgewässer, falls eine solche vorgekommen sein sollte, nicht mehr stattfinden.

Was den Untergang der Dampfer ›Thomas Walton‹ und ›Garoufalia‹ betrifft, so kann dieser auf Maßnahmen deutscher U-Boote nicht zurückgeführt werden, da solche zur Zeit des Unterganges sich nicht in dem angegebenen Seegebiet befanden.«

Und dann ist noch der Entwurf für eine Antwort da. Aber die besagt ungefähr dasselbe.

Und Sie behaupten angesichts dieses Dokuments, daß die deutsche Kriegsmarine niemals die neutralen Staaten irregeführt hat?

WAGNER: Die Neutralen waren unterrichtet, daß in diesen Seegebieten mit Gefahren des Krieges zu rechnen war. Wir sind der Auffassung, daß wir nicht verpflichtet sind, ihnen mitzuteilen, durch welche Kriegsmaßnahmen diese Gebiete gefährdet waren und durch welche Kriegsmaßnahmen ihre Schiffe verlorengingen.

OBERST PHILLIMORE: Ist das wirklich Ihre Antwort auf dieses Dokument? Hier steht doch eine glatte Lüge, nicht wahr? Sie geben zu, daß ein Schiff versenkt wurde, weil Sie nicht anders können. Und Sie leugnen die anderen ab. Sie leugnen ab, daß ein deutsches U-Boot irgendwo in der Nähe war, und Sie erzählen diesem Gerichtshof, daß das gerechtfertigt war, um die Waffen, die Sie eingesetzt hatten, geheimzuhalten. Können Sie keine bessere Antwort finden?

WAGNER: Jawohl, sicher. Wir hatten ja keinerlei Interesse daran, daß der Gegner erfuhr, mit welchen Mitteln wir in diesem Gebiet Krieg führten.

OBERST PHILLIMORE: Sie geben zu, daß eins der Schiffe von einem U-Boot versenkt wurde. Warum geben Sie nicht auch die beiden anderen zu? Warum sagen Sie nicht einfach, es war dasselbe U-Boot?

WAGNER: Ich nehme an, daß es sich um andere Seegebiete handelte, wo die Situation anders lag.

OBERST PHILLIMORE: Was war der Unterschied? Warum haben Sie nicht gesagt: »Eines unserer U- Boote hat einen Fehler begangen oder Befehle nicht befolgt und ist verantwortlich für alle drei Versenkungen?« Oder Sie hätten auch sagen können: »Wir haben Sie gewarnt, daß wir alle Schiffe in dieser Zone warnungslos versenken. Worüber beklagen Sie sich?«

WAGNER: Das habe ich augenscheinlich nicht für zweckmäßig gehalten.

OBERST PHILLIMORE: Es wurde für zweckmäßig gehalten, neutrale Länder zu täuschen, und Sie, ein Admiral der deutschen Kriegsmarine, haben mir gerade vor zehn Minuten gesagt, daß Sie das nicht getan haben. In der Tat wurden diese drei Schiffe von dem gleichen U-Boot versenkt. Nicht wahr?

WAGNER: Das ist mir im Moment nicht bekannt.

OBERST PHILLIMORE: Ich sage Ihnen, sie wurden alle von U-38 versenkt und die Daten der Versenkung sind: 13. Dezember »Deptford«; »Garoufalia« am 11. Dezember und »Thomas Walton« am 7. Dezember. Bestreiten Sie das?

WAGNER: Ich habe den letzten Satz nicht verstanden.

OBERST PHILLIMORE: Bestreiten Sie diese Einzelheiten oder erinnern Sie sich nicht mehr?

WAGNER: Ich erinnere mich nicht daran, ich halte es für unmöglich sogar.

OBERST PHILLIMORE: Ich werde Ihnen einen anderen Zwischenfall zeigen, wo Sie neutrale Länder getäuscht haben, dieses Mal Ihre Freunde, die Spanier. Schauen Sie sich C-105 an.

Euer Lordschaft! Es ist ein neues Dokument und wird als GB-455 vorgelegt. Es ist ein Auszug des Skl-Kriegstagebuches vom 19. Dezember 1940.