[Zum Zeugen gewandt:]
Sie behaupten, daß Sie als Chef der Operationsabteilung sich an keinen der Zwischenfälle erinnern?
WAGNER: Ich behaupte das und was ich darüber bisher gesagt habe.
OBERST PHILLIMORE: Haben nicht Ihre Operations... Ihre Kommandanten Bericht erstattet, wenn sie eine feindliche Kommandogruppe gefangennahmen?
WAGNER: Ich muß annehmen, daß bei den Lageberichten auch solche Dinge berichtet worden sind.
OBERST PHILLIMORE: Nun, Sie wollen wirklich behaupten, daß Sie alles über diese Zwischenfälle jetzt vergessen haben?
WAGNER: Ich habe mich in allen Aussagen genau an das gehalten, an was ich mich persönlich erinnere.
OBERST PHILLIMORE: Wissen Sie, was mit diesen Männern geschehen ist? Sie wissen, daß sie in Uniform gefangengenommen worden sind, nicht wahr? Da war ein Marineoffizier mit goldenen Streifen am Arm; das ist ein Abzeichen, das Sie in der deutschen Marine tragen, nicht, wahr?
WAGNER: Ich sagte schon, daß ich mich an diese Sache nicht erinnere.
OBERST PHILLIMORE: Nun, ich werde es Ihnen sagen und Sie daran erinnern:
Nach Verhör durch Marineoffiziere und Offiziere des SD, die beide Kriegsgefangenenbehandlung vorschlugen, wurden diese Männer von der Marine dem SD zur Erschießung übergeben. Sie wurden in ein Konzentrationslager gebracht, und um 4.00 Uhr früh wurden sie einer nach dem anderen hinausgeführt mit verbundenen Augen und gefesselt; es wurde ihnen nicht mitgeteilt, daß sie erschossen würden, und dann wurde einer nach dem anderen am Schießstand erschossen. Wissen Sie das nicht?
WAGNER: Nein.
OBERST PHILLIMORE: Wußten Sie nicht, daß das mit Übergabe an den SD gemeint war?
WAGNER: Ich habe ja schon vorher gesagt, daß die Übergabe an den SD verschiedene Möglichkeiten in sich barg.
OBERST PHILLIMORE: Wußten Sie, daß man Ladungen an ihre Leichen hing und sie im Fjord versenkte und sie zersprengte, wie es im Dokument heißt, »in der üblichen Weise«? Absatz 10 der eidesstattlichen Erklärung? Und ihre Habseligkeiten wurden im Konzentrationslager verbrannt.
WAGNER: Nein, das ist mir nicht bekannt.
OBERST PHILLIMORE: Nun, gut. Ein weiterer Punkt. Erinnern Sie sich, daß im März oder April 1945, also ganz am Ende des Krieges, erinnern Sie sich, daß dieser Befehl, dieser Führerbefehl von Keitel widerrufen wurde?
Das ist Absatz 11 des Affidavits, Euer Lordschaft.
Erinnern Sie sich daran? Lesen Sie es doch!
WAGNER: Jawohl, ich habe davon gehört.
OBERST PHILLIMORE: Jawohl. Sie dachten damals, daß Sie den Krieg verlieren würden und es besser wäre, den Kommandobefehl zurückzunehmen. Ist das nicht eine Tatsache?
WAGNER: Es ist mir nicht bekannt, aus welchen Gründen das Oberkommando der Wehrmacht Befehle aufgehoben hat.
OBERST PHILLIMORE: Stimmt es nicht so: Im Jahre 1942 haben Sie sich über diesen Befehl keine Sorgen gemacht, als Sie dachten, Sie würden den Krieg gewinnen; aber als es Ihnen klar wurde, daß Sie ihn verlieren, fingen Sie an, sich über das Völkerrecht Sorge zu machen. Hat sich das nicht so abgespielt?
WAGNER: Nein. Ich möchte noch einmal auf die Ziffer 1 dieses Befehls hinweisen. In der Ziffer 1 des Kommandobefehls ist klar und deutlich ausgeführt, daß diese Kommandos Befehl hatten... daß diese Kommandos zusammengesetzt waren zum Teil aus kriminellen Verbrechern der besetzten Gebiete; daß sie Befehl hatten, Gefangene, die ihnen lästig waren, zu töten; daß andere Kommandos Befehl hatten, jeden Gefangenen zu töten; und daß Befehle dieses Inhalts in unsere Hände gefallen waren...
OBERST PHILLIMORE: Haben Sie jemals eine Untersuchung angestellt, um zu sehen, ob das auch wahr war?
WAGNER: Das ist völlig ausgeschlossen, daß ich untersuche, was von meiner vorgesetzten Behörde mir dienstlich mitgeteilt wird.
OBERST PHILLIMORE: Sie waren doch Chef der Operationsabteilung. Sie haben doch alle Berichte über die Kommandounternehmen erhalten oder nicht?
WAGNER: Ich habe darüber eingehend bei jedem einzelnen Fall ausgesagt, und ich kann mich dazu global nicht äußern.
OBERST PHILLIMORE: Als Sie Chef der Operationsabteilung waren, erhielten Sie nicht jedesmal einen vollen Bericht, wenn ein Unternehmen durch ein britisches Kommando erfolgte?
WAGNER: Ich sagte vorher schon, daß ich glaube, daß auch solche Ereignisse innerhalb der Lageberichte an die Seekriegsleitung gemeldet worden sind.
OBERST PHILLIMORE: Ich behaupte, Sie können diese Frage vollkommen gerade heraus beantworten, wenn Sie wollten. Da sind Sie also ein hoher Stabsoffizier. Sie bearbeiteten die Kommandounternehmen. Behaupten Sie, daß Sie nicht persönlich eine volle Meldung über jedes einzelne Unternehmen gesehen oder gelesen haben?
WAGNER: Das behaupte ich nicht. Ich habe ja bei jeder einzelnen Frage genau berichtet, an was ich mich davon erinnere.
OBERST PHILLIMORE: Sie behaupten, diese Leute hinauszuführen und ohne Verfahren zu erschießen, ohne ihnen zu sagen, daß sie erschossen werden sollen, ohne sie einen Geistlichen sehen zu lassen – wollen Sie behaupten...
WAGNER: Bezüglich der Marine...
OBERST PHILLIMORE: Wollen Sie behaupten, daß das nicht Mord war?
WAGNER: Das will ich keineswegs behaupten. Ich behaupte, daß ich solche Fälle, wo Leute von der Marine erschossen worden sind, vermutlich auch zur Kenntnis bekommen habe. Ich bin weiterhin der Auffassung, daß diese Leute, die als Saboteure gefangengenommen waren, keine Soldaten waren, sondern Verbrecher, die entsprechend verbrecherische...
OBERST PHILLIMORE: Wollen wir es ganz klar machen. Sagen Sie, daß das Vorgehen, Kommandos bei allen diesen Gelegenheiten zu erschießen – sagen Sie, daß das vollständig angebrachte und gerechtfertigt war? Ich dachte, Sie stimmten eben mit mir überein, daß es Mord war. Wie ist es nun?
WAGNER: Das möchte ich nur für jeden einzelnen Fall beantworten.
OBERST PHILLIMORE: Die Frage ist sehr einfach im allgemeinen zu beantworten, und es nimmt weniger Zeit in Anspruch. Sagen Sie, daß Männer, die in Uniform gefangen werden, hinausgeführt und ohne Gerichtsverfahren erschossen werden sollen?
WAGNER: Männer, von denen ich weiß, daß sie Befehle für Verbrechen haben, kann ich nicht als Soldaten innerhalb des Völkerrechts ansehen.
OBERST PHILLIMORE: Behaupten Sie, daß diese Handlung vollkommen in Ordnung war, behaupten Sie das?
WAGNER: Jawohl, insgesamt durchaus.
OBERST PHILLIMORE: Hilflose Gefangene ohne Verfahren zu erschießen, und kleine Neutrale, die sich nicht beschweren können, zu terrorisieren? Das ist Ihre Politik, nicht wahr?
WAGNER: Keineswegs.
OBERST PHILLIMORE: Was für ein Verbrechen hat Robert Evans begangen, der den »Tirpitz« mit einem Zwei-Mann-Torpedo angegriffen hat?
WAGNER: Ich bin überzeugt, daß man ihm beweisen konnte, daß er zu einem Sabotagetrupp gehörte und daß außer dem rein seekriegsmäßigen Angriff auf das Schiff weitere Gesichtspunkte vorhanden waren, die ihn zum Saboteur stempelten.
OBERST PHILLIMORE: Und Sie haben gerade behauptet, daß Sie sich an den Zwischenfall nicht erinnern?
WAGNER: Jawohl.
OBERST PHILLIMORE: Wollen Sie wenigstens darüber mit mir übereinstimmen, daß, wenn diese Erschießung durch den SD Mord war, Sie und Admiral Dönitz und Admiral Raeder, die diesen Befehl, durch den es ermöglicht wurde, unterschrieben haben, ebenso schuldig sind wie die Leute, die sie erschossen haben?
WAGNER: Verantwortlich für diesen Befehl ist derjenige, der ihn gegeben hat.
OBERST PHILLIMORE: Jawohl. Und derjenige, der ihn weitergegeben und gebilligt hat. Ist das nicht richtig?
WAGNER: Ich übernehme die volle Verantwortung für die Weitergabe dieses Befehls.
OBERST PHILLIMORE: Euer Lordschaft! Ich habe keine weiteren Fragen zu stellen.
VORSITZENDER: Oberst Phillimore! D-658 war ein altes Beweisstück, nicht wahr?
OBERST PHILLIMORE: Ja, Euer Lordschaft!
VORSITZENDER: Haben Sie all diesen neuen Dokumenten auch neue Beweisstücknummern gegeben?
OBERST PHILLIMORE: Ich bin Ihnen sehr dankbar, Euer Lordschaft. Ich unterließ es, dem Affidavit von Flesch eine neue Beweisstücknummer zu geben.
VORSITZENDER: D-864?
OBERST PHILLIMORE: D-864, Euer Lordschaft. Es sollte GB-457 sein. Es tut mir leid, es wurde mir nicht gesagt, aber ich habe es.
VORSITZENDER: Und haben Sie auch all den anderen Nummern gegeben?
OBERST PHILLIMORE: Ja, Euer Lordschaft!
VORSITZENDER: Sehr gut.
Kommt noch ein Kreuzverhör?
Dr. Kranzbühler! Wünschen Sie ein Rückverhör?
Dr. Kranzbühler, ich sehe, es ist beinahe 11.30 Uhr. Ich glaube, wir vertagen uns lieber für 10 Minuten.