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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Ich hatte heute morgen bereits die Anklage davon unterrichtet, daß ich den vierten Zeugen nicht rufen werde, der vorgesehen war, das ist Admiral Eckardt. Infolgedessen ist meine Zeugenvernehmung jetzt beendet.

VORSITZENDER: Und das schließt Ihren Fall einstweilen ab?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das ist der Abschluß meines Falles. Ich möchte nur mit Erlaubnis des Tribunals noch eine Frage klären, die mit den Urkunden zusammenhängt.

Das Tribunal hat alle Urkunden abgelehnt, die sich beziehen auf das Thema Banngut, Kontrollhäfen und Navicertsystem. Diese Fragen sind für meine rechtlichen Ausführungen später von Bedeutung. Darf ich den Beschluß des Tribunals dahin interpretieren, daß diese Urkunden nur jetzt als Beweismittel nicht zu verwenden sind, daß mir aber dadurch spätere rechtliche Ausführungen über diese Themen nicht abgeschnitten werden sollen?

VORSITZENDER: Dr. Kranzbühler! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß dies eine Frage ist, die bis zum Zeitpunkt Ihres Plädoyers zurückgestellt werden kann.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Danke, Herr Präsident. Dann habe ich meinen Fall beendet.

VORSITZENDER: Wir vertagen uns nun.

[Das Gericht vertagt sich bis

15. Mai 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertdreißigster Tag.

Mittwoch, 15. Mai 1946.

Vormittagssitzung.

[Der Zeuge Puhl betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Geben Sie Ihren vollen Namen an.

ZEUGE EMIL JOHANN RUDOLF PUHL: Emil Johann Rudolf Puhl

VORSITZENDER: Sprechen Sie mir diesen Eid nach: »Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. SAUTER: Herr Zeuge Puhl! Sie waren früher Vizepräsident der Reichsbank?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Sie haben, wenn ich recht informiert bin, dem Direktorium der Reichsbank bereits zu Zeiten von Dr. Schacht angehört?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Als dann Dr. Schacht ausschied, sind Sie einer der wenigen Herren gewesen, die in der Reichsbank geblieben sind?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Sie wurden dann von Hitler auf Vorschlag des jetzigen Angeklagten Funk zum geschäftsführenden Vizepräsidenten der Reichsbank ernannt?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Wann war das?

PUHL: Das war im Laufe des Jahres 1939.

DR. SAUTER: Im Laufe des Jahres 1939. Sie haben schon erklärt, zum geschäftsführenden Vizepräsidenten. Ich nehme an, daß das damit zusammenhängt, daß der Angeklagte Funk nicht aus dem Bankfach stammte, während Sie Bankfachmann waren und daß der Angeklagte Funk außerdem noch das Reichswirtschaftsministerium zu betreuen hatte. Stimmt das?

PUHL: Jawohl; aber es war noch ein zweiter Grund maßgebend, das war die Trennung der Gewalten zwischen Geschäftsführung und Personalbetreuung.

DR. SAUTER: Die eigentliche Geschäftsführung lag anscheinend bei Ihnen.

PUHL: Bei mir.

DR. SAUTER: Daher der Titel geschäftsführender Vizepräsident?

PUHL: Jawohl. Darf ich dazu einige Ausführungen machen?

DR. SAUTER: Nur wenn es zum Verständnis der Sache in unserem Falle notwendig sein sollte.

PUHL: Jawohl. Die Geschäftsführung des Reichsbankdirektoriums war eingeteilt unter eine Reihe von Mitgliedern des Direktoriums. Jedes Mitglied hatte eine volle Verantwortung für seinen Geschäftszweig. Der Vizepräsident war nur der primus inter pares, der im wesentlichen die Sitzungen zu leiten hatte, für die Vertretung des Präsidenten nach außen zu sorgen hatte und Fragen allgemeiner Wirtschafts- und Bankpolitik zu erledigen hatte.

DR. SAUTER: Herr Zeuge! Der jetzige Angeklagte Funk hat sich schon im Dezember auf Sie als Zeugen berufen. Das ist Ihnen bekannt? Und darüber wurden Sie dann auch in dem Lager, in dem Sie jetzt untergebracht sind, ich glaube, in Baden-Baden...

PUHL: Bei Baden-Baden.

DR. SAUTER:... am 1. Mai vernommen.

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Zwei Tage darauf sind Sie nochmals vernommen worden?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Am 3. Mai?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Wissen Sie, warum diese Sachen, nach denen Sie am 3. Mai gefragt worden sind, nicht auch schon bei der Vernehmung am 1. Mai mitbehandelt worden sind?

PUHL: Ich habe vor mir hier das Affidavit vom 3. Mai.

DR. SAUTER: Vom 3. Mai. Es bezieht sich auf diese Geschäfte mit der SS.

PUHL: Jawohl. Ich bin aber auch schon am 1. Mai gefragt worden, nur in einer sehr kurzen Form, und man kam am 3. Mai noch einmal, um ausführlicher über dieses Thema mit mir zu sprechen.

DR. SAUTER: Bei Ihrer Vernehmung am 1. Mai haben Sie von diesen Geschäften der Reichsbank mit der SS nichts erwähnt?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Haben Sie da was erwähnt davon?

PUHL: Es wurde ein kurzes Statement gemacht.

DR. SAUTER: Bei der Vernehmung vom 1. Mai?

PUHL: Ja. Jedenfalls bei der Vernehmung vorher, und das Statement vom 3. Mai war nur eine ausführlichere Niederschrift dessen, was vorher kurz schon einmal besprochen worden war.

DR. SAUTER: Ich habe Ihre Vernehmung vom 1. Mai vor mir und habe sie heute noch durchgelesen. Da steht von den Geschäften mit der SS, so viel ich gesehen habe, überhaupt nichts darin; da müßte das, wovon Sie jetzt sprechen, noch eine weitere Vernehmung sein?

PUHL: Ja.

MR. DODD: Herr Vorsitzender! Vielleicht kann ich bei dieser offensichtlichen Verwechslung behilflich sein. Der von dem Gerichtshof genehmigte Fragebogen stammt vom 1. Mai; am gleichen Tag jedoch hat unabhängig davon ein Mitglied unseres Stabes den Zeugen ebenfalls verhört; das war jedoch ein gesondertes Verhör, das mit dem Fragebogen in keinem Zusammenhang stand. Ich glaube, dies ist die Ursache der Verwechslung.

VORSITZENDER: Gut.

DR. SAUTER: Sind Sie über diese Geschäfte mit der SS zweimal vernommen worden?

PUHL: In den Tagen um den 1. Mai herum, ja, zweimal, jawohl.

DR. SAUTER: Haben Sie die Affidavits, die Sie am 3. Mai abgegeben haben, noch in Erinnerung?

PUHL: Am 3. Mai, ja.

DR. SAUTER: Es ist das Affidavit, das sich auf diese Geschäfte mit der SS bezieht. Stimmt das, was Sie in diesem Affidavit angegeben haben?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Herr Zeuge! Sind Sie in der Zwischenzeit, also seit dem 3. Mai, über diese Sachen nochmals vernommen worden?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Wann?

PUHL: Hier in Nürnberg.

DR. SAUTER: Wann war das, bitte?

PUHL: In den letzten Tagen.

DR. SAUTER: So; heute haben wir Mittwoch, wann war das?

PUHL: Ja, Freitag, Montag, Dienstag.

DR. SAUTER: Gestern?

PUHL: Ja.

DR. SAUTER: Über diese Sache?

PUHL: Ja.

DR. SAUTER: Haben Sie hier auch einen Film vorgeführt bekommen?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Einmal oder zweimal?

PUHL: Einmal.

DR. SAUTER: Haben Sie denselben früher schon einmal gesehen gehabt?

PUHL: Nein.

DR. SAUTER: Haben Sie das, was aus dem Film vorgeführt worden ist, auch klar erkannt?

PUHL: Ja.

DR. SAUTER: Ich frage deswegen, Herr Puhl: Der Film rollt ja, wie Sie wissen, sehr schnell ab, und es ist ein sehr kurzer Film, und aus diesem Grunde wurde er hier im Sitzungssaal durch die Staatsanwaltschaft zweimal vorgeführt, damit man das, was auf dem Film dargestellt ist, einigermaßen erkennen kann. Sind Sie sich durch die einmalige Vorführung des Films klar geworden darüber, was der Film darstellt?

PUHL: Ja.

DR. SAUTER: Dann bitte ich, mir das zu sagen, was Sie da gesehen haben. Nur das, was Sie auf dem Film gesehen haben oder was Sie glauben, gesehen zu haben.

PUHL: Ja. Der Film war aufgenommen vor Tresorschränken unserer Bank in Frankfurt a. M., den üblichen Tresorschränken, hinter deren Glastüren man die verschlossenen Koffer und Behälter sah, die dort offenbar hinterlegt worden waren. Es war das übliche Bild, das solche Tresorräume bieten. Vor diesen Tresorschränken waren geöffnet verschiedene Behältnisse, aus denen zu ersehen war, was etwa der Inhalt war: Münzen, Schmucksachen, Perlen, Banknoten, Uhren.

DR. SAUTER: Was für Uhren?

PUHL: Große Weckeruhren.

DR. SAUTER: Sonst nichts? Haben Sie sonst nichts gesehen an dem Film?

PUHL: Außer diesen Gegenständen?

DR. SAUTER: Außer diesen -wollen wir mal sagen – Wertsachen, haben Sie sonst nichts gesehen, was da verwahrt gewesen sein soll?

PUHL: Nein, nein.

DR. SAUTER: Nur diese Wertsachen? Bitte weiter.

PUHL: Mir fiel dabei auf, daß unter diesen Wertsachen Münzen waren, scheinbar Silbermünzen, und ferner, daß unter diesen Wertsachen Banknoten waren, offenbar amerikanische Banknoten.

DR. SAUTER: Richtig.

PUHL: Es war erstaunlich, daß diese Dinge zur Aufbewahrung uns übergeben worden sind, denn wären sie zur Kenntnis unserer Beamten gekommen, so wären ganz zweifellos die Banknoten sofort bei der Devisenabteilung abgeliefert worden, denn es bestand bekanntlich eine allgemeine Devisenablieferungspflicht. Und außerdem war bei unseren Beamten bekannt, daß ausländische Banknoten ganz besonders stark gesucht waren.

Etwas Ähnliches gilt für die Münzen. Auch diese hätten eigentlich im ordnungsmäßigen Geschäftsgange in die Tresorbestände überführt worden sein müssen, das heißt, angekauft worden sein müssen für Rechnung des Reiches.

DR. SAUTER: Das ist Ihnen aufgefallen?

PUHL: Ja.

DR. SAUTER: Ist Ihnen sonst nichts aufgefallen an dem Film?

PUHL: Nein.

DR. SAUTER: Herr Zeuge! So sollen die Wertsachen in der Reichsbank verwahrt gewesen sein, die der Reichsbank zur Verwahrung, zur Aufbewahrung gegeben worden sind. Nun habe ich mich gefragt, ob denn wirklich Ihre Reichsbank die ihr anvertrauten Werte in der Weise aufbewahrt hat, wie man es aus dem Film gesehen hat, und deshalb interessiert mich die Frage: Wissen Sie als geschäftsführender Vizepräsident der Reichsbank, wie zum Beispiel in Berlin oder wie in Frankfurt, wo der Film aufgenommen worden ist, die für die Stahlkammern in Verwahrung gegebenen Wertsachen aufbewahrt wurden?

PUHL: Ja.

DR. SAUTER: Bitte!

PUHL: Das äußere Bild der Berliner Tresoreinrichtungen war etwa ähnlich wie das in Frankfurt und wie es schließlich in jeder größeren Bank wohl ist. Aufbewahrt wurden diese Dinge, die wir mit dem banktechnischen Ausdruck »verschlossene Depositen« bezeichnen, in, wie der Name zeigt, verschlossenen Behältern, für welche wir Raum zur Verfügung stellten. Dieser Raum wurde entsprechend seiner Größe von den Hinterlegern bezahlt.

DR. SAUTER: Sind die Sachen zum Beispiel in Berlin oder in Frankfurt so aufbewahrt worden, wie man es auf dem Film gesehen hat?

PUHL: Ja, bei dem Film hatte ich den Eindruck, daß diese Sachen, von denen wir jetzt sprechen, ausdrücklich dorthin gestellt waren für die Aufnahme.

DR. SAUTER: Für die Aufnahme. Erinnern Sie sich vielleicht, daß zum Beispiel ein Sack da war, der, glaube ich, mit vorgeführt worden ist, wo draufsteht »Reichsbank Frankfurt«?

PUHL: Ja, ich kann bestätigen, daß ich einen Sack gesehen habe mit der Aufschrift »Reichsbank«; »Reichsbank Frankfurt« kann ich nicht bestätigen.

DR. SAUTER: Soviel ich weiß, ist draufgestanden »Reichsbank Frankfurt«. Daher haben wir nämlich entnommen, daß der Film vermutlich in Frankfurt aufgenommen worden ist, was die Staatsanwaltschaft dann auch bestätigt hat.

MR. DODD: Ich möchte nicht unterbrechen, aber ich glaube, wir sollten bei dieser Feststellung sorgfältig sein. Es sind schon zwei Fehler von gewisser Wichtigkeit gemacht worden. Wir haben den Film vor dem Gerichtshof nicht zweimal gezeigt, und auf dem Sack steht nicht »Frankfurt«, sondern einfach »Reichsbank«. Und es war der Schacht-Film, der hier zweimal gezeigt wurde, weil er etwas zu schnell ablief.

DR. SAUTER: Herr Zeuge! Wollen Sie vielleicht in Ihrer Beantwortung der Frage fortfahren. Meine Frage geht dahin: Hatte die Reichsbank Goldsachen und dergleichen in solchen Säcken aufbewahrt?

PUHL: Ich verstehe die Frage so, Herr Rechtsanwalt: Wenn dritte Personen bei uns Werte hinterlegten, wurden sie in offenen Säcken hinterlegt. Ist das richtig?

DR. SAUTER: Das weiß ich nicht, welche Handhabung Sie dabei hatten.

PUHL: Wir hatten jedenfalls die Handhabung, wie der Name sagt, der verschlossenen Depositen. Also... Es kann natürlich auch ein Sack sein, der verschlossen ist; das ist ja denkbar.

DR. SAUTER: Soviel ich in Münchener Banken gesehen habe, Herr Zeuge, sind dort die Sachen, die während der Kriegszeit in verstärktem Maße zur Aufbewahrung übergeben worden sind, ausnahmslos in verschlossenen Kisten oder Koffern und dergleichen hinterlegt worden, so daß die Bank im allgemeinen gar nicht wußte, was in den Koffern oder in den Kisten eigentlich verwahrt ist. War das bei Ihnen, bei der Reichsbank, anders?

PUHL: Nein, das war genau so. Und auffallend ist bei diesem Sack, wie schon gesagt wurde, die Bezeichnung »Reichsbank«. Es ist offensichtlich ein Sack aus unseren Beständen und nicht aus den Beständen irgendeiner dritten Stelle.

DR. SAUTER: Also auch bei Ihnen, wenn ich das wiederholen darf, um jeden Zweifel auszuschließen, sind derartige Sachen, die in »verschlossene Depots« gegeben worden sind, einem verschlossenen Behältnis übergeben worden.

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Oder sie kamen in die Abteilungen der Stahlschränke?

PUHL: Das Wort »Depots« könnte irreführend sein. Die verschlossenen Behälter kamen in den Tresor. Ich gebrauche unser Wort. Dieser Tresor bestand aus Stahlkammern, in denen diese Koffer oder Behältnisse hinterlegt wurden. Völlig unabhängig von dieser Institution hatten wir die Einrichtung der offenen Depots. Offene Depots sind solche, bei denen von vornherein eine Verwaltung verabredet ist. Diese Tresors befanden sich in einem völlig anderen Teile des Gebäudes als der sogenannte Haupttresor.

DR. SAUTER: Diese offenen Depots kommen ja wohl in unserem Falle nicht in Frage?

PUHL: Nein.

DR. SAUTER: Nun, Herr Zeuge, komme ich zu den Depots der SS. Diese Depots waren nicht in Frankfurt, sondern vermutlich in Berlin bei der Zentrale?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Nun bitte ich, mir über die Besprechungen zwischen dem Angeklagten Funk und Ihnen hinsichtlich der Depots der SS Auskunft zu geben. Und zwar, Herr Zeuge, bitte ich, jede Antwort sich vorher genau zu überlegen und vor der Antwort Ihr Gedächtnis möglichst zu erforschen. Ich lasse Ihnen hierzu Zeit, selbstverständlich.

Sagen Sie nun mal zunächst, was haben denn Sie und der Angeklagte Funk miteinander besprochen, als Sie zum erstenmal über dieses Depot der SS miteinander sprachen?

PUHL: Ich nehme hierbei Bezug auf mein Affidavit vom 3. Mai. Das Gespräch, das ich mit Herrn Funk hatte, war höchst einfacher Art. Es drehte sich darum, daß die SS gebeten hatte, von den Einrichtungen unserer Bank Gebrauch zu machen hinsichtlich der Hinterlegung von Werten, für die sie, wie gesagt wurde, in den Kellern ihres Bürohauses keinen genügenden Schutz hatte. Ich darf hier der Vollständigkeit halber hinzufügen: SS heißt hier immer die Wirtschaftsabteilung der SS.

DR. SAUTER: Ja, von was hat damals der Angeklagte Funk gesprochen? Bitte sagen Sie mir, hat er genau angegeben, was verwahrt werden soll?

PUHL: Also Wertsachen, die von der SS aus den östlichen Gebieten gekommen waren, die nun in ihren Kellern lagen und für die sie eine sichere Aufbewahrung, zunächst sichere Aufbewahrung, bei uns erbat.

DR. SAUTER: Hat er näher angegeben, der Angeklagte Funk, was das für Wertsachen sein sollen?

PUHL: Nein, detailliert nicht, aber im großen und ganzen sagte er: Werte wie Gold und Devisen, Silber, Schmucksachen.

DR. SAUTER: Gold, Devisen, Silber, Schmucksachen...

PUHL: Wobei ich hinzufügen darf, daß Gold und Devisen ja selbstverständlich der Reichsbank sowieso abzuliefern waren.

DR. SAUTER: Gold, Devisen, Silber und Schmucksachen?

PUHL: Ja.

DR. SAUTER: Und das sollte beschlagnahmt worden sein in den Ostgebieten?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Hat der Angeklagte Funk etwas Näheres Ihnen damals gesagt, warum diese Beschlagnahmen erfolgt seien oder gegen welche Personen?

PUHL: Nein, das ist nicht gesagt worden, das Gespräch wurde, wie ich schon sagte, nur kurz geführt und dann abgebrochen.

DR. SAUTER: Und was haben dann Sie darauf gesagt?

PUHL: Ich habe gesagt, daß diese Art Geschäfte, weil sie von der SS kamen, für uns zumindest unbequem sein würden und habe dagegen Bedenken geäußert. Und ich darf hier hinzufügen, wir haben bei diesen Dingen immer als Reichsbank uns sehr zurückhaltend gezeigt, zum Beispiel bei den Werten, die uns etwa von den Devisenfahndungsstellen, Zollfahndungsstellen und ähnlichen angeboten worden sind.

DR. SAUTER: Was war eigentlich der Grund, warum Sie gerade bei der SS Bedenken hatten?

PUHL: Weil man nicht wissen konnte, zu welchen Weitläufigkeiten und Folgerungen eine solche Geschäftsverbindung führen würde.

DR. SAUTER: Ja, Herr Zeuge, die Antwort genügt mir nicht. Hängt es damit zusammen, daß Sie oder der Angeklagte Funk überhaupt mit der SS nichts zu tun haben wollten, oder hatte es irgendeinen anderen Grund, warum Sie Bedenken äußerten?

PUHL: Ja, der erste Teil Ihrer Frage ist zu verneinen. Also eine grundsätzliche Ablehnung war nicht vorhanden, konnte auch ja nicht vorhanden sein; denn schließlich hatte jede deutsche Organisation oder Einrichtung das legale Recht, über die Dienste der Reichsbank zu verfügen.

Diese besonderen Dinge, die aus der Beschlagnahmung entstanden, waren ähnlich wie die Beschlagnahmungen der genannten Devisenstellen und so weiter, unbequem, weil man nie wußte, welche Weitläufigkeiten damit verbunden sein können.

DR. SAUTER: Also Sie haben, wenn ich Sie recht verstehe, gewisse Bedenken deshalb geäußert – wenn ich es falsch auffasse, bitte ich mich zu berichtigen – deshalb Bedenken geäußert, weil diese Geschäfte für die Reichsbank etwas unbequem sind, aus dem normalen Rahmen Ihrer Geschäfte herausfallen und von Ihnen genau so wenig begrüßt wurden, wie zum Beispiel Depots von der Zollfahndungsstelle oder von der Devisenstelle und dergleichen? Nur aus dem Grunde?

PUHL: Ja. Wir müssen dieses Gespräch noch etwas fortsetzen, zumal gesagt wurde, man möchte der SS behilflich sein bei der Handhabung der hinterlegten Dinge. Denn es war von vornherein klar und auch gesagt, daß in diesen Depots Devisen, übrigens auch Wertpapiere, Devisen, Goldmünzen aller Art und so weiter vorhanden seien und daß die SS-Leute in diesen Sachen nicht recht Bescheid wüßten.

DR. SAUTER: Sind dann die Sachen gekommen?

PUHL: Ja. Da ist aber noch eine Zwischenstation. Also dieses Gespräch war beendet, und nun hat sich der Leiter der Wirtschaftsabteilung der SS, der den Namen Pohl hat, Obergruppenführer Pohl, bei mir gemeldet; ich habe ihn in mein Büro bestellt, und dort hat er mir erzählt, wiederholt, was ich nun schon wußte, und hat mir erzählt, daß er es sehr gern sähe, wenn wir recht bald diese Werte übernähmen.

DR. SAUTER: Was haben Sie dann gesagt?

PUHL: Da habe ich bestätigt, was wir besprochen hatten und habe gesagt: »Benennen Sie Beamte Ihrer Abteilung, ich werde unsere Abteilung benachrichtigen, und sie mögen sich über die technischen Einzelheiten unterhalten.«

DR. SAUTER: Und wenn ich das nachholen darf: Was hat denn der Angeklagte Funk gesagt, wie Sie ihm bei dem ersten Gespräch auseinandergesetzt haben, Sie wollten die Sachen nicht gerne übernehmen, weil man mit solchen Sachen oft Scherereien habe?

PUHL: Es wurde gestellt unter die größere Rücksicht und die größere Einstellung, der SS behilflich zu sein, zumal diese Dinge, das ist ja auch zu unterstreichen, für Rechnung des Reiches waren.

DR. SAUTER: Ist da etwas gesprochen worden, daß diese Dinge, insbesondere Gold, durch die Reichsbank verwertet werden, zum Beispiel eingeschmolzen werden sollen?

PUHL: Nein, im einzelnen nicht, sondern es ist nur gesagt worden, daß die Beamten der Reichsbank ihre guten Dienste der SS zur Verfügung stellen möchten.

DR. SAUTER: Das verstehe ich nicht recht. Die guten Dienste bestehen darin, daß die Beamten der Reichsbank diese Wertsachen in Verwahrung nehmen und verschließen?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Sollten dann die Dienste Ihrer Beamten noch weitergehen?

PUHL: Jawohl, insofern als nun die SS-Leute kommen würden und sich aus den Behältnissen herausnehmen würden, was ablieferungspflichtig war.

DR. SAUTER: Zum Beispiel gemünztes Gold, Devisen et cetera?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Haben Sie dann, um auf die bereits gestellte Frage zurückzukommen, gesehen, was gekommen ist, was die SS also abgeliefert hat?

PUHL: Ich persönlich, nein. Dieser Vorgang spielte sich ja auch ab weit von meinem Amtszimmer, in einem völlig anderen Gebäude, unten in den Tresoren, wohin ich ja als Vizepräsident der Reichsbank selbstverständlich gar nicht so ohne weiteres kam.

DR. SAUTER: Sind Sie denn als Vizepräsident öfters in diese Tresors gekommen?

PUHL: Das war meine Gewohnheit, gelegentlich, manchmal im Zwischenraum von einem Vierteljahr oder mehr Monaten noch durch die Tresors zu gehen, wenn irgendein Anlaß vorhanden war, also etwa ein Besucher zu führen war oder eine Neueinrichtung zu besprechen war oder irgend etwas, was grundsätzlich über den reinen Kassen- und Personendienst Bedeutung hatte.

DR. SAUTER: Mit dem Kundenbetrieb hatten Sie als Vizepräsident ja nichts zu tun, selbstverständlich?

PUHL: Nein.

DR. SAUTER: Und dieselbe Frage, Herr Zeuge, möchte ich auch hinsichtlich des Angeklagten Funk an Sie stellen. Ist der Angeklagte Funk, der noch dazu nur halb zur Reichsbank gehörte, öfters in die Tresors gekommen?

Wenn ja, wie oft ungefähr und aus welchem Anlaß? Und hat er gesehen, was abgeliefert worden ist von der SS?

PUHL: Darauf ist zu antworten: Funk ist auch gelegentlich in den Tresor gekommen bei besonderen Anlässen, als da waren ausländische Besucher oder irgend etwas ähnliches. Wie oft, kann ich natürlich nicht wissen, und ob er die Depots der SS gesehen hat kann ich ebenfalls nicht wissen. Das hängt davon ab, ob die Kassenbeamten, die geführt haben, darauf aufmerksam gemacht haben.

DR. SAUTER: Haben Sie, Herr Zeuge, die Sachen, die von der SS gekommen sind, haben Sie die selbst gesehen?

PUHL: Nein, nie.

DR. SAUTER: Nie?

PUHL: Nie.

DR. SAUTER: Glauben Sie, daß der Angeklagte Funk sie gesehen hat?

PUHL: Wissen kann ich es natürlich nicht, aber es hängt davon ab, ob die Kassenbeamten extra gesagt haben: »Hier ist das Depot der SS«.

DR. SAUTER: Daher können Sie, wie ich vermute, auch wahrscheinlich uns gar keine Auskünfte darüber geben, wie diese Sachen der SS eigentlich verwahrt oder verpackt waren?

PUHL: Nein.

DR. SAUTER: Ob in Kisten oder... ?

PUHL: Nein, das weiß ich nicht.

DR. SAUTER: Haben Sie über diese ganze Angelegenheit der SS-Depots noch öfter mit dem Angeklagten Funk gesprochen?

PUHL: Nach meiner Erinnerung kaum. Es wird aber so sein, daß ich sicher ein zweites Mal davon gesprochen habe, nachdem Herr Pohl bei mir gewesen war, denn es war selbstverständlich meine Aufgabe und meine Pflicht, Funk über alle Dinge auf dem laufenden zu halten.

DR. SAUTER: Hat man denn im Rahmen des Reichsbankdirektoriums, des Präsidiums, dieser ganzen Angelegenheit eine besondere Bedeutung beigelegt, so daß man vielleicht Veranlassung dazu gehabt hätte, sich öfters über diese Sache zu unterhalten? Oder war das nur ein unangenehmes Nebengeschäft?

PUHL: Nein, in der Direktoriumssitzung ist anfangs wohl darüber berichtet worden, dann aber nicht wieder gesprochen worden.

DR. SAUTER: Sie können sich also nicht daran erinnern, daß Sie später mit Funk nochmals über die Angelegenheit gesprochen hätten? Es könnte aber, wenn ich recht verstanden habe, sein, daß Sie nach dem Geschäft mit dem SS-Obergruppenführer Pohl noch einmal kurz darüber berichtet hätten. Habe ich Sie richtig verstanden?

PUHL: Jawohl.

DR. SAUTER: Nun, Herr Zeuge, in Ihrem Affidavit sagen Sie, unter den Gegenständen, die von der SS deponiert wurden – es ist das Ziffer 5 – befanden sich Schmuck, Uhren, Brillenrahmen, Goldfüllungen – Goldfüllungen sind offenbar diese Zahnsachen – und andere Gegenstände in großer Menge, die von der SS Juden und Konzentrationslageropfern und anderen Personen abgenommen worden waren. Woher wissen Sie das?

PUHL: Das weiß ich aus meinen Frankfurter Vernehmungen.

DR. SAUTER: Das wissen Sie also offenbar deshalb, weil Ihnen bei Ihren Frankfurter Vernehmungen nach Ihrer Gefangensetzung das erzählt worden ist?

PUHL: Und gezeigt worden ist.

DR. SAUTER: Früher, solange Sie in Freiheit waren und solange Sie als Vizepräsident die Reichsbank verwalteten, haben Sie das nicht gewußt?

PUHL: Nein, denn wir haben, ich wiederhole es nochmals, im Direktorium nie über diese Sache gesprochen, weil sie nicht von einer grundsätzlichen währungspolitischen, bankpolitischen oder irgendeiner allgemeinen Bedeutung gewesen ist.

DR. SAUTER: Herr Zeuge! Wenn Sie nun damals im Jahre 1942 gewußt hätten, daß es sich um Sachen handelt, die von der SS zahlreichen Konzentrationslageropfern abgenommen wurden, hätten Sie dann diese Sachen in Verwahrung genommen?

PUHL: Nein.

DR. SAUTER: Sondern?

PUHL: Dann hätten wir also irgendeine Entscheidung herbeigeführt, welche Gedanken die Bank als Ganzes diesem Problem gegenüber einzunehmen hat.

DR. SAUTER: Wer hätte das entscheidende Wort gehabt?

PUHL: Die Entscheidung hätte das Reichsbankdirektorium als Gremium, als Körperschaft, getroffen, und die Entscheidung wäre dem Präsidenten zur Gegenzeichnung vorgelegt worden.

DR. SAUTER: Haben Sie eine Ahnung – Sie haben nämlich früher, das muß ich noch nachholen, vielleicht in der Beziehung Ihres Affidavits, sich etwas mißverständlich ausgedrückt. Sie haben nämlich früher gesagt: »Das gelangte dadurch zu unserer Kenntnis, daß die SS-Leute versuchten, dieses Material in Gold, in Bargeld umzusetzen«, und heute sagen Sie, Sie haben erst nach Ihrer Gefangennahme davon Kenntnis erhalten. Also muß das offenbar, wenn ich Sie recht verstehe...

VORSITZENDER: Dr. Sauter! Ich verstehe nicht, warum Sie »früher« sagen. Es ist doch der Satz, der in diesem Affidavit dem Satz folgt, den Sie ihm vorlegen.

DR. SAUTER: Ja.

VORSITZENDER: Warum sagen Sie dann »früher«? Warum sagen Sie »früher«?

DR. SAUTER: Der Zeuge hat in seinem Affidavit – wenn der Wortlaut des Affidavits stimmt und kein Mißverständnis vorliegt – doch gesagt...

VORSITZENDER: Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß der erste Satz folgendermaßen lautet: »Unter den von der SS hinterlegten Gegenständen befanden sich alle diese den Juden und anderen Opfern in den Konzentrationslagern von der SS abgenommenen Dinge.« Und dann heißt es weiter: »Dies ist uns durch SS-Personal, das versuchte, diese ganzen Sachen in Bargeld umzusetzen, mitgeteilt worden.« Und Sie unterstellen ihm jetzt, daß er diese Darstellung der Sachlage früher gegeben habe. Wenigstens habe ich Sie so verstanden.

DR. SAUTER: Nein; der Zeuge hat heute erklärt, von der Tatsache, daß diese Sachen Konzentrationslageropfern et cetera abgenommen worden seien, habe er erst bei seinen Vernehmungen in Frankfurt am Main Kenntnis erlangt. Das Affidavit aber kann und muß man meines Erachtens dahin auffassen, als habe er damals sagen wollen, diese Kenntnis habe er schon vor seiner Verhaftung durch die SS-Leute bekommen, und das stimmt offenbar nicht; deshalb habe ich den Zeugen gefragt, ob hier diese Ausdrucksweise in dem Affidavit nicht ein Mißverständnis ist.