[Zum Zeugen gewandt:]
Herr Zeuge! Es stimmt also, wenn ich es wiederholen darf. Von der Tatsache, daß es sich um Sachen von Konzentrationslageropfern handelt, haben Sie erst bei Ihrer Vernehmung Kenntnis erhalten?
PUHL: Jawohl.
DR. SAUTER: Und wann haben Sie Kenntnis erhalten, was überhaupt in dem Depot ist, daß da zum Beispiel, um eines herauszugreifen, Goldzähne drin seien; wann haben Sie davon gewußt?
PUHL: Gar nicht, denn es ist überhaupt keine Vorlage der Tresors oder der Kassa an das Direktorium gemacht worden über Einzelheiten dieses Geschäfts.
DR. SAUTER: Also auch davon haben Sie erst jetzt nach Ihrer Verhaftung Kenntnis erhalten?
PUHL: Von den Einzelheiten, ja.
DR. SAUTER: Gut.
Nun sprechen Sie von einer Vereinbarung, die nach der Angabe Funks Himmler, der Reichsführer-SS, mit dem Reichsfinanzminister getroffen haben soll. Was wissen Sie denn von dieser Vereinbarung?
PUHL: Das ist dasselbe, was ich vorhin schon einmal sagte. Es ist von vornherein klar gewesen, daß der Gegenwert der Dinge, die bei uns hinterlegt wurden, dem Reichsfinanzministerium gutzuschreiben waren.
DR. SAUTER: Nicht der SS?
PUHL: Nein, nicht der SS.
DR. SAUTER: Warum nicht? Die SS hatte doch deponiert, nicht wahr?
PUHL: Ja, aber sie vertrat den Standpunkt, ihre Aktionen wären im Namen und im Auftrag der Verrechnung des Reiches gewesen.
DR. SAUTER: Wissen Sie etwas davon, Herr Zeuge, daß diese Wertsachen, die da von der SS im Osten auf irgendeine Weise beschlagnahmt oder geraubt worden sind, daß die überhaupt grundsätzlich zur Verfügung des Reichsfinanzministeriums standen?
PUHL: Ich habe die Frage nicht ganz verstanden. Bezieht sich das nur auf diese Gegenstände oder überhaupt beschlagnahmte Gegenstände, Wertgegenstände?
DR. SAUTER: Auf alle Wertsachen. Ich spreche hier von Gold, Devisen und so weiter, alle diese Wertsachen, die von der SS im Osten an sich gebracht worden sind, sollten alle zur Verfügung des Reichsfinanzministeriums, also nicht der Reichsbank, gestanden haben?
PUHL: Der Gegenwert?
DR. SAUTER: Der Gegenwert, ja.
PUHL: Der Gegenwert wurde dem Reichsfinanzministerium gutgeschrieben.
DR. SAUTER: In diesem Zusammenhang, Herr Zeuge, darf ich Ihnen vielleicht zwei Abrechnungen übergeben. Ich weiß nicht, haben Sie diese schon gesehen? Es sind zwei Abrechnungen der Hauptkasse Ihrer Bank.
PUHL: Jawohl, für uns.
DR. SAUTER: Dann bitte ich, sie sich mal zunächst anzusehen und mir zu sagen, ob Sie davon Kenntnis bisher hatten und was es damit für eine Bewandtnis hatte.
PUHL: Diese beiden Kopien, Photokopien, habe ich auch schon gesehen bei meinen Vernehmungen.
DR. SAUTER: Aber früher nicht?
PUHL: Aber früher nicht; und aus diesen Photokopien geht hervor, was wir eben besprachen, daß der Gegenwert – hier heißt es der Reichshauptkasse, – also die Reichshauptkasse ist ein Teil des Finanzministeriums – zu überweisen war.
DR. SAUTER: Das hängt also offenbar mit dieser Vereinbarung zusammen, von der Sie einmal erfahren haben, daß diese Sachen alle letzen Endes dem Reichsfinanzministerium gehörten, beziehungsweise dem Reich.
PUHL: Jawohl.
DR. SAUTER: Ja, nun hätte ich zu diesem Komplex, Herr Zeuge, noch eine Frage. Da würde mich interessieren, ob vielleicht auch da ein Mißverständnis vorliegt. In dem Affidavit steht ein Satz, daß Funk Ihnen gesagt habe, die Sache solle, wie es hier heißt, absolut geheimgehalten werden. Heute haben Sie uns von diesem Punkt nichts berichtet, obwohl wir das Affidavit da haben. Was sagen Sie nun heute, stimmt das oder ist das ein Mißverständnis?
PUHL: Das Geheimhalten? Nein.
DR. SAUTER: Ja.
PUHL: Natürlich sollte diese Sache geheimgehalten werden, aber schließlich erstreckt sich ja die Geheimhaltung auf alle Dinge, die in einer Bank vorkommen.
DR. SAUTER: Herr Zeuge! Diese Erklärung befriedigt uns sicherlich nicht. Haben Sie bei Ihrer Vernehmung vom 3. Mai so gesagt, wie es hier aufgenommen ist, daß die Sache absolut geheimgehalten werden soll, oder haben Sie sich anders ausgedrückt?
PUHL: Nein, der Text des Affidavits stimmt; die Sache sollte absolut geheimgehalten werden.
DR. SAUTER: Warum?
PUHL: Ja, warum? Derartige Dinge pflegt man eben geheimzuhalten und nicht öffentlich bekanntzumachen, zumal diese Dinge nun aus dem Osten kamen. Ich wiederhole, was ich vorhin schon einmal sagte, daß unsere Haltung gegenüber beschlagnahmten Dingen immer die war, uns möglichst aus diesen Sachen herauszuhalten.
DR. SAUTER: Ist Ihnen das aufgefallen, daß der Angeklagte Funk von einer Geheimhaltung gesprochen hat?
PUHL: Nein.
DR. SAUTER: Oder ist Ihnen das nicht aufgefallen?
PUHL: Besonders nicht.
DR. SAUTER: Nicht besonders?
PUHL: Nein. Nur, es ergab sich aus dem Gespräch, daß, wenn wir schon die beschlagnahmten Dinge der Devisenstellen, Zollfahndungsstellen nicht nehmen wollten, wir bei diesen Dingen natürlich auf Geheimhaltung dringen sollten.
DR. SAUTER: Ja, Sie stellen aber doch die Sache so dar, Herr Zeuge, als hätten Sie auf der einen Seite das Geschäft für durchaus gesetzlich gehalten, Sie sprechen ja auch selber davon, daß es durchaus legal war und daß auf der anderen Seite sich die Geheimhaltung für Sie als alten Bankfachmann von selbst verstanden hat. Man wird nun fragen, warum ist da eigens von der Geheimhaltung gesprochen worden?
PUHL: Da Herr Funk auch seinerseits gebeten worden ist, die Sache möglichst geheimzuhalten und er diesen Wunsch weitergegeben hat.
DR. SAUTER: Wann hat Funk Ihnen das gesagt, daß er gebeten worden ist?
PUHL: Nein, da erinnere ich mich nicht.
DR. SAUTER: Haben Sie ihn nicht gefragt, warum das geheimgehalten werden muß – absolut geheim, sagen Sie, ich weiß nicht, ob Sie das aufrechterhalten wollen, absolut geheim?
PUHL: Ja, es sollte also hier eine besondere Geheimhaltungspflicht den Beamten auferlegt werden.
DR. SAUTER: Ja, was haben Sie als Vizepräsident, als geschäftsführender Vizepräsident, darauf gesagt?
PUHL: Darauf habe ich nichts gesagt, denn wenn das verabredet worden war, so war diesem Wunsche dann Rechnung zu tragen.
DR. SAUTER: Sie wissen ja nicht, ob es verabredet war.
PUHL: Ja, ich unterstelle, daß es verabredet war.
DR. SAUTER: Sie rechnen mit der Möglichkeit?
PUHL: Ja.
DR. SAUTER: Und die Sachen, um zu wiederholen, die dann gekommen sind, haben Sie überhaupt nicht gesehen?
PUHL: Nein, nein.
DR. SAUTER: Sie wissen vielleicht wahrscheinlich auch nicht, wieviel das war?
PUHL: Nein, auch das nicht; ich habe auch, wie ich vorhin schon sagte, nie eine Abrechnung gesehen, und das war auch nicht im Zuge unserer Geschäftsordnung, und schließlich wurden die einzelnen Geschäfte nicht einem Mitglied des Direktoriums vorgelegt.
DR. SAUTER: Ich frage nämlich deswegen, weil neulich einmal vor kurzem aus Anlaß der Erörterung dieses Falles behauptet worden ist, solche Sachen, es seien ganze Waggonladungen gekommen, ganze Waggonladungen.
Sie lachen schon jetzt, und Sie werden noch mehr lachen, wenn ich Ihnen sage, daß sogar von 47 Waggonladungen Gold gesprochen worden sei, das zu Ihnen gekommen sei und von denen Sie nichts gewußt hätten?
PUHL: Davon habe ich nie gehört.
DR. SAUTER: Davon haben Sie nichts gehört? – Herr Zeuge, wir werden diesen einen Punkt verlassen und zu dem zweiten Punkt Ihres Affidavits vom Mai übergehen, der ja sehr kurz sein wird.
Diesen Herrn Pohl, den SS-Obergruppenführer Pohl, von dem Sie uns gerade vorhin gesprochen haben, haben Sie 1942, glaube ich, bereits gekannt?
PUHL: Ja, immerhin war dieser Anlaß der erste, daß Pohl zu mir in mein Büro gekommen ist.
DR. SAUTER: Ja, es soll das kein Vorwurf sein, sondern nur die Feststellung einer Tatsache. Sie haben ihn gekannt, und zwar wegen des ersten Geschäfts, das zeitlich vorausging, nämlich dieses Kredits.
PUHL: Ja, das kann sein.
DR. SAUTER: Der Angeklagte Funk sagt nämlich, so wie er sich an diese Sache erinnern kann – und der er damals keine besondere Bedeutung beimaß – soll die Kreditsache ungefähr um 1940 gewesen sein, längere Zeit vor der anderen Sache. Kann das stimmen? Ungefähr?
PUHL: Ich bestreite es nicht, ich kann es nicht bestätigen, denn ich habe das Datum des Kredits nicht mehr im Kopf.
DR. SAUTER: Nun sagen Sie in Ihrem Affidavit hinsichtlich dieses Kredits, die Reichsbank habe der SS einen Kredit von zehn bis zwölf Millionen zur Verfügung gestellt, ich glaube zur Ablösung eines Kredits, den die SS bei einer anderen Bank gehabt hatte. Und da sagen Sie nun, dieser Kredit sei aufgenommen worden für die Finanzierung der Herstellung von Materialien in SS-geleiteten Fabriken durch Arbeitskräfte aus KZ-Lagern.
Herr Zeuge, mich interessiert hier weniger die Kreditgewährung als solche, denn das gehörte ja zu Ihren Bankgeschäften, und der Betrag von, glaube ich, zehn bis zwölf Millionen wäre ja auch nicht außergewöhnlich. Mich interessiert aber: Woher wissen Sie, daß diese Gelder bestimmt gewesen seien für SS-Fabriken, in denen Arbeitskräfte aus KZ-Lagern beschäftigt waren? Woher wissen Sie das?
PUHL: Der Kreditantrag kam von der vorhin schon einmal erwähnten Wirtschaftsabteilung der SS. Diese Abteilung betrieb eine Reihe von Fabriken in Deutschland und brauchte hierfür Geld. Die Golddiskontbank war bereit, diese Kredite zu geben, aber nur dann, wenn sie die Form ordnungsmäßiger kaufmännischer Kredite hatten. Das heißt also mit anderen Worten: Der Schuldner hatte uns eine Bilanz vorzulegen und hatte uns in regelmäßigen Zwischenräumen Bericht zu erstatten über seine Produktivität, über seinen gesamten finanziellen Status, über das, was für die nächste Zeit geplant war, kurzum über alles das, was ein Schuldner seinen Gläubigern mitzuteilen verpflichtet ist.
Der Vorstand der Golddiskontbank führte diese Gespräche, und bei dieser Gelegenheit haben dann die Beauftragten der Wirtschaftsabteilung, die die Bilanzen vorlegten, auch selbstverständlich über ihr Produktionsprogramm gesprochen, das insofern ja bemerkenswert auch vom Bilanzstandpunkte war, als das Lohnkonto verhältnismäßig niedrig war. Und so hat sich von selbst die Frage ergeben: Woher kommt dieser niedrige Stand eurer Lohnunkosten? Der Vorstand der Golddiskontbank hat dann in der Aufsichtsratsitzung der Golddiskontbank hierüber berichtet.
DR. SAUTER: Sie sprechen hier immer von der Golddiskontbank. Das Gericht wird sich dafür interessieren: Ist die Golddiskontbank identisch mit der Reichsbank, unterstand sie auch dem Angeklagten Funk und Ihnen, wie war das?
PUHL: Ja, die Golddiskontbank ist ein schon in den zwanziger Jahren gegründetes Hilfsinstitut der Reichsbank gewesen für mancherlei Aufgaben, nicht zum letzten zur Förderung des Exportes, aber auch zur Hebung der Produktion. Die kapitalmäßige Konstruktion ist...
DR. SAUTER: Nein, das interessiert uns nicht.
PUHL:... daß fast das gesamte Aktienkapital in Händen der Reichsbank war, und die Leitung: Die Golddiskontbank hatte einen Aufsichtsrat, an dessen Spitze der Reichsbankpräsident jeweils stand, hatte einen stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats, das war der zweite Vizepräsident der Reichsbank, und dann einen Aufsichtsrat, in dem eine Reihe der Herren des Reichsbankdirektoriums, aber auch der Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums und des Finanzministeriums saßen.
VORSITZENDER: Es interessiert uns hier nicht, wer die Direktoren der Golddiskontbank waren.
DR. SAUTER: Herr Zeuge! Ich habe Sie ja vorhin schon unterbrechen wollen. Ich wollte Ihnen sagen, daß das, was Sie uns jetzt ausgeführt haben, für den Prozeß ohne Bedeutung ist. Mich und das Gericht wird es nur interessieren, hat der Angeklagte Funk, soweit Sie sich bestimmt erinnern, von diesen Dingen, also wofür der Kredit bestimmt war und daß in den betreffenden Fabriken Leute aus den Konzentrationslagern beschäftigt worden sind, Kenntnis gehabt? Wissen Sie das oder wissen Sie das nicht?
PUHL: Ich möchte das annehmen, aber wissen kann ich es nicht. Immerhin war bekannt, daß der Kredit für diese Fabriken bestimmt war.
DR. SAUTER: Herr Zeuge! Mit der Antwort kann ich mich nicht begnügen, da die SS, wie Sie wohl auch in der Zwischenzeit gehört haben, verschiedene Wirtschaftsbetriebe hatte, in denen keine Konzentrationslagerhäftlinge beschäftigt waren. Meines Wissens zum Beispiel die Porzellanfabrik Allach; da sollen keine Konzentrationslagerhäftlinge beschäftigt gewesen sein. Dann zum Beispiel der ganze Brunnenbetrieb von den Heilbrunnen...
MR. DODD: Ich erhebe Einspruch gegen Aussagen durch den Verteidiger. Er legt ja praktisch dem Zeugen die Antwort in den Mund, noch ehe er die Frage stellt.
DR. SAUTER: Wissen Sie davon, ob die SS Wirtschaftsbetriebe hatte, in denen keine Konzentrationslagerhäftlinge beschäftigt waren?
PUHL: Ich kannte natürlich nicht jeden einzelnen Wirtschaftsbetrieb der SS und konnte auch nicht wissen, ob in dem einen Häftlinge waren oder in dem anderen nicht.
DR. SAUTER: Ist denn in der Sitzung, wo über diese Kredite gesprochen worden ist, der Angeklagte Funk überhaupt anwesend gewesen?
PUHL: Nein, er war nicht anwesend. Nein, es war dasselbe Verfahren, nämlich, wie immer gewöhnlich, die Protokolle vorzulegen.
DR. SAUTER: Hat dann der Angeklagte Funk mit den Leuten, die über diesen auffallenden Stand des Lohnkontos Auskunft gegeben haben, überhaupt gesprochen?
PUHL: Nein, das hat der Vorstand der Golddiskontbank ja getan.
DR. SAUTER: Das hat der Vorstand der Golddiskontbank getan, nicht der Angeklagte Funk!?
Herr Vorsitzender! Ich habe dann an den Zeugen keine weiteren Fragen mehr.
MR. DODD: Ich habe nur einige Fragen zu stellen, Herr Vorsitzender.