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[Zum Zeugen gewandt:]

Der Angeklagte Göring wußte auch etwas von diesen Depots, nicht wahr? Da wir nun einmal diese Dinge besprechen, wie verhält es sich damit?

PUHL: Daß Herr Göring über diese Sachen etwas gewußt hat, ist mir unbekannt.

MR. DODD: Ich zeige Ihnen jetzt ein Dokument, das in den Akten der Reichsbank gefunden wurde. Es ist Nummer 3947-PS und ist ein neues Dokument. Sie haben es noch nicht gesehen. Es ist eine Niederschrift aus den Akten, datiert vom 31. März 1944 und betrifft:

»Verwertung von Schmuckwaren und dergleichen, die bei amtlichen Stellen zugunsten des Reiches anfallen.

Auf Grund einer mündlichen vertraulichen Vereinbarung zwischen dem Herrn Vizepräsidenten Puhl und dem Leiter einer Berliner Amtsstelle hat es die Deutsche Reichsbank übernommen, die bei dieser Stelle anfallenden in- und ausländischen Zahlungsmittel, Gold- und Silbermünzen, Edelmetalle, Wertpapiere, Schmuckgegenstände, Uhren, Brillanten und sonstige Wertgegenstände zu verwerten. Die Bearbeitung dieser Eingän ge erfolgt unter dem Stichwort ›Melmer‹.

Die hierbei in erheblichen Mengen angefallenen Schmuckgegenstände und dgl. wurden bisher nach Prüfung der Stückzahlen und der etwa angegebenen Gewichte, soweit sie nicht eingeschmolzen sind, der Städt. Pfandleihanstalt, Abteilung III Zentralstelle, Berlin N 4, Elsässerstraße 74, zur bestmöglichsten Verwertung übergeben.«

Ich will nicht das Ganze lesen, es folgt dann weiteres über die Leihanstalt; ich möchte Sie jedoch auf den Absatz aufmerksam machen, der wie folgt beginnt:

»Der Herr Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches, Beauftragter für den Vierjahresplan, setzt nun die Deutsche Reichsbank mit seinem Schreiben vom 19. 3. 44, das wir in Abschrift beifügen, davon in Kenntnis, daß die erheblichen Bestände der Haupttreuhänderstelle Ost an Gold- und Silberwaren, Schmuckstücken und dergleichen auf Grund einer Anordnung der Herren Reichsminister Funk und Graf Schwerin von Krosigk an die Reichsbank abzuliefern sind. Die Verwertung dieser Gegenstände müßte u. E. in der gleichen Weise geschehen wie bei den ›Melmer‹-Lieferungen. Gleichzeitig verweist der Herr Reichsmarschall hierbei auf die Verwertung gleichartiger Gegenstände, die in den besetzten Westgebieten angefallen sind. Bei welcher Stelle diese Gegenstände eingeliefert wurden und auf welche Weise ihre Verwertung erfolgt, ist uns nicht bekannt.«

Dann folgt etwas über eine Nachfrage und über diese ganze Angelegenheit, über Leihanstalten, und so weiter.

Ich möchte Sie vor allem fragen: Im ersten Absatz heißt es »auf Grund einer vertraulichen mündlichen Vereinbarung zwischen Ihnen und dem Leiter einer Berliner Amtsstelle« – wer war dieser Leiter der Berliner Amtsstelle, der eine vertrauliche Vereinbarung hinsichtlich dieses Geschäftes mit Ihnen traf?

PUHL: Das war Herr Pohl. Das war das Abkommen, von dem wir heute morgen sprachen.

MR. DODD: Das war doch Pohl von der SS, nicht wahr?

PUHL: Jawohl.

MR. DODD: Und das war diese ganze Transaktion; die ganze SS-Transaktion, worauf sich diese Niederschrift bezieht, von der soviel die Rede ist?

PUHL: Das war eine Vorlage unserer Kasse, und sie hat hier vermieden, im Sinne der Geheimhaltung das Wort »SS-Wirtschaftsabteilung« oder ähnliches zu schreiben und drückt sich etwas allgemeiner aus und sagt: »dem Leiter einer Berliner Amtsstelle«.

MR. DODD: Und später im Absatz heißt es: »Die Bearbeitung dieser Eingänge erfolgt unter dem Stichwort ›Melmer‹«. Das ist der Name, nach dem ich Sie, wenn Sie sich erinnern, vor einigen Minuten gefragt habe, nicht wahr?

PUHL: Ich habe die Frage nicht verstanden.

MR. DODD: Im letzten Satz dieses Absatzes heißt es »alle Eingänge müssen unter dem Stichwort ›Melmer‹, M-e-l-m-e-r, bearbeitet werden«, und das ist doch der Name, über den ich Sie vor ein paar Minuten gefragt habe. Und Sie sagten, daß Sie diesen Namen nicht kennen.

PUHL: Jawohl, und aus dieser Aufstellung geht ja auch hervor, daß ich ihn nicht gekannt haben kann; denn die Kasse selbst macht ja hier erst die Mitteilung, daß sie erfolgt unter dem Namen ›Melmer‹.

MR. DODD: Ich glaube, wenn Sie es lesen, werden Sie sehen, daß es gerade das Gegenteil beweist, nämlich: Auf Grund einer mündlichen vertraulichen. Vereinbarung zwischen Ihnen und Pohl von der SS hat die Reichsbank es übernommen, Gold- und Silbermünzen und so weiter zu verwerten. Die Bearbeitung aller Eingänge erfolgt unter dem Stichwort »Melmer«.

Sie wollen dem Gerichtshof gegenüber doch nicht etwa behaupten, daß eine Transaktion wie diese in Ihrer Bank, wo Sie Vizepräsident waren, unter einem Stichwort erfolgte, und daß Sie nichts davon wußten. Sie waren der Mann, der direkt mit dem SS-Mann verhandelte? Wollen Sie dies ernsthaft dem Gerichtshof gegenüber erklären?

PUHL: Ja. Also das Wort »Melmer« ist in meiner Gegenwart nie gefallen. Wohl aber hatten unsere Kassendirektoren die Möglichkeit, Kundenkonten Stichworte zu geben, wenn diese vorzogen, nicht ihren eigenen Namen und den Namen ihrer Institution anzugeben, und davon hat auch hier die Kasse Gebrauch gemacht.

MR. DODD: Sie werden bemerken, daß wir zum zweitenmal heute morgen dem Namen Melmer begegnen. Herr Thoms erklärt, Sie hätten sich dieses Stichwortes ihm gegenüber bedient, und jetzt finden wir es in einer Urkunde Ihrer eigenen Bank, einem Dokument, das in unsere Hände fiel. Wollen Sie immer noch sagen, daß Ihnen dies nicht bekannt ist?

PUHL: Nein, gerade weil es... diese Denkschrift ist übrigens nicht für mich gemacht, sondern für den betreffenden Kassendezernenten gemacht. Und gerade um ihn in Kenntnis zu setzen von dem, was die Kasse verabredet hat, erklärt sie hier, unter welchem Namen, unter welcher Chiffre diese Transaktion bei ihr vorgenommen wird.

MR. DODD: Herr Puhl! Schauen Sie mich einen Augenblick an; haben Sie nicht Leutnant Meltzer, Leutnant Margolis und Dr. Kempner gegenüber erklärt, als sie alle um sie versammelt waren, daß dieses ganze Geschäft mit der SS allgemeines Gespräch in der Reichsbank war, diesen Herren, die hier sitzen, zwei von ihnen am Tische der Vereinigten Staaten und einer hier? Sie kennen diese Herren. Ich möchte, daß Sie einen Augenblick überlegen, ehe Sie die Frage beantworten.

PUHL: Wir haben davon gesprochen, daß das Geheimnis nicht gewahrt wurde, weil es in einer Bank letzten Endes auf die Dauer nicht zu wahren ist, aber das hat nichts damit zu tun. Was wir in diesem Augenblick sprachen, waren technische Einzelheiten, wie ein solches Geschäft durchgeführt wurde, was nicht zur Kenntnis einer breiteren Schicht gelangt. Was natürlich nicht zu verhindern war, war die Tatsache als solche.

MR. DODD: Also Sie scheinen mich nicht zu verstehen – darüber sprechen wir gar nicht. Ich glaube, daß Sie sich unbedingt erinnern müssen, weil es nur ein oder zwei Tage her ist, daß Sie, und zwar in diesem Gebäude hier, eine Unterhaltung mit diesen Herren hatten, nicht wahr? Ich frage Sie jetzt, ob es nicht stimmt, daß Sie diesen Herren sagten, die ganze SS-Transaktion mit der Bank sei ein allgemeines Gespräch in der Bank gewesen?

PUHL: Es war ein allgemeines Geflüster über diese Operation in der Bank, aber Einzelheiten waren natürlich nicht bekannt.

MR. DODD: Haben Sie irgendwelche Bedenken über Ihren Anteil an dieser Sache? Ich glaube, es ist eine berechtigte Frage angesichts Ihres Affidavits in Ihrer Aussage. Machen Sie sich darüber Gedanken, was Sie mit dieser Sache zu tun hatten? Ist es so?

PUHL: Nein. Also ich selbst hatte mit der Sache, nachdem sie einmal eingefädelt war, auch nichts mehr weiter zu tun. Und wie ja aus dem übergebenen Statement von Herrn Thoms hervorgeht, gibt er ja selber zu, daß er mich monatelang gar nicht gesehen hat. In der Direktoriumssitzung ist auch diese Sache nie zur Vorlage gekommen, und es ist nie um einen Entscheid angegangen worden.

MR. DODD: Sie wissen doch, daß der Angeklagte Funk im Zeugenstand erklärt hat, Sie seien derjenige, der ihm zuerst von den SS-Geschäften Kenntnis gegeben hat. Ist das auch Ihre Auffassung?

PUHL: Nein. Meine Erinnerung ist die, daß das erste Gespräch bei Herrn Präsident Funk stattgefunden hat, in dem er mir mitteilte, aus den Gründen, die ich vorhin sagte, daß wir der SS gefällig sein wollen, diese Depots – das Wort ist damals gefallen – zu übernehmen.

MR. DODD: Sie gebrauchten vor einigen Tagen einen stärkeren Ausdruck, als Sie darüber nachdachten. Sie sagten: »Können Sie sich vorstellen, daß Himmler mit mir anstatt mit Funk gesprochen hat?« Entsinnen Sie sich, dies den Herren gesagt zu haben?

PUHL: Ich habe die letzte Frage nicht verstanden, bitte?

MR. DODD: Es ist nicht so wichtig, ich fragte Sie, ob Sie sich nicht daran erinnern, diesen Herren, Leutnant Meltzer und Leutnant Margolis, erklärt zu haben, daß Himmler sich nicht mit Ihnen als Vizepräsident der Bank unterhalten, sondern sich an Funk wenden würde. Sie waren sehr aufgeregt, als wir Sie darauf aufmerksam machten, daß Funk gesagt hatte, Sie seien der Mann gewesen, von dem die Sache ausging?

PUHL: Jawohl.

MR. DODD: Sie regten sich sehr darüber auf, erinnern Sie sich dessen nicht?

PUHL: Jawohl.

MR. DODD: Abschließend folgende Frage: Wollen Sie ernstlich behaupten, daß Sie bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie in Frankfurt verhört wurden, weder von dem Vorhandensein noch von der Art dieser Depots etwas wußten? Angesichts des Thoms'schen Affidavits, des Beweisstückes, das ich Ihnen eben zeigte, und des ganzen Verhörs heute morgen, wollen Sie Ihre Aussage mit der Behauptung abschließen, daß Sie tatsächlich zu keiner Zeit wußten, was in diesen Depots enthalten war?

PUHL: Das mir heute vorgelegte Statement oder die mir heute vorgelegte Äußerung der Kasse habe ich zum erstenmal in Frankfurt gesehen. Ich habe sie nie vorher zu Gesicht bekommen und habe mich um die Einzelheiten dieses Geschäfts auch nicht gekümmert, auch nicht kümmern können als Vizepräsident, der ich ja doch verantwortlich war für die allgemeine Wirtschafts- und Währungspolitik, Kredite und derlei Dinge. Zumal wir für unseren Kassenbereich einen ganzen Stab hochqualifizierter Mitarbeiter hatten, die, wenn es notwendig gewesen wäre, dem Reichsbankdirektorium eine Vorlage hätten machen müssen.

MR. DODD: Sie bestreiten selbstverständlich nicht, gewußt zu haben, daß Juwelen, Silber und derartige Dinge in diesem Depot waren?

PUHL: Von vornherein war das deutsche Wort Schmucksachen gebraucht worden.

MR. DODD: Gut. Wir wollen sehen, welche Gegenstände in diesen Depots Ihnen bekannt waren. Sie wußten, daß Schmucksachen, einige Schmucksachen, darin waren. Sie wußten, daß einige Devisen, Geldmünzen und andere Gegenstände in den Depots waren. Nur eines wußten Sie nicht: Daß Zahngold darin war, nicht wahr?

PUHL: Das stimmt bestimmt. Es ist so: Es war bekannt und war auch von vornherein gesagt worden, das hatte mir Herr Pohl gesagt, daß im wesentlichen, zum weitaus größten Teil, in diesen Depots Gold, Auslandsdevisen, Silbermünzen und, so fügt er hinzu, auch »einige Schmucksachen« seien.

MR. DODD: Dann können Sie wohl die Frage einfach beantworten: Sie wußten, daß alles, was in Ihrem Affidavit erwähnt ist, mit Ausnahme des Zahngoldes, daß es von der SS deponiert war? Verstehen Sie diese Frage nicht? Ich glaube, die Frage ist sehr einfach. Sie brauchen nichts zu lesen, Herr Puhl. Wollen Sie bitte hier hersehen; ich frage Sie, ob Sie über alles Bescheid wußten, was in Ihrem Affidavit erwähnt ist, außer dem Zahngold?

PUHL: Also, ich wußte über Schmucksachen, aber ich wußte nicht, wie im einzelnen diese Schmucksachen beschaffen waren.

MR. DODD: Ich frage Sie nicht über Einzelheiten, ich frage Sie nur, ob Sie nicht davon wußten, daß dies darin war. Sie wußten, daß Devisen und andere Gegenstände in den Depots waren, denn das sind ja die einzigen Sachen, die außer dem Zahngold erwähnt sind, und das ist das einzige, worüber Sie anscheinend nichts wußten.

PUHL: Ja, also ich wußte im wesentlichen, daß es sich hier um Gold- und Devisenwerte handelte und daß die Schmucksachen, ich wiederhole das noch einmal...

MR. DODD: Und Juwelen?

PUHL: Ich wußte, daß Juwelen da waren.

MR. DODD: Das einzige, wovon Sie nichts wußten, war das Zahngold. Das ist alles, was ich Sie frage. Warum antworten Sie nicht? Die Antwort kann doch nicht soviel Zeit in Anspruch nehmen? Nicht wahr? Das einzige, worüber Sie nichts wußten, war das Zahngold.

PUHL: Nein.

MR. DODD: Gut, was wird sonst noch erwähnt, von dem Sie nichts wußten?

PUHL: Hier sind zum Beispiel noch Brilleneinfassungen erwähnt worden.

MR. DODD: Sie wußten darüber auch nichts? Gut, dann werde ich das auch mit einfügen. Brillenfassungen und Zahngold. Von diesen beiden Sachen wußten Sie also nichts?

PUHL: Ich war informiert worden nur mit dem allgemeinen Worte »Schmucksachen«.

MR. DODD: Das sind dann wohl die beiden Sachen, über die Sie sich am meisten Gedanken machen mußten, die Brillenfassungen und das Zahngold.

Ich habe keine Frage mehr, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Einen Augenblick, einen Augenblick! Führen Sie diesen Mann noch nicht fort.