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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

Ja, Dr. Siemers.

DR. SIEMERS: Darf ich Herrn Großadmiral Raeder an den Zeugenstand bitten?

[Der Zeuge Raeder betritt den Zeugenstand.]

Ich darf daran erinnern, daß ich die grundsätzliche Frage gestellt hatte, ob der Aufbau der Marine zu Angriffs- oder Verteidigungszwecken erfolgt ist.

Der Zeuge will diese Frage beantworten, indem er sich auf Teile seiner Rede bezieht aus dem Jahre 1928. Es ist Raeder-Exhibit Nummer 6, Dokumentenbuch I, Seite 5. Die Rede selbst beginnt Seite 17.

Darf ich bitten.

RAEDER: Ich möchte vorausschicken, daß der Minister Severing, den ich als Zeugen erbeten hatte, diese Rede aus freien Stücken hierher mitgebracht hat, da er sich immer noch an das Jahr 1928 erinnert.

DR. SIEMERS: Herr Vorsitzender! Dies ergibt sich aus dem Dokumentenbuch Seite 16. Es ist das Schreiben Raeders an Minister Severing vom 8. Oktober 1928. Severing hat mir diese Rede jetzt übergeben, als er zwecks Zeugenvernehmung nach Nürnberg kam.

RAEDER: Ich zitiere auf Seite 17, 5. Zeile von unten, um den Satz etwas zu verkürzen für die Dolmetscher.

»Die Wehrmacht – ich spreche natürlich in erster Linie für die Marine, aber ich weiß, daß es im Heere heute nicht anders ist, – ist, nachdem seit 1919 mit größter Hingabe und Pflichttreue an ihrer inneren Festigung und Durchbildung gearbeitet worden ist, in ihrer heutigen Zusammensetzung, ob Offizier oder Mann, in ihrem heutigen Ausbildungsstande und in ihrer inneren Einstellung eine feste und zuverlässige Stütze, ich möchte sogar sagen entsprechend der ihr innewohnenden militärischen Macht – auf die inneren Verhältnisse des Reiches bezogen – die festeste und zuverlässigste Stütze unseres deutschen Vaterlandes, des Deutschen Reiches, der deutschen Republik und ihrer Verfassung, und sie ist stolz darauf, das zu sein.«

Ich gehe dann auf Seite 3, sechste Zeile:

»Wenn aber der Staat bestehen soll, darf diese Macht nur den verfassungsmäßigen Stellen zur Verfügung stehen, sonst darf sie niemand haben, also auch nicht die politischen Parteien. Die Wehrmacht muß völlig unpolitisch, nur aus Soldaten zusammengesetzt sein, die jede innenpolitische Betätigung in voller Einsicht dieser Notwendigkeit ablehnen. Dies von vornherein erkannt zu haben und die Wehrmacht darnach organisiert zu haben, ist ›das große und bleibende Verdienst des früheren Reichswehrministers Noske, dem der verdienstvolle Minister Dr. Geßler auf dieser Bahn aus innerster Überzeugung gefolgt ist‹.«

Ich spreche dann von der Zusammensetzung der Marine und fahre auf Seite 4, siebente Zeile, fort. Dies ist vielleicht der wichtigste Satz:

»Eins ist nun meines Erachtens Vorbedingung für die innere Einstellung des Soldaten, daß er nämlich gewillt ist, seinen Beruf auch praktisch auszuüben, wenn das Vaterland ihn dazu aufruft. Leute, die nie wieder Krieg wollen, können unmöglich Soldaten sein wollen. Das darf man der Wehrmacht nicht verübeln, wenn sie ihren Soldaten mannhaften, kriegerischen Geist einflößt, nicht das Wollen zum Krieg oder gar zu einem Revanchekriege oder zu einem Angriffskrieg, den zu erstreben nach allgemeiner Ansicht sicherlich aller Deutschen ein Verbrechen wäre, sondern den Willen, das Vaterland im Falle der Not mit den Waffen in der Hand zu verteidigen.«

Ich gehe dann auf den letzten Absatz auf Seite 4:

»Man muß es verstehen – denn es entspricht nur dem Wesen einer Wehrmacht – wenn diese bestrebt ist, zur Erfüllung ihrer Aufgabe, auch unter den heutigen, durch die Beschränkungen des Versailler Friedensdiktates gekennzeichneten Verhältnissen, so gut wie möglich in der Lage zu sein.«

Ich komme dann noch zu den Aufgaben der kleinen Marine, und zwar auf Seite 5, zweiter Absatz, sechste Zeile:

»Denken Sie bitte an die Ausdehnung der deutschen Seeküsten in Ost- und Nordsee, der vorwiegend preußischen Seeküsten, die dem Einfall und der Brandschatzung auch des kleinsten Seestaates offenliegen würden, wenn wir nicht über moderne, bewegliche Seestreitkräf te zum mindesten im Rahmen des Versailler Diktates verfügten. Denken Sie vor allem auch an die Lage Ostpreußens, das bei einer Sperrung des Korridors völlig auf die Zufuhr über See angewiesen wäre, eine Zufuhr, die an Stützpunkten fremder Nationen unmittelbar vorbeigeführt werden müßte und dadurch in einem Kriegsfalle aufs äußerste gefährdet, ja unmöglich gemacht würde, wenn wir nicht über kampfkräftige Schiffe verfügen. Erinnern Sie sich bitte weiter der Berichte über die Wirkung der Besuche unserer Schulkreuzer und unserer Flotte im Auslande, wo aus dem mustergültigen Auftreten ihrer Besatzungen schon 1922 auf die Besserung der inneren Zustände im Reiche geschlossen und damit dem Ansehen des Deutschen Reiches in hohem Maße gedient wurde.«

Soweit diese Rede.

DR. SIEMERS: Herr Großadmiral! Sie haben aus dem Jahre 1928...

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