HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Zeuge! Ist diese Darstellung von Lohmann richtig? Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?

RAEDER: Nein, ich kann nur noch einmal betonen, es handelt sich nicht um den sofortigen Bau, sondern um das Aussuchen der eigentlichen Schiffe, das Untersuchen der Schiffe auf die Umbauten, die vorgenommen werden müßten, wenn im Mobilmachungsfalle sie als Hilfskreuzer gebraucht wurden. Das Herstellen der Pläne, und diese Pläne sollten, wie unter Nummer 12 angegeben ist, bis zum 1. April 1935 abgeschlossen sein. Sie wurden dann bei der Dienststelle hinterlegt, so daß im Mobilmachungsfalle das betreffende Schiff aus der Handelsschiffahrt herausgenommen werden konnte und dann umgebaut werden konnte. Geheimgehalten wurden alle diese Mobilmachungsvorschläge

DR. SIEMERS: Ich glaube, Hohes Tribunal, das ganze Mißverständnis wäre nicht gekommen, wenn die Anklage zwei weitere Sätze mit übersetzt hätte. Das im Englischen vorliegende Exemplar ist sehr kurz, und es fehlt die Ziffer 11. Die Ziffer 11 lautet: Ich zitiere:

»B wird gebeten in Zusammenarbeit mit K zunächst die geeignetsten Fahrzeuge auszusuchen und festzustellen, wie viele 15-cm-Geschütze zur Erreichung der geforderten Breitseite insgesamt aufgestellt werden müssen...«

Hier findet sich das Wort »aussuchen«, so daß es also nicht, wie die Anklagebehörde vorsieht, ein Bau von Hilfskreuzern ist, sondern ein Aussuchen aus Handelsschiffen.

RAEDER: Die Schiffe fuhren dann weiter in der Handelsschiffahrt.

DR. SIEMERS: Und der zweite Satz, den ich leider in der englischen Übersetzung der Anklage vermisse, ist folgender: Ich zitiere:

»Solange nur eine beschränkte Zahl von Geschützen (zur Zeit 24) für diesen Zweck zur Verfügung gestellt werden kann, sind Vorbereitungen nur für 4 Transportschiffe (O) zu treffen.

Eine Vermehrung ihrer Zahl voraussichtlich bis auf sechs wird einer Zeit vorbehalten, in der mehr Geschütze zur Verfügung stehen. Bis dahin sind die Erfahrungen mit den Vorbereitungen für die ersten Hilfskreuzer abzuwarten.«

Da es sich nur um vier, höchstens sechs Handelsschiffe handelt, ergibt sich, glaube ich, die geringe Wichtigkeit.

Ich komme zu der Urkunde C-189, gleich US-44. Im Dokumentenbuch der Britischen Delegation Nummer 10, Seite 66.

Ich bitte Sie um Ihre Stellungnahme. Verzeihung, ich darf daran erinnern, daß es sich hier um das Gespräch des Großadmirals Raeder mit dem Führer im Juni 1934 auf der »Karlsruhe« handelt.

Herr Großadmiral! Ich bitte um Ihre Stellungnahme zu den drei in dieser kurzen Urkunde angeführten Punkten, die Sie mit Hitler im Juni 1934 auf der »Karlsruhe« besprachen.

Erste Frage: Warum wollte Hitler das vergrößerte Deplacement von D und E, also ›Scharnhorst‹ und ›Gneisenau‹, nicht bekanntgeben, obwohl es sich laut dieser Urkunde um Defensivwaffen handelt und jeder Fachmann die vergrößerte Tonnage eines solchen Schiffes selbst sehen konnte und, wie ich weiß, auch tatsächlich gesehen hat?

RAEDER: Es handelt sich hier um die Zeit, wo wir überlegten, was wir mit den beiden Panzerschiffen D und E tun könnten, im Anschluß an den zu erwartenden englischen Flottenvertrag, die für den Etat 1934 mir von Hitler bewilligt waren für die Marine. Wir waren uns darüber klar, daß wir die Panzerschiffe als solche nicht weiterbauen wollten, weil wir das Material, das wir hatten, auf bessere Weise ausnutzen könnten.

DR. SIEMERS: Sie waren sich doch darüber klar, daß jeder Fachmann von der Britischen oder Amerikanischen oder sonstigen Admiralität ohne weiteres bei einer Reise sehen kann, wenn er dieses Schiff trifft, daß es statt 10000 Tonnen, 26000 Tonnen hat.

RAEDER: Das ist selbstverständlich.

DR. SIEMERS: Es war also lediglich die Absicht...

VORSITZENDER: Dr. Siemers! Wenn Sie einen Zeugen direkt verhören, sollten Sie ihm keine Suggestivfragen stellen, wodurch Sie ihm die Antwort in den Mund legen, die Sie zu hören wünschen. Sie behaupten allerhand Dinge diesem Zeugen gegenüber, und dann fragen Sie ihn »ist das so?«

DR. SIEMERS: Ich bitte um Entschuldigung, ich werde mich bemühen, meine Fragen anders zu stellen.

RAEDER: Meine Antwort ist auch anders.

DR. SIEMERS: Ja.

RAEDER: Also es handelt sich hier zunächst um die Pläne. Ich habe um Erlaubnis gebeten, die beiden Pläne der Panzerschiffe umzuarbeiten, erstmals in der Richtung der Verstärkung der Defensivwaffen, nämlich des Panzers und der Unterwassereinteilung, auch eine Verstärkung der Offensivwaffen, nämlich einen dritten 28-cm-Turm statt 26 cm. Einen neuen 28-cm-Turm wollte der Führer noch nicht zugestehen, weil er, wie ich im Verhör schon sagte, unter keinen Umständen die englischen Verhandlungen stören wollte. Er genehmigte also zunächst nur ein mittleres Deplacement von ungefähr 18 bis 19000 Tonnen, und wir waren uns darüber klar, daß, wenn die Lage so weit wäre, daß man auch einen dritten 28-cm-Turm aufsetzen könnte, daß dann das Deplacement ungefähr 25 bis 26000 Tonnen sein würde. Aber wir sahen in keiner Weise eine Veranlassung, das jetzt schon bekanntzugeben, wie es überhaupt in den Marinen üblich ist, die neuen Baupläne von Schiffen, besonders von neuen Typen, möglichst spät bekanntzugeben. Das war der Hauptgrund, und außerdem wollte Hitler auch nicht durch solche Zahlen, die da angegeben wurden, ebenso eine besonders hohe Geschwindigkeit, die Aufmerksamkeit des Auslandes auf diese Bauten richten. Eine Veranlassung sonst, das nicht bekanntzugeben, lag nicht vor.

DR. SIEMERS: Ich bitte Sie, dann zu Ziffer 2 der Urkunde Stellung zu nehmen, die Ihnen die Anklage besonders vorwirft, weil Sie dort Ansichten ausgesprochen haben, daß die Flotte später doch gegen England entwickelt werden müsse.

RAEDER: Wir hatten uns zunächst, wie ich eigentlich später ausführen wollte, die französischen Neubauten als Vorbild genommen. In der französischen Marine war damals der »Dunkerque-Typ« mit acht 33 cm und einer hohen Geschwindigkeit gebaut worden, den wir zum Vorbild genommen haben, zumal ja, wie nachher erwähnt wird nach Auffassung von Hitler, ein Rüsten gegen England in keiner Weise in Frage kam. Nun hatten wir eben die Absicht, nach Vorbild dieser Schiffe die beiden Panzerschiffe umzubauen, als Schlachtschiffe von neun 28 cm und hoher Geschwindigkeit. Wir erfuhren dann aber, daß in England der »King-George-Typ« entworfen war, der 35,6 cm hatte, also stärker als der französische Typ, und deswegen sagte ich, wir werden doch später darauf kommen müssen, von diesem Ausgleichen nach dem französischen Typ abzugehen und uns nach England zu richten, das jetzt die 35 cm baut. Es ist eine falsche Übersetzung, wenn da steht, wir müssen »oppose England«, sondern in meinem Text steht, es müßte nach England entwickelt werden, das heißt also, man müßte sich mit den Schiffstypen dann nach den englischen ausrichten. Das wurde nach kurzer Zeit aber auch überholt; denn nunmehr baute Frankreich Schiffe mit 38 cm im »Richelieu-Typ«, und wir entschlossen uns dahin, ebenfalls Schiffe mit 38 cm zu bauen, das nachher »Bismarck« wurde, also das Wort »oppose« wäre ja ganz sinnlos in dem Moment, wo wir bestrebt waren, mit England einen Vertrag abzuschließen, der dahin führte, daß wir unter gar keinen Umständen England gewachsen sein konnten.

DR. SIEMERS: Wir kommen dann zu Ziffer 3 dieses Schreibens, das die Anklagebehörde ebenso wichtig nimmt, wo es heißt:

»Führer fordert völlige Geheimhaltung des U-Bootbaus auch mit Rücksicht auf die Saarabstimmung.«

RAEDER: Zu dem Bestreben des Führers, möglichst den U-Bootbau geheimzuhalten und auch die Vorbereitungen zum U-Bootbau geheimzuhalten, wie in diesem Falle, habe ich mich vorher schon geäußert, es war der Punkt, wo er mit am empfindlichsten war, weil er unter keinen Umständen die Verhandlungen stören wollte. Es war überhaupt so, daß er selbst in dieser ganzen Zeit außerordentlich vorsichtig war und unter keinen Umständen irgend etwas unternehmen wollte, was diesen von ihm so sehr erstrebten Flottenvertrag hätte sabotieren können.

DR. SIEMERS: Ich verstehe hier nicht ganz das Wort »Geheimhaltung des U-Bootbaus«. Diese Boote wurden ja vorläufig gar nicht gebaut.

RAEDER: Nein, ich sagte schon Geheimhaltung der Vorbereitungen des U-Bootbaus, das ist ja nur eine kurze Ausdrucksweise.

DR. SIEMERS: Wir kommen dann zur Urkunde C-190, gleich US-45 im Dokumentenbuche der Britischen Delegation Nummer 10, Seite 67. Es handelt sich um das Gespräch zwischen Hitler und Raeder am 2. November 1934 auf der »Emden«. In dieser Urkunde, die Sie vor sich haben, teilt Hitler Ihnen mit, daß er den schnellen Ausbau der Marine bis 1938 für erforderlich hält und daß er im Notfalle Dr. Ley veranlassen werde, der Marine 120 bis 150 Millionen von der Arbeitsfront zur Verfügung zu stellen. Hatten Sie überhaupt irgend etwas mit der Geldbeschaffung für die Aufrüstung zu tun?

RAEDER: Nein, mit der Geldbeschaffung an sich nicht, sondern ich beantragte die Mittel beim Reichsverteidigungsminister, der mir für den Ausbau die Mittel zuwies. Ich nehme an, daß dieser Ausdruck erfolgte, weil die Zuweisung, die für dieses Jahr für mich beabsichtigt war, für die Marine mir zu gering erschien, und daraufhin diese Äußerung des Führers, im Notfalle werde er Dr. Ley veranlassen. Das ist aber nie geschehen, ich habe meine Mittel nur auf dem Weg über den Reichsverteidigungsminister bekommen.

DR. SIEMERS: Obwohl ich den Vorwurf der Anklage, da es ja lediglich eine Meinung von Hitler war, die Sie gar nichts anging, nicht ganz verstehe, möchte ich doch auf die Summe zurückkommen. Ich darf daran erinnern, daß ein Panzerkreuzer des zuletzt kleinen Typs von 10000 Tonnen 75 bis 80 Millionen kostete. Wozu ist dann diese Summe von 120 bis 150 Millionen, kann sie die Marine in die Lage versetzen, nunmehr eine große Aufrüstung hervorzurufen?

RAEDER: Nein, bestimmt nicht. Es wurden... abgesehen von den zwei Panzerkreuzern sind auch noch zwei Schlachtschiffe gebaut worden. Sie können sich denken, daß die Kosten immer größer wurden.

DR. SIEMERS: Also war doch die Summe keine entscheidende Summe?

RAEDER: Nein, es war keine entscheidende.

DR. SIEMERS: Ich bitte Sie, dann auf Ziffer 2 überzugehen. Laut Ziffer 2 der Urkunde haben Sie bei dieser Besprechung Hitler darauf aufmerksam gemacht, daß eventuell im ersten Vierteljahr 1935 sechs U- Boote bereits zusammengesetzt werden müßten?

RAEDER: Ich habe das deswegen gesagt, weil ich wußte, daß Anfang 1935 die Wehrfreiheit erstrebt werden sollte und meinte, daß daraus vielleicht eine kritische Lage bezüglich von Sanktionen entstehen konnte, mit denen auch Hitler immer rechnete, und ich nehme an, daß von diesen die Rede war und daß ich deswegen vorschlug, wenn etwas Besonderes zur Vorbereitung nötig wäre, entstehend aus der Wehrfreiheit, daß dann schon sechs U-Boote vorher zusammengesetzt würden, die sonst erst später zusammengesetzt werden sollten, aus den Teilen, die im Ausland beschafft wurden.

DR. SIEMERS: Hat Hitler diesen Befehl dann erteilt?

RAEDER: Nein, der Befehl ist nicht erteilt worden.

VORSITZENDER: Herr Dr. Siemers! Wir könnten jetzt vielleicht unterbrechen.