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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Großadmiral! Zeigte sich das aus diesen Dokumenten sich ergebende Einvernehmen mit der englischen Flotte auch bei anderen oder irgendwelchen besonderen Anlässen?

RAEDER: Ich bemühte mich, ein solches gutes Einvernehmen weiterhin zu pflegen und dem auch gegenüber der englischen Marine Ausdruck zu geben; so geschah das zum Beispiel, als mir durch eine englische Nachrichtenagentur telephonisch der Tod des Admirals Jellicoe mitgeteilt wurde, der ja im ersten Weltkrieg an der Spitze der englischen Flotte uns gegenübergestanden hatte und als sehr ritterlicher Gegner immer empfunden worden ist. Ich gab durch diese Telegraphenagentur eine Botschaft an die englische Marine.

VORSITZENDER: Ich bezweifle, daß dies erheblich für die hier vorliegenden Fragen ist.

RAEDER: Also jedenfalls bemühte ich mich, ein gutes Einvernehmen mit der englischen Flotte in der Zukunft herzustellen und aufrechtzuerhalten.

DR. SIEMERS: Am 17. Juli 1937 wurde dann ein weiteres deutsch-englisches Flottenabkommen unterzeichnet. Ich überreiche dieses Dokument als Raeder- Exhibit Nummer 14, Dokumentenbuch I, Seite 81. Es ist ein sehr langes Dokument, das auch nur zum Teil übersetzt und abgeschrieben wurde. Ich muß zum Verständnis des Verstoßes, den die Anklage vorwirft, auf ein paar Punkte in diesem Dokument hinweisen. Das Abkommen betrifft die Begrenzung der Seerüstungen und hauptsächlich den Nachrichtenaustausch über Flottenbau. In Artikel 4 findet sich die schon erwähnte Beschränkung auf 35000 Tonnen für ein Schlachtschiff, und in den Artikeln 11 und 12, die ich wegen ihres technischen Charakters nicht verlese, sondern davon Kenntnis zu nehmen bitte, findet sich die Verpflichtung beider Regierungen, alljährlich eine Mitteilung über das Jahresprogramm der Schiffe der Flotte zu machen, und zwar innerhalb der ersten vier Monate eines jeden Kalenderjahres das Jahresprogramm, und vier Monate vor dem Zeitpunkt der Stapellegung Einzelheiten über bestimmte Schiffe, hauptsächlich über große Schiffe anzugeben. Zum Verständnis der ganzen Angelegenheit, die hinsichtlich des Flottenabkommens dem Angeklagten vorgeworfen wird, darf ich mich beziehen auf die Artikel 24 bis 26. Diese drei Artikel zeigen, daß...

VORSITZENDER: Können Sie diese Artikel nicht zusammenfassen?

DR. SIEMERS: Ja, ich wollte sie nicht verlesen, ich wollte nur einen oder zwei Punkte daraus hervorheben.

In diesen Artikeln werden die Voraussetzungen aufgezählt, unter denen einer der beiden Vertragschließenden von dem Vertrage abweichen darf; es war also von vornherein für zulässig erklärt, unter bestimmten Voraussetzungen abzuweichen, und zwar Artikel 24: Falls einer der Vertragschließenden in einen Krieg verwickelt wird, Artikel 25: Falls eine andere Macht, also Vereinigte Staaten, Frankreich oder Japan, ein Fahrzeug baut oder erwirbt, das größer ist als in diesem Flottenabkommen vorgesehen ist. In diesem Artikel wird ausdrücklich auf Artikel 4, also auf Schlachtschiffe mit 35000 Tonnen verwiesen – man war lediglich verpflichtet, bei einer Abweichung den anderen Vertragschließenden zu benachrichtigen – und Artikel 26 ist die allgemeine Grundlage für ein Abweichen, nämlich: Falls es die nationale Sicherheit erfordert, ist man berechtigt, abzuweichen.

Die weiteren Einzelheiten sind im Augenblick nicht notwendig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Herr Vorsitzender! Ich wollte nur sagen, daß jede Abweichung der Gegenpartei gemäß Artikel 2 stets gemeldet werden muß. Das war gerade der wesentliche Inhalt des Artikels 26, daß jede Abweichung dem anderen Vertragsteil gemeldet werden mußte.

VORSITZENDER: Ist es so, Dr. Siemers?

DR. SIEMERS: Ja, natürlich, ich glaube...

VORSITZENDER: Behauptet die Anklagevertretung, daß dieses Abkommen gebrochen wurde?

DR. SIEMERS: Ja. Zu dem, was Herr David eben sagte, darf ich bemerken, daß ich darauf hingewiesen habe, daß ein Abweichen unter diesen Voraussetzungen gestattet war, daß aber die Verpflichtung bestand, es dem anderen Vertragsteil mitzuteilen. Vielleicht ist es vorher nicht ganz oder vollständig übersetzt worden.