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[Zum Zeugen gewandt:]

Die Anklage behauptet, daß Sie am 30. Januar 1937 Parteimitglied geworden seien, und zwar dadurch, daß Sie das Goldene Parteiabzeichen erhielten. Ich bitte Sie, auf diesen schon in anderen Fällen besprochenen Punkt nur ganz kurz zu antworten.

RAEDER: Bei der Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens sagte der Führer ausdrücklich, es handle sich um die Verleihung der höchsten Auszeichnung, die er zur Zeit verleihen könne. Parteimitglied konnte ich gar nicht werden, denn das war ja ausgesprochen, daß Soldaten nicht Parteimitglieder sein konnten. Das war auch allgemein bekannt, und deswegen ist die Behauptung ebenfalls nicht zu verstehen.

DR. SIEMERS: Die Mitgliedschaft von Soldaten war durch die Verfassung verboten?

RAEDER: Ja, verboten. Darf ich noch etwas sagen, um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen? Sie war sowohl nach der Weimarer Verfassung verboten, als auch nach den Bestimmungen, die Hitler erlassen hatte.

DR. SIEMERS: Standen Sie im Gegensatz zur Partei infolge Ihrer allgemein bekannten stark christlichen und kirchlichen Einstellung? Und wie hat sich dies ungefähr, in kurzen Worten, entwickelt? Haben Sie deshalb Schwierigkeiten mit der Partei gehabt oder nicht?

RAEDER: Ich habe im allgemeinen keine größeren Schwierigkeiten mit der Partei gehabt, was ich darauf zurückführe, daß die Marine ein erhebliches Ansehen wie in Deutschland so auch in der Partei hatte. Reibungen, die an unteren Stellen vorkamen, habe ich stets durch obere Stellen, zumindest die Stationschefs und Flottenchefs, mit den betreffenden Instanzen beseitigen lassen. Wenn sie größer waren, wurden sie mir vorgelegt, und ich regelte sie dann; oder wenn es sich um ganz grundsätzliche Sachen handelte, gab ich sie an das OKW. Da ich niemals irgendwelche Dinge durchgehen ließ, falls sie von seiten der Partei angestiftet waren, so hat sich das ganze Verhältnis bald gut eingespielt, und ich konnte der Truppe alle Reibungen abnehmen, so daß bald kaum noch welche vorkamen. Wir hatten es in dieser Beziehung in der Marine günstiger, weil wir keine territorialen Dinge zu bearbeiten hatten und weil wir eben unseren Blick auf die See gerichtet hatten und nur in den Küstenstädten arbeiteten, wo eigentlich alles nur Marine war. Schwierigkeiten hatte ich, und das ist wesentlich, durch die Persönlichkeit von Heydrich, den ich im Jahre 1928/1929 aus der Marine entfernt hatte, nachdem ein Ehrengericht ihn verurteilt hatte wegen gewissenloser Behandlung eines jungen Mädchens. Dies hat er mir die ganze Zeit lang nachgetragen und hat verschiedentlich versucht, mich bei der Obersten Parteiführung oder bei Bormann und auch beim Führer anzuschwärzen. Ich konnte diese Angriffe aber stets zurückweisen, so daß sie keinerlei Folgen für mein Verhältnis im ganzen hatten.

Diese Einstellung von Heydrich übertrug sich in gewisser Weise auch auf Himmler, so daß ich auch da hin und wieder einen scharten Brief schreiben mußte, aber gerade die Schärfe dieser Briefe wirkte in den meisten Fällen abhelfend.

Ich möchte nicht die Zeit in Anspruch nehmen, indem ich noch irgendwelche Einzelfälle, zum Beispiel mit dem Sicherheitsdienst, hier erwähne, aber Angriffe, direkte Angriffe wegen meiner Stellung zur Kirche sind nicht erfolgt. Es lag nur die Äußerung von Goebbels vor, die ich durch den Mitangeklagten Hans Fritzsche erfahren habe, daß ich ein rotes Tuch für die Partei wäre wegen meiner Einstellung zur Kirche; aber, wie gesagt, man hat mich das nicht in irgendeiner unangenehmen Weise merken lassen.

DR. SIEMERS: Ich glaube, die starke kirchliche Betonung, auf die Sie bei der Marine Gewicht legten, brauche ich Sie hier nicht mit langem Zeitverlust zu bitten, auszuführen, denn ich werde dazu noch ein Affidavit vorlegen, ohne es zu verlesen, und zwar von Ihrem Ihnen durch lange Jahre bekannten Marinedekan Ronneberger, der die Sachen geschildert hat und dadurch alles klarstellt. Ich darf nur in diesem Zusammenhang noch eine Frage stellen: Haben Sie Hitler gegenüber immer wieder oder des öfteren betont, daß eine kirchliche Einstellung des Soldaten und der Marine notwendig sei?

RAEDER: Jawohl, das ist verschiedentlich geschehen, und ich habe diesen Kurs in der Marine auch bis zuletzt ohne jedes Zögern durchgehalten.

DR. SIEMERS: In diesem Zusammenhang, Herr Präsident, darf ich Raeder-Exhibit Nummer 121 vorlegen. Das ist im Dokumentenbuch, in meinem Dokumentenbuch Raeder 6, Seite 523. Ich möchte die Zeit des Gerichtshofs nicht in Anspruch nehmen durch Fragen über die Gegensätzlichkeit in den kirchlichen Fragen zwischen Partei und Marine. Ich glaube, es ist durch diese Dokumente genug klargestellt, daß eine Verbindung zwischen Kirche und Nationalsozialismus letzten Endes nicht möglich ist. Bormann ist auf diesem Gebiet der Repräsentant, und dieses Exposé, das ich hier gebracht habe, davon darf ich nun den ersten Absatz verlesen. Ich zitiere:

»Nationalsozialistische und christliche Auffassungen sind unvereinbar. Die christlichen Kirchen bauen auf der Unwissenheit der Menschen auf und sind bemüht, die Unwissenheit möglichst weiter Teile der Bevölkerung zu erhalten, denn nur so können die christlichen Kirchen ihre Macht bewahren. Demgegenüber beruht der Nationalsozialismus auf wissenschaftlichen Fundamenten.«

Und im zweiten Absatz, der letzte Satz:

»Wenn also unsere Jugend künftig einmal von diesem Christentum, dessen Lehren weit unter den unseren stehen, nichts mehr erfährt, wird das Christentum von selbst verschwinden.«

Und auf der zweiten Seite, am Schluß:

»Ebenso wie die schädlichen Einflüsse der Astrologen, Wahrsager und sonstigen Schwindler ausgeschaltet und durch den Staat unterdrückt werden, muß auch die Einflußmöglichkeit der Kirche restlos beseitigt werden. Erst wenn dieses geschehen ist, hat die Staatsführung den vollen Einfluß auf die einzelnen Volksgenossen. Erst dann sind Volk und Reich für alle Zukunft in ihrem Bestande gesichert.«

Da allgemein bekannt ist, wie kirchlich und christlich der Angeklagte eingestellt war, zeigt dies, glaube ich, genug den Gegensatz zwischen der Partei und dem Angeklagten.