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[Zum Zeugen gewandt:]

Hinsichtlich der Verschwörung hat die Anklage Ihnen noch vorgeworfen, daß Sie zum Geheimen Kabinettsrat gehörten und zum Reichsverteidigungsrat. Ich bitte Sie, nur ganz kurz zu antworten, da diese Fragen schon so viel besprochen worden sind, daß ich vermute, daß niemand mehr im Gerichtssaal gerne mehr etwas über diese Dinge hören will. Waren Sie Mitglied der Reichsregierung?

RAEDER: Nein.

DR. SIEMERS: Nach dem Dokument 2098-PS, GB-206, Dokumentenbuch 10, Seite 39, ein Erlaß des Führers vom 25. Februar 1938, wurden Sie und der Oberbefehlshaber des Heeres den Reichsministern im Range gleichgestellt?

Die Anklage behauptet, daß Sie daher Kabinettsmitglied waren und an den Sitzungen teilnehmen durften und auch teilgenommen haben. Ist das richtig?

RAEDER: Nein. Ich war nicht Reichsminister, sondern nur im Range gleichgestellt. Die Ursache war, glaube ich, die, daß der Generaloberst Keitel damals den Reichsministern gleichgestellt wurde, weil er ja in Ausübung der Geschäfte des Kriegsministeriums viel mit ihnen zu tun hatte und auf der gleichen Stufe stehen mußte, mit ihnen zu verhandeln. Und da Brauchitsch und ich rangälter als Generaloberst Keitel waren, so erhielten wir auch den gleichen Rang. Kabinettsmitglied war ich gar nicht, sondern es heißt in der Verfügung, daß ich auf Befehl oder Anordnung des Führers an einer Kabinettsitzung teilnehmen könnte. Es war wohl gedacht, daß ich dann, wenn es sich um Erklärung von Fachangelegenheiten handelte, in das Kabinett kommen durfte. Es ist aber nie vorgekommen, da nach dieser Zeit keine Kabinettsitzungen stattgefunden haben.

DR. SIEMERS: Ich darf noch darauf hinweisen, daß in Absatz 2 dieses Erlasses von Hitler steht:

»Die Oberbefehlshaber... nehmen nach meiner Anordnung an den Sitzungen des Reichskabinetts teil.«

RAEDER: Jawohl. Und was den Geheimen Kabinettsrat anbetrifft, so brauche ich nur zu bestätigen, daß, wie Hitler mir auch selbst gesagt hat, dieser Geheime Kabinettsrat nur gebildet wurde, um den abgehenden Außenminister, Herrn von Neurath, zu ehren und um nach außen, sowohl im Inlande wie auch im Auslande, den Eindruck zu erwecken, daß Herr von Neurath auch weiterhin in der Außenpolitik zu Rate gezogen werden würde. Zusammengetreten ist der Kabinettsrat nie.

DR. SIEMERS: Die Anklage hat Ihnen vorgeworfen, daß Sie am Heldengedenktag, am 12. März 1939, eine Rede gehalten haben und daß Sie in dieser Rede gesprochen haben von der schonungslosen Kampfansage an den Bolschewismus und das internationale Judentum. Ich darf noch bemerken, Hohes Gericht, die Rede ist leider von der Anklage nur in einem unter bestimmten Gesichtspunkten aufgestellten Auszuge im Dokumentenbuch seinerzeit enthalten gewesen, und ich glaube, es ist gut, die ganze Rede im Zusammenhang zu kennen. Selbstverständlich werde ich sie nicht verlesen, möchte sie aber gern als Raeder-Exhibit Nummer 46 überreichen. In meinem Dokumentenbuch 3, Seite 228, Seite 235, findet sich der Satz; die Seite auf der das Zitat der Anklage steht.

Ich bitte Sie, kurz dazu Stellung zu nehmen.

RAEDER: Darf ich dabei einige kurze Sätze, die den Gesamtcharakter der Rede kennzeichnen, verlesen?

DR. SIEMERS: Ich habe keinen Zweifel, daß das Gericht Ihnen das gestatten wird. Ich bitte allerdings, nur einige prägnante Sätze zu gebrauchen, wie die Anklage es gemacht hat.

RAEDER: Jawohl. Seite 7, Zeile 6 steht...

DR. SIEMERS: Verzeihung, das ist Seite 235, auf derselben Seite, auf der das Zitat der Anklage steht.

RAEDER: Kurz vor dem Zitat der Anklage steht Zeile 6:

»Er hat dem deutschen Volke das Vertrauen zu sich selbst und auf sein eigenes Können wiedergegeben und es so befähigt, sein heiliges Recht, das ihm in der Zeit seiner Ohnmacht verweigert war, mit eigener Kraft sich selbst zurückzunehmen und darüber hinaus mutig die ungeheueren Probleme der Zeit anzupacken und ihrer Lösung zuzuführen. Damit hat das deutsche Volk und sein Führer für den Frieden Europas und der Welt mehr getan, als manche Nachbarn heute zu erkennen imstande sind.«

Jetzt kommt der Satz, wo ich von Kampfansage an den Bolschewismus und das internationale Judentum spreche, der von der Anklagebehörde vorgetragen worden ist. Und ich möchte dazu kurz sagen, nach den Erfahrungen der Jahre 1917 bis 1919 hatte der Kommunismus und das internationale Judentum die Widerstandsfähigkeit des deutschen Volkes in erheblicher Weise zerstört und hatte danach einen unverhältnismäßig großen und drückenden Einfluß auf die deutschen Angelegenheiten, sowohl in staatlicher Beziehung wie in wirtschaftlicher Beziehung, wie auch zum Beispiel in der Justiz, gewonnen. Danach durfte man sich meines Erachtens nicht darüber wundern, daß die nationalsozialistische Regierung dahin strebte, diesen großen und drückenden Einfluß zu lockern und möglichst zu beseitigen.

Wenn nun die nationalsozialistische Regierung auf diesem Wege sehr scharfe Schritte tat, die zu den Gesetzen von Nürnberg führten, deren Überspitzung ich selbstverständlich bedauere, so konnte ich doch nicht in einer Rede, die ich im Auftrag der Staatsregierung vor der Öffentlichkeit hielt, meine grundsätzlich anderen Anschauungen persönlich zum Ausdruck bringen, soweit ich das mit meinem Gewissen vereinbaren konnte. Es war auch zu bedenken, daß eine solche Rede sich in einem gewissen Gesamtrahmen abspielen mußte; aber dies war nur ein kurzer Satz, während andere Punkte ganz erheblich im Vordergrund standen. Ich bitte, in diesem Zusammenhang noch zwei kleine Sätze verlesen zu dürfen:

»Und darum die Forderung der Gleichberechtigung und Gleichachtung mit allen anderen Völkern, die allein die Gewähr für ein friedliches Zusammenleben auf dem Erdball zu bieten vermag.«

Und dann der Schlußsatz auf Seite 235:

»Der Führer hat uns Soldaten im Rahmen der deutschen Volksgemeinschaft unsere Aufgabe zugewiesen als Schutz und Schirm unserer Heimat und unserer friedlichen, völkischen Aufbauarbeit, als Erzieher der uns anvertrauten jungen wehrfähigen Mannschaft, die geschlossen durch unsere Hände geht.«

Den nächsten Satz hat die Anklagebehörde verlesen, weil ich da gesprochen habe davon, daß wir die junge Mannschaft nicht nur technisch erziehen müßten im waffentechnischen Sinne, sondern auch im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung und Lebensgestaltung und daß wir mit der Partei Schulter an Schulter marschieren müßten.

Ich habe stets den Standpunkt vertreten, daß die Wehrmacht kein völliger Fremdkörper im Staate sein dürfe. In einem monarchistischen Staat wäre also eine republikanische Wehrmacht unmöglich oder in einem demokratischen Staat etwa eine monarchistisch eingestellte Wehrmacht, und so müsse man auch unsere Wehrmacht soweit eingliedern in den nationalsozialistischen Staat, wie es notwendig wäre, daß eine wahre Volksgemeinschaft bestehen könne, und dazu sei es Aufgabe der Wehrmachtbefehlshaber, ihren Wehrmachtsteil so einzustellen, daß er die guten nationalen und sozialen Ideen des nationalsozialistischen Staates anerkenne und auch danach lebe, in gleicher Weise, wie ich als Oberbefehlshaber der Marine es getan habe. Auf diese Weise war es möglich, die Wehrmacht richtig einzugliedern, ihr alle Überspitzungen und Übertreibungen fernzuhalten, aber doch eine gute Volksgemeinschaft innerhalb des Staates zu bilden.

Und dann unten auf Seite 236:

»Diese Nation brauchte einen neuen, einen wahren Frieden, den Frieden der Gerechtigkeit und Ehre, den Frieden ohne Haß. Den Frieden braucht auch die Welt. Da ihn das schwache Deutschland nicht erhalten konnte, hat ihn das starke sich errungen. Diesen Frieden der deutschen Nation gegen jedermann zu sichern, ist die stolze Aufgabe der deutschen Wehrmacht.«

Und ganz zum Schluß noch unten, die 11. oder 12. Zeile von unten:

»Dem Soldaten drüben aber, den wir als den ritterlichen Vertreter seines Landes achten, mag ein Soldatenwort gelten: Was Deutschland braucht und will, ist Friede! Das ist nicht nur gesagt, sondern auch durch praktische Beispiele bewiesen worden. Die Aufbauarbeit Deutschlands bedarf einer vieljährigen, ruhigen Entwicklung.«

Ich glaube, daß das genügt...

DR. SIEMERS: Ich glaube, es genügt.

Ich darf nur das Hohe Tribunal darauf hinweisen, daß in der englischen Übersetzung auf Seite 236, soviel ich mich erinnere, ein Satz unterstrichen ist, und zwar der Satz:

»Wehrmacht und Partei sind... ein unteilbares Ganzes...«

Dieses hat die Anklage vorgelegt und sonst nichts unterstrichen.

In Wirklichkeit, im Original sind – das sei nur am Rande vermerkt – sehr viel mehr Stellen unterstrichen, insbesondere die Sätze, die Großadmiral Raeder eben verlesen hat, die vom Frieden handeln.