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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Großadmiral! Sie kennen das Affidavit von Schreiber?

RAEDER: Jawohl.

DR. SIEMERS: Es sind darin verschiedene Nachrichten erwähnt. Sie haben ja einen Teil der Nachrichten schon gesagt. Kamen nun in diesen zwei Monaten irgendwelche besonderen Nachrichten hinzu? Wurde unter anderem jetzt auch außer den Häfen, die Sie bisher erwähnten, Narvik erwähnt?

RAEDER: Vom Kapitän Schreiber wurde zum erstenmal ausdrücklich auch Narvik erwähnt, soweit ich mich erinnere. Der Kapitän Schreiber hatte sich sehr schnell in die dortigen Verhältnisse eingearbeitet und sehr gute Beziehungen zu Norwegern angeknüpft. Eine Bestätigung alles dessen, was ich bis dahin erfuhr, erfolgte dann erst am 11. Dezember.

DR. SIEMERS: Wollen Sie nun bitte Ihr Zusammentreffen mit Quisling am 11. Dezember 1939 schildern?

RAEDER: Darf ich vorher die Frage stellen, ob die Dokumente 004-PS und 007-PS, die, glaube ich, von der Anklage vorgelegt worden sind, dabei benutzt werden dürfen? Das Sitzungsprotokoll zum Beispiel über die Sitzung vom 11. und 12. Dezember, der Begleitbrief Rosenbergs zu diesem Sitzungsprotokoll und ähnliche Sachen.

DR. SIEMERS: Herr Großadmiral! Ich glaube sicher, daß Sie die Dokumente benützen können; aber da die Dokumente bekannt sind, brauchen Sie lediglich das zu erwähnen, was Sie sich selbst erinnern.

RAEDER: Jawohl.

DR. SIEMERS: Ich möchte nur bei der Gelegenheit fragen: Die Dokumente von Rosenberg, 004-PS und 007-PS, kannten Sie seinerzeit nicht?

RAEDER: Nein, die Dokumente kannte ich nicht.

DR. SIEMERS: Haben Sie sie erst hier kennengelernt?

RAEDER: Ja, sie habe ich erst hier kennengelernt. Aber was drinnen steht an Nachrichten, das hatten wir, wie in den Dokumenten ja nachgewiesen ist, datumsmäßig alles schon in der damaligen Zeit erfahren.

DR. SIEMERS: Erzählen Sie bitte nur das, was Sie seinerzeit hörten von Quisling.

RAEDER: Ich hatte bis zum 11. Dezember weder Beziehungen zu Herrn Rosenberg, abgesehen davon, daß ich ihn gelegentlich mal gesehen hatte, noch vor allem zu Quisling, von dem ich bis dahin noch gar nichts gehört hatte. Am 11. Dezember sagte mir mein Chef des Stabes, Schulte-Mönting, daß der Major Quisling aus Oslo, der schon einmal norwegischer Kriegsminister gewesen sei, durch einen Herrn Hagelin um eine Unterredung mit mir nachsuchte, da er mir über norwegische Verhältnisse vortragen wolle.

Der Herr Hagelin war von Herrn Rosenberg, der diesen Herrn schon längere Zeit kannte, wie ich vorher sagte, zu meinem Chef des Stabes geschickt. Da mir Nachrichten aus einer solchen Quelle über die norwegischen Verhältnisse außerordentlich wertvoll erschienen, erklärte ich mich bereit, Herrn Quisling zu empfangen.

Er kam noch am gleichen Tage vormittags und schilderte mir nun eingehend die Lage in Norwegen bezüglich der Beziehungen der Norwegischen Regierung zu England, bezüglich der Nachrichten über Absichten Englands, in Norwegen zu landen, und bezeichnete die ganze Sache als außerordentlich dringend, da ja nach seinen Nachrichten die Gefahr sehr nahe bevorstünde. Er suchte auch einen Termin festzulegen. Er meinte, das müßte vor dem 10. Januar geschehen, weil dann eine günstige politische Lage eintrete. Ich sagte ihm, mit der politischen Lage hätte ich mich nicht zu beschäftigen, ich würde versuchen, daß er dies dem Führer vortragen könne. Für mich gäbe es nur die militärisch-strategische Lage, und da könnte ich ihm gleich sagen, daß eine Möglichkeit, vom 11. Dezember bis 10. Januar irgendwelche Maßnahmen vorzubereiten, einmal an der Kürze der Zeit und zweitens an der Winterszeit scheitern würde.

Ich hielt seine Ausführungen aber für so wichtig, daß ich ihm sagte, ich würde versuchen, daß er seine Nachrichten persönlich dem Führer vortragen könne, damit diese Nachrichten direkt auf ihn wirken könnten.

Ich begab mich am 12., am nächsten Tage, zu Hitler und teilte ihm den Inhalt des Gespräches mit Quisling mit und bat ihn, er möchte doch Quisling persönlich auf sich wirken lassen, damit er einen Eindruck bekäme. Ich sagte ihm bei dieser Gelegenheit – und das steht auch in irgendeinem der Dokumente –, daß man in solchen Fällen ja immer besonders vorsichtig sein müsse, weil man nicht wisse, inwiefern ein solcher Parteiführer etwa die Dinge seiner Partei auch fördern wolle. Deswegen mußten unsere Nachforschungen besonders sorgfältig sein, und ich machte den Führer noch einmal darauf aufmerksam, daß ein Versuch, Norwegen zu besetzen, mit größtem Risiko verbunden sei und auch gewisse Nachteile für die spätere Lage haben könne.

Ich habe ihm also den Fall nach beiden Seiten ganz sorgfältig und neutral beleuchtet.

Hitler entschloß sich, Herrn Quisling mit seinem Begleiter Hagelin an einem der folgenden Tage zu empfangen. Die beiden Herren standen dann offenbar mit Herrn Rosenberg in Verbindung, der sie, glaube ich, untergebracht hatte, und Herr Rosenberg schickte mir mit einem Brief nochmal ein Sitzungsprotokoll, das offenbar Quisling und Hagelin aufgenommen hatten, und eine Schilderung der Persönlichkeit von Quisling.

In dem Brief, der auch als Dokument vorliegt, der aber von der Anklagebehörde nicht verlesen worden ist, steht ausdrücklich drin, daß er, Rosenberg, die politischen Verhältnisse kenne, daß er aber selbstverständlich die militärische Beurteilung völlig mir überlassen müsse, da sie zu meiner Kompetenz allein gehöre.

DR. SIEMERS: Hohes Gericht! Ich darf in diesem Zusammenhang Raeder Exhibit Nummer 67 überreichen, in meinem Dokumentenbuch 4, Seite 309. Das ist der Brief von Rosenberg an Raeder vom 13. Dezember 1939, den die Anklage nicht erwähnt hatte. Die Anklage hatte nur die in diesem Brief erwähnte Anlage vorgetragen, nämlich eine Aktennotiz von Rosenberg mit der Nummer C-65, GB-85. C-65 und Raeder Exhibit Nummer 67 gehören also sinngemäß zusammen. C-65 findet sich in dem...

VORSITZENDER: Sie sagen, es gab außer Nummer 67 ein anderes Dokument, auf das Sie sich bezogen?

DR. SIEMERS: Ja, ich beziehe mich auf Raeder Exhibit Nummer 67, und mit diesem Brief...

VORSITZENDER: Das habe ich; Sie erwähnten aber noch ein anderes Dokument?

DR. SIEMERS: Ja, das Dokument der Anklage C-65, das ist die Anlage zu diesem Brief; die beiden gehören zusammen. Ein Zusammenhang... Diese letztere Urkunde findet sich im Dokumentenbuch der Britischen Delegation 10a, Seite 33. Wenn man diese Dokumente zusammennimmt, zeigt sich, daß die politische Seite in beiden Dokumenten nicht erwähnt ist. Daraus erklärt sich die Aussage des Zeugen, daß er politisch mit der Frage nichts zu tun hat, sondern nur militärisch und nur deshalb Rosenberg ihm es übersandt hat.

VORSITZENDER: Ich glaube, es wäre die gegebene Zeit für eine Pause.