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[Zum Zeugen gewandt:]

Bezüglich Norwegen, Herr Großadmiral, darf ich Sie dann nur noch bitten, Sie folgendes zu fragen: Haben Sie während und nach der Besetzung sieh dafür eingesetzt, daß die norwegische Bevölkerung anständig behandelt wird, und wie haben Sie sich überhaupt zu der politischen Lage in Norwegen gestellt, zu der Einstellung Deutschlands zu Norwegen?

RAEDER: Ich bin von vornherein für eine gute Behandlung der norwegischen Bevölkerung eingetreten. Ich wußte, daß Hitler dem Gauleiter Terboven, den er unglücklicherweise zum Reichskommissar von Norwegen einsetzte und mit der Zivilverwaltung betraute, bei seiner Ernennung gesagt hatte, er möge ihm das norwegische Volk bringen, das heißt wohlgeneigt machen, und daß er die Absicht hatte, im letzten, Norwegen als einen souveränen Staat mit einem nordgermanischen Reich in Verbindung zu bringen. Das Auftreten Terbovens war ein entgegengesetztes. Er behandelte die norwegische Bevölkerung unfreundlich, und er sabotierte geradezu die Ziele Hitlers durch seine Behandlung. Ich versuchte, im engsten Einvernehmen mit dem Generaladmiral Boehm, der Marinebefehlshaber in Norwegen wurde und der sich den Kapitän Schreiber, den bisherigen Marineattaché, in seinen Stab als Verbindungsmann zur norwegischen Bevölkerung geholt hatte, diese Bestrebungen Terbovens zunichte zu machen, indem ich auf Grund der Berichte des Generaladmirals Boehm wiederholt bei dem Führer vorstellig wurde, daß er mit Terboven sein Ziel niemals erreichen würde. Es wurde vom Führer Quisling, ich weiß nicht mehr zu welcher Zeit es war, als Regierungschef designiert; er wurde Ministerpräsident. Aber Terboven sabotierte auch Quisling in seiner Bestätigung, indem er ihm Schwierigkeiten machte und ihn sogar bei der Bevölkerung diskreditierte. Der letzte Grund Terbovens war meiner Ansicht, daß er eben Gauleiter von Norwegen bleiben wollte. Alle unsere Bestrebungen hatten keinen Erfolg, so sehr sich der Generaladmiral Boehm bestrebte, mit der Marine bei der Bevölkerung das auszuführen, was Hitler erwartet hatte, nämlich das norwegische Volk heranzubringen. Ich verstand es nicht, daß man auf der einen Seite das Volk heranziehen wollte, auf der anderen Seite das Bestreben Hitlers sabotierte. Diese ganzen Dinge zogen sich durch die Jahre hin bis 1942, wo der Generaladmiral Boehm mir einen abschließenden Bericht machte, in dem er darlegte, daß es so nicht weitergehen könne und daß die Absichten Hitlers nicht erreicht würden. Ich legte diesen Bericht Hitler vor und, da aber auch da keine Abänderung eintrat, es war im Spätherbst 1942, so wurde dieser mein Mißerfolg eine der Ursachen, die schließlich zu meinem Abgang führten.

DR. SIEMERS: Haben Sie Hitler ausdrücklich darum gebeten, Terboven abzusetzen?

RAEDER: Mehrere Male, und hatte vorgeschlagen, er möge doch den Generaladmiral Boehm zum Wehrmachtsbefehlshaber von Norwegen machen und ihm größere Rechte einräumen, damit er seine, Hitlers Ziele doch durchsetzen könnte. Ich schlug vor, der Führer möge so bald wie möglich einen Frieden mit Norwegen schließen, denn nur auf diesem Wege würde er erreichen, daß ein enges Zusammenwirken von Deutschland und Norwegen stattfinden würde und daß die Bevölkerung sich ihm zukehren würde.

Ich sagte ihm, daß auch die Sabotageversuche der norwegischen Emigranten ausfallen und aufhören würden und daß vielleicht auch die bisher englisch eingestellte norwegische Emigrantenbevölkerung zurückkehren würde, in der Befürchtung, sonst den Anschluß, besonders auch in wirtschaftlicher Beziehung, zu verpassen. Die Verteidigung Norwegens würde um ein ganz Erhebliches erleichtert werden, wenn der Friedenszustand hergestellt würde.

DR. SIEMERS: In Ergänzung darf ich mich auf Raeder Exhibit Nummer 107, auf das dem Gericht schon bekannte Affidavit von Schreiber berufen, unter römisch Nummer II.

Dort hat Schreiber im einzelnen die weitgehenden Bemühungen ausgeführt, mit denen die Marine versucht hat, die außerordentlich bedauerliche Gewaltherrschaft Terbovens zu verhindern beziehungsweise zu beseitigen und hat ausgeführt, daß Raeder im Jahr 1942 zum letztenmal energisch versucht hat, bei Hitler einen Friedensschluß zwischen Norwegen und Deutschland herbeizuführen. Ich glaube, daß das Ansehen der Marine in Norwegen gut gewesen ist und kann das als geschichtsbekannt voraussetzen, ohne es speziell zu beweisen. Ich hatte früher vorsorglich einen Zeugen beantragt, dann aber den Zeugen nicht genehmigt erhalten.

In diesem Zusammenhang darf ich ferner Raeder Exhibit Nummer 108 überreichen, im Dokumentenbuch 6, Seite 473, ein Briet Raeders an den erwähnten Generaladmiral Boehm vom 23. Oktober 1942, wo Raeder schreibt:

»Zu meinem Bedauern muß ich Ihnen in der Anlage ein Schreiben des Reichsministers Dr. Lammers an den Ministerpräsidenten Quisling zu Ihrer persönlichen Kenntnis senden,«

und in der Anlage auf Seite 476 findet sich der Brief von Lammers an Quisling, aus dem sich folgendes ergibt, ich zitiere der Einfachheit halber nur einen Satz:

»Der Führer wünscht daher, daß während des Krieges keinerlei Verhandlungen und Erörterungen über den endgültigen oder einen vorläufigen Friedensschluß zwischen dem Großdeutschen Reich und Norwegen oder über sonstige Maßnahmen stattfinden, die die Stellung Norwegens zum Reich nach Beendigung des Krieges irgendwie festlegen oder vorwegnehmen.«

Dies ist das Schreiben, was der Zeuge meinte, womit seine Bemühungen und die Bemühungen von Generaladmiral Boehm endgültig zerstört wurden.