HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Das Gericht vertagt sich bis

18. Mai 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertdreiunddreißigster Tag.

Samstag, 18. Mai 1946.

Vormittagssitzung.

MR. DODD: Hoher Gerichtshof! Hinsichtlich des Antrags auf Dokumente für den Angeklagten Seyß-Inquart wurden der Anklagevertretung im ganzen 87 Dokumente vorgelegt. Wir haben den deutschen Text geprüft und nach zahlreichen Konferenzen mit dem Verteidiger des Angeklagten Seyß-Inquart festgestellt, daß wir uns mit 17 dieser Dokumente nicht einverstanden erklären können. Die Anzahl betrug gestern 20, wie ich sagte, wir haben sie jedoch jetzt auf 17 reduziert.

Dokument Nummer 5 in der Liste des Angeklagten ist die Abschritt einer Entschließung der deutschen Nationalversammlung vom 21. Februar 1919, die für den Anschluß Österreichs an Deutschland eintrat. Wir haben dem Verteidiger erklärt, daß wir Einspruch erheben, weil dies vollkommen unerheblich und unwesentlich ist. Es ist die Resolution einer deutschen parlamentarischen Körperschaft, und es scheint uns gleichgültig, was sie über den Anschluß im Jahre 1919 dachte.

Dokument Nummer 10 ist ein Auszug aus einem Zeitungsartikel, der im Oktober 1945 veröffentlicht und von einem Mann namens Walford Selby verfaßt wurde. Der Artikel stellt eine Kritik des Vertrags von Saint Germain dar; er kritisiert, daß er nicht imstande gewesen sei, die Vernichtung der österreichisch-ungarischen Wirtschaftseinheit zu vermeiden und schildert die sogenannten Fehler von 1919 und so weiter. Soviel wir verstehen, beabsichtigt man damit, im Zusammenhang mit anderen Dokumenten, den wirtschaftlichen Hintergrund der Anschlußbewegung zu erklären. Was man über ein derartiges Beweismittel auch sagen kann, so sind noch mindestens fünf andere Dokumente auf derselben Grundlage vorhanden, gegen die wir keinen Einspruch erhoben haben. Wir sind jedoch der Ansicht, daß diese Dinge, selbst wenn sie erheblich sind, doch als kumulativ zu betrachten sind. Die Dokumente 7, 12, 26 und 33 beziehen sich alle auf denselben umfangreichen Gegenstand, nämlich den wirtschaftlichen Hintergrund der Anschlußbewegung. Deshalb sind wir der Ansicht, daß sie sicher nicht notwendig sind, nur wenig Neues bringen, viele Schreibereien verursachen und kumulativ sind.

Dokument Nummer 11 ist eine von einem Dr. Schober gehaltene Rede, in der Flächeninhalt und Bevölkerungszahl der österreichischen Republik angegeben werden. Wir haben keinen ernsthaften Einspruch gegen diese Art von Dokumenten zu erheben, aber es sind wahrscheinlich bessere Quellen vorhanden, wenn der Angeklagte wünscht, Flächeninhalt und Bevölkerungszahl Österreichs im Jahr 1921 festzustellen. Weiterhin glauben wir, daß der Gerichtshof von Flächeninhalt und Bevölkerungszahl Österreichs zu diesem Zeitpunkt durch zuverlässige Veröffentlichungen amtlich Kenntnis nehmen könnte.

Dokument Nummer 14 ist eine Aussage des früheren Kanzlers von Österreich aus dem Jahre 1922, derzufolge Österreich zu Deutschland gehört. Unser Einspruch beruht wiederum auf dem kumulativen Charakter dieses Dokuments, weil mindestens drei andere Dokumente mit beinahe identischen Erklärungen Dr. Renners vorhanden sind, gegen die wir keinen Einspruch erhoben haben.

Dokument Nummer 19 ist ein Auszug aus dem Buch eines gewissen Kleinschmied. Dieser Auszug zeigt, daß eine Anzahl von Politikern in Österreich auf Kosten der Anschlußbewegung gelebt haben. Das scheint uns nicht sehr wesentlich zu sein und auch dem Gerichtshof keinen sehr bedeutenden Nutzen zu bringen.

VORSITZENDER: Herr Dodd! Was bedeutet »lebten von Propaganda«? Daß sie ihren Lebensunterhalt durch Propagandatätigkeit verdienten?

MR. DODD: Ja. Es soll zeigen, daß sie das Problem des Anschlusses für politische Propagandatätigkeit benutzten, es aufbauschten und sich dadurch im politischen Leben hielten.

Nummer 21 ist ein Auszug aus dem Buch Kunschaks »Österreich 1918-1934«. Es zeigt die Zunahme der nationalsozialistischen Stimmen in Österreich zwischen 1930 und 1932. Dies scheint uns nicht sehr wesentlich zu sein oder von irgendwelcher Hilfe für den Gerichtshof. Wir haben dagegen Einspruch erhoben, weil es uns unerheblich und unwesentlich erscheint.

Dokument Nummer 22 ist ein Auszug aus einem Artikel der »Neuen Freien Presse« vom August 1932 gegen die Völkerbundanleihe. Auch dies ist vorgelegt worden, um die Weiterentwicklung der Anschlußbewegung zu beweisen. Es ist aber mindestens ein weiteres Dokument, Nummer 23, vorhanden, welches demselben Zwecke dient und denselben Beweis enthält.

Dokument Nummer 27 ist ein Auszug aus einem Artikel von Martin Fuchs »Un Pacte avec Hitler« und erörtert die jugoslawische Politik in Bezug auf den Anschluß Österreichs an Deutschland. Was immer auch die Jugoslawen darüber dachten, es scheint dies der Anklagebehörde wiederum keine nützliche Beziehung zu dem hier vorliegenden Verhandlungsthema zu haben.

Dokument Nummer 31 ist ein Auszug aus der »Neuen Zeitung« vom 11. Januar dieses Jahres, in welcher Gordon Walker behauptet, daß die Begeisterung in Österreich nach dem Anschluß echt war. Nun, das ist die Ansicht des Herrn Walker; auf der Gegenseite waren einige grundlegende, anders geartete Ansichten vorhanden. Wir zweifeln sehr stark, daß seine Meinung hier wesentlich oder zutreffend ist.

VORSITZENDER: Wer ist dies?

MR. DODD: Soviel ich weiß, ist er ein Mitglied der Arbeiterpartei in Großbritannien und Schriftsteller.

Nummer 39 ist ein Auszug aus dem »Archiv« von 1938 und enthält eine Erklärung des Senators Borah von den Vereinigten Staaten, daß der Anschluß natürlich und unvermeidlich gewesen sei und mit den Vereinigten Staaten nichts zu tun hatte; das war keine Rede des verstorbenen Senators Borah im Senat, sondern seine Privatmeinung, und sie scheint uns keine große Hilfe zu sein. Spätere Meinungen des Senators Borah sind nicht von so großem Interesse, und auch dies wird wahrscheinlich dem Gerichtshof für dieses Verfahren nicht sehr, behilflich sein.

Nummer 47 ist ein Auszug aus Zernattos Buch »Die Wahrheit über Österreich«. Zernatto war einer der Unterstaatssekretäre Österreichs, wie das Gericht weiß. Er verließ das Land nach dem Anschluß, begab sich in die Vereinigten Staaten und schrieb dort dieses Buch. Er gab eine Reihe von Erklärungen, wie ich sagen möchte, über den Angeklagten Seyß-Inquart ab. Der Gerichtshof mag vielleicht daran interessiert sein, daß dieses Dokument 47, sowie die Dokumente 48, 50, 54, 55, 60 und 61 Auszüge aus demselben Buche sind. Nun, es scheint uns, daß jedesmal, wenn er über ein Gespräch mit Seyß-Inquart berichtet, das für den Gerichtshof wichtig und von Bedeutung ist; wenn er jedoch nur seine Meinung ausspricht, haben wir Zweifel an der Erheblichkeit derselben. Diese Aussage Nummer 47 scheint seine eigene Meinung zu sein. Er zitiert kein Gespräch, sondern äußert lediglich die Ansicht, daß Seyß-Inquart Leopolds Bemühungen nicht gutgeheißen habe.

Wir erheben keinen Einspruch gegen 48, 50 oder 54, denn, obwohl wir zuerst dachten, wir würden Einspruch erheben, ergab sich doch nach Einsichtnahme, daß sie tatsächlich geführte Gespräche zwischen Zernatto und Seyß-Inquart brachten. Sie könnten daher wohl für den Gerichtshof von Nutzen sein. Deshalb erheben wir auch keinen Einspruch gegen die nächsten drei.

Nummer 55 ist aber wiederum eine Erklärung aus Zernattos Buch, daß nämlich, nach Zernattos Meinung, Seyß-Inquart nur eine Schachfigur war und von den Nazis oder der neuen Parteiführung hintergangen wurde. Wir erheben Einspruch dagegen, und zwar aus dem Grund, den ich schon vorher angegeben habe, daß es die Meinung des Verfassers ist. Dieser steht nicht mehr zur Verfügung, da er gestorben ist. Jedenfalls glauben wir nicht, daß seine Meinung uns sehr behilflich sein kann.

Nummer 60 ist auch eine Erklärung aus Zernattos Buch, und zwar ein Gespräch mit einem österreichischen Nazi, dessen Name nicht genannt wird. Das erscheint uns doch als viel zu unbestimmt und könnte uns keineswegs helfen.

Nummer 61 ist wiederum eine Meinungsäußerung Zernattos, nach der Seyß-Inquart sich fürchtete, Verantwortung zu übernehmen.

Ich möchte unsere Einsprüche hinsichtlich dieser Auszüge nicht allzusehr betonen; ich glaube allerdings nicht, daß sie großen Schaden anrichten könnten, ziehe jedoch vor, Einspruch dagegen zu erheben, denn wir wollen doch diese Druckschriften auf ein Mindestmaß beschränken. Auch glaube ich nicht, daß sie für Seyß-Inquart von großer Bedeutung sein würden.

Nummer 68 ist das erste Dokument über Antisemitismus. Es ist ein Auszug aus einer Veröffentlichung unter dem Titel »Die Elemente des Nationalsozialismus« und stammt von Bischof Alois Hudal. Die Schrift erklärt den Antisemitismus in Deutschland und Österreich und erörtert Dinge, über die der Gerichtshof durch andere Angeklagte bereits viel gehört hat, nämlich das Mißverhältnis der Stellung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und so weiter. Wir erheben dagegen Einspruch, denn das ist weder dienlich noch wesentlich.

Nummer 69 ist ein anderer Auszug aus Zernattos Buch über die Ursachen des Antisemitismus nach der Ansicht einiger dieser Leute. Es ist seine Meinung und scheint uns in diesem Verfahren nicht wesentlich oder dienlich zu sein.

Nummer 71 behandelt die slowakische Frage. Ich bezweifle, daß hier in diesem Prozeß jemals ernsthaft behauptet worden ist, die Slowaken hätten zu verschiedenen Zeitpunkten keine Autonomie verlangt. Dieser Auszug aus dem »Archiv« von 1938 versucht, soweit wir sehen können, festzustellen, daß die Slowaken Autonomie wünschten. Wir glauben daher nicht, daß es hier besonders wichtig ist, oder daß es dem Gerichtshof oder Seyß-Inquart helfen könnte.

VORSITZENDER: Ist es ein Staatsdokument?

MR. DODD: Es ist ein Dokument aus dem »Archiv« und in diesem Sinne ein öffentliches Dokument.

VORSITZENDER: Nach der Übernahme der Slowakei durch das Reich?

MR. DODD: Nein, früher. Das war im Jahre 1938 und ging der Übernahme voran.

VORSITZENDER: Ich verstehe.

MR. DODD: Dies sind unsere Einsprüche, Herr Vorsitzender. Ich glaube, wir haben versucht...

VORSITZENDER: Natürlich, Herr Dodd, wir betrachten ja nur die Frage der Einsprüche gegen die Übersetzung. Wir besprechen weder die Frage der Zulässigkeit noch verpflichten wir Sie, nach der Übersetzung keine Einwendungen dagegen zu erheben.

MR. DODD: Ich weiß, Herr Vorsitzender. Wir versuchten in Bezug auf diese Liste ziemlich großzügig zu sein. Die meisten dieser Auszüge sind nicht allzu lang; allerdings glaubten wir, daß wir irgendwo Einhalt gebieten müßten, und ich bin der Ansicht, daß unsere 17 Einsprüche bei 87 aufgeführten Dokumenten nicht allzu streng sind, oder daß sie dem Angeklagten Seyß-Inquart in Wirklichkeit Beschränkungen auferlegen.

DR. GUSTAV STEINBAUER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SEYSS-INQUART: Euer Lordschaft! Hohes Militärgericht! Ich weiß, daß Sie mein kleines Vaterland Österreich schätzen, nicht nur wegen seiner alten Kultur, wegen seiner landschaftlichen Schönheiten, sondern auch deshalb, weil es das erste Land war, das durch Hitler seine Freiheit verlor. Aber bei aller Wertschätzung, die Sie diesem Lande entgegenbringen, kann ich von Ihnen nicht verlangen, daß Sie als Vertreter von Großmächten die Geschichte des Landes bis ins kleinste kennen. Ich glaube aber, daß es für die Verteidigung Seyß-Inquarts von größter Wichtigkeit ist, daß Sie verstehen, aus welchem Milieu heraus, aus welchen Motiven heraus der Mann so gehandelt hat, wie er gehandelt hat.

Ich sehe drei Gründe, die zum Anschluß geführt haben.

Die ersten Komponente: Die wirtschaftliche Notlage, die sich wie ein roter Faden von 1918 – wir müssen es leider sagen – auch noch durch 1946 hinzieht.

Der zweite Grund ist, ich werde mich ganz kurz fassen bezüglich der Dokumente...

VORSITZENDER: Dr. Steinbauer! Wollen Sie sich bitte so schnell wie möglich jetzt den Dokumenten zuwenden. Sie werden sich erinnern, es handelt sich ja nur um die Frage, ob sie übersetzt werden sollen oder nicht.

DR. STEINBAUER: Ja.

Der zweite Grund ist die Uneinigkeit der demokratischen Parteien.

Der dritte Grund ist das Verhalten der umliegenden Mächte. Aus diesem Gesichtspunkt heraus habe ich die Dokumente zusammengestellt.

Das erste Dokument ist ein Beschluß der Weimarer Nationalversammlung. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß es wichtig ist für die Beurteilung, daß der Anschluß nicht nur ein Wunsch der österreichischen Bevölkerung war, sondern ein gesamtdeutsches Postulat. Es ist ganz kurz, und ich möchte bitten, es zuzulassen.

Das zweite Dokument ist von Sir Selby, der viele Jahre in Wien Britischer Gesandter war, ein aufrichtiger Freund unseres Landes, und der in diesem Artikel auf den wirtschaftlichen Hintergrund und die Verhältnisse in Österreich, die zum Anschluß geführt haben, verweist. Deshalb habe ich diese Urkunde gebracht.

Die nächste Urkunde ist eine Rede des Bundeskanzlers Schober, der in der Welt großes Ansehen genossen hat und in dieser Rede ebenfalls darauf hinweist, daß die Lasten, die man Österreich auferlegt hat, größer sind, als es imstande ist, tatsächlich zu bewältigen. Er bezeichnete das Ganze als Konkursmasse.

Die nächste Urkunde ist eine Rede des jetzigen Bundespräsidenten, Dr. Karl Renner, im Jahre 1922.

Damals ist Dr. Seipel nach Genf gefahren und hat mit großer Mühe beim Völkerbund eine Anleihe durchgesetzt, die aber für uns deshalb außerordentlich wichtig ist, weil gleichzeitig von Österreich verlangt wurde, daß wir zehn Jahre auf die Unabhängigkeit verzichten, das heißt, keine Schritte unternehmen, die Anschlußbedingungen abzuändern.

Renner ist damals gegen Seipel im Parlament aufgetreten. Es ist dies keineswegs kumulativ mit 33, weil ich in 33 nur dann die Situation wirtschaftlich aus dem Jahre 1938 schildern will.

Die nächste Urkunde ist Punkt 2 meiner Grundlagen, nämlich die starke politische Propaganda für den Anschluß. Jedenfalls muß ich aber entschieden bestreiten, Hohes Gericht, wenn man behauptet, daß die nächste Urkunde, Nummer 21, sie ist ganz kurz, irrelevant sei. Ich halte es für außerordentlich wichtig, festzuhalten, daß diese ganz neue junge Partei, die auf diesem Nährboden der wirtschaftlichen Notlage sich gebildet, hat, vom Jahre 1930 bis 1932 sich in der Stimmenzahl verzehnfacht hat, also immerhin eine namhafte politische Opposition gegen die Regierung vorhanden war.

Das nächste Dokument, Nummer 22, ist ein Artikel, der wiederum die wirtschaftliche Situation Österreichs beleuchtet, in einem sehr wesentlich historischen Zeitpunkt, nämlich in dem Moment, wo Bundeskanzler Dollfuß nach Lausanne ging, um neuerdings eine Völkerbundsanleihe durchzusetzen und neuerdings uns die Bindung auferlegt wurde, auf weitere 10 Jahre den Anschlußgedanken zurückzustellen. Sowohl diese Urkunde als auch die nächste, nämlich Nummer 23, sind nicht kumulativ, weil die eine die politische und die andere die wirtschaftliche Stellung der Parlamentarier zur Völkerbundsanleihe von Lausanne aus dem Jahre 1932 darstellt.

Die nächste Urkunde ist nur ein Ausschnitt aus der Stellungnahme der verschiedenen Randstaaten, Anliegerstaaten, in der Anschlußfrage. Ich habe Jugoslawien herausgegriffen, weil gerade dieses Land am stärksten den Anschlußgedanken in der Außenpolitik uns gegenüber gefördert hat.

Was die Urkunde Nummer 31 anbelangt, so möchte ich bemerken, zusätzlich zu den Ausführungen des Herrn Anklägers, daß Gordon Walker nicht nur ein Mitglied der Labor-Party ist, sondern, was viel wichtiger ist, er war die ganzen Kriegsjahre hindurch Leiter des britischen Rundfunks, Abteilung Österreich, und ist selbst im Jahre 1938 in Österreich gewesen und hat den Anschluß miterlebt. Sein Urteil ist daher immerhin außerordentlich wichtig, weil es das Urteil eines prominenten Ausländers ist.

Das gleiche gilt von der nächsten Urkunde des Senators Borah, der 25 Jahre Vorsitzender des Amerikanischen Außenausschusses war. Seine Meinung ist immerhin sicherlich beachtenswert.

Die nächsten Urkunden betreffen Äußerungen des Dr. Zernatto. Ich möchte ergänzend hinzufügen, daß Dr. Zernatto Bundesminister, Generalsekretär der Vaterländischen Front und die rechte Hand Schuschniggs zum Zeitpunkt des Anschlusses war. Er ist einer der geistigen Väter der Schuschnigg-Volksabstimmung. Er ist leider in der Emigration 1940 gestorben. Ich kann ihn nicht mehr als Zeugen bringen, aber sein Buch ist ein Dokument und gibt uns tatsächlich wieder, was der Mann damals in den kritischen Tagen erlebt hat.

Ich möchte unbedingt bitten, daß man auch die restlichen drei Dokumente, die sehr kurz sind, im Buche beläßt.

Was die nächsten zwei Urkunden anbelangt, betreffend die antisemitische Frage, so habe ich mich sehr ungern entschlossen, sie aufzunehmen, um nicht etwa den Vorwurf antisemitischer Propaganda zu bekommen. Ich habe sie aufgenommen, weil im Trialbrief meinem Klienten der Vorwurf gemacht wird, daß er Mitglied einer antisemitischen Vereinigung war. Dieser Vorwurf ist insofern ungerechtfertigt, als man diesem Verein eine größere Bedeutung zuweist, als ihm tatsächlich zukommt. Falls diese Angelegenheit von der Staatsanwaltschaft nicht weiter betont wird, lege ich keinen besonderen Wert auf diese beiden Urkunden.

Die letzte Urkunde, die bemängelt wird, Nummer 71, beinhaltet das Übereinkommen von Pittsburg, das zwischen Masaryk und Hlinka, dem Slowakenführer, geschlossen wurde und wo Masaryk feierlich die Autonomie den Slowaken versprochen hat, die dann nicht in dieser Form eingehalten wurde und eine starke Autonomieforderung in der Slowakei ausgelöst hat, die von Hitler unterstützt wurde. Ich bitte, aus diesen Gründen auch diese Urkunde noch zu genehmigen.

VORSITZENDER: Dr. Steinbauer! Der Gerichtshof wird die Frage dieser Dokumente beraten.

Bitte, Dr. Siemers.

DR. SIEMERS: Hohes Tribunal! Ich habe gestern im Zusammenhang mit Norwegen an einer Stelle die Urkunden 81, 82, 83, 84, 85 und 86 überreicht. Ich bitte zu entschuldigen, daß ich vergaß, ein dazu gehöriges Dokument ebenfalls zu überreichen, und ich darf dies nachholen.

Es handelt sich um das vom Tribunal genehmigte Raeder-Exhibit Nummer 88, ein Dokument, das ebenfalls aus dem Weißbuch stammt und in meinem Dokumentenbuch Nummer 5 auf Seite 392 und folgende abgedruckt ist Dieses Dokument stellt den englischen Befehl vom 6. April 1940, betreffend Vorbereitungen zur Besetzung der nordschwedischen Erzfelder von Narvik aus dar. Da das Dokument dem verehrlichen Gericht bekannt ist, brauche ich nichts weiter daraus zu verlesen.

Herr Großadmiral! Wir waren gestern beim Thema Rußland stehengeblieben. Sie hatten meine Frage über die Weisung Nummer 21, Dokument 446-PS vom 18 Dezember 1940, beantwortet und zwar dahin, daß die Marine an dieser Weisung nicht mitgearbeitet hat. Sie führten weiter aus, daß die Marine die Vorbereitungen befehlsgemäß dann im Januar vorgenommen hat.

RAEDER: Darf ich zu der Weisung noch kurz sagen, daß Sie sich gestern, glaube ich, insofern versprochen haben, als Sie sagten, daß die Weisung von Hitler, Keitel und Jodl unterschrieben wäre. Es war dies das Exemplar des Führungsstabes, wo Hitler unterschrieben hatte, wo aber Herr Keitel und Herr Jodl nur abgezeichnet hatten. Also eine Unterschrift der beiden kam nicht in Frage; solche Weisungen wurden, wenn sie hinausgingen, nur von Hitler unterschrieben, und die anderen konnten nur gegenzeichnen.

DR. SIEMERS: Ja, ich bitte um Entschuldigung und danke Ihnen vielmals für die Berichtigung.

Im Zusammenhang hiermit darf ich das Tribunal bitten, auf die Urkunde C-35, gleich US-132, zu achten. Diese Urkunde befindet sich im Dokumentenbuch der Britischen Delegation Nummer 10a auf Seite 16. Es ist ein Auszug aus dem Kriegstagebuch mit dem Datum vom 30. Januar 1941 und stellt die Vorbereitungen der Marine dar entsprechend dem Befehl Hitlers vom 18. Dezember, wo Hitler unter IV der Weisung befohlen hatte, daß Vorsichtsmaßnahmen zu treffen seien für den Fall, daß Rußland seine bisherige Haltung gegen Deutschland ändern sollte, also nur für einen Eventualfall.