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VORSITZENDER: Haben noch andere Verteidigungsanwälte Fragen zu stellen?

FLOTTENRICHTER OTTO KRANZBÜHLER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN DÖNITZ: Herr Großadmiral! Sie entsinnen sich an die Denkschrift der Seekriegsleitung vom 15. Oktober über die Möglichkeiten zur Verschärfung des Handelskrieges. Sie befindet sich in dem Anklagebuch der Britischen Delegation Nummer 10 auf den Seiten 96/97 des britischen Textes. Admiral Wagner hat hier bereits darüber ausgesagt. Können Sie dieser Aussage noch etwas hinzufügen über die Aufgabe und den Sinn dieser Denkschrift?

RAEDER: Da der Krieg gegen England für uns völlig überraschend kam, so hatten wir uns mit Einzelfragen der U-Bootführung bis dahin nur ganz wenig beschäftigt. Wir hatten unter anderem überhaupt noch nicht die Frage des sogenannten uneingeschränkten U- Bootkrieges behandelt, die ja im vorigen Kriege eine sehr große Rolle gespielt hatte. Daraus entstand, daß am 3. September der Offizier, der neulich erwähnt wurde, zum Auswärtigen Amt geschickt wurde, mit einigen Erörterungen über diese Frage des uneingeschränkten U-Bootkrieges, damit wir uns erst einmal mit dem Auswärtigen Amt darüber klar würden, wie weit wir gehen könnten. Und das ist dieses Papier, das neulich hier eine Rolle spielte, D-851, GB-451 vom 3. November.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: September – vom 3. September.

RAEDER: Ja, 3. September.

... das alle diese Fragen anschnitt. Es haben dann Unterhandlungen mit dem Auswärtigen Amt stattgefunden, und bei uns im OKM wurde auf Grund der Resultate dieser Verhandlungen diese U-Boot-Denkschrift ausgearbeitet, die von Ihnen erwähnt wurde und die unter dem 15. Oktober herausgebracht wurde. Sie wurde, glaube ich, am 15. Oktober von mir dem Führer vorgelegt, der grundsätzlich mit dem Inhalt einverstanden war. Aber gerade der Umstand, daß eine U-Boot-Denkschrift über die Möglichkeiten der Verschärfung des U-Bootkrieges erst am 15. Oktober herauskam, zeigt, wie wenig wir auf diesen Fall vorbereitet waren.

Diese Denkschrift enthält ja am Anfang den Satz, der von der Anklagebehörde vorgeführt worden ist, bezüglich unserer Stellung zum internationalen Recht, wo gesagt wird: Größte Kampfsittlichkeit, möglichstes Halten an das Völkerrecht und Stützen aller militärischen Maßnahmen auf das internationale, auf das geltende Recht; wenn es aber nicht möglich ist, der wenn es möglich ist, durch eine Abweichung kriegsentscheidende Erfolge zu erzielen und wir diese Abweichung verantworten können, dann muß auch eventuell vom geltenden Völkerrecht abgewichen werden, das heißt also auch eventuell neues Völkerrecht entwickelt werden. Im übrigen aber ist diese ganze Denkschrift nur ein dauerndes Suchen nach Möglichkeiten, durch geringsten Schaden der Neutralen und durch ein möglichstes Halten an das Völkerrecht den U-Bootkrieg so gestalten zu können, daß er Erfolge für die Kriegsentscheidung bringt.

Es werden die verschiedensten Fälle erörtert, wie man eine Verschärfung bringen kann, aber es handelt sich immer darum, daß man nur Gegenmaßnahmen gegen feindliche Maßnahmen finden möchte. Solche Vorgänge, wie Blockade, oder, ein neuer Begriff, Belagerung Englands durch den U-Bootkrieg, werden nach allen Richtungen hin untersucht, es kommt aber die Bearbeitung stets zum Schluß, daß bei der Zahl der U-Boote und bei den sonstigen Bedenken es noch nicht möglich ist, solche Operationen vorzunehmen. Und das Endresultat dieser ganzen Denkschrift, in dem Dokument niedergelegt, findet sich auf den beiden letzten Seiten. Ich habe leider nur das deutsche Exemplar vor mir, wo unter dem letzten Absatz D »Abschließende Beurteilung« folgende Sätze bemerkenswert sind, die ich zitieren möchte...

VORSITZENDER: Ist das Datum der 15. Oktober 1939?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Jawohl, Seite 96 und 97.

VORSITZENDER: Befindet es sich auf Seite 98, 10 a?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Im Dokumentenbuch der Anklage auf Seite 96 und 97.

VORSITZENDER: Welches, Nummer 10?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Zehn.

VORSITZENDER: Diese Nummern sind nicht richtig. Die Auskunft ist unrichtig.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Seite 99 und 100, werde ich gerade belehrt.