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[Zum Zeugen gewandt:]

Haben Sie es gefunden? Es beginnt mit »Es gab oft schwierige Arbeitsbedingungen«. Sehen Sie es? Die Überschrift lautet: »Schwierige Arbeitsbedingungen«.

RAEDER: Jawohl. »Schwierige Arbeitsbedingungen«, sehe ich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie sich den letzten Teil dieses Abschnitts ansehen. Ich möchte völlig klarstellen, Angeklagter, daß es sich hier um die Zeitspanne 1923 bis 1927 handelt, bevor Sie Chef der Marine waren. Ich möchte Sie daher darüber befragen.

»Dazu kamen für die Tebeg vielfach äußere Schwierigkeiten: Die Tarnung der Aufgabe und der Arbeit, die räumliche Trennung... die Unmöglichkeit, irgendwelche Fragen auch geringerer Bedeutung durch Fernsprecher zu erledigen und die Notwendigkeit, jeden Schriftwechsel nach Möglichkeit zu vermeiden, jedenfalls aber ihn in Privatschreiben und mit Decknamen in getarnten Ausdrücken zu führen.«

War Ihnen bekannt, daß nach dieser Methode gearbeitet wurde?

RAEDER: Nein, ich wußte eigentlich von der »Tebeg« kaum etwas, von der »Tebeg«, von der »Navis« und diesen Dingen. Aber ich halte das für durchaus richtig, daß die Leute so gearbeitet haben, da damals noch die Gesinnung eines großen Teiles des deutschen Volkes unzuverlässig war, und es eine große Gefahr war, wenn diese Dinge bekannt wurden. Im übrigen war die »Tebeg« aufgelöst als ich hinkam.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gehen Sie bitte zurück auf Seite 126 in Buch 4, Seite 28 im englischen Buch, und schauen Sie sich an, wie die Darstellung des Kapitäns Schüssler über den vierten Zeitabschnitt lautet: »Aufrüstung unter Führung der Reichsregierung in getarnter Form (von 1933 bis zur Wehrfreiheit 1935)«.

Geben Sie zu, daß Kapitän Schüssler eine getreue Darstellung Ihrer Methoden von 1933 bis 1935 gibt?

RAEDER: Wie bezeichnet er sie, wo steht das?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Teil IV.

RAEDER: »Aufrüstung unter Führung der Reichsregierung in getarnter Form?«

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie geben zu, daß das eine richtige Darstellung Ihrer Tätigkeit in der Zeit von 1933 bis 1935 ist?

RAEDER: Selbstverständlich. Ich tat das auf Befehl des Staatsoberhauptes, und gerade das Staatsoberhaupt war außerordentlich beflissen, daß nichts Übertriebenes gemacht wurde, damit seine Absichten, mit England zu einem Übereinkommen zu kommen, nicht etwa dadurch durchkreuzt wurden, und er hat mit Bezug auf die Marine ja ganz außerordentlich wenig erlaubt und ausgeführt. Er hätte ja sofort acht Panzerschiffe bauen können, soundso viel Zerstörer, soundso viel Torpedoboote, die alle noch nicht gebaut waren. Er tat das alles nicht, weil er sagte: Wir wollen hier nicht den Eindruck einer großen Aufrüstung erwecken. Er genehmigte lediglich zwei...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben das ja nun schon erklärt. Das Wesentliche daran ist die Tarnung. Als Sie die Verhandlungen zum Flottenabkommen führten, sollte nach Ihrem Willen niemand wissen, welche Schritte Sie unternommen hatten, die im Widerspruche zum Abkommen standen, und wie weit Sie schon gegangen waren. Das ist eine eindeutige Tatsache. Sie wollten das Flottenabkommen zustande bringen, ohne Ihre bisherige Tätigkeit zu enthüllen, das stimmt doch?

RAEDER: Nein, das ist eine Verdrehung meiner Worte. Wir wollten nicht durch das Bekanntgeben solcher Maßnahmen unnötig die Stimmung zwischen England und Deutschland verderben. An sich waren diese Maßnahmen durchaus begründet und waren außerordentlich geringfügig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dazu kommen wir gleich. Bevor wir jedoch das Gebiet dieser Marineaufrüstung verlassen, will ich Ihnen noch eine Frage über ein anderes Buch stellen. Sie wissen, daß Oberst Scherff eine Geschichte der deutschen Flotte geplant hat. Ich will jedes Mißverständnis darüber ausschließen. Nach meiner Kenntnis der Lage haben Sie Oberst Scherff die Einsicht in die Marinearchive gestattet, aber darüber hinaus haben Sie von seinem Werk nichts gesehen. Stimmt das?

RAEDER: Ich habe sein Buch überhaupt nicht gesehen. Ich habe ein Inhaltsverzeichnis zunächst hier gesehen, als ich das erstemal vernommen wurde. Ich habe ihm auch nicht den Befehl gegeben, sondern er hat den Befehl vom Führer bekommen, und ich habe infolgedessen dem Chef des Marinearchivs erlaubt, ihn zu unterstützen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, eben das habe ich Ihnen ja gesagt. Ich möchte, daß Sie nun Buch 10a vornehmen, es beginnt mit Seite 1 im englischen und Seite 1 auch im deutschen Text.

Wenn Sie einmal Seite 3 ansehen, so finden Sie dort das in Aussicht genommene Inhaltsverzeichnis des Buches von Oberst Scherff. Auf Seite 3 im englischen, und ich glaube, es muß auch ungefähr Seite 3 im deutschen Text sein.

Ich verweise Sie nun auf die Überschrift des Teiles II: »Die Eingliederung der Reichsmarine in den nationalsozialistischen Staat« Und dann heißt es:

»a) Der Nationalsozialismus in der Reichsmarine vor 1933...«

RAEDER: Wo steht das, ich habe es noch nicht?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Teil II des Inhaltsverzeichnisses.

RAEDER: Nein, das muß ganz etwas anderes sein, hier ist es nicht...

Jetzt habe ich es hier.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Schauen Sie bitte auf Teil II. Es heißt dort:

»Die Eingliederung der Reichsmarine in den nationalsozialistischen Staat.«

Sie können sehen, welche Überschriften für ungefähr 30 Seiten vorgeschlagen waren: »Der Nationalsozialismus in der Reichsmarine vor 1933«; »Die Vereidigung der Reichsmarine auf den Führer«; »Die Übernahme des Hoheitszeichens der Partei«; »Die erste Flaggenänderung und die neue Kriegsflagge«.

Stimmen Sie mit der Darstellung des Oberst Scherff überein? Sie geben zu, daß es richtig dargestellt ist, wenn man diesen Vorgang als Eingliederung der Marine in den nationalsozialistischen Staat bezeichnet?

RAEDER: Selbstverständlich – das habe ich neulich hier auseinandergesetzt – mußte die Marine, die Wehrmacht, in einem gewissen Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Staat stehen. Denn man kann nicht in einem monarchistischen Staat eine demokratische Marine haben, sondern die großen Grundlinien müssen mit übereinstimmen. Wie weit aber diese Grundlinien angenommen wurden, ist von mir bestimmt worden und in einem richtigen Verhältnis, so daß die Marine immer innerlich selbständig dagestanden hat, aber richtig eingestellt zum nationalsozialistischen Staat.

Außerdem sehe ich keinen Text, ich sehe nur die Überschrift hier.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie halten diese Darstellung also für zutreffend, das wollte ich nur klargestellt wissen. Ich will nicht zu viel Zeit darauf verwenden.

RAEDER: Nein, aber die Überschriften besagen ja gar nichts.

Es könnte zum Beispiel im Text drin stehen, daß die Kriegsmarine sich nicht richtig in den nationalsozialistischen Staat einpaßte. Das weiß ich nicht. Ebenso die Flottenangelegenheit. Selbstverständlich hat...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will nicht zu viel Zeit damit verlieren. Ich möchte, daß wir weiterkommen, Angeklagter. Sie haben in Ihrer Hauptvernehmung dreierlei Angelegenheiten behandelt, auf die ich nicht im einzelnen eingehen will. Ich will sie Ihnen nur in Erinnerung bringen, und ganz allgemein eine Frage darüber stellen. Sie können das Dokument weglegen, ich will das jetzt nicht weiter verfolgen. Wollen Sie bitte das Dokument weglegen und aufmerksam zuhören, wenn ich die nächste Frage stelle?

Sie sind über die S-Boote befragt worden, über Ihre Übersichtsliste, das lange Dokument vom September 1933 und über die Frage der als Transportschiffe »O« getarnten Hilfskreuzer. Ist es richtig, wenn ich Ihre Antwort dahingehend zusammenfasse, daß Sie diese Vertragsbrüche zugegeben haben, aber sagten, daß es in jedem Fall nur ein unbedeutender Vertragsbruch gewesen sei. Ist das eine richtige Zusammenfassung Ihrer Antwort, ja?

RAEDER: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, dann wollen wir es Stück für Stück betrachten. Wollen Sie bestreiten, daß diese Vorkommnisse mit den S-Booten, die Frage der Übersichtslisten oder der Transportschiffe »O« – wollen Sie bestreiten, daß diese Dinge stattgefunden haben? Ich nahm an, Sie hätten zugegeben, daß all dies stattgefunden habe.,..

RAEDER: Nein, sie haben so stattgefunden, wie ich gesagt habe. Zum Beispiel, diese Hilfskreuzer sind nicht gebaut worden. Das durften wir nicht. Wir durften aber Pläne machen und wir durften aussuchen die Schiffe, die im Kriegsfall – wenn ein Krieg ausgebrochen wäre, nämlich durch Überfall auf Deutschland durch einen anderen Staat – dafür geeignet gewesen wären, als Hilfskreuzer aufzutreten. Es war kein Verstoß, das war kein Verstoß. Wenn das Verstoß gewesen wäre, dann würde ich das ruhig zugeben. Ebenso war das U-Boot-Konstruktionsbüro in Holland kein Verstoß gegen den Versailler Vertrag. Der Wortlaut war ja ganz anders. Ich weiß nicht, was das dritte war, was Sie sagten?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie erinnern sich, es war eine lange von Ihnen aufgestellte Liste in einem Dokument.

RAEDER: Jawohl, selbstverständlich, ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und ich verstand Sie dahingehend – vielleicht habe ich mich da geirrt –, daß Sie zugaben, diese Dinge seien geschehen, nur sagten Sie: »Es ist nur eine Belanglosigkeit«.

RAEDER: Selbstverständlich, ja. Das waren Belanglosigkeiten, aber sie waren im Interesse der Verteidigung Deutschlands dringend nötig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt möchte ich Ihnen eine Frage über einen Ihrer Offiziere, Vizeadmiral Aßmann, vorlegen. Hatten Sie Vertrauen zu diesem Offizier?

RAEDER: Er war ein sehr geschickter Geschichtsschreiber.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie meine Frage beantworten? War es ein Offizier, zu dem Sie Vertrauen hatten?

RAEDER: Ich hatte das Vertrauen, daß er die Geschichte richtig schreiben würde.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nur das wollte ich wissen.

Wollen Sie jetzt einen Blick auf ein anderes Dokument werfen, Dokument D-854. Es wird GB-460, Herr Vorsitzender. Es ist ein Auszug aus einer Reihe von Aufsätzen über strategische und taktische Erwägungen der deutschen Marine und über die daraus abgeleiteten Maßnahmen zu ihrem Ausbau in den Jahren 1919 bis 1939. Diese Aufsätze stammen aus den Akten der Vizeadmirale Aßmann und Gladisch, die im Marinearchiv tätig waren.

Wollen Sie nun für einen Augenblick nicht hinsehen, Angeklagter? Ich will Ihnen erst einige Fragen stellen, und dann können Sie es sich selbstverständlich ansehen. Stimmen Sie mit mir dahingehend überein, daß auf fast allen Rüstungsgebieten, soweit die Marine in Frage kam, der Versailler Vertrag dem Buchstaben nach, und erst recht dem Geiste nach, übertreten wurde? Geben Sie das zu?

RAEDER: Nein, auf allen Gebieten keineswegs, denn auf dem Hauptgebiete waren wir ja weit hinter dem Versailler Vertrag zurück, wie ich das hier klar auseinandergesetzt habe. Also wir haben ihn eventuell nach der falschen Seite hin verletzt, insofern wir nicht das gemacht haben, was wir machen konnten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie nun dieses Dokument ansehen. Gleich am Anfang erklären Ihre Offiziere, daß:

»... wie dargestellt wurde, auf fast allen Gebieten der Rüstung bei der Marine lange Zeit vor dem 16. März 1935 der Versailler Vertrag dem Buchstaben und erst recht dem Geiste nach übertreten, mindestens seine Übertretung vorbereitet worden ist.«

Wollen Sie vor dem Gerichtshof behaupten, Ihre Admirale hätten dies zu Unrecht festgestellt?

RAEDER: Darf ich mal sehen, auf welcher Seite das steht?

Ich habe das noch nicht angesehen. – Ja, er sagt:

»... auf fast allen Gebieten der Rüstung bei der Marine...«

Das ist nicht der Fall, denn auf dem Gebiete der...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das habe ich Sie gefragt; ist das richtig?

RAEDER: Nein, das stimmt nicht, denn wir hatten ja gar nicht soviel Schiffe gebaut, wie wir bauen konnten, sondern – wie ich auch auseinandergesetzt habe, wiederholt – betrafen die Überschreitungen...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das haben Sie ja schon erklärt.

RAEDER: Übertretungen waren...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir kennen ja die Lage Ihrer Schiffsreedereien. Sie haben uns das schon erklärt, und es fragt sich nun, ob Ihre Erklärung überhaupt etwas wert ist. Ich will mit Ihnen darüber nicht streiten. Ich stelle Ihnen jetzt folgende Frage: Wollen Sie behaupten, daß die Admirale Ihres Marinearchivs mit diesem Satz, den ich Ihnen eben verlesen habe, etwas Falsches festgestellt hätten?

RAEDER: Jawohl, das behaupte ich; in der Fassung ist das falsch.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Schön. Nun, der Gerichtshof wird darüber entscheiden. Wir gehen jetzt weiter zur Erklärung des Admirals Aßmann. Es heißt dort weiter:

»So ist dies doch wohl an keiner Stelle einerseits so frühzeitig und andererseits unter so erschwerten Umständen geschehen, wie beim Aufbau einer neuen U- Bootwaffe. Der Versailler Vertrag war nur einige Monate in Kraft (ab 10. Januar 1920), als er in diesem Punkte bereits übergangen wurde.«

Stimmen Sie mit Admiral Aßmann darin überein?

RAEDER: Nein, er hat unrecht; denn er wurde ja in diesem Punkt gar nicht übergangen. Und daß die Sache so früh begann, war deswegen, weil die alten U-Bootkommandanten und U-Bootoffiziere und die U-Boottechniker ja alle stellungslos waren und sich nun anboten, im Ausland die U-Boottechnik aufrechtzuhalten; deswegen so früh. Es geht aber mich gar nichts an, denn ich hatte in der Zeit nichts zu sagen über diese Dinge. Ich war damals im Marinearchiv.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wie können Sie dann heute so fest darauf bauen, daß Admiral Aßmann unrecht hat? Ich dachte doch, Sie sagten, daß er ein guter Historiker sei. Er brauchte nicht sehr weit zurückzugehen. Er geht nur 20 Jahre zurück.

RAEDER: Auch ein guter Historiker kann sich irren, wenn nämlich seine Unterlagen falsch sind. Ich habe bloß gesagt, ich hatte Vertrauen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie führen ganz im einzelnen aus... der erste Absatz handelt von Japan.

RAEDER: Ja, die Sache mit dem U-Bootbau stimmt ja nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun wollen wir doch sehen, wie weit er unrecht hat. Wir brauchen nicht auf den ersten Absatz einzugehen, der den Schiffbau für Japan behandelt, sondern wir nehmen den zweiten Absatz; haben Sie den Absatz, der mit »1922« beginnt:

»1922 wurde bereits von 3 deutschen Werften in Holland unter holländischen Decknamen ein deutsches U- Boots-Konstruktionsbüro mit etwa 30 Ingenieuren und Konstrukteuren gegründet. 1925 baute eine holländische Werft nach den Projekten dieses Büros, das sich der finanziellen und personellen Unterstützung der Marineleitung erfreute – auch bei der Lösung dieser Frage ist Kapitän zur See Lohmann maßgeblich beteiligt gewesen – zwei 500-Tonnen-U-Boote für die Türkei.«

Ist das richtig?

RAEDER: Das ist zugegeben worden von uns. Denn es verstieß ja in keiner Weise gegen den Versailler Vertrag.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Darüber werden wir nicht streiten. Jedenfalls stimmt es doch, Admiral Aßmann hat hier recht. Dann spricht er über Finnland und Spanien. Wenn Sie sich den Schluß dieses Absatzes ansehen, sagt er, nachdem er über Spanien gesprochen hat:

»Im Herbst 1927 wurde von dem Chef der Marineleitung, Admiral Zenker, der allen innenpolitischen Schwierigkeiten zum Trotz die Verantwortung auf sich nahm, die Marine-Konstruktionsabteilung mit der Durchführung des Baues in Spanien beauftragt. Die Ausarbeitung des Projektes und die Anfertigung der Bauzeichnungen erfolgte bei dem holländischen Büro. Das Boot machte nach der Fertigstellung 1931 von Cadiz und Cartagena aus Probefahrten und Tauchübungen unter deutscher Leitung... und mit deutschem, aus Offizieren, Ingenieuren, Schiffsbaustudenten und Meistern bestehendem Personal.«

Das stimmt doch wohl, nicht wahr?

RAEDER: Jawohl; aber besonders der Schiffsbaukonstrukteur aus unserer Konstruktionsabteilung, als auch diese anderen genannten Personen des U-Bootbaues wurden aus der Marine entlassen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie dann einmal den letzten Satz an:

»Dieses nunmehr türkische U-Boot ›Gür‹ ist das Typboot für ›U-25‹ und ›U-26‹ geworden.«

RAEDER: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann spricht er von den 250-Tonnen-U-Booten, die in Finnland hergestellt wurden Und, wenn Sie sich den letzten Satz des nächsten Absatzes ansehen:

»Das finnische U-Boot war ›der erste wieder in Deutschland ausgearbeitete und zur Ausführung gelangte U-Bootsentwurf‹; nur für die Durcharbeitung im einzelnen wurde noch das holländische Büro in Anspruch genommen.

Das finnische 250-Tonnen-Boot ist Typboot für ›U-1‹ bis ›U-24‹ geworden.«

RAEDER: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und dann der nächste Absatz:

»Der Bau und die genaue Erprobung des Typbootes war die Voraussetzung dafür, daß 1933/1935 die Teile für ›U-1‹ bis ›U-24‹ lange vor dem Befehl zum Zusammenbau beschafft werden konnten, und dieser selbst soweit vorbereitet wurde, wie es unter Wahrung der Geheimhaltung möglich war.«

RAEDER: Jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt schlagen Sie bitte Seite 156 auf. Sie sehen wohl, wo das nächste Zitat herstammt:

»Es waren Anfang 1935« – das heißt, 6 Monate vor dem englisch-deutschen Abkommen – »wohl 6250-Tonnen-Boote für den Zusammenbau vorbereitet, 6275- Tonnen- und 2750-Tonnen-Boote in Vorbereitungsarbeit – für den Zusammenbau der kleinen Boote waren etwa 4, für den der großen etwa 10 Monate ab 1. Februar 1935 nötig – aber alles andere war noch ganz unsicher.«

Nun sehen Sie sich die nächsten Worte an:

»Deutschland hat sich wohl gerade auf dem Gebiet des U-Bootbaues am wenigsten an die Grenzen des deutsch- englischen Vertrages gehalten. Unter Berücksichtigung der Größe der bereits in Auftrag gegebenen Boote hät ten bis 1938 etwa 55 U-Boote vorgesehen werden können. Tatsächlich wurden 118 fertiggestellt und in Bau gegeben.

Die Vorbereitungen für die neue U-Bootwaffe waren so frühzeitig, gründlich und umsichtig getroffen worden, daß bereits 11 Tage nach Abschluß des deutsch- englischen Flottenabkommens, welches den Bau von U-Booten gestattete, am 29. Juni 1935, das erste deutsche U-Boot in Dienst gestellt werden konnte.«

Sehen Sie sich nun bitte den von Admiral Aßmann geschriebenen Satz an, und wir haben ja durch ungefähr hundert Dokumente festgestellt, in welcher Verbindung Sie zu Aßmann standen. Er sagte:

»Deutschland hat sich wohl gerade auf dem Gebiete des U-Bootbaues am wenigsten an die Grenzen des deutsch- englischen Vertrages gehalten.«

Sie haben in Ihrer Aussage dem Gerichtshof stundenlang erzählt, daß das ein frei geschlossenes Abkommen sei, auf das Sie sehr stolz waren und das zu unterstützen Sie bereit waren. Wollen Sie jetzt vor dem Gerichtshof behaupten, daß Ihre Admirale Unrecht haben, wenn sie sagen, daß sich Deutschland im U-Bootbau am wenigsten an die Beschränkung dieses frei geschlossenen Vertrags hielt?

RAEDER: Das ist ein vollkommen falsches Urteil. Ich habe hier ausgeführt, daß wir, solange keine Verhandlungen mit England waren über den kommenden Vertrag, alles nur im Ausland betrieben haben, was an Vorbereitungen gemacht worden ist, daß in dem Maße, die die wahrscheinlich...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter, Sie können Ihre Erklärungen abgeben...

RAEDER: Bitte, wollen Sie mich nicht unterbrechen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nehmen Sie es nicht übel, aber wir müssen die Sache der Reihenfolge nach behandeln. Sie beantworten zuerst meine Frage und geben dann Ihre Erklärungen ab. Beantworten Sie also zuerst meine Fragen. Wollen Sie sagen daß Admiral Aßmann unrecht hat, wenn er in dem ersten Satze behauptet:

»Deutschland hat sich wohl gerade auf dem Gebiet des U-Bootbaues am wenigsten an die Grenzen des deutsch- englischen Vertrages gehalten.«

Hat Admiral Aßmann unrecht, wenn er das sagt? Behaupten Sie das vor dem Gerichtshof?

RAEDER: Er hat unrecht damit. Das sagte ich schon, habe ich schon gesagt.

DR. SIEMERS: Herr Präsident! Ich habe den Eindruck, dies sind keine Fragen nach Tatsachen. Dies sind Fragen nach juristischer Entscheidung. Es ist eine juristische Streitigkeit, wie Artikel 191 des Versailler Vertrages auszulegen ist.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Frage absolut zulässig ist. In seiner Erklärung kann er darlegen, daß es seiner Ansicht nach kein Vertragsbruch sei, und das hat er schon erklärt. Er kann uns seine Meinung darüber mitteilen; er war doch der Chef der deutschen Marine.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, wollen Sie sich nun den zweiten Satz ansehen...

RAEDER: Aber ich möchte zu Ende sprechen, wenn ich darf, ja? Ich kann eine Erklärung abgeben dazu.

Also, es handelte sich hier alles nur um Vorbereitungen, die außerhalb Deutschlands getroffen wurden. Es ist davon die Rede, daß bei den finnischen U- Bootbauten eine Unterstützung durch deutsche Konstrukteure stattgefunden habe. Das stimmt, es war nicht verboten, daß die deutschen Konstrukteure den finnischen Konstrukteuren halfen, U-Bootspläne aufzustellen. Es stimmt auch, daß dieses U-Boot nachher...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich unterbreche Sie nur ungern, aber dieser Satz handelt ja nicht von dieser früheren Periode. Er befaßt sich mit der Zeit nach dem deutsch-englischen Abkommen im Jahre 1935, und darüber will ich von Ihnen Auskunft haben. Die finnische Sache war ja viel früher.

RAEDER: Ich bin immer noch vor dem Abschluß; denn da wurde mir vorgeworfen, daß wir U-Bootsteile im Ausland gemacht hätten. Und das ist so, daß...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich weiß, aber sehen Sie nicht ein, daß...

RAEDER: Ich habe ja noch gar nicht geantwortet. Nein...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich frage Sie doch nicht danach. Ich möchte eine Antwort auf die richtige Frage haben. Ich frage Sie jetzt nicht mehr über Versailles, sondern über Admiral Aßmanns Behauptung, daß Deutschland sich nicht an die Beschränkung des deutsch-englischen Abkommens vom Jahre 1935 gehalten habe, und was Sie in den zwanziger Jahren in Finnland taten, hat nichts damit zu tun. Das ist alles. Sie können uns nun Ihre Erklärungen geben.

RAEDER: Das ist vollkommen falsch. Wir haben uns gerade im U-Bootbau besonders zurückgehalten und wir hatten im Jahre 1938 noch nicht die 45 Prozent, die wir bauen konnten, so daß wir damals den Antrag stellten, daß wir auf 100 Prozent gehen könnten; und dies ist auch nach dem Wortlaut des englischen Vertrages nach einer freundschaftlichen Besprechung mit der englischen Admiralität in den letzten Tagen des Jahres 1938 verabredet und ausgeführt worden. Wir hatten bei Kriegsbeginn auch keineswegs die 100 Prozent. Wir waren mit dem U-Bootbau immer zurück.

Das ist also eine vollkommen falsche Auffassung des Admirals Aßmann, der diese Dinge wohl nicht genügend verfolgt hat.

Das kann ich auf meinen Eid nehmen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie sich nun die nächsten Sätze an. Sie befassen sich...

RAEDER: Welche Seite ist das, von der Sie sprechen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Seite 156. Ich will es ganz langsam nochmals verlesen:

»Unter Berücksichtigung der Größe der bereits in Auftrag gegebenen Boote hätten bis 1938 etwa 55 U-Boote vorgesehen werden können. Tatsächlich wurden 118 fertiggestellt und in Bau gegeben.«

Behaupten Sie, daß Admiral Aßmann auch mit dieser Behauptung unrecht hat?

RAEDER: Also bitte, ich habe immer noch nicht die Stelle aus der Sie lesen, das ist ja... welche Zeile... dies ist... ja 156...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter! Haben Sie nun den Satz gefunden?

RAEDER: Jawohl, jetzt habe ich es, ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie nun, was Admiral Aßmann sagt:

»Unter Berücksichtigung der Größe der bereits in Auftrag gegebenen U-Boote hätten bis 1938 etwa 55 U- Boote vorgesehen werden können.«

Das ist, bevor überhaupt darüber gesprochen wurde, daß von 45 auf 100 gegangen werden sollte.

»Tatsächlich wurden 118 fertiggestellt und in Bau gegeben.«

Behaupten Sie, daß Admiral Aßmann unrecht hat, wenn er diese Zahlen angibt?

RAEDER: Aber ganz bestimmt, denn wir sind ja in den Krieg im Jahre 1939 mit – ja, ich weiß nicht genau – mit 40 U-Booten hineingegangen. Das ist ja... entweder ist das ein Druckfehler oder ganz unerhörte Zahlen. Wir sind, wie Sie wissen, in den Krieg mit – ich glaube – 26 U-Booten gegangen, die in den Atlantik gehen konnten und einer Anzahl kleiner Boote darüber hinaus. Was auf Stapel gelegen hat zu Beginn des Krieges, kann ich hier nicht auswendig sagen. Aber es war gar keine Absicht. Das ist ja das, was mir vorgeworfen worden ist, daß ich nicht genügend U-Boote rechtzeitig auf Stapel gelegt habe. Ich bestreite diesen Satz vollkommen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie behaupten also, Angeklagter, daß die Zahlen des Admirals Aßmann unvereinbar sind mit Ihren Aussagen vor dem Gerichtshof über die Zahl der U-Boote, mit denen Sie den Krieg begonnen haben?

RAEDER: Jawohl.

DR. SIEMERS: Ich wäre Sir David dankbar, wenn er den Satz ganz verlesen würde, das heißt die Anmerkung 6, die hinter dieser Zahl 118 und »in Bau gegeben« kommt, mit verlesen würde. Die Anmerkung 6, die, wie ich eben sehe, in der englischen Übersetzung nicht enthalten ist, lautet wie folgt:

»Chef Marinenaushaltsabteilung B. Nr. E 311/42 Geheime Kommandosache, vom 19. November 1942.«

Die Zahl, Herr Präsident, bezieht sich auf einen späteren Zeitpunkt und nicht auf das Jahr 1938. Ich wäre außerordentlich dankbar, wenn ich nach dieser eben gemachten Erfahrung in Zukunft nicht nur das deutsche Exemplar, sondern gleichzeitig auch die englische Übersetzung von Sir David bekommen würde. Ich wäre Sir David dankbar, wenn er dies veranlassen könnte.

VORSITZENDER: Dr. Siemers! Können Sie nicht die von Ihnen gewünschte Stelle bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie den Angeklagten wieder vernehmen wollen, vom Deutschen ins Englische übersetzen lassen? Soweit ich Sie verstehe, sprechen Sie von einer Anmerkung, die als Zusatz dem Teil, der ins Englische übersetzt wurde, beigefügt war. Wollen Sie die Stelle bitte nochmals verlesen?

DR. SIEMERS: Sir David las die Worte vor: »Tatsächlich wurden 118 fertiggestellt und in Bau gegeben.« Soweit hatte Sir David vorgelesen. Hinter diesem Wort »gegeben« steht die Ziffer 6, das bedeutet Anmerkung 6. Die Anmerkung 6 lautet wie folgt:

»Chef der Marinehaushaltsabteilung B. Nr. E 311/42, Geheime Kommandosache vom 19. November 1942 (Seite 19).«

Das zeigt also, daß auf Seite 19 dieses Schreibens der Marinehaushaltsabteilung aus dem Jahre 1942 diese Zahl 118 genannt sein muß. Demnach erstreckt sich diese Zahl nicht auf das Jahr 1938, sondern auf einen späteren Zeitpunkt.

RAEDER: Ich kann dazu auch noch eine andere Erklärung geben, die möglich ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich werde der Sache nachgehen, aber der Text – es besteht hier kein Unterschied zum deutschen – lautet genau so wie ich ihn verlesen habe:

»... hätten bis 1938 etwa 55 U-Boote vorgesehen werden können. Tatsächlich wurden aber 118 fertiggestellt und in Bau gegeben.«

Das ist Admiral Aßmanns Text.

DR. SIEMERS: Aber nicht 1938.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Mein Kollege Dr. Siemers wird genügend Gelegenheit haben, sich darüber zu äußern... Wenn ein Streitpunkt besteht, werde ich ihn einer Prüfung unterziehen, aber hier liegt ein Text vor, und dieser Text enthält die strittige Stelle. Den Inhalt der Fußnote kann Dr. Siemers bei seinem Rückverhör bringen.

MR. BIDDLE: Sir David! Sehen Sie sich bitte die Anmerkung dahingehend an, ob nicht der Bericht im Jahre 1942 gemacht wurde, und nicht die Konstruktion. Ich lege Ihnen nahe, ihn zu fragen, ob aus der Anmerkung nicht ersichtlich ist, daß der Bericht und nicht der Bau aus dem Jahre 1942 stammt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Meine Übersetzung der Anmerkung lautet: »Chef der Marinehaushaltsabteilung«, dann der Hinweis auf seine Anmerkung, datiert vom »19. November 1942«. Das scheint die Annahme des Herrn amerikanischen Richters zu bestätigen, daß es ein Hinweis auf diesen Bericht ist, und nicht mehr. Es weist nur darauf hin, daß der Zeitpunkt des Baues 1942 war, und es wäre richtig, wenn Dr. Siemers, falls er nichts zu dem von mir verlesenen Text zu sagen hat, diese Streitpunkte bis zum Rückverhör zurückstellen würde.

VORSITZENDER: Dr. Siemers! Sie können die Fragen bei Ihrem Rückverhör vorbringen; bis dahin können Sie uns eine Übersetzung dieser Anmerkung vorlegen.

DR. SIEMERS: Herr Präsident! Ich bin vollständig damit einverstanden. Ich habe ja auch nur die Bitte geäußert, daß ich ein Exemplar der englischen Übersetzungen der jetzt neu vorgelegten Urkunden bekomme.

Herr Präsident! Sie werden mir zugeben, daß es eine sehr starke Belastung jetzt während des Kreuzverhörs für mich ist, festzustellen, wo die Übersetzung nicht vollständig ist und alles, was fehlt, selbst zu übersetzen, obwohl die Britische Delegation eine englische Übersetzung in Händen hat. Da glaube ich, ist es leichter, wenn Sir David so liebenswürdig ist, mir eine englische Übersetzung zur Verfügung zu stellen.

VORSITZENDER: Sir David! Sie werden ihm doch sicher eine englische Übersetzung jedes neuen Dokuments überlassen können?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sicherlich. Der Gerichtshof hat es ja angeordnet, und es ist vorbereitet. Sie haben doch sicher die englische Übersetzung? Ganz bestimmt, Herr Vorsitzender. Sowie ich ein Dokument vorlege, wird eine Übersetzung davon Dr. Siemers überreicht.

VORSITZENDER: Vielleicht ist da ein Irrtum vorgekommen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie werden sie bestimmt erhalten.

Und nun wollen wir über einen anderen Herrn Ihres Stabes sprechen. Sie haben sehr viel über das Marinebudget gesprochen. Erinnern Sie sich noch an einen Flottenintendanten in Ihrer Abteilung, den Flottenintendanten Thiele vom OKM, Abteilung E, der Haushaltsabteilung der deutschen Admiralität? Erinnern Sie sich an ihn?

RAEDER: Jawohl. Herr Anklagevertreter, darf ich nicht zu dieser 118-Sache noch etwas sagen? Mir ist so etwas eingefallen, in Verbindung gerade mit dieser Nummer 6, Chef der Marinehaushaltsabteilung. Es ist also durchaus möglich, daß der Admiral Aßmann hier zwei Sachen zusammengefaßt hat. Die U-Boote und jedes Schiff wurden ja im Haushalt genehmigt und also damit sanktioniert. Dieser Haushalt wurde am Ende des Jahres bearbeitet und herausgegeben vor dem Jahre, für den er gültig wurde. Es ist nun hier, da plötzlich diese große Zahl erscheint, durchaus möglich, daß die Zahl 118 zustande kommt auf Grund dieser Vereinbarung mit England, die am 30. oder 31. Dezember 1938 getroffen wurde – es ist durchaus natürlich, daß wir daraufhin den ganzen Rest der U- Boote, den wir noch bauen durften – auf die 100 Prozent hin – nun in den Etat eingestellt haben. Das bedeutet aber in keiner Weise, daß wir, den Bau dieser Boote im Jahre 1938 begonnen haben. Nebenbei glaube ich, wir hätten sogar beginnen können, denn es handelt sich ja immer darum, daß man in irgendeinem Jahre nur soundso viel fertige Boote haben konnte. Aber ich halte diese Erklärung, die mir einfällt, weil ich hier sehe »Marinehaushaltsabteilung« für durchaus zutreffend.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der Gerichtshof hat ja den Wortlaut: »bis 1938«. Ich will mit Ihnen darüber nicht streiten, die Worte sprechen für sich selbst.

Ich möchte, daß Sie jetzt D-855 betrachten, das GB-461 wird. Das ist ein Auszug aus einem Vortrag des gerade erwähnten Herrn Thiele, der im Ausbildungskommando für Verwaltungsoffiziere der Kriegsmarine in Prag am 12. Juli 1944 gehalten wurde. Der Auszug, den ich verlesen will, steht auf Seite 22 und hat die Überschrift: »Schiffbauplan«. Haben Sie es gefunden, Seite 22, mit der Überschrift: »Schiffbauplan«? Sehen Sie den Absatz an, der mit den Worten beginnt:

»Die Zeit der ganz großen Entwicklung der Marine war also mit dem Augenblick der Machtergreifung gekommen. Bereits in dem ersten Jahr nach ihr, im März 1935, ging man über zum Bau von Schlachtkreuzern mit einem Deplacement von 27000 Tonnen. Ein solches Schiff wurde in Bau gegeben. Damit verstieß man im Marinebereich sofort in einer schon nach kurzem nicht mehr zu verschleiernden Form gegen die eine der für uns wichtigsten Bestimmungen des Versailler Vertrages.«

Hat Flottenintendant Thiele recht, wenn er das in seinem Vortrag behauptet?

RAEDER: Natürlich war es ein Verstoß, aber ich habe ja hier des längeren auseinandergesetzt, daß es sich nicht um den Neubau von Schlachtkreuzern handelt, sondern daß es darauf ankam, die beiden Panzerschiffe, die wir schon bewilligt bekommen hatten, zu verwerten, und daß Hitler 1934 mir nur die Erlaubnis gab, die Schiffe etwas zu vergrößern, die Pläne, so daß der Panzer stärker werden konnte, und ich ersehe hieraus, daß erst im März 1935, als der Abschluß des Vertrages sicherstand, und es also sicher war, daß England uns einige Monate später erlauben würde, solche Schiffe zu bauen durch den Vertrag, daß da schon die Pläne für die 26500-Tonnen-Schiffe vom Führer genehmigt und in Angriff genommen wurden, die die ersten Schlachtschiffe im neuen Programm werden sollten. Daß also, was er 1934 noch nicht genehmigt hatte, die drei 28-cm-Türme, das heißt die Offensivwaffen, hineingeworfen wurden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es freut mich, daß dieser Herr mit Ihrer Meinung mehr übereinzustimmen scheint als der andere. Sehen Sie sich bitte an, was er zwei Sätze weiter über U-Boote sagt:

»Die U-Boote sind, da ihr Bau nach außen unter keinen Umständen in Erscheinung treten durfte, in Einzelteilen fertiggestellt worden, die zunächst in Schuppen gelagert wurden und nach Erklärung der Wehrfreiheit nur noch zusammengesetzt zu werden brauchten.«

Hat Flottenintendant Thiele damit nicht recht?

RAEDER: Jawohl, er hatte recht, das haben wir auch zugegeben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun wollen wir die nächste Frage betrachten.

RAEDER: Ich darf vielleicht hier die Erklärung zu Ende führen? Wir haben...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, bitte aber so kurz wie möglich. Ich will Sie zwar nicht unterbrechen, aber fassen Sie sich möglichst kurz.

RAEDER: Selbstverständlich; aber ich muß meine Verteidigung zu Ende führen.

Also, wir haben die U-Bootsteile im Auslande bauen lassen und sie erst Anfang 1935 hereingenommen und dann zusammengesetzt, ebenfalls zu einer Zeit, wo der Flottenvertrag als sicher in Aussicht stand.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Richtig. Sie sagen, Sie haben den Vertrag vorausgesehen, aber sehen Sie sich doch an, was er nachher sagt:

»Auch die dritte der für uns nachteiligsten Bestimmungen des Versailler Vertrages, die Personalbeschränkung auf 15000 Mann, wurde bei der Machtergreifung sofort außer acht gelassen. Der Personalbestand der Marine betrug 1934 bereits 25000, im Jahre 1935, dem Jahre des Londoner Flottenabkommens, 34000 Mann.«

Hat nun Flottenintendant Thiele damit recht?

RAEDER: Jawohl, das ist zugegeben. Es war klar, daß wir das Personal rechtzeitig ausbilden mußten, um die vergrößerten Seestreitkräfte besetzen zu können.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, nun ersuche ich Sie, kurz einen Blick auf ein Dokument zu werfen, das auf Seite 3 des Dokumentenbuches 10 steht, auf das Sie sich in Ihrem Hauptverhör bezogen haben. Hier handelt es sich um Dokument C-23 über die Wasserverdrängung des »Scharnhorst«, »Gneisenau«, »Tirpitz«, »Bismarck« und anderer Schiffe.

Sie kennen das Dokument, nicht wahr? Wir haben darüber schon gesprochen.

RAEDER: Jawohl, ich kenne das Dokument.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es trägt das Datum vom 18. Februar 1938. Deutschland hat das deutsch- britische Flottenabkommen erst gekündigt, nachdem England Polen im April 1939 seine Garantie gab, was erst 14 Monate später geschah. Warum haben Sie nicht einfach an England einen Bericht geschickt, daß aus Verteidigungsgründen um 20 Prozent größere Deplacements gebaut worden waren. Warum haben Sie das nicht getan?

RAEDER: Das kann ich Ihnen heute nicht mehr sagen. Wir haben neulich auseinandergesetzt, wie das Deplacement durch durchaus nicht erstrebenswerte Änderungen allmählich größer geworden ist, zu unserem eigenen Schaden...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Angeklagter, das habe ich noch gut in Erinnerung. Wir kennen bereits die Gründe, weshalb die Deplacements vergrößert wurden, und ich glaube nicht, daß Sie sich selbst schaden, wenn Sie es nicht wiederholen; aber sehen Sie doch auf das Ende dieser Seite und ich denke, da werden Sie den Grund dafür finden, an den Sie sich nicht erinnern können:

»Nach Ansicht von A IV erscheint es keinesfalls richtig, eine größere Tonnage anzugeben, als zum Beispiel England, Rußland oder Japan wahrscheinlich zunächst bekanntgeben werden, um nicht das Odium des Wettrüstens auf uns zu laden.«

Ist das nicht der Grund?

RAEDER: Jawohl, das war für die Zukunft gedacht. Wir wollten unter keinen Umständen den Eindruck erwecken, als ob wir die Offensivkraft unserer Schiffe steigerten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter! Ich will nun auf eine andere Sache übergehen; ich möchte nur ganz kurz und bündig – Sie werden das zu schätzen wissen – sagen, was die Anklage Ihnen vorwirft, nämlich daß Sie und die deutsche Marine 20 Jahre lang – von 1918 bis 1938 – sich einer vollendeten, kaltblütigen und vorsätzlichen Täuschung über die Erfüllung Ihrer Vertragsbindungen schuldig gemacht haben. Dies wird Ihnen zur Last gelegt. Verstehen Sie? Wollen Sie dies nach diesem Dokumente noch ableugnen?

RAEDER: Selbstverständlich. Es war keine kaltblütige Angelegenheit, sondern bei der ganzen Umgehung des Versailler Vertrages war es unser Bestreben, unser Land besser verteidigen zu können, als man es uns belassen hatte. Ich habe hier nachgewiesen, daß man gerade in den Versailler Bestimmungen immer die Punkte beschränkt hatte die für die Verteidigung unseres Landes ungünstig waren und die für einen Angriff von außen her günstig waren. Bei den Schiffen, möchte ich noch hinzufügen, handelte es sich ja darum, daß wir immer nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Schiffen fertigbringen konnten und daß es infolgedessen uns daran lag, die Widerstandskraft, also die Seesicherheit und diese Eigenschaften, so stark wie möglich zu erhöhen. Wir haben niemals die Offensivkraft über das Maß hinaus gesteigert, das uns gestattet war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter! Ich möchte, daß Ihnen klar wird, in welche Richtung meine nächsten Fragen zielen. Ich wünsche, daß da kein Mißverständnis aufkommt. Ich behaupte nun, daß diese Vertragsbrüche und Ihre Marinepläne auf die Möglichkeit und sogar Wahrscheinlichkeit eines Krieges gerichtet waren. Wollen Sie jetzt bitte das Dokument C-23, von dem ich soeben gesprochen habe, zur Hand nehmen. Wir wollen es als Zwischenstück verwenden.

Auf Seite 5 des Dokumentenbuches 10 sehen Sie eine Denkschrift, ich glaube, des Planungsausschusses an den Flottenchef Admiral Carls; wir haben Ihre Ansicht über Admiral Carls bereits gehört; er soll Ihrer Meinung nach ein hervorragender Offizier gewesen sein, und er wurde als erster von Ihnen als Ihr Nachfolger vorgeschlagen.

Das Datum des Dokuments ist September 1938, und es ist eine Geheime Kommandosache mit dem Titel: »Stellungnahme zur ›Entwurfstudie der Seekriegführung gegen England‹«, und Sie sehen, daß unter »A« gesagt wird: »Dem Gedanken der Studie wird voll zugestimmt.«

Betrachten Sie nun Absatz 1:

»Wenn Deutschland nach dem Willen des Führers eine in sich gesicherte Weltmachtstellung erwerben soll, bedarf es neben genügendem Kolonialbesitz gesicherter Seeverbindungen und gesichertem Zugang zum freien Ozean.«

Stimmt das, Angeklagter?

RAEDER: Jawohl, das stimmt. Ich kenne das ganze Dokument.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann sehen Sie sich mal »2« an:

»Beide Forderungen sind nur gegen englisch-französische Interessen erfüllbar und schränken deren Weltmachtstellung ein. Sie mit friedlichen Mitteln durchsetzen zu können, ist unwahrscheinlich. Der Wille zur Ausgestaltung Deutschlands als Weltmacht führt daher zwangsmäßig zur Notwendigkeit entsprechender Kriegsvorbereitung.«

Stimmt das?

RAEDER: Jawohl, das stimmt alles.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt sehen wir uns »3« an.

»Der Krieg gegen England bedeutet gleichzeitig Krieg gegen das Empire, gegen Frankreich, wahrscheinlich auch gegen Rußland und eine große Reihe überseeischer Staaten; also gegen 1/2 bis 2/3 der Gesamtwelt.«

Ich brauche Sie darüber nicht zu befragen, da die Tatsachen es ja schon bewiesen haben.

Sehen Sie sich jetzt die nächste Stelle an:

»Er hat innere Berechtigung...«

RAEDER: Ja, ich muß mich aber dazu äußern können zu diesem Dokument.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gewiß, ich bitte um Entschuldigung, aber wir sind so schnell weitergegangen, daß ich nicht dachte, daß Erklärungen gegeben würden.

RAEDER: Im Jahre 1938 wurde, wie das hier ja verschiedentlich zum Ausdruck gekommen ist, die Stimmung des Führers gegen England schwieriger, trotz aller Bemühungen des Generals von Blomberg und mir, ihm zu sagen, daß das nicht der Fall wäre von Seiten Englands und daß man mit England in Frieden leben könnte. Trotzdem befahl der Führer, man müsse auch auf den Fall gefaßt sein, daß England einmal seinen Plänen entgegentrete. Er hat nie selbst daran gedacht, von sich aus einen Angriffskrieg gegen England zu inszenieren, und noch viel weniger haben wir in der Marine daran gedacht, wo ich ja nachgewiesen habe, daß ich nichts getan habe, als ihm davon abzureden. Im Jahre 1938 befahl er, wir sollten, so wie wir uns bisher mit den anderen Kriegsfällen beschäftigt hatten in Studien, was ja Pflicht der Wehrmachtsleitung ist, auch einmal durchgehen in einer Studie, wie sich eigentlich ein Krieg mit England gegen uns abspielen würde, und was wir dazu brauchten. Diese Studie wurde abgefaßt und ich habe dem Führer vorgetragen, daß wir niemals mit unseren Streitkräften so hoch kommen könnten, daß wir einen Krieg gegen England mit Aussicht auf Erfolg unternehmen könnten, das wäre ja Wahnsinn gewesen, wenn ich das gesagt hätte. Ich habe ihm gesagt, das ist wiederholt zum Ausdruck gekommen, daß wir bis zum Jahre 1944/1945 hier eine kleine geschlossene Streitmacht gründen könnten, mit der wir den Handelskrieg gegen England anfassen könnten, beziehungsweise die Handelswege auf dem Ozean anfassen könnten, aber wir würden niemals in der Lage sein, England wirklich damit zu besiegen. Diese Studie, die bei uns in der Seekriegsleitung unter mir aufgestellt worden war, schickte ich an Generaladmiral Carls, der in allen diesen Fragen ein sehr klares Urteil hatte. Er hielt es für seine Pflicht in der Einleitung seiner Antwort, in der er mit uns übereinstimmte, auseinanderzusetzen, was für Folgen ein solcher Krieg gegen England für uns haben würde, nämlich, daß dadurch wieder ein Weltkrieg entstehen würde, den weder er, noch wir in der Marine, noch irgend jemand in der Wehrmacht haben wollte; meiner Ansicht nach auch Hitler nicht, wie ich neulich nachgewiesen habe; und deswegen diese Äußerung. Er sagte, wenn wir Krieg gegen England führen müssen, dann müssen wir selbst erstens den Zugang zum Ozean haben und zweitens müssen wir den englischen Handel auf den Seewegen des Atlantik angreifen. Nicht, daß er vorschlug, wir sollten eine solche Unternehmung von uns aus unternehmen, sondern es handelte sich immer nur um die Gedanken für den Fall, daß ein solcher Krieg, sehr gegen unseren Willen, ausbräche. Das war unsere Pflicht, diese Gedanken durchzudenken.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Er sagt:

»Er« – er meint den Krieg gegen England – »hat innere Berechtigung und Aussicht auf Erfolg nur, wenn er sowohl wirtschaftlich wie politisch und militärisch vorbereitet ist...«

Und dann sagt er weiter:

»... und der Zielsetzung entsprechend geführt wird: Deutschland den Weg zum Ozean zu erobern.«

Ich möchte nun sehen, wie Sie ihn vorbereiteten.

RAEDER: Jawohl, das ist ganz klar und auch ganz richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun wollen wir mal untersuchen, welche wirtschaftlichen Vorbereitungen Sie getroffen haben. Wir wollen das zuerst nehmen, da Sie es als erstes vorgelegt haben. Sehen Sie bitte Dokument C-29, Seite 8 an.

VORSITZENDER: Sir David! Ich glaube, es wäre besser, jetzt eine Pause einzuschalten, ehe wir darauf eingehen.