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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Mir liegt sehr daran, keine unnötige Zeit zu verschwenden. Euer Lordschaft werden sich vielleicht erinnern, daß Dr. Siemers im Hinblick auf die Zusammenkunft vom 22. August einen Punkt vorbrachte, der sich auf die beiden in den Dokumenten 1014-PS und 798-PS einerseits und in der Erklärung von Admiral Boehm andererseits enthaltenen Berichte über diese Sitzung bezog. Ich habe eine vergleichende Aufstellung auf englisch und deutsch anfertigen lassen, die aufzeigt, in welchen Punkten sich die beiden Berichte ähnlich sind. Ich halte es für zweckdienlich, diese Aufstellung so vorzulegen. Dr. Siemers kann sich das deutsche Exemplar ansehen und zu gegebener Zeit irgendeinen Kommentar dazu geben. Das scheint besser zu sein, als Zeit dadurch zu verlieren, daß man den Zeugen über irgendwelche Abweichungen in diesen Berichten im Kreuzverhör vernimmt. Mit Erlaubnis des Gerichtshofs, Euer Lordschaft, lege ich jetzt dieses Dokument vor und lasse Dr. Siemers eine Abschrift davon geben, damit er zu gegebener Zeit den Gerichtshof auf irgendwelche Punkte aufmerksam machen kann.

VORSITZENDER: Stammen diese Berichte nicht von Admiral Boehm?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Der Bericht der Anklagevertretung befindet sich in den beiden Dokumenten 798-PS und 1014-PS.

VORSITZENDER: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mein Kollege, Herr Alderman, erwähnte noch ein weiteres Dokument, aber hat es nicht vorgelegt. Dieser Bericht stammte von einem Journalisten und war der erste Bericht, der der Anklage zur Verfügung stand. Als sie jedoch dann die beiden Berichte aus dem Archiv des OKW erhielt, machte sie von dem ersten keinen Gebrauch; ich habe daher nur die beiden Berichte aus dem OKW-Archiv und den Bericht von Admiral Boehm verwendet.

VORSITZENDER: Ja, aber sind dann nicht insgesamt drei Dokumente vorhanden, abgesehen von dem einen, das Sie ausgelassen haben?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Euer Lordschaft, ich habe beide einzeln vorgenommen und sie mit Admiral Boehms Bericht verglichen.

VORSITZENDER: Sehr gut.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde also meine Befragung über diesen Punkt nicht fortsetzen. Das wird, glaube ich, Zeitgewinn bedeuten.

VORSITZENDER: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: [zum Zeugen Raeder gewandt] Angeklagter! Sehen Sie sich bitte Dokument 789-PS an auf Seite 261 des Buches 10a im englischen, und Seite 438 bis 440 im deutschen Text, Seite 438 bis 440. Hier handelt es sich um die Niederschrift über eine Besprechung bei Hitler vom 23. November 1939, zu der alle Oberbefehlshaber befohlen waren. Sehen Sie die Stelle am Anfang, Seite 438 bis 440? Sehen Sie, daß alle Oberbefehlshaber dazu befohlen sind? Waren Sie dabei?

RAEDER: Jawohl, es war die Unterredung mitten im Kriege schon, am 23. November 1939.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Waren Sie anwesend?

RAEDER: Ich war anwesend.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wer waren die anderen Oberbefehlshaber, die anwesend waren?

RAEDER: Oberbefehlshaber des Heeres, der Luftwaffe und eine große Anzahl von Generalen des Heeres.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Oberbefehlshaber?

RAEDER: Jawohl, aber im Heer...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie sich den Absatz ansehen, der anfängt:

»Ein Jahr später kam Österreich, auch dieser Schritt wurde für sehr bedenklich angesehen.«

Haben Sie diesen Absatz?

RAEDER: Jawohl, ich habe es.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Danke sehr. Schauen Sie sich nun die nächsten Sätze an:

»Er brachte eine wesentliche Stärkung des Reichs. Der nächste Schritt war Böhmen, Mähren und Polen. Aber dieser Schritt war nicht in einem Zuge zu tun. Zunächst mußte im Westen der Westwall fertiggestellt werden. Es war nicht möglich, das Ziel in einem Anhieb zu erreichen. Vom ersten Augenblick an war mir klar, daß ich mich nicht mit dem sudetendeutschen Gebiet begnügen könnte. Es war nur eine Teillösung. Der Entschluß zum Einmarsch in Böhmen war gefaßt. Dann kam die Errichtung des Protektorats, und damit war die Grundlage für die Eroberung Polens gelegt, aber ich war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht im klaren, ob ich erst gegen den Osten und dann gegen den Westen oder umgekehrt vorgehen sollte. Moltke hat seinerzeit oft die gleichen Überlegungen angestellt. Zwangsläufig kam es erst zum Kampf gegen Polen. Man wird mir vorwerfen: Kampf und wieder Kampf. Ich sehe im Kampf das Schicksal aller Wesen. Niemand kann dem Kampf entgehen, falls er nicht unterliegen will. Die steigende Volkszahl erfor derte größeren Lebensraum. Mein Ziel war, ein vernünftiges Verhältnis zwischen Volkszahl und Volksraum herbeizuführen.«

Ungeachtet Ihrer Auffassung zu diesem Zeitpunkt wurde Ihnen dann doch klar, daß Hitler selbst in all jenen Fällen, die ich Ihnen heute früh vorgehalten habe, ein konsequentes und klares Angriffsziel verfolgt hat. Nicht wahr?

RAEDER: Jawohl, aber wir waren nun mitten im Kriege schon, und er gab rückblickend diese Dinge, und zweitens wollte er den Generalen, mit denen er ja zu der Zeit einen Konflikt hatte, darlegen, daß er mit seinen politischen Überlegungen immer recht behalten hätte. Deswegen führte er alle diese einzelnen Punkte noch einmal an.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie sich nun bitte Seite 445 bis 448 zuwenden. Seite 264 im englischen Dokumentenbuch, im deutschen Seite 445 bis 448. Haben Sie es?

RAEDER: Ja, würden Sie vielleicht lesen, ich habe hier ein...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist der Absatz, der beginnt: »Wir haben eine Achillesferse: das Ruhrgebiet.«

RAEDER: Ja, ich habe es.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie sich die Mitte des Absatzes ansehen! Dort finden Sie:

»England kann ohne seine Zufuhr nicht leben. Wir können uns selbst ernähren. Die dauernde Minenverseuchung der englischen Küste wird England auf die Knie zwingen.«

Haben Sie diese Stelle?

RAEDER: Jawohl...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Danke. Hören Sie mir nun bitte zu!

»Dies kann aber nur erreicht werden, wenn wir Belgien und Holland besetzt haben. Es ist ein schwerer Entschluß für mich. Keiner hat das geschaffen, was ich geschaffen habe. Mein Leben spielt keine Rolle dabei. Ich habe das deutsche Volk zu großer Höhe geführt, wenn man uns auch jetzt in der Welt haßt. Dieses Werk setze ich auf das Spiel. Ich habe zu wählen zwischen Sieg oder Vernichtung. Ich wähle den Sieg. Größter historischer Entschluß, zu vergleichen mit dem Entschluß Friedrichs des Großen vor dem Ersten Schlesischen Krieg. Preußen verdankt seinen Aufstieg dem Heroismus eines Mannes.«

Und dann noch mehr über Friedrich den Großen und Bismarck:

»Mein Entschluß ist unabänderlich. Ich werde Frankreich und England angreifen zum günstigsten und schnellsten Zeitpunkt. Verletzung der Neutralität Belgiens und Hollands ist bedeutungslos. Kein Mensch fragt danach, wenn wir gesiegt haben. Wir werden die Verletzung der Neutralität nicht so idiotisch begründen wie 1914. Wenn wir die Neutralität nicht verletzen, so tun es England und Frankreich. Ohne Angriff ist der Krieg nicht siegreich zu beenden.«

Können Sie sich noch daran erinnern, Angeklagter, daß das genau drei Wochen nach Herausgabe der Pläne für den Fall »Gelb«, das heißt für den Angriff auf Holland und Belgien am 10. November, war? Erinnern Sie sich daran?

RAEDER: Daß dies hier besprochen worden ist, weiß ich. Ich weiß aber, wir waren schon im Kriege mit England, infolgedessen war ein Angriff auf England und Frankreich in diesem Stadium ja gar nicht mehr zu erörtern und...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie waren mit Holland und Belgien nicht im Kriege, nicht wahr?

RAEDER: Bitte, ich möchte gern zu Ende reden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Verzeihung, ich dachte, Sie hätten bereits zu Ende geredet.

RAEDER: Hier steht:

»Wenn die französische Armee in Belgien einmarschiert, um uns anzugreifen, ist es für uns zu spät. Wir müssen zuvorkommen.«

Denn Hitler erklärte damals, er hätte bestimmte Nachricht, daß Belgien die Neutralität nicht wahren würde, und es lägen auch schon Nachrichten vor, daß gewisse Vorbereitungen für die Aufnahme von französischen und englischen Truppen und so weiter schon getroffen wären, und aus diesem Grunde wollte er einem Angriff aus Belgien heraus gegen uns zuvorkommen. Er hatte sich im übrigen noch in seiner Rede vom 22. August 1939 ganz entgegengesetzt geäußert, indem er sagte, Belgien und die Niederlande würden ihre Neutralität nicht brechen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Waren Sie mit seiner Erklärung einverstanden:

»Verletzung der Neutralität Belgiens und Hollands ist bedeutungslos. Kein Mensch fragt danach, wenn wir gesiegt haben.«

Stimmten Sie mit dieser Ansicht überein?

RAEDER: Nein, das ist nicht gerade meine Ansicht, aber ich hatte keine Veranlassung meinerseits, gegen diese Ansprüche irgendwelchen Protest einzulegen in diesem Moment.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Ansicht der Seekriegsleitung über den U-Bootkrieg wurde ihm einen Monat später vorgelegt, nicht wahr? Wissen Sie noch, daß Sie am 30. Dezember mit Hitler zusammenkamen? Generaloberst Keitel und Fregattenkapitän von Puttkamer waren auch anwesend.

RAEDER: Jawohl, ich war am 30. Dezember mit ihm zusammen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann verweise ich Sie auf ein neues Dokument, C-100, GB-463.

VORSITZENDER: Sir David! Sollte dieses Dokument nicht mit einer Beweisstücknummer versehen werden?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft haben recht. Ich glaube, es würde zweckdienlicher sein, wenn wir ihm zwei Nummern geben, eine für jedes PS-Originaldokument. Euer Lordschaft, der Vergleich...

VORSITZENDER: 1014-PS hat schon eine Nummer.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Euer Lordschaft, es hat schon eine Nummer.

VORSITZENDER: Ich dachte, das Vergleichsdokument sollte vielleicht auch eine Nummer erhalten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Bestimmt. Ich schlage vor, wir bezeichnen das Dokument für den Vergleich mit 798-PS als GB-464 und das für den Vergleich mit 1014-PS als GB-465.

VORSITZENDER: Soviel ich sehe, habe ich hier nur eines bekommen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bekomme noch einige mehr, Euer Lordschaft. Leider habe ich augenblicklich nur eine beschränkte Anzahl, aber ich werde noch mehr anfertigen lassen.

464, 798; GB-465 entspricht 1014-PS. GB-464 ist der Vergleich zwischen 798-PS und dem Raeder-Dokument und GB-465 ist der Vergleich von 1014-PS mit dem Raeder-Dokumentenbuch.

Ich bin Euer Lordschaft sehr verbunden.

VORSITZENDER: Und jetzt kommen Sie zu C-100?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Euer Lordschaft, C-100.

Angeklagter! Wollen Sie bitte einige Seiten umblättern, bis Sie einen Bericht vom 30. Dezember 1939 finden; und danach ist eine Anlage zu dem Vortrag beim Führer am 30. Dezember 1939.

Sehen Sie sich bitte Abschnitt IV an, in dem es heißt:

»Hinsichtlich der Form und des Zeitpunktes zum Eintritt weiterer Verschärfungen des Seekrieges ist von ausschlaggebender Bedeutung die Entscheidung der obersten Kriegsleitung über den Beginn der allgemeinen Kriegsverschärfung durch eine Offensive im Westen.«

Haben Sie das, Absatz IV?

RAEDER: Seite?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, die Seitennumerierung ist verschieden.

RAEDER: »Hinsichtlich der Form«, jawohl.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE:

»Hinsichtlich der Form und des Zeitpunktes zum Eintritt weiterer Verschärfungen des Seekrieges ist von ausschlaggebender Bedeutung die Entscheidung der obersten Kriegsleitung über den Beginn der allgemeinen Kriegsverschärfung durch eine Offensive im Westen.

I. Möglichkeit:

Die Entscheidung des Führers fällt zugunsten einer in kürzester Frist anlaufenden Westoffensive im Rahmen der bisher hierfür erteilten Weisungen unter Verletzung der Neutralität anderer Staaten:

In diesem Fall stellen die verschärfenden Maßnahmen der Seekriegführung in ihrer politischen Auswirkung nur einen kleinen Teil der Gesamtkriegsverschärfung dar. Der allmähliche Übergang zur verschärften Form der Seekriegführung innerhalb der amerikanischen Sperrzone mit dem Endziel eines rücksichtslosen Ansatzes aller Kampfmittel zur Unterbindung jeglichen Handelsverkehrs nach England wird daher mit Beginn der Offensive in Vorschlag gebracht.

Eine sofortige Vorwegnahme einzelner Verschärfungsmaßnahmen des Seekrieges ist nicht erforderlich. Der Beginn der allgemeinen Kriegsverschärfung wird abgewartet. Die wohlwollend Neutralen (Italien, Spanien, Japan und Rußland sowie Amerika) sind, soweit irgend möglich, zu schonen.«

Stimmt es nicht, daß Sie damit rechneten, die Neutralitätsverletzung der Niederlande durch Hitler würde die von Ihnen im Seekrieg beabsichtigten erbarmungslosen Methoden decken, da sie ja eine bedeutungsvollere Maßnahme darstellte. Stimmt das nicht?

RAEDER: Nein.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was war denn Ihre Absicht, wenn nicht diese? War Ihre Absicht nicht genau das, was ich Ihnen vorgehalten habe?

RAEDER: Hitler wollte mit dem Beginn der Westoffensive auch zur See eine gewisse energischere Kriegsführung haben und deswegen hat er mich aufgefordert, ich möchte die Verschärfungen, die ich auf Grund des Verhaltens der englischen Streitkräfte schon berechtigt war einzuführen, erst zu diesem Zeitpunkt einführen. Diese Verschärfungen waren in der Denkschrift sehr genau überlegt und erfolgten Zug um Zug auf die verschiedenen Schritte, die England unternommen hatte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Zu dieser Denkschrift kommen wir noch. Sie brauchen keine Angst zu haben, daß ich das übergehe. Aber im Augenblick halte ich Ihnen folgendes vor: Sie haben nicht nur die Neutralitätsverletzung von Holland und Belgien gebilligt, sondern Sie waren zugunsten der Marine bereit, sie mit einem verschärften U-Bootkrieg zu unterstützen. Stimmt das?

RAEDER: Das ist eine Verdrehung meiner Worte. Ich hatte mit dieser Neutralitätsverletzung gar nichts zu tun, denn wir sind nicht mit eingerückt in die beiden Länder, sondern ich hatte nur das Interesse, den U-Bootkrieg Zug um Zug zu verschärfen, um den Maßnahmen der Engländer, die auch gegen das Völkerrecht verstießen, entgegenzutreten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Zum U-Bootkrieg kommen wir später. Im Augenblick möchte ich der Reihe nach vorgehen. Nur noch zwei Punkte über den Angriffskrieg. Ich komme jetzt zu... lassen Sie das Dokument im Augenblick beiseite. Haben Sie keine Sorge, Angeklagter, ich komme darauf zurück. Ich will, daß Sie mir in einem oder zwei Punkten im Hinblick auf Norwegen behilflich sind.

Sie waren bereit, sich damit abzufinden, daß Norwegen neutral blieb und nicht besetzt wurde, solange Sie in neutralen Gewässern einen geschützten Seeweg bis zur norwegischen Küste hatten, stimmt das? Es war wichtig für Sie, einen Seeweg in neutralen Gewässern zu besitzen, so daß nicht nur Ihre Schiffe, sondern auch Ihre U-Boote eine Operationsbasis in neutralen Gewässern hatten. Stimmt das?

RAEDER: Nein, die Entstehung des Norwegenfeldzuges habe ich ganz klar in Dokumenten dargelegt. Es war die Gefahr, daß die Engländer Norwegen besetzen würden, was wir durch Nachrichten verschiedenster Art zur Kenntnis bekommen hatten. Selbstverständlich, wenn wir gezwungen waren, die norwegische Küste zu besetzen, hatten wir neben den vielen Nachteilen, die ich ja auch auseinandergesetzt habe, auch den Vorteil, daß wir diesen und jenen Stützpunkt für unsere Atlantik-U-Boote gewannen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie vor dem Gerichtshof behaupten, daß die Marine ernstlich glaubte, die Engländer wollten Norwegen besetzen?

RAEDER: Aber ganz bestimmt glaubte ich das; denn ich hatte so viele Nachrichten darüber, daß ich gar nicht daran zweifeln konnte, und es hat sich ja dann nachher voll bestätigt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann verweise ich Sie auf einen oder zwei typische Marineberichte. Wir wollen auf das Dokument noch nicht zurückkommen, wollen aber davon ausgehen, um Zeit zu sparen.

Am 13. März 1940, wie Sie sich erinnern, schrieb General Jodl in sein Tagebuch, daß der Führer immer noch nach einer Ausrede suche. Wissen Sie das noch? Sie wissen das doch noch, nicht wahr?

RAEDER: Ich habe bereits einmal auseinandergesetzt, daß der Ausdruck »Ausrede« falsch ist, falsch übersetzt. Jodl hat geschrieben »Begründung«. Aber auch daß dieses falsch ist... ich bitte, mich ausreden zu lassen..., daß aber auch dieses falsch ist, weil der Führer ja Gründe am laufenden Band hatte und diese schon in der Weisung, die er am 1. März herausgegeben hatte, niedergelegt hatte, so daß wir alle sie kannten. Ich habe gesagt, daß er mit dem Ausdruck »Begründung« wohl meinte, daß er noch keine diplomatische Note hatte aufstellen lassen, er hatte ja dem Außenminister damals noch gar nichts davon gesagt. Das habe ich neulich auf meinen Eid ausgesagt, das sage ich auch heute auf meinen Eid aus.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, das ist also Ihre Auslegung. Dann verweise ich Sie jetzt auf Ihr eigenes Beweisstück Nummer 81 im Raeder-Dokumentenbuch V, Seite 376.

RAEDER: Kann ich das Dokumentenbuch V bekommen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: O, Verzeihung, Sie haben es nicht; ich werde es Ihnen überreichen lassen. Hier handelt es sich um den ersten Punkt, das Eingreifen der Engländer in norwegischen Gewässern und heißt folgendermaßen:

»Eine Prüfung der Frage, ob ein massives Eingreifen der Engländer in die norwegischen Hoheitsgewässer so unmittelbar bevorstehe, daß Gefahr für die laufende deutsche Schifffahrt bestehe, ergibt die Auffassung, daß dies zur Zeit nicht anzunehmen sei. Die Erztransporte sollen weiterlaufen, zumal noch keine Verluste eingetreten sind.«

Waren Sie dahingehend informiert, daß am 22. März kein massives Eingreifen der Engländer in norwegischen Gewässern zu erwarten war?

RAEDER: Das war keineswegs meine Auffassung, sondern das war die Auffassung des Kapitäns zur See Fricke, der damals Chef der Operationsabteilung war und der in dieser ganzen Frage mit mir nicht ganz übereinstimmte. Er war der Ansicht, man solle die Engländer erst nach Norwegen reinlassen, dann sollte man sie von Schweden aus wieder rauswerfen, eine ganz verdrehte Idee, die ich in keiner Weise billigen konnte. Ich hatte so klare Nachrichten von Quisling und Hagelin gerade in der Zeit im März, zweite Hälfte, daß gar kein Zweifel mehr daran war, daß die Engländer in absehbarer Zeit in massiver Weise eingreifen würden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sagen, das sei die Ansicht von Admiral Fricke gewesen, und Sie hätten ihr keine Aufmerksamkeit geschenkt. Nun, wir wollen sehen...

RAEDER: Ich habe mich nicht darum gekümmert.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wissen, daß Admiral Aßmann, den Sie als einen verläßlichen Historiker bezeichnet haben, ein Tagebuch in Stichwortform führte, und daß er am folgenden Tage eine Eintragung über eine Zusammenkunft zwischen Ihnen und Hitler gemacht hat. Er schreibt wie folgt; es stammt dies vom gleichen Tage.

Sie haben es vielleicht gelesen, da er Ihren Vorschlag, auf der Höhe von Halifax U-Boote einzusetzen, zurückgewiesen hat. Es war am selben Tag, am 23. Februar. Sie sollen am gleichen Tag gesagt haben, daß zur Sicherung der Erzzufuhr von Narvik die Erhaltung der Neutralität Norwegens am günstigsten sei.

Und dann, am 26. März, schreibt Admiral Aßmann über eine Zusammenkunft zwischen Ihnen und Hitler folgendes:

»Ob zur Zeit englische Landung in Norwegen akut, wird von Ob.d.M. verneint. Ob.d.M. schlägt eigene Aktion für nächsten Neumond (7. 4.) vor.

Führer ist einverstanden.«

So berichtet Admiral Aßmann über eine Zusammenkunft zwischen Ihnen und Hitler am 26. März. Erinnern Sie sich daran?

RAEDER: Nein, also daß ich in dem Augenblick nicht voll überzeugt gewesen war von der bevorstehenden Landung, für die mir die ganzen Dokumente 004-PS und 007-PS Nachrichten mit Bestimmtheit gaben – ich habe die Dokumente nicht gesehen, aber die Nachrichten, die da sind, lagen alle vor –, ist völlig unwahrscheinlich.

Der Admiral Aßmann hat ja seine Notizen zusammengestellt aus allen möglichen Kriegstagebüchern und Protokollen. Dieses habe ich bestimmt niemals gesagt, denn in der damaligen Zeit habe ich Hitler immer wieder vorgetragen, wir würden fertig sein mit unseren Vorbereitungen, die ja von langer Hand schon begonnen hatten, schon Ende Januar. Und das wäre der Zeitpunkt, wo die Landung vorgenommen werden müsse aus den Gründen, die ich immer vertreten habe. Es ist ein vollkommener Irrtum, wenn da angenommen wird, daß ich zu dem Zeitpunkt auch nur den geringsten Zweifel hatte. Es hat sich ja alles nachher als richtig erwiesen, meine...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir müssen nun wirklich...

RAEDER: Und dann erwies sich alles als richtig.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir müssen nun zur Sache kommen. Sie sagten uns, Aßmann sei ein vertrauenswürdiger Offizier und ein guter Marinehistoriker gewesen.

RAEDER: Er ist kein Betrüger, aber er hat die Sachen zusammengestellt von allen möglichen Papieren, und ich weiß nicht, wie er zu dieser Äußerung kommt. Es ist eine Äußerung, die ich bestimmt nicht getan habe.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber der zweite Teil, der zweite Satz ist doch richtig, nicht wahr?

»Ob.d.M. schlägt eigene Aktion für nächsten Neumond (7.4.) vor.«

Das ist richtig, da sind Sie ja einmarschiert. Das war der Zeitpunkt, an dem Ihre Armada auslief, um am 9. dort zu landen. Stimmt das?

RAEDER: Aber selbstverständlich, ich war ja dafür, zum möglichst baldigen Termin – nachdem die Eisverhältnisse sich gebessert hatten, so, wie wir das beschlossen hatten vorher und wie es Hitler befohlen hatte – die Landung in Norwegen durchzuführen. Dafür übernehme ich die volle Verantwortung, und das war voll begründet.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, ich will mich wiederum nicht mit Ihnen streiten; aber schließlich behaupten Sie doch, Admiral Aßmann, der doch in seinem zweiten Satz recht hat, sei nicht nur im Unrecht, sondern völlig im Unrecht – ich meine damit, daß er die Unwahrheit sagte –, wenn er erklärt, man sei nicht der Meinung, daß eine britische Landung in Norwegen bevorstehe.

Wir werden das nun ein wenig weiter verfolgen.

RAEDER: Ich habe doch dem Führer diese Landungsangelegenheit in Norwegen nur unter der Voraussetzung vorgetragen, daß diese Nachrichten vorlagen und daß die Nachrichten weiterhin auch vorlagen.

VORSITZENDER: Sir David! Was war das für ein Dokument vom 26. März 1940?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das war ein Auszug aus dem Tagebuch von Aßmann, von dem ich schon vorher Gebrauch gemacht habe, und ich werde ein Exemplar zur Numerierung vorlegen. Ich habe noch keine Abschriften anfertigen lassen, Euer Lordschaft, Verzeihung. Ich werde sie machen lassen.

RAEDER: Ich wäre dankbar, wenn mir das Dokument vielleicht gezeigt würde. Alle anderen werden mir gezeigt. Dies wird mir nicht gezeigt, dasjenige, das ich bestreite.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Verzeihung! Es war ein so kurzer Auszug, daß ich dachte, Sie würden mir glauben. Es liegt mir fern, Ihnen irgendein Dokument vorzuenthalten.

Sie sehen die Eintragung vom 26. März:

»Ob zur Zeit englische Landung in Norwegen akut, wird von Ob.d.M. verneint. Ob.d.M. schlägt eigene Aktion für nächsten Neumond (7. 4.) vor.

Führer ist einverstanden...« (Dokument D-881.)

Weiter dann Diskussionen über Minenlegung bei Scapa vor der deutschen Invasion auf Norwegen.

»Führer mit Vorschlägen Ob.d.M. einverstanden, wird Ob.d.L. entsprechend anweisen.«

RAEDER: Ja, darf ich nun darauf zurückkommen? Hier steht: 26. März 1940.

»Besetzung Norwegens durch Engländer hat unmittelbar bevorgestanden als russisch-finnischer Friedensschluß erfolgte.«

Gerade diese russisch-finnische Angelegenheit machte uns die Landung besonders dringend, weil ja die Gefahr bestand, daß die Engländer unter dem Vorwand der Unterstützung der Finnen eine kalte Besetzung von Norwegen durchführen würden.

Jetzt komme ich weiter zu der Frage des Führers, ob zur Zeit die englische Landung in Norwegen akut wäre. Man muß bedenken, daß Aßmann das ja alles zusammengezogen hat aus Kriegstagebüchern, und diese Frage erklärt sich dadurch, daß der Führer wissen will, ob durch den Friedensschluß die Lage sich irgendwie geändert hätte. Das hatte sie sich aber gar nicht, weil in Wirklichkeit wir wußten, daß die Landung von den Engländern nicht wegen der Finnenunterstützung vorgenommen werden sollte, sondern aus anderen Gründen. Ich habe also diese Frage, ob zur Zeit, nämlich durch den Friedensschluß, die englische Landung besonders akut wurde, verneint. »Ob.d.M. schlägt eigene Aktion für den nächsten Neumond« – in Klammern: 7. April – »vor. Führer ist einverstanden.« Es blieb also alles beim alten. Nur die Frage, ob wir etwa wegen des Friedensschlusses sofort handeln müßten, die habe ich abgelehnt. Das ist ganz etwas anderes als Sie mir vorwerfen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Lesen Sie die Eintragung vom 26. März. Wie lautet die Eintragung vom 26. März? Lesen Sie sie auf deutsch vor, wir können sie übersetzen.

RAEDER:

»Besetzung Norwegens durch Engländer hat unmittelbar bevorgestanden als russisch-finnischer Friedensvertrag unterzeichnet war.« – Durch den Friedensschluß haben sie es anscheinend verschoben. – »Frage Führers, ob zur Zeit englische Landung in Norwegen akut, wird vom Ob.d.M. verneint.« – Jawohl, es war nicht so, daß wir deswegen sofort losziehen mußten. – »Ob.d.M. schlägt eigene Aktion für nächsten Neumond vor.«

Die Gründe für unsere Landung blieben nach wie vor bestehen; lediglich diese Geschichte mit Finnland konnte nicht mehr von seiten der Engländer angeführt werden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der Friedensvertrag, das Ende des Krieges mit Finnland, fiel auf Mitte März. Zu dieser Zeit war doch alles schon erledigt?

RAEDER: Selbstverständlich spielte es keine Rolle mehr für uns, aber unsere anderen Gründe blieben bestehen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie sich jetzt Dokument D-843, GB-466 an. Hier handelt es sich um einen Bericht Ihres diplomatischen Vertreters in Norwegen vom 29. März. Am Schluß des ersten Absatzes heißt es:

»Engländer wollten es anscheinend nicht auf sich nehmen, ohne Anlaß norwegisches Hoheitsgebiet und norwegische Territorialgewässer offen zu verletzen und Kriegsoperationen in ihnen vorzunehmen.«

Er zitiert hier den norwegischen Außenminister. Dann fährt Ihr diplomatischer Vertreter fort:

»Ob Außenminister Koht die Dinge ganz richtig sieht, wird die Zukunft erweisen. Es hat jedenfalls den Anschein, worauf ich öfters hingewiesen habe, daß Landungsabsichten bei Engländern nicht bestehen, daß sie aber Unruhe in die Schiffahrt in norwegischen Territorialgewässern hineintragen wollen, vielleicht, um, wie Koht meint, Deutschland zu provozieren. Möglich ist natürlich auch, daß sich englisches Verhalten in vergangener Woche, worauf ich gleichfalls hingewiesen habe, zu mehr oder minder regelmäßigen und sich verstärkenden Eingriffen in Territorialgewässern auswächst, um unsere Erzschiffahrt an norwegischen Küsten damit zu treffen.«

Und dann Absatz 3:

»Der feste Wille Norwegens, seine Neutralität zu wahren und die Achtung der norwegischen Neutralitätsregeln durchzusetzen, kann als feststehend angenommen werden.«

Wurden Sie davon unterrichtet, daß Ihr diplomatischer Vertreter in Oslo meldete, die Engländer hätten keine Absicht, in Norwegen zu landen?

RAEDER: Jawohl, Dr. Bräuer, der Gesandte in Norwegen, war völlig falsch eingestellt, denn er glaubte diese Versicherung von dem Außenminister Koht, über die uns unser Militär-Attaché immer wieder berichtete, daß Koht völlig im Fahrwasser der Engländer wäre und daß man diesen Versicherungen nicht glauben dürfe. Gleichzeitig hatten wir die Nachricht von Hagelin, daß die Norweger zwar papierene Zusicherungen gäben, daß sie aber selbst geäußert hätten, sie würden das nur zum Schein tun, und sie würden weiter mit den Engländern zusammenarbeiten. Das steht in den Dokumenten, die wir vorgelegt haben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann wollen wir uns ein anderes Dokument ansehen! Sehen Sie sich D-844 an; das sind Äußerungen Ihres diplomatischen Vertreters in Schweden aus derselben Zeit. Es wird GB-467. Dieses Dokument stammt von Ihrem Vertreter in Schweden. Sehen Sie bitte, was er über den schwedischen Außenminister Guenther schreibt. Zuerst spricht er... zehnte Zeile, kurz nach dem Namen »Weizsäcker«:

»Die Schwedische Regierung habe keinerlei Anlaß, an bevorstehende Aktion der Westmächte gegen Skandinavien zu glauben. Sie sehe die Lage auf Grund aller amtlichen Berichte und anderer Nachrichten in jüngster Zeit im Gegenteil wesentlich beruhigter an.«

Dann spricht er davon, daß keine Möglichkeit eines Handstreiches gegen das schwedische Erzgebiet bestünde. Auch an englische Gewaltaktion gegen Norwegen glaubt er nicht, ohne anglophil sein zu wollen, wenn er auch hierüber nicht mit gleicher Sicherheit sprechen könne wie hinsichtlich Schwedens. Jedenfalls habe aber die Norwegische Regierung, mit der er in engerer Fühlung stehe, die gleiche Ansicht.

Und dann, wenn Sie zwei Absätze weiter blicken, sagt er:

»Abschließend bat mich Guenther, seine Darlegungen meiner Regierung zu berichten und wiederholte: Schwedische Regierung lege größtes Gewicht darauf, daß Deutsche Regierung nicht irrtümlich Eindruck des Vorliegens von Umständen habe, die auch nur Möglichkeit – das Wort Notwendigkeit wolle er gar nicht gebrauchen – von deutschen besonderen Maßnahmen in Bezug auf Skandinavien auf den Plan rufen würden.«

Und im letzten Absatz sagt er, daß der schwedische Außenminister wahrscheinlich von den deutschen Vorbereitungen gehört hätte.

Und nun sehen Sie sich bitte Dokument D-845 an, es wird GB-468. Das ist vom nächsten Tage, von Ihrem diplomatischen Vertreter in Stockholm:

»In schwedischen militärischen und Regierungskreisen besteht ernste Sorge vor etwaigen militärischen Präventivmaßnahmen Deutschlands in Skandinavien gegen angekündigte Verschärfung der Kriegsführung durch Westmächte. Schwedische und norwegische militärische und Regierungsstellen halten militärische Maßnahmen Westmächte gegen Skandinavien nicht für wahrscheinlich. Presseausführungen der Westmächte hierüber versuchen Deutschland zu provozieren.«

Das ist von Ihrem Militär-Attaché in Stockholm. Hat man Ihnen etwas über diese Berichte aus Stockholm gesagt?

RAEDER: Ich nehme an, daß der Führer mir dies gesagt hat. Aber wir hatten gar keine Veranlassung, diesen Zusicherungen zu glauben, denn offenbar, ganz offenbar hatte Schweden ein großes Interesse daran, daß wir nicht nach Norwegen gingen, weil Schweden glaubte, daß es uns dadurch möglich würde, einen Druck auch auf Schweden auszuüben. Das war ja das, was die Engländer wollten, nach den Nachrichten, die wir später bekamen. Unser Gesandter war völlig falsch unterrichtet und wurde infolgedessen ja auch selbst nicht unterrichtet, weil bekannt war, daß er im Fahrwasser des Außenministers Koht war. Unsere Nachrichten waren so klar, so häufig und so unzweideutig, daß wir mit dem besten Gewissen daraufhin die Landung ausführen konnten, und es hat sich ja nachher auch herausgestellt, und deswegen hat es an sich gar keinen Zweck, darüber zu diskutieren, daß der Befehl auf englischer Seite, in Norwegen zu landen... es war in Trondheim, Stavanger und... ich glaube, Christiansund, daß dieser Befehl am 5. April gegeben war. Am 7., in der Nacht vom 7. zum 8. wurde, wie die Engländer selbst in einer Note im Funkspruch mitteilten, die Minenlegung in Norwegen durch englische Schiffe vollzogen, und am 7. wurden auch auf den Kreuzern – ich kann die Namen nicht mehr sagen – die Truppen eingeschifft.

Also, diese Tatsache bestand ja tatsächlich, und meine Auffassung war die richtige. Und nicht die von Herrn Bräuer, der gleich hinterher abgelöst wurde, weil er versagt hatte. Und daraufhin haben wir die Landung durchgeführt, auf Grund ganz positiver Nachrichten, die wir im einzelnen belegen können. Schwedens Vorgehen ist durchaus zu verstehen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will mich mit Ihnen darüber nicht streiten, obgleich Sie es gewußt haben mußten und obwohl ich annehme, daß Sie auch recht gut wußten, daß ein englischer Invasionsbefehl überhaupt nicht existierte. Es gab einen Befehl, Minen zu legen. Aber, wie ich Ihnen unterstellte, verfolgten Sie diese Richtung, obwohl Sie sich der Tatsache durchaus bewußt waren, daß keine englische Invasion drohte und obwohl diese Richtung im Widerspruch zu Ihrem eigenen Chef der Operationsabteilung, Kapitän Fricke, und zu allen Nachrichten Ihrer diplomatischen Vertreter in Norwegen stand.

Ich komme nun zu einem anderen Punkt im Hinblick auf Norwegen, und dann bin ich damit zu Ende. Sie sagten dem Gerichtshof, daß Ihrer Ansicht nach das Führen der feindlichen Flagge eine erlaubte Kriegslist sei, vorausgesetzt, daß man sie niederholt, bevor man das Gefecht eröffnet. Erinnern Sie sich, daß Sie das sagten?

RAEDER: Ich habe den Satz nicht verstanden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Erinnern Sie sich, vor dem Gerichtshof erklärt zu haben, daß das Hissen der feindlichen Flagge auf einem Kriegsschiff eine erlaubte Kriegslist sei, solange man sie niederholt, bevor man das Gefecht eröffnet? Erinnern Sie sich daran?

RAEDER: Selbstverständlich ja. Das ist ein Grundsatz, der in der Seekriegführung absolut anerkannt ist, daß man im Moment des Feuers seine eigene Flagge hissen muß.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Behaupten Sie jetzt vor dem Gerichtshof, es sei ein in der Seekriegführung anerkanntes Verfahren, die Flagge eines anderen Landes zu führen, wenn man ein neutrales Land angreift, ein neutrales Land ohne Warnung angreift? Sie lagen doch mit Norwegen nicht im Kriege, und es bestand kein Grund zur Anwendung einer Kriegslist. Es herrschte doch Frieden mit Norwegen. Wollen Sie das behaupten?

RAEDER: Es kam ja darauf an, beim Zusammentreffen mit Engländern die Flagge niederzuholen und die deutsche zu hissen. Wir wollten ja mit den Norwegern an sich gar nicht kämpfen, denn es steht an irgendeiner Stelle, daß in erster Linie die friedliche Besetzung anzustreben sei.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Können Sie mir einen Präzedenzfall nennen, wo sogar die deutsche Marine vor dieser Operation jemals ein neutrales Land, mit dem sie sich im Friedenszustand befand, angegriffen hat und dabei die Feindflagge hißte? Können Sie mir sagen, ob so etwas schon einmal vorgekommen ist?

RAEDER: Ich weiß es nicht. Ob es bei einer anderen Marine vorgekommen ist, das kann ich nicht sagen, daraufhin habe...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie können irgendeine andere Marine annehmen. Ich frage Sie sogar: Haben Sie selbst das jemals vorher getan?

RAEDER: Nein. Wir hatten das noch nicht gemacht, außerdem haben wir es gar nicht gemacht, denn wir haben ja am 8. April den Funkspruchbefehl gegeben, wie Sie wissen aus unserem Kriegstagebuch, daß das nicht geschehen sollte. Also ist es ganz müßig, hier zu erörtern, was eventuell geschehen sollte, wenn es nicht geschehen ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich wollte nur wissen, was Sie in der Seekriegführung für zulässig halten. Jetzt kommen wir zu einem anderen Punkt, dann sind wir mit diesem Teil des Falles fertig.

Hinsichtlich des Angriffs auf die Sowjetunion will ich Sie nicht über Ihre eigenen Ansichten und über Ihre Äußerungen Hitler gegenüber betragen, da Sie das bereits weitgehend dargelegt haben. Ich verweise Sie jedoch auf Dokumentenbuch 10a, Seite 252 im englischen und Seite 424 im deutschen Buch.

RAEDER: Welches Dokument ist das bitte?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das große.

RAEDER: Das habe ich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dokument 447-PS.

Ich bitte um Entschuldigung, Euer Lordschaft, ich habe die falsche Nummer angegeben. Es ist mein Fehler. Ich wollte, daß er sich Seite 59 im Dokumentenbuch 10, Dokument C-170, ansieht. Es tut mir leid, Euer Lordschaft.