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[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Werden Sie noch viel Zeit in Anspruch nehmen, Sir David?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ungefähr eine halbe Stunde, Euer Lordschaft.

Angeklagter! In diesem Dokument ist die Seekriegsleitung der Ansicht, daß man England belagern müsse, das heißt, daß alle Schiffe innerhalb eines großen Gebietes rings um England ohne Warnung versenkt werden müßten.

Hören Sie nichts? Verzeihung.

In diesem Dokument ist die Seekriegsleitung auf Seite 10 bis 13 der Ansicht, daß man England belagern müsse, das heißt, daß man alle Handelsschiffe, einschließlich der neutralen und der Tanker, innerhalb eines Gebietes rings um England versenken müsse. Stimmt das nicht?

RAEDER: Nein, das ist nicht wahr. Das Marinekommando schlägt das nicht vor, sondern erörterte, nachdem vorher die Blockade erörtert und abgelehnt worden ist, auch den Begriff der Belagerung. Es kommt ebenfalls zu dem Schluß, welche Gründe dagegen sprechen, daß die Belagerung, ein bis dahin völkerrechtlich nicht bekannter Begriff, etwa eingeführt wird und zieht dann die Folgerung aus allen diesen Erörterungen, indem es sagt auf der letzten Seite, auf der vorletzten Seite, was als abschließendes Ergebnis zu betrachten ist. Und das sind nur Maßnahmen, die sich durch das Vorhandensein der englischen Maßnahme rechtfertigen lassen. Bei den ganzen Auseinandersetzungen über Blockade und Blockierung steht immer im Vordergrund, ob man die Neutralen dadurch nicht zu sehr schädigt. Und der ganzen Sache mit der Belagerung liegt ja zugrunde, daß Herr Ministerpräsident Chamberlain schon am 26. September gesagt hatte, daß zwischen einer Blockade auf See und einer Belagerung zu Lande keinerlei Unterschied ist und daß ein Kommandeur einer Belagerung am Lande mit aller Macht verhindern würde, daß irgend etwas in die Festung hineinkommt. Auch die französische Presse hatte davon gesprochen, daß Deutschland sich in der Lage einer belagerten Festung befindet.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich halte Ihnen vor, daß Sie für eine Belagerung eintreten, ohne eine Belagerungszone bekanntgeben zu wollen. Sehen Sie sich Abschnitt 2 der »Abschließenden Beurteilung« an, und dann werde ich das Dokument dem Gerichtshof überlassen. Gerade diesen Punkt will ich hervorheben. Abschnitt 2 der »Abschließenden Beurteilung« sagen Sie:

»Für die zukünftige Form der Handelskriegführung wird die grundsätzliche militärische Forderung nach rücksichtsloser Schärfe erhoben. Sie findet ihre Erfüllung bei der Durchführung der schärfsten Handelskriegführung in Form der Belagerung zur See. Auch ohne die völkerrechtlich und militärisch nachteilige öffentliche Verkündung eines begrifflich klar festgelegten Belagerungszustandes und ohne Erklärung eines Sperrgebietes erscheint es, wie in der Denkschrift dargelegt, schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchaus möglich, die schärfste Form des Handelskrieges militärisch zum Einsatz zu bringen und die zur Zeit größtmögliche Wirkung zur Unterbindung des Handelsverkehrs der Feindmächte zu erzielen, ohne daß die Seekriegsleitung in allen Fällen an bestimmte Formen und Gebiete gebunden wird.«

Ihre Schlußfolgerung ist also, daß Sie einen möglichst wirkungsvollen Belagerungszustand haben wollten, ohne ein Sperrgebiet zu verkünden, stimmt das nicht?

RAEDER: Nein, das ist nicht die Schlußfolgerung. Die Schlußfolgerung ist, daß wir eine Belagerung nicht durchführen können und daß das eine Sache der politischen Staatsführung ist, das zu entscheiden. Die politische Staatsführung hat niemals den Erlaß einer Belagerung vorgeschlagen, sondern es steht hier ganz genau drin, was auf Grund dieser Denkschrift zunächst vorgeschlagen ist und dann, wie die Verschärfungen allmählich stattgefunden haben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wir wollen uns darüber nicht streiten und Zeit verschwenden. Ich möchte, daß Sie klarstellen...

RAEDER: Aber...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Lassen Sie mich beenden. Meine Ansicht ist – und dabei bleibe ich – daß Sie eine offizielle Belagerung ablehnten, aber trotzdem das Recht für sich in Anspruch nahmen, ohne Warnung alle neutralen Schiffe in einem Gebiet, welches das Oberkommando bestimmen sollte, zu versenken.

Ich möchte mich jetzt einem anderen Thema zuwenden, denn ich fürchte, wir verlieren Zeit.

RAEDER: Das ist also keine Belagerung, sondern das war eine Anweisung, die erfolgte, nachdem die neutralen Schiffe nicht unserer Warnung folgten und immer in die Gebiete um England hineinfuhren, um England zu unterstützen in dem Wirtschaftskrieg, den England mit der größten Rücksichtslosigkeit und Schärfe gegen uns führte. Das war eine Notwehr.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich behaupte, das Dokument spricht für sich selbst, nachdem die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs einmal auf dasselbe gelenkt ist. Ich möchte mich jetzt einem anderen Punkt zuwenden. Sie erwähnten heute morgen gewisse Angelegenheiten in Beantwortung von Fragen Dr. Horns über die Behandlung von amerikanischen Schiffen im Sommer 1941. Im April 1941 haben Sie darauf gedrängt, daß deutsche Seestreitkräfte bis zu einem drei Meilen von der amerikanischen Küste entfernten Gebiet unbehindert operieren sollten, an Stelle der 300 Meilen Sicherheitszone, die von den Amerikanern vorgeschlagen wurde. Wollten Sie das nicht? Gut, um Zeit zu sparen, lege ich Ihnen Dokument D-849, GB-472 vor.