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[Pause von 10 Minuten.]

DR. SAUTER: [zum Zeugen gewandt] Sie haben davon gesprochen, in anderem Zusammenhang, daß Sie Offiziere nicht für geeignet als Jugendführer gehalten haben. Mich würde nun interessieren, wie viele Mitglieder des Führerkorps der HJ waren 1939 bei Kriegsausbruch Reserveoffiziere der Wehrmacht?

VON SCHIRACH: Ich rechne das Führerkorps der HJ mit etwa 1300 Jugendführern, das sind also die Führer der Banne, die Führer der Gebiete und die entsprechenden Mitarbeiter in den Stäben. Von diesen 1300 Führern der Jugend sind 5 bis 10 Mann Reserveoffiziere gewesen.

DR. SAUTER: Und wie viele aktive Offiziere hatten Sie damals in Ihrem Stab oder in dem Führerkorps?

VON SCHIRACH: Aktive Offiziere waren nicht Jugendführer und konnten nicht Jugendführer sein.

DR. SAUTER: Warum nicht? War das so Vorschrift?

VON SCHIRACH: Jawohl, es war einem Offizier nicht erlaubt, Mitglied der Partei oder einer ihrer Gliederungen oder angeschlossener Verbände zu sein.

DR. SAUTER: Wer war Ihnen für die Leibeserziehung der Jugend und für den Sportbetrieb in der HJ verantwortlich?

VON SCHIRACH: Der Obergebietsführer von Tschammer und Osten, der auch Reichssportführer war. Er hatte im Olympischen Jahr sehr eng mit mir zusammengearbeitet und unterstellte sich mir freiwillig im Dezember oder November 1936 und trug mir gegenüber die Verantwortung für die gesamte Leibeserziehung der Jungen und Mädchen.

DR. SAUTER: War dieser Herr von Tschammer und Osten, der in der internationalen Sportwelt bekannt war, von Beruf Offizier?

VON SCHIRACH: Er war meiner Erinnerung nach im ersten Weltkrieg Offizier gewesen, war dann aus der Armee ausgeschieden, war Landwirt von Beruf und hat sich nur mit Fragen der Leibeserziehung, des Sports in den späteren Jahren beschäftigt. Einer seiner Brüder ist aktiver Offizier, daher kam dieser Gedanke.

DR. SAUTER: Ist dieser Herr von Tschammer und Osten während des zweiten Weltkrieges Offizier geworden?

VON SCHIRACH: Nein, auch nicht.

DR. SAUTER: Dann: Erinnern Sie sich? Es ist hier eine Urkunde vorgelegt worden von der Sowjetrussischen Anklagevertretung, und zwar ein Bericht aus Lemberg, in welchem behauptet wird, die HJ oder die Reichsjugendführung habe Kurse für Jugendliche aus Polen veranstaltet, um diese Jugendlichen dann als Agenten, Spione und Fallschirmspringer auszubilden. Sie haben uns heute erklärt. Sie übernehmen die gesamte Verantwortung für die HJ-Führung. Ich bitte Sie, sich dazu zu äußern.

VON SCHIRACH: Wir haben überhaupt keine Voraussetzungen für Spionageschulung in der Jugend gehabt. Ob Heydrich seinerseits ohne mein Wissen und ohne Wissen meiner Mitarbeiter junge Agenten in Polen angeworben hat und sie im Rahmen seines Nachrichtendienstes beschäftigt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich selbst habe keine Spionageschulung betrieben. Ich habe keine Agentenkurse gehabt, und eine Fallschirmspringerausbildung konnte ich ja deswegen nicht durchführen, weil ich ja keine Luftwaffe hatte. Eine solche Ausbildung hätte ja nur im Rahmen der Luftwaffe durchgeführt werden können.

DR. SAUTER: Ihnen, als Reichsjugendführer oder, wie es später geheißen hat, als Reichsleiter für die Jugenderziehung ist also niemals- können Sie das auf Eid nehmen – niemals vor diesem Prozeß etwas von derartigen Dingen bekanntgeworden?

VON SCHIRACH: Das kann ich auf meinen Eid nehmen. Ich möchte hinzusetzen, daß kurz vor dem Kriege jugendliche Flüchtlinge aus Polen scharenweise zu uns kamen, aber diese konnten natürlich nicht nach Polen zurückkehren. Die Verfolgung der Deutschen in Polen ist eine historische Tatsache.

DR. SAUTER: Herr Zeuge! Die Anklagevertretung hat geltend gemacht, daß m der Hitler-Jugend ein Lied gesungen wurde: »Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt«, so soll das Lied geheißen haben. Es soll damit zum Ausdruck gebracht worden sein dieser Eroberungswille der Hitler-Jugend. Ist das richtig?

VON SCHIRACH: Das Lied heißt im Originaltext, der von Hans Baumann verfaßt wurde und auch in einem Dokument hier festgehalten ist: »Heute da hört uns Deutschland und morgen die ganze Welt«. Es ist aber auch mir zur Kenntnis gekommen, daß das Lied in der Form ab und zu gesungen wurde, die hier angegeben worden ist. Deshalb habe ich ein Verbot erlassen, daß das Lied anders als im Originaltext gesungen wird, genau so, wie ich verboten habe vor vielen Jahren von mir aus, daß das Lied in der deutschen Jugend gesungen wird: »Siegreich wollen wir Frankreich schlagen«.

DR. SAUTER: Dieses letzte Lied haben Sie ganz verboten?

VON SCHIRACH: Ja.

DR. SAUTER: Aus Rücksicht auf Ihre französischen Gäste, stimmt das?

VON SCHIRACH: Nicht aus Rücksicht auf Gäste, sondern weil es meiner außenpolitischen Konzeption widersprach.

DR. SAUTER: Und somit, Herr Präsident, überreiche ich den richtigen Text, den ich mir aus einem Liederbuch beschafft habe. Es ist das die Nummer 95 des Dokumentenbuches Schirach.

Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Hitler-Jugend eine militärische Vorbereitung der Jugend beabsichtigte, möchte ich folgende weitere Fragen stellen: