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[Das Dokument D-728 wurde von der Britischen Anklage-Vertretung am 16. August zurückgezogen.]

DR. SERVATIUS: Ich habe keine weitere Frage.

DR. STEINBAUER: Herr von Schirach! Ihr Vorgänger als Gauleiter war Josef Bürckel. Wie war das Verhältnis zwischen Bürckel und Seyß-Inquart?

VON SCHIRACH: Ich kann nur das wiedergeben, was in der Partei allgemein über dieses Verhältnis bekannt war. Es war außerordentlich schlecht, und wir alle hatten den Eindruck, daß Bürckel von Anfang an darauf hingearbeitet hat, Seyß-Inquart zu verdrängen.

DR. STEINBAUER: Wer hat nun von den beiden tatsächlich die Macht in der Hand gehabt?

VON SCHIRACH: Ganz ohne Zweifel Bürckel.

DR. STEINBAUER: Wer ist nach Ihrer Auffassung und nach Ihren tatsächlichen Erfahrungen aus den Akten für die Judenverfolgung in Wien verantwortlich?

VON SCHIRACH: Hitler.

DR. STEINBAUER: Gut. Sie sagen Hitler. Aber Hitler war ja nicht im Wien. Wer hat in Wien diese Befehle ausgeführt?

VON SCHIRACH: Ausgeführt hat diese Befehle meiner Ansicht nach bereits in der Zeit Bürckels und Seyß-Inquarts derselbe Mann, der heute hier schon einmal erwähnt wurde und in Wien inzwischen zum Tode verurteilt worden ist, Dr. Brunner.

DR. STEINBAUER: Gut. Ist Ihnen bekannt, daß Seyß-Inquart wiederholt bei Bürckel gegen zu drückende Maßnahmen in dieser Frage Stellung nahm und deshalb Differenzen auch mit Bürckel hatte?

VON SCHIRACH: Darüber kann ich nichts aussagen, das weiß ich nicht.

DR. STEINBAUER: Meinem Klienten wird der Vorwurf gemacht in einer Urkunde, daß er Teppiche und Gobelins aus dem früheren kaiserlichen Besitz Adolf Hitler geschenkt hat. Ist Ihnen darüber etwas bekannt?

VON SCHIRACH: Mir ist folgendes bekannt: In der großen Wiener Gobelinsammlung waren zwei Serien der Alexanderschlacht. Die eine, in ihrer Qualität mindere Serie hat der Reichsstatthalter Seyß-Inquart der Reichskanzlei als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Sie hing dort in der Wandelhalle.

DR. STEINBAUER: Also es handelte sich um eine Leihgabe und nicht um eine endgültige Hingabe, die den Verlust für Wien bedeutete?

VON SCHIRACH: Im Verzeichnis der Gobelinsammlung war diese Serie als Leihgabe vermerkt.

DR. STEINBAUER: Ist Ihnen etwa bekannt, daß noch andere Gobelins von Seyß-Inquart dem Reiche zur Verfügung gestellt wurden, das heißt Adolf Hitler?

VON SCHIRACH: Nein, davon weiß ich nichts.

DR. STEINBAUER: Ist Ihnen aber vielleicht bekannt, wer andere solche Gobelins und Teppiche mitgenommen hat?

VON SCHIRACH: Ich nehme an, daß Sie auf Bürckel anspielen?

DR. STEINBAUER: Jawohl.

VON SCHIRACH: Ob Bürckel Gobelins mitgenommen hat, weiß ich nicht genau Ich stellte aber bei der Amtsübernahme in Wien fest, daß Bürckel aus dem Hof-Mobilien-Depot eine Reihe von Möbel, unter anderem, glaube ich, auch einige Teppiche, nicht für persönliche Zwecke, sondern für ein Wiener Haus, das er im Gau Saarpfalz einrichten wollte, als Kameradschafts- oder Klubhaus, mitgenommen hatte. Ich habe deshalb mich an die zuständige Stelle in Berlin – ich weiß nicht, ob das der Reichsfinanzminister oder der Reichskultusminister war – gewandt, und als ich dort keinen Erfolg hatte, an Hitler selbst und habe schließlich erreicht, daß Bürckel die Auflage gemacht wurde, diese Gegenstände sofort nach Wien zurückzuerstatten. Ich kann nun nicht genau sagen, ob diese Gegenstände tatsächlich zurückgekommen sind. Ich weiß, daß die Auflage gemacht wurde, und ich nehme an, daß die Gegenstände dann wohl zurückgekommen sind.

DR. STEINBAUER: Gut. Sie wissen aus Äußerungen von mir Ihrem Verteidiger gegenüber, daß wir Österreicher Bürckel sehr haßten aus einer Reihe von ganz gewichtigen Gründen und daß man loyalerweise sagen muß, daß unter Ihnen einiges besser wurde, so die Lebensmittelversorgung der Stadt und Sie auch manches für Kunst und Wissenschaft geleistet haben. Um so wichtiger scheint es mir, daß der schwerste Verdacht, der Ihnen gegenüber erhoben wird, restlos geklärt wird. Man macht Sie verantwortlich in Ihrer Eigenschaft als Reichsverteidigungskommissar, daß Sie Schuld sind, daß die wertvollsten Denkmäler Wiens zerstört wurden. Frage: Als am 2. April Ihr Stellvertreter Scharizer und der nationalsozialistische Bürgermeister Ingenieur Blaschke dafür waren, daß Wien offene Stadt wird, als sich die Rote Armee näherte, haben Sie dagegen gesprochen und den Befehl erteilt, Wien muß verteidigt werden bis aufs Äußerste. Oder wer hat den Befehl gegeben?

VON SCHIRACH: Weder Blaschke noch Scharizer sind mir gegenüber dafür eingetreten, daß Wien zur offenen Stadt erklärt wird. Es bestand..

VORSITZENDER: Dr. Steinbauer! Der Gerichtshof nimmt an, daß Sie für den Angeklagten Seyß-Inquart auftreten?

DR. STEINBAUER: Ja, weil dies ein Kriegsverbrechen ist und er nach der Konspirationstheorie für alles haftbar ist und der Hauptvorwurf, den man dem Herrn von Schirach macht, eben aufgeklärt werden muß, wer tatsächlich diesen Befehl gegeben hat, der soviel Schaden angerichtet hat.

VORSITZENDER: Sie sagten doch eben, daß Sie die Fragen nicht zur Verteidigung von Seyß-Inquart stellen würden, sondern zur Verteidigung Schirachs. Ich glaube wirklich nicht, daß wir die Verteidigung von Schirachs durch Fragen anderer Verteidiger hinausziehen sollten. Seine Verteidigung wurde uns bereits sehr ausführlich von Dr. Sauter vorgetragen.

DR. STEINBAUER: Bitte, dann werde ich diese Frage nicht stellen.