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[Zum Zeugen gewandt:]

Ist Ihnen weiter erinnerlich, welche Stellung Seyß- Inquart in kirchlichen Fragen eingenommen hat gegenüber Bürckel?

VON SCHIRACH: Es ist mir nur bekannt, daß Dr. Seyß-Inquart ganz allgemein als ein kirchlich gebundener Mann galt. Daß daraus Konflikte mit Bürckel entstanden sind, ist für mich völlig klar. Über Einzelheiten kann ich nichts sagen.

DR. STEINBAUER: Danke.

VORSITZENDER: Wünscht die Anklagevertretung ein Kreuzverhör vorzunehmen?

MR. DODD: [zum Zeugen gewandt] Wenn wir recht verstanden haben, haben Sie heute morgen eine Erklärung abgegeben, die eine Art Schuldbekenntnis war, zumindest was die Verfolgung der Juden anlangt. Wenn auch das, was Sie sagten, mutig gesprochen war, glaube ich, daß Sie vieles, vielleicht aus Versehen, nicht erwähnt haben.

Sie sollen nun dem Gerichtshof erklären, ob es Tatsache ist oder nicht, daß Ihre Verantwortung für die unter dem nationalsozialistischen Regime aufwachsende Jugend darin bestand, wirklich gute Nationalsozialisten aus ihr zu machen, das heißt fanatische politische Parteigänger.

VON SCHIRACH: Ich habe meine erzieherische Aufgabe darin gesehen, die Jugend, die Jugendlichen, zu guten Staatsbürgern des nationalsozialistischen Staates zu erziehen.

MR. DODD: Und zu fanatischen Anhängern und Jüngern Hitlers und seiner politischen Ideen?

VON SCHIRACH: Ich glaube, ich habe heute früh schon gesagt, daß ich die Jugend zur Gefolgschaft Hitlers erzogen habe. Das bestreite ich nicht.

MR. DODD: Gut. Obwohl Sie sagten, Sie hätten nicht die Hauptverantwortung für das Erziehungssystem gehabt, bin ich sicher, daß Sie nicht abstreiten werden, auf allen anderen Gebieten, die die Jugend betreffen, die Hauptverantwortung getragen zu haben?

VON SCHIRACH: Für die außerschulische Erziehung trage ich die Verantwortung.

MR. DODD: Natürlich konnten nur solche Leute diese Jugend in den Schulen erziehen, die in politisch einwandfreier Weise Hitlers Ideen und Meinungen und die Lehren des Nationalsozialismus weitergaben.

VON SCHIRACH: Die Lehrerschaft in den deutschen Schulen war durchaus nicht homogen. Ein großer Teil dieser Lehrerschaft gehörte einer Generation an, die nicht nationalsozialistisch erzogen war und auch nicht dem Nationalsozialismus anhing. Die jungen Lehrer sind durch die nationalsozialistische Erziehung durchgegangen.

MR. DODD: Sie behaupten jedenfalls nicht, daß in dem öffentlichen Erziehungssystem Deutschlands die Jugend nicht allezeit unter der Führung politisch verläßlicher Leute stand, zumindest nach dem ersten oder zweiten Jahr der Herrschaft Hitlers und seiner Anhänger?

VON SCHIRACH: Würden Sie bitte die Frage wiederholen, ich habe sie nicht ganz verstanden.

MR. DODD: Ich versuche, Ihnen darzulegen, daß weder bei Ihnen noch bei uns der leiseste Zweifel darüber besteht, daß das öffentliche Schulsystem Deutschlands, zum größten Teil zumindest, von Leuten überwacht wurde, die im Sinne des Nationalsozialismus politisch einwandfrei waren.

VON SCHIRACH: Das möchte ich nicht bestätigen. Die Erziehung der Unterrichtsverwaltung in Deutschland wurde vom Reichsminister Rust geleitet, der, das ist eine Tatsache, sich außerordentlich wenig um seine Dienstpflichten aus Krankheitsgründen gekümmert hat. In der Unterrichtsverwaltung waren viele tausend ältere Beamte beschäftigt, die lange vor der Zeit des nationalsozialistischen Staates die Funktionen innehatten, die sie dann auch nachher beibehielten.

MR. DODD: Es interessiert mich nicht, ob sie jung oder alt oder wie lange sie im Amt waren. Sie alle haben den Eid auf Hitler geleistet, nicht wahr?

VON SCHIRACH: Das ist richtig. Soweit sie Beamte waren, haben sie alle den Beamteneid geleistet.

MR. DODD: Rosenberg hatte sehr beträchtlichen Einfluß auf die Jugend in Deutschland, nicht wahr?

VON SCHIRACH: Das glaube ich nicht. Ich glaube, daß Sie den Einfluß des Mitangeklagten Rosenberg auf die Jugend ganz falsch einschätzen und überschätzen. Rosenberg hat sicherlich einen Einfluß auf viele Menschen gehabt, die sich mit philosophischen Problemen beschäftigten und in der Lage waren, seine Werke zu verstehen. Aber ein so großer Einfluß auf die Jugend, wie ihm zugeschrieben wird, muß von mir bestritten werden.

MR. DODD: Sie haben bei einer Gelegenheit einmal öffentlich erklärt, daß der Weg Rosenbergs der Weg der Hitler-Jugend sei. Stimmt das?

VON SCHIRACH: Das war, glaube ich, 1934...

MR. DODD: Wann das war, ist gleichgültig. Haben Sie das gesagt oder nicht?

VON SCHIRACH: Das habe ich gesagt.

MR. DODD: Wann war das?

VON SCHIRACH: Das ist in Berlin gewesen bei einer Veranstaltung der Jugend dort, aber ich habe später die Jugend selbst einen ganz anderen Weg geführt.

MR. DODD: Wir kommen darauf etwas später zurück. Aber jedenfalls haben Sie in Berlin in Gegenwart einer großen Gruppe Ihrer Jugendführer, Ihr möglichstes getan, ihnen klar zu machen, daß der Weg Rosenbergs der Weg sei, dem sie folgen sollten?

VON SCHIRACH: Das waren aber dieselben Jugendführer, die später von mir andere Instruktionen erhalten haben.

MR. DODD: Ich gebe zu, daß das so sein kann. Wir kommen schon noch zu den anderen Instruktionen. Aber Sie haben doch damals bei dieser Gelegenheit klar zum Ausdruck bringen wollen, daß sie den Lehren Rosenbergs zu folgen hätten, nicht wahr?

VON SCHIRACH: Ja, aber dieser Weg bezog sich ja nur auf einen ganz bestimmten Punkt, der damals zur Debatte stand, und das war die Frage der konfessionellen Jugendorganisationen. In diesem Punkt stimmten Rosenberg und ich überein, während wir in manchen anderen Punkten differierten, und auf diesen Punkt bezieht sich diese Äußerung.

MR. DODD: Der Weg Rosenbergs war bestimmt nicht der Weg junger Leute, die ihren religiösen Pflichten oder Glaubenslehren treu blieben. Stimmt das?

VON SCHIRACH: Das will ich nicht sagen. Ich habe von Rosenberg keine...

MR. DODD: Was meinen Sie, Sie wissen es nicht?

VON SCHIRACH: Ich will klar zum Ausdruck bringen, daß ich nie von Rosenberg eine Äußerung gehört habe, die dahin ging, daß die jungen Leute ihren religiösen Überzeugungen untreu werden sollten.

MR. DODD: Nun, ich weiß nicht, ob er es jemals in dieser Weise ausgesprochen hat, aber ich glaube, daß Sie, ebenso wie sehr viele Leute, die all diese Jahre außerhalb Deutschlands lebten, wissen, daß Rosenberg ein heftiger Gegner aller organisierten religiösen Einrichtungen gewesen ist. Das bestreiten Sie doch nicht?

VON SCHIRACH: Das will ich keineswegs im grundsätzlichen bestreiten. Ich glaube aber doch nicht, daß man es so formulieren kann. Rosenberg hat keineswegs versucht auf die Jugend in dem Sinne einzuwirken, daß sie aus den Religionsgesellschaften austreten soll.

MR. DODD: Und wollen Sie nicht zugeben, daß Sie später oder vielleicht schon zu dieser Zeit in heimlicher und indirekter Art auf Rosenbergs Spiel eingingen, indem Sie die Jugendveranstaltungen zu Stunden ansetzten, an denen kirchliche Gottesdienste stattfanden?

VON SCHIRACH: Ich bestreite grundsätzlich, daß ich auf solche Weise der Kirche entgegenarbeitete, mir kam es in den Jahren 1933/1934 auf die konfessionellen Jugendverbände an. Das habe ich gestern hier ausgeführt.

MR. DODD: Ich weiß, Sie haben diese Verbände zerstört; früher oder später mußten sie alle Ihrer Organisation beitreten. Aber darüber spreche ich jetzt nicht. Was ich sagen will, – und ich glaube, daß Sie mir beipflichten müssen – ist, daß Sie eine beträchtliche Zeit lang Jugendlichen, die gewissen Religionsgemeinschaften angehörten, es unmöglich machten, Gottesdiensten beizuwohnen, weil Sie Ihre Jugendveranstaltungen, an denen Teilnahme Pflicht war, dementsprechend ansetzten.

VON SCHIRACH: Nein, das ist nicht richtig.

MR. DODD: Sie sagen, es sei nicht richtig? Haben die katholischen Bischöfe nicht unzählige Male öffentlich gerade gegen diese Maßnahme protestiert, und wissen Sie das nicht ebensogut wie ich?

VON SCHIRACH: An das kann ich mich nicht erinnern.

MR. DODD: Erinnern Sie sich nicht daran, daß katholische Geistliche darüber Klage geführt haben, daß Sie Ihre Jugendveranstaltungen auf den Sonntagmorgen ansetzten, auf eine Zeit also, in der die Geistlichen ihre Gottesdienste abhielten?

VON SCHIRACH: Im Laufe der Zeit haben, wie ich gestern das ausgeführt habe, sich viele Geistliche teils an mich gewandt, teils haben sie in der Öffentlichkeit darüber Klage geführt, daß sie sich in ihrer Seelsorge durch den Dienst und die Dienstgestaltung der Jugend behindert fühlen, und deshalb habe ich die Regelung gefunden, die in dem Dokument ihren Ausdruck findet, das gestern mein Herr Verteidiger dem Gericht übergeben hat.

MR. DODD: Ich glaube nicht, daß dies wirklich als Antwort anzusehen ist. Vielleicht kann ich Ihrem Gedächtnis etwas nachhelfen, indem ich Sie an die besondere Anordnung Ihrer Organisation erinnere, daß die Jugendlichen dem Gottesdienst am Sonntag nicht in Uniform beiwohnen dürften. Das war doch ganz beabsichtigt, nicht wahr, denn sie konnten so nicht gleich von der Kirche aus zu den Plätzen ihrer Jugendveranstaltungen gehen, da sie sich erst zu Hause umziehen mußten.

VON SCHIRACH: Es war ja in vielen Kirchengemeinden von kirchlicher Seite aus verboten, daß Jugendliche in Uniform die Kirche betreten sollten.

MR. DODD: Nun, ich will mit Ihnen nicht darüber streiten. Ihre Antwort lautet, daß Sie sich nicht an häufige und heftige Kritiken und Proteste von Geistlichen über diese Veranstaltungen am Sonntagmorgen erinnern können. Wollen Sie es dabei belassen?

VON SCHIRACH: Das will ich durchaus nicht so sagen. Es gab Zeiten sehr großer Spannungen, Zeiten großer Auseinandersetzungen, wie es überhaupt in der Jugendorganisation eine Sturm- und Drangzeit gegeben hat. Und später sind alle diese Dinge einwandfrei geregelt und geordnet worden.

MR. DODD: Ich habe Ihre Aussage dahingehend verstanden, daß Sie, wie immer Sie auch die Jugend Deutschlands während der Jahre, in der Sie die Führung über sie hatten, erzogen haben, Sie diese Jugend jedenfalls nicht irgendwie militärisch vorbereitet hätten, zumindest nicht in der Art und Weise, die man allgemein als militärisch bezeichnete. Ist das richtig?

VON SCHIRACH: Das ist richtig.

MR. DODD: Schön, wir wollen sehen. Wie war der Name Ihres persönlichen Pressereferenten oder Beraters, wenn Sie diesen Ausdruck bevorzugen?

VON SCHIRACH: Die längste Zeit hat bei mir als Pressereferent ein Herr Kaufmann gearbeitet.

MR. DODD: Sie fragten ihn... es ist doch Tatsache, daß Sie einen Fragebogen von ihm haben, der vorgelegt werden wird, nicht wahr? Ich nehme an, daß Sie davon Kenntnis haben, nicht wahr?

VON SCHIRACH: Ich weiß, daß mein Verteidiger einen solchen Antrag gestellt hat, ich kenne die Antworten aber nicht, die Kaufmann gegeben hat.

MR. DODD: Gut. Sie kennen aber die Fragen, die er stellte, nicht wahr?

VON SCHIRACH: Ich habe sie nicht im Gedächtnis.

MR. DODD: Wenn ich Ihnen eine oder zwei dieser Fragen nenne, werden Sie sich erinnern. Sie haben ihn befragt, ob er irgendwelche Presseverlautbarungen ohne Ihre Ermächtigung herausgegeben hat. Sie haben ihn weiter befragt, ob er nicht Ihr persönlicher Presseberater gewesen sei. Und Sie fragten ihn, ob es nicht richtig sei, daß er von Ihnen persönlich die Weisungen für die von Ihnen in der Presse gewünschten Veröffentlichungen erhalten habe, besonders in der Jugendpresse. Erinnern Sie sich an diese Fragen? – Aber Sie kennen nicht die Antworten. Stimmt das? – Wissen Sie, daß er in der offiziellen Zeitschrift der SS im September 1942 einen Artikel über das Jungvolk und die Jugend Deutschlands veröffentlicht hat?

VON SCHIRACH: Ich kann mich an diesen Artikel nicht erinnern.

MR. DODD: Dann sollten Sie sich ihn ansehen. Es ist Dokument 3930-PS, das jetzt US-853 wird, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Welche Nummer sagten Sie? US... ?

MR. DODD: 853, Herr Vorsitzender.