[Das Dokument wird dem Zeugen überreicht.]
VON SCHIRACH: Ich schreibe da:
»Wir meinen, dem Allmächtigen zu dienen, wenn wir mit unseren jungen Kräften versuchen, Deutschland wieder einig und groß zu machen. Wir sehen im Bekenntnis zu unserer Heimat nichts, das einen Widerspruch zu seinem ewigen Willen bedeuten könnte. Im Gegenteil, uns erscheint der Dienst an Deutschland als ein wahrer und treuer Gottesdienst, die Fahne des Dritten Reiches scheint uns seine Fahne und der Führer des Volkes, der uns von Ihm bestimmte Retter aus einer Not und Gefahr, in die uns gerade die frömmsten Parteien der einstigen deutschen Republik gestürzt haben.«
Das bezieht sich auf die Zentrumspartei der Republik von einst und andere ähnliche konfessionell-politischen Vereinigungen. Ich habe das geschrieben. Ich sehe eigentlich darin nichts, was irgendwie eine Vergottung des Führers darstellen könnte. Ich habe im Dienst an der Heimat auch einen Dienst am Allmächtigen gesehen.
MR. DODD: Gut. Wenn das Ihre Antwort ist – ich verstehe es anders.
Wir wollen nun zu etwas anderem übergehen, damit wir fertig werden. Ich will nicht versäumen, Ihnen noch den Brief an Streicher zu zeigen, wenn Sie Wert darauf legen; er wurde schon von der Britischen Delegation, der Britischen Anklagevertretung, dem Gericht vorgelegt. Ich glaube, es sind Stellen daraus verlesen worden, ohne daß der Brief vorgelegt wurde, wie man mir sagt.
Sie kennen doch jedenfalls diesen Brief, den die Jungen und Mädchen der Jugendheimstätte Großmöllen im April 1936 an Streicher geschrieben haben, in dem sie ihm erzählen, daß sie die Juden gesehen hätten.
»Jeden Sonntag spielt uns unser Heimleiter mit seinem Handpuppenspiel ein Stück vom Juden vor.«
Ich will nur wissen, ob Sie davon wissen?
VON SCHIRACH: Ich möchte dazu sagen, daß die hier erwähnte »Nationalsozialistische Jugendheimstätte Großmöllen« keine Institution der Hitler-Jugend war, sondern, ich glaube, es handelt sich um einen Kindergarten der NSV oder einer anderen Organisation. Das ist einer der typischen Briefe, wie sie sich der Redakteur des »Stürmer« bestellte, um damit zu werben.
MR. DODD: Einen Augenblick. Haben Sie nicht im Jahre 1933 alle Jugendheimstätten übernommen?
VON SCHIRACH: Ja.
MR. DODD: Gut, wie können Sie dann sagen, daß im Jahre 1936 diese »Nationalsozialistische Jugendheimstätte« in Großmöllen nicht ein Teil der Hitler- Jugend-Organisation gewesen wäre?
VON SCHIRACH: Es heißt »Jugendheimstätte«, nicht »Herberge«. Ich kenne den Ausdruck »Heimstätte« nicht. Er muß sich auf ein Heim der NSV oder der Frauenschaft beziehen. Wir kannten nur »Jugendheime« und »Herbergen«.
MR. DODD: Fällt es Ihnen nicht als ein eigenartiges Zusammentreffen auf, daß Sie in einem Programm für eines Ihrer Jugendlager ein Schattenspiel vorschlugen, das das Bild eines Juden mit einer großen Nase bringt und ihn verspottet, und die Kinder lehrt, ihn zu hassen und zu verspotten und daß ein junges Mädchen aus einem Jugendlager an Streicher schreibt, um ihm zu erzählen, daß sie und die Jungen und Mädchen ein solches Spiel gesehen hätten?
VON SCHIRACH: Das ist ein Jugendlager, von dem hier geschrieben wird.
MR. DODD: Gut, ich nehme das als Ihre Antwort.
VON SCHIRACH: Ich will nicht bestreiten, daß dieses Handpuppenspiel stattgefunden hat und daß dieser Brief geschrieben wurde, aber ich finde, der Zusammenhang ist an den Haaren herbeigezogen sozusagen. Der Zusammenhang ist sehr weit herbeigezogen.
MR. DODD: Sie meinen, der Zusammenhang im Hinblick auf die Lächerlichmachung der Juden ist sehr weit hergeholt und an den Haaren herbeigezogen?
VON SCHIRACH: Nein, ich bestreite, daß das hier eine Institution der Hitler-Jugend ist. Ich glaube, es handelt sich hier wirklich um eine NSV-Kindertagesstätte oder etwas Ähnliches.
MR. DODD: Vielleicht dient zur Erklärung, daß alle jungen Leute in Deutschland eine dieser Vorführungen sahen. Jedenfalls will ich mit Ihnen nicht weiter über diese Angelegenheit sprechen.
Heute früh hat Sie Ihr Verteidiger über die Beschlagnahme eines Klosters in Österreich befragt, ich glaube, es war, während Sie in Österreich waren; es handelte sich um Klosterneuburg. Erinnern Sie sich?
VON SCHIRACH: Wir haben heute früh über das Palais des Fürsten Schwarzenberg gesprochen. Das war kein Kloster, sondern der Besitz eines Privatmannes.
MR. DODD: Das Dokument, auf das sich Ihr Verteidiger Dr. Sauter bezog, war R-146, US-678. Es war ein Brief von Bormann an alle Gauleiter und begann damit, daß wertvoller Kirchenbesitz in Italien und Österreich zu beschlagnahmen sei. Es ist von Bormann unterzeichnet. Und dann war bei diesem Dokument auch ein Brief von Lammers des Inhalts, daß es streitig gewesen wäre, ob der beschlagnahmte Kirchenbesitz an das Reich zurückgehen oder in Ihrem Gau verbleiben solle. Das wissen Sie doch noch? Sie haben doch das Kloster dort beschlagnahmt im Jahre 1941, das Stift Klosterneuburg; Klosterneuburg, Sie wissen, was ich meine? Mag sein, daß ich es falsch ausspreche.
VON SCHIRACH: Das berühmte Stift Klosterneuburg, dieses bekannte Kloster, diente zur Aufnahme von Kunstsammlungen unseres kunsthistorischen Museums.
MR. DODD: Ja, welche Entschuldigung hatten Sie damals für die Beschlagnahme des Klosters?
VON SCHIRACH: Ich kann darüber nicht mehr genaue Angaben machen, ich glaube, daß es sehr schwach belegt war, daß das Riesengebäude nicht ausgenutzt war und daß wir für die Staatliche Weinbauschule dringend eine Erweiterung unseres Versuchsgeländes brauchten; und so ist es, glaube ich, zu dieser Beschlagnahmung gekommen.
MR. DODD: Gut. Ich will Sie nun bitten, einen Blick auf Dokument 3927-PS zu werfen. Ich möchte, daß Sie dabei daran denken, daß Sie heute früh aussagten, Sie hätten der Beschlagnahme von Kirchen und von Kirchengut in Österreich ein Ende gesetzt. Wenn Sie sich dieses Dokument ansehen, möchte ich, daß Sie sich Ihre Aussage in Erinnerung rufen.
VORSITZENDER: Haben Sie M-25 als Beweisstück angeboten oder nicht?
MR. DODD: Ich möchte es tun, Herr Präsident, es ist US-861; und dieses Dokument 3927-PS wird US- 862.