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[Zum Zeugen gewandt:]

Dieses Dokument ist auf der ersten Seite als »Geheim« bezeichnet, es ist datiert vom 22. Januar 1941 und ist ein an Dellbrügge in Ihrer Organisation in Wien gerichtetes Schreiben.

Es heißt darin, er höre, daß es möglich sei, eine Hitler-Schule zu bekommen, die die Stadt Hamburg ebenfalls zu bekommen versucht, und er möchte, daß das Stift Klosterneuburg als Stätte für eine Hitler- Schule in Wien in Betracht gezogen werde. Dieser Brief ist von Scharizer, Ihrem Stellvertreter, wie Sie ihn gestern genannt haben, geschrieben.

Er fügte eine Benachrichtigung bei, ein Fernschreiben von Bormann, und wenn Sie umblättern, werden Sie sehen, daß es vom 13. Januar 1941 datiert ist und Bormann es als »streng vertraulich« bezeichnet.

»Es hat sich herausgestellt, daß die Bevölkerung keinerlei Unwillen zeigt, wenn Klöster einer allgemein geeignet erscheinenden Verwendung zugeführt werden. Als allgemein geeignet erscheinende Verwendung kommt in Frage die Umwandlung in Krankenhäuser, Erholungs heime, nationalpolitische Erziehungsanstalten oder Adolf-Hitler-Schulen usw.«

Diese Benachrichtigung stammt vom 13. Januar, und Ihr Stellvertreter schrieb den Brief am 22.

Blättern Sie noch eine Seite weiter und Sie werden einen Gestapobericht über das Kloster vom 23. Januar 1941 finden, der an Ihren Vertreter Dellbrügge gerichtet ist. Wollen Sie sich die Stelle ansehen, wo er sagt: »Mündlicher Auftrag vom 23. 1. 1941.« Anscheinend hat irgend jemand von Ihrer Organisation, vielleicht Sie selbst oder Ihre Mitarbeiter, die Gestapo am selben Tage, als Sie nach Berlin schrieben, es solle als Hitler-Schule in Betracht gezogen werden, mündlich gebeten, einen Bericht über dieses Kloster zu verfassen.

In diesem Gestapobericht sind auch Beschuldigungen gegen die Insassen dieses Klosters erhoben worden. Wenn Sie dann weiterblättern, finden Sie die Stelle, wo Sie am 22. Februar 1941 den schriftlichen Befehl zur Übernahme dieses Klosters als Adolf-Hitler-Schule gaben. Ich zeige es Ihnen, wenn Sie es sehen wollen; aber dieser Befehl trägt im Original Ihre Initialen, Seite 15 bis 17 der Photokopie.

Nun, Sie haben eine Ausrede für die Beschlagnahme dieses Klosters fingiert, nicht wahr, da Sie es in Wirklichkeit für eine Adolf-Hitler-Schule haben wollten, und Sie haben keinen wirklich gerechtfertigten Grund zur Beschlagnahme gehabt. Sie haben die Gestapo veranlaßt, einen Bericht zu schreiben, und dann haben Sie sich niemals auf die Gründe berufen, die die Gestapo für Sie fabriziert hat.

VON SCHIRACH: Natürlich habe ich allergrößten Wert darauf gelegt, da ich selbst der Chef dieser Schulen war, auch eine solche Schule nach Wien zu bringen. Den Gedanken, der hier ausgedrückt ist, Klosterneuburg als Haus für eine Adolf-Hitler-Schule in Anspruch zu nehmen, habe ich flüchtig erwogen, mit diesem Herrn Scharizer auch wohl erörtert, aber vollständig fallen gelassen. Es ist dieses Stift Klosterneuburg auch nie als Adolf-Hitler-Schule eingerichtet worden.

MR. DODD: Nein, es wurde aber auch nie der Kirche zurückgegeben. Oder?

VON SCHIRACH: Nein. Wir wollten aus diesem Stift, weil der museale Raum in Wien nicht ausreichte für die ungeheuer großen Sammlungen, ein zusätzliches, der Öffentlichkeit zugängliches großes Museum machen und haben damit begonnen; wir haben schon einen großen Teil von Sammlungsgegenständen dort aufgestellt gehabt. Außerdem brauchten wir die sehr starken Keller dieses Stiftes als Bergungsort für die vielen Kunstschätze, die wir vor den Luftangriffen zu schützen hatten. Insofern mußten wir auf dieses Gebäude zurückgreifen. Den Gedanken, eine Adolf-Hitler-Schule in dieses Stift zu legen, habe ich flüchtig erwogen, auch mit dem einen oder anderen Mitarbeiter erörtert und habe ihn dann fallen lassen; erstens, weil es böses Blut gemacht hätte, wenn wir die Adolf- Hitler-Schule in einem früher kirchlichen Raum untergebracht hätten und zweitens, weil eben das Stift für die anderen Zwecke notwendig gebraucht wurde. Mehr kann ich dazu nicht erklären.

MR. DODD: Beachten Sie das Datum dieser Transaktion und der Mitteilung von Bormann. Wann entdeckten Sie zum ersten Male, daß Bormann so antireligiös und antikirchlich war, wie Sie vor dem Gerichtshof ausgesagt haben?

VON SCHIRACH: Bormann...

MR. DODD: Erzählen Sie uns nur, wann Sie das herausfanden.

VON SCHIRACH: Ich war gerade dabei. Bormann hat diese seine antireligiöse Gesinnung am deutlichsten in den Jahren 1943, aber schon beginnend 1937, gezeigt.

MR. DODD: Und dieses Telegramm von ihm war von wann? 1941?

VON SCHIRACH: 1941.

MR. DODD: Zeuge! Wann sind Sie zum ersten Male mit Himmler in Verbindung getreten?

VON SCHIRACH: Ich habe Hitler...

MR. DODD: Himmler.

VON SCHIRACH: Ich habe Himmler kennengelernt 1929, ja 1929, als ich in der Parteileitung mal einen Besuch machte. Er war damals Propagandaleiter der Partei; das war unsere erste Begegnung.

MR. DODD: Ich wollte eigentlich nicht wissen, wann Sie ihn zuerst kennengelernt haben, obwohl das auch interessant ist. Ich wollte wissen, wann Sie und Ihre Jugendgruppen tatsächlich mit ihm zum ersten Male in Verbindung traten. Und unter »Verbindung« verstehe ich Vereinbarungen, wie zum Beispiel das Anwerben junger Leute für die Totenkopfbrigade der SS.

VON SCHIRACH: Ich glaube, ich habe das heute früh schon ausgeführt. In dem Abkommen, dessen Jahresdatum mir entfallen ist, über den Streifendienst ist, glaube ich, eine der ersten Vereinbarungen niedergelegt. Im übrigen war das nicht eine Nachwuchssicherung für die Totenkopfverbände allein, sondern überhaupt für Polizeiverbände, sogenannte Verfügungstrupps der Polizei.

MR. DODD: Wie lange haben Sie junge Leute aus Ihrer Organisation in die SS überstellt? Wann wurde Ihrer Erinnerung nach dieses Programm zum letzten Male durchgeführt?

VON SCHIRACH: Ich habe nicht künstlich junge Leute zur SS getrieben, sondern ich habe der SS wie jeder anderen Organisation erlaubt, in der Jugend zu werben.

MR. DODD: Danach fragte ich nicht. Ich fragte Sie, wann Sie Ihrer Erinnerung nach zum letzten Male Himmler dadurch zumindest wirksam unterstützten, daß er junge Anwärter aus der deutschen Jugend durch Ihre HJ-Organisation bekam. Ein genaues Datum erwarte ich nicht, nur ungefähr.

VON SCHIRACH: Ich habe von 1940 ab mich ständig bemüht, die Jugend in die Verbände des Heeres zu bringen. Die SS, die Waffen-SS, hat eine sehr starke Werbung innerhalb der Jugend durchgeführt, die bis zum letzten Tag des Krieges ging. Ich konnte diese Werbung nicht hindern.

MR. DODD: Und Sie wußten ganz genau, wozu man sie in den letzten Tagen des Krieges und auch während des Krieges verwendet hat?

VON SCHIRACH: Ich wußte, daß alle Jugend, die eingezogen wurde oder sich freiwillig meldete, kämpfen mußte.

MR. DODD: Ich rede doch von etwas ganz anderem als vom Kämpfen. Sie wußten, was im Osten vorging, und Sie wußten, wer die Wachen für die Konzentrationslager stellte, nicht wahr?

VON SCHIRACH: Ich habe heute vormittag gesagt, was ich von den Vorgängen im Osten wußte. Daß Jungens, die sich zur Waffen-SS meldeten, im Kriege dazu gebraucht wurden, um KZ zu bewachen, wußte ich nicht.

MR. DODD: Sie wußten nicht, wer die Wachen dort waren, obwohl Sie zwei Lager selbst besucht haben?

VON SCHIRACH: Das waren Wachen, die nicht der Waffen-SS angehörten.

MR. DODD: Das weiß ich, aber Ihr Abkommen mit Himmler sieht ausdrücklich Rekrutierung für die SS-Totenkopf verbände vor.

VON SCHIRACH: Als ich dieses Abkommen schloß, wußte ich nicht, daß er die Bewachung der Konzentrationslager hauptsächlich durch die Totenkopf verbände durchführte. Außerdem sah ich damals die Konzentrationslager als etwas durchaus Normales an, ich habe das ja heute früh gesagt.

MR. DODD: Sie haben dem Gericht gestern gesagt, daß Sie im Jahre 1944, glaube ich, von den Ausrottungen erfahren haben, und ich möchte mit Ihnen ein wenig darüber sprechen und einige Fragen stellen. Die erste Frage lautet: Wie fanden Sie das heraus? War es tatsächlich nur durch diesen Colin Roß?

VON SCHIRACH: Ich habe gesagt, daß ich durch Colin Roß davon erfuhr...

MR. DODD: Schön.

VON SCHIRACH:... und daß ich außerdem viele Fragen stellte an alle mir erreichbaren Personen, um irgend etwas Genaues darüber zu erfahren.

MR. DODD: Ich habe Sie gefragt, ob Sie dies aus irgendeiner anderen Quelle erfuhren. Das können Sie ganz einfach beantworten. Wir wissen, daß Sie es durch Roß erfahren haben; haben Sie es noch von irgend jemand anderem gehört?

VON SCHIRACH: Ich wollte gerade noch ausführen in Wiederholung dessen, was ich heute früh sagte...

VORSITZENDER: Es tut mir leid, ich höre nichts.

VON SCHIRACH:... daß ich mir Gewißheit darüber verschaffte, daß im Warthegau...

VORSITZENDER: Wollen Sie das wiederholen? Das letzte, was ich hören konnte, war, wie er sagte, er habe alle möglichen Leute befragt, die er finden konnte.

MR. DODD: Gut. Vielen Dank, Herr Vorsitzender.