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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

Herr Präsident! In dem Dokumentenbuch Schirach sind noch einzelne Dokumente enthalten, die bisher noch nicht ausdrücklich vorgetragen sind. Ich glaube aber, daß es nicht notwendig ist, die Urkunden im Wortlaut vorzulesen. Ich darf mit Rücksicht auf die Zeitersparnis auf diese Urkunden Bezug nehmen und bitte, von diesen Urkunden Gebrauch zu machen, zum Beispiel von der eidesstattlichen Versicherung einer Frau Höpken, die unter Nummer 3 dem Dokumentenbuch einverleibt ist und die an anderer Stelle bereits einmal vorgelegt worden ist.

Herr Präsident! Ich möchte nur noch zu einer Urkunde eine ganz kurze Erklärung abgeben. Dem Dokumentenbuch gehört als Nummer 118a der Abschiedsbrief des Weltreisenden DR. Colin Roß an. 118a, Dokumentenbuch Schirach. Und bezüglich dieses Dr. Colin Roß hat nunmehr bei der Behandlung der Dokumente der Herr Anklagevertreter gesagt, die Leiche von dem Dr. Colin Roß sei nicht gefunden worden. Mich hat das im ersten Augenblick natürlich auch stutzig gemacht, und ich habe mich erkundigt, was eigentlich mit den Leichen geschehen ist und habe festgestellt, daß tatsächlich am 30. April 1945, am Tage vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen, die Leichen von Dr. Colin Roß und seiner Frau in dem Hause des Angeklagten von Schirach in Urfeld am Waldensee gefunden worden sind. Die beiden hatten zunächst Gift genommen und um ganz sicher zu gehen, hat dann der Dr. Roß seine Frau erschossen und sich selber auch erschossen; und deutsche Soldaten, die damals in Urfeld am Waldensee noch waren, und zwar als Patienten, haben am selben Tage die beiden Leichen unmittelbar neben dem Hause des Angeklagten von Schirach bestattet. Im Herbst hat dann der amerikanische Gouverneur angeordnet, daß die Leichen überführt werden sollen in den Friedhof. Er hat aber schließlich seinen Befehl wieder aufgehoben und hat gestattet, daß die Leichen dort blieben, wo sie bestattet worden sind.

VORSITZENDER: Dr. Sauter! Können Sie mir sagen, in welcher Weise dieses Dokument, das Sie vorlegen wollen, überhaupt irgendwie erheblich ist. Wir haben das Dokument gelesen, und es scheint keine besondere Erheblichkeit zu besitzen.

DR. SAUTER: Herr Präsident! Das Dokument haben wir vorgelegt, weil es auch beweisen soll oder dafür sprechen soll, daß der Angeklagte von Schirach zusammen mit diesem Dr. Colin Roß sich andauernd um die Aufrechterhaltung des Friedens und später dann um die Beschränkung des Krieges bemüht hat. Also nur wegen der Friedensbemühungen des Angeklagten von Schirach habe ich das Dokument vorgelegt.

VORSITZENDER: Das Dokument erwähnt weder von Schirachs. Namen noch deutet es in irgendeiner Weise an, daß er sich für den Frieden eingesetzt hätte.

DR. SAUTER: Es heißt doch in dem Dokument:

»Wir haben alles getan, was in unserer Macht stand, diesen Krieg zu verhindern, bzw....«

VORSITZENDER: Dr. Sauter! Das Wort »wir« muß sich doch auf die Menschen beziehen, die »diese Welt freiwillig verließen«, nämlich Dr. Colin Roß und seine Frau. Es bezieht sich doch nicht auf von Schirach.

DR. SAUTER: Das wissen wir nicht, warum soll sich das nicht auch auf Herrn von Schirach mitbeziehen?

VORSITZENDER: Nun, weil es auch so etwas gibt wie Grammatik. Das Dokument beginnt: »Wir scheiden freiwillig aus dem Leben.«

DR. SAUTER: Ja, Herr Präsident. Ich darf noch daran erinnern, daß dieser Name, Dr. Colin Roß, schon sehr oft in der Verhandlung erwähnt wurde im Zusammenhang mit den Friedensbemühungen des Angeklagten von Schirach, und daß der Dr. Colin Roß zusammen mit seiner Frau in der Wohnung Schirachs gewohnt hat, als die beiden aus dem Leben geschieden sind.

VORSITZENDER: Nun gut, Dr. Sauter. Wenn Sie unsere Aufmerksamkeit hierauf lenken wollen, so können Sie dies tun.

DR. SAUTER: Ja, bitte sehr.

Herr Präsident! Dieser Brief ist ja an sich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen, sondern den Brief hat der Dr. Colin Roß im Originaldurchschlag zurückgelassen, während er eine Reihe von Durchschlägen an persönliche Freunde verschickt hat. Auf diese Weise haben wir ja den Brief des Dr. Colin Roß gefunden. Ich glaube, sonst habe ich weiter nichts auszuführen.

VORSITZENDER: Ich habe nichts an dem Brief beanstandet. Wenn Sie einige Sätze daraus verlesen wollen, tun Sie es, wenn nicht, so werden wir amtlich Kenntnis davon nehmen. Wie ich Ihnen gesagt habe, haben wir den Brief bereits gelesen.

DR. SAUTER: Jawohl.

VORSITZENDER: Ich will Sie nicht davon abhalten, einen Satz hieraus zu verlesen, wenn Sie es wünschen, lesen Sie einen Satz daraus vor.

DR. SAUTER: Es ist wohl nicht notwendig, wenn Sie selbst davon Kenntnis nehmen, Herr Präsident.

Ich habe dann keine weiteren Ausführungen und kann damit meinen Vortrag über den Fall Schirach wohl beenden.

VORSITZENDER: Dr. Sauter! Haben Sie alle Dokumente in diesen Büchern als Beweismittel vorgelegt?

DR. SAUTER: Jawohl.

VORSITZENDER: Sie erhalten dann die Nummern, die in den Büchern sind.

DR. SAUTER: Jawohl.

VORSITZENDER: Gut, dann nehmen wir von allen amtlich Kenntnis.

MR. DODD: Herr Vorsitzender! Darin ist ein Brief enthalten, über den der Gerichtshof ausdrücklich eine Entscheidung getroffen hat, nämlich die eidesstattliche Erklärung von Dr. Uiberreither. Dem Angeklagten von Schirach wurde gesagt, daß er Uiberreither als Zeuge vorladen müßte, wenn er diese eidesstattliche Erklärung verwenden wolle. Er hat den Zeugen nicht vorgeladen, und nun wird die eidesstattliche Erklärung angeboten. Wir haben ausdrücklich gebeten, daß er hierher gebracht würde, falls diese eidesstattliche Erklärung dem Gerichtshof vorgelegt werden sollte.

DR. SAUTER: Auf das Affidavit Uiberreither nehme ich keinen Bezug, und auf den Zeugen Uiberreither verzichte ich.

VORSITZENDER: Gut, Dr. Sauter.

MR. DODD: Das Affidavit wird also nicht vorgelegt?

VORSITZENDER: Nein, es wird nicht vorgelegt.

MR. DODD: Es ist auf Seite 135.

VORSITZENDER: Gut, es wird also nicht zugelassen, und wir werden uns vertagen