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[Zum Zeugen gewandt:]

Wissen Sie, welche Gesetze in Frankreich bestanden bezüglich Erzwingung der Mitarbeit der französischen Behörden, oder ob solche Gesetze bestanden?

SAUCKEL: Ja, solche Gesetze haben bestanden.

DR. SERVATIUS: Über die Durchführung des Zwanges ist eine Reihe von Berichten eingegangen und hier vorgelegt worden, zunächst über Mißbräuche und unerhörte Zustände, die durch Rekrutierungsmethoden hervorgerufen worden sein sollen. Was können Sie hierzu generell erklären?

SAUCKEL: Ich habe Ihre Frage nicht ganz mitbekommen.

DR. SERVATIUS: Über die Durchführung des Zwanges liegen ja nun eine Reihe von Berichten vor, die Sie ja hier auch gehört haben, die Methoden dartun, die ja wohl von jedem unbedingt abzulehnen sind. Sie haben gehört vom Abbrennen von Dörfern, Erschießen von Menschen.

Wie stellen Sie sich generell dazu?

SAUCKEL: Alle diese Methoden widersprechen eindeutig den Anordnungen und Weisungen, die ich gegeben habe und die ja aus der damaligen Zeit zahlreich hier vorliegen und auf die ich mich berufen muß. Es handelt sich hier um Methoden, die ich, wenn ich davon auch nur andeutungsweise erfahren habe, schärfstens bekämpft habe.

DR. SERVATIUS: Wer trägt denn die unmittelbare Verantwortung für solche Vorfälle?

SAUCKEL: Für solche Vorfälle tragen die Verantwortung die örtlichen Stellen, die das ausgeführt haben.

DR. SERVATIUS: Gab es auch noch andere Stellen als die örtlichen Stellen, die sich mit Arbeitererfassung befaßt haben?

SAUCKEL: Es war ja gerade von Anfang an mein Kampf, das Durcheinander von Stellen, die auf wilde Art Arbeiter angeworben und gezwungen haben, auszuschalten und zu bekämpfen. Das war ja ein Teil meines Auftrages.

DR. SERVATIUS: Was waren das für Dienststellen, waren es örtliche Dienststellen?

SAUCKEL: Das waren Dienststellen der verschiedensten Art. Ich selbst habe ja in der Hauptsache von diesen Dienststellen erst hier erfahren.

DR. SERVATIUS: Wie war es mit der »Organisation Todt«?

SAUCKEL: Die »Organisation Todt« hat selbständig sehr lange Arbeiter angeworben und eingestellt in allen Gebieten.

DR. SERVATIUS: Hatte der Arbeitsdienst etwas damit zu tun?

SAUCKEL: Sie meinen den Arbeitsdienst des Reichsarbeitsführers Hierl?

DR. SERVATIUS: Jawohl.

SAUCKEL: Das kann ich nicht sagen. Das war ja eine deutsche militärische Organisation für die Erziehung zur Arbeit.

DR. SERVATIUS: Wurden von der Wehrmacht Leute genommen?

SAUCKEL: Es wurden von den Heeresgruppen, vom Festungsbau oder Befestigungsbataillonen und dergleichen, selbstverständlich bei örtlichen Aufgaben, die ich weder kannte noch kontrollieren konnte, Arbeiter aus jenen Gebieten in Anspruch genommen für Arbeiten, die diese schnell erledigt haben wollten. Straßenbau..

DR. SERVATIUS: Wie war es mit der Reichsbahn?

SAUCKEL: Die Reichsbahn hat ihre Strecken selbst repariert und hat auch selbst die Arbeiter für ihren Bedarf angeworben oder verpflichtet, wenn sie sie brauchte.

DR. SERVATIUS: Diese Stellen unterstanden Ihnen nicht?

SAUCKEL: Nein.

DR. SERVATIUS: Befolgten sie Ihre Anordnungen, oder mußten sie sie befolgen?

SAUCKEL: Sie mußten sie nicht befolgen; aus diesem Grunde habe ich ja auch in einer demonstrativen Art dieses Manifest, von dem gestern die Rede war, verschickt. Aber, da ich keine eigene Aufsicht zur Vollzugsbehörde hatte, mußte ich es den Dienststellen überlassen, diese Anordnungen zu berücksichtigen.

DR. SERVATIUS: Waren das große Mengen von Arbeitern, die so in den Gebieten erfaßt wurden?

SAUCKEL: Es waren sicher sehr große Mengen.

DR. SERVATIUS: Auch Reichsdienststellen befaßten sich mit der Arbeiterfrage. Wie ist es mit den Deportationen durch Himmler, stehen Sie damit im Zusammenhang?

SAUCKEL: Ich kann zu der Frage dieser Deportationen nur sagen, daß ich damit nicht das geringste zu tun hatte. Ich habe niemals und hätte das aus meiner Person heraus, meinem Werdegang und meinem Leben, niemals gut geheißen, Häftlinge oder Sträflinge zur Arbeit in dieser Weise einzusetzen. Ich kannte das gar nicht. Ich bin auch der festen Überzeugung, daß man auf Grund meiner demonstrativen Äußerungen und Vorgehens diesen ganzen Komplex mir geflissentlich vorenthalten hat, denn das vertrug sich ja in keiner Weise mit der Anschauung, die ich von der Arbeit und den Arbeitern hatte.

Ich habe oft zum Ausdruck gebracht, und es liegt auch hier dokumentarisch vor, daß ich ja die Fremdarbeiter für Deutschland und für deutsche Verhältnisse gewinnen und nicht abstoßen wollte.

DR. SERVATIUS: Das sind also diese verschiedenen Stellen, die sich neben ihrer Tätigkeit mit der Arbeitererfassung beschäftigten?

SAUCKEL: Ich darf dazu noch eine kurze Erklärung abgeben: Ich habe das Wort »Deportation« in Deutschland einige Male gehört und habe es schärfstens abgelehnt, weil ich ja diese Vorgänge nicht kannte. Ich verstehe nach dem deutschen Sprachgebrauch unter Deportation die Verschickung von Häftlingen und von Menschen, die sich dem Staate gegenüber strafbar gemacht hatten. Ich habe aus meiner Auffassung der Ethik der Arbeit niemals Deportationen betrieben, sondern ich habe ja den Arbeitern, die über mein Amt gingen – und das war ja das, was ich bei Hitler zu Anfang meines Auftrages durchgesetzt habe, und das ist nicht leicht gewesen –, allen ausländischen Arbeitern rechtsgültige Verträge gegeben, ob sie freiwillig oder ob sie auf Grund einer deutschen Dienstverpflichtung kamen. So sollten und mußten sie dieselbe Behandlung, dieselben Löhne und Gehälter, dieselbe Ernährung bekommen, wie der deutsche Arbeiter auch. Deshalb habe ich den Begriff der Deportation für meine Arbeitsweise und mein Programm abgelehnt. Mit dieser Deportation, die ich tatsächlich in ihrem furchtbaren Ausmaß hier festgestellt habe und mit den Transporten dieser Deportation, habe ich gar nichts zu tun, das kann ich hier aus bestem Gewissen bezeugen.

DR. SERVATIUS: Nun haben Sie wiederholt betont, daß diese Arbeitskräfte unter allen Umständen nach Deutschland gebracht werden müssen, und daß man rücksichtslos vorgehen müsse, daß man unbedingt die Arbeiter herbeischaffen müsse. Zeigt das denn nicht, daß Sie mit solchen Maßnahmen einverstanden waren?

SAUCKEL: Ich bitte hier auf folgende Unterscheidung hinweisen zu dürfen:

In zahlreichen Dokumenten liegen ganz eindeutig meine Anordnungen und Anweisungen vor. Nur solche konnte ich erlassen, denn eine eigene Exekutive oder eigene Apparate hatte ich nicht. Alle diese Anordnungen schreiben von Anfang an eine gesetzmäßig einwandfreie und gerechte Behandlung vor. Es ist aber richtig, daß ich den deutschen Dienststellen gegenüber das Wort »unter allen Umständen«, das mir der Führer selbst eingeschärft hat, gebraucht habe. Daß ich deutschen Dienststellen gegenüber das Wort »rücksichtslos« gebraucht habe, das ist auch richtig, aber nicht in Bezug auf die Behandlung der Arbeiter, sondern in Bezug auf die vielen Argumente, die vielen Widerstreitigkeiten und Eigenmächtigkeiten und eigenen Wünsche, die die deutschen Dienststellen, mit denen ich mich sehr hart auseinandersetzen mußte, untereinander und gegen mich hatten.

Sie haben zum großen Teil die Bedeutung des Arbeitseinsatzes als wirtschaftliche Maßnahme im Kriege nicht verstanden.

Von militärischer Seite ist mir zum Teil von den Armeebefehlshabern vorgehalten worden, das sei ja Unsinn, daß ich die Leute nach Deutschland brächte, es gäbe die »Wlassow-Armee« unter diesem russischen General und sie wollten, daß diese russischen Arbeiter in die »Wlassow-Armee« eintreten sollten. Dagegen habe ich mich gewehrt, ich hielt das nicht für richtig, auch nicht für zuverlässig genug. Das waren diese Momente, gegen die ich mich deutschen Gebietsstellen gegenüber rücksichtslos durchzusetzen hatte.

DR. SERVATIUS: Gab es noch andere Umstände, die zum Abtransport von Menschen nach Deutschland führten?

SAUCKEL: Ja, es gab noch andere Umstände, die aber nicht unmittelbar, sondern mittelbar mit dem Arbeitseinsatz zusammenhingen und die mich oft sehr überraschend getroffen haben. Es handelte sich da um die Räumung von militärischen Zonen, die oft überraschend oder nur nach kürzester Vorbereitung erfolgte. Es war dann im Verfolg der durchgeführten Räumung Aufgabe der örtlichen Arbeitsbehörde, die zurückgeführte Bevölkerung in Arbeit unterzubringen und in die rückwärts liegenden Gebiete oder, soweit es sich um einsetzbare Arbeiter in Deutschland handelte, sie nach Deutschland zu bringen.

Diese Art des Arbeitseinsatzes brachte natürlich erhebliche Erschwernisse für mich. Es befanden sich darunter Familien und Kinder und sie mußten ebenfalls selbstverständlich mit untergebracht werden. Es war oft der selbstverständliche Wunsch der russischen Väter und auch der russischen Mütter, ihre Kinder mitzunehmen. Das geschah, nicht weil ich das nicht wollte, sondern weil es unvermeidbar war.

DR. SERVATIUS: Und diese Kräfte wurden immer von Ihnen erfaßt oder nur gelegentlich?

SAUCKEL: Diese Kräfte wurden zu einem großen Teil von den gebietlichen Behörden in den dortigen Gebieten selbst erfaßt und in der Landwirtschaft oder in der Industrie dort untergebracht, Bahnbau, Brückenbau und so weiter.

DR. SERVATIUS: Hatten Sie mit der Umsiedlung zu tun?

SAUCKEL: Ich hatte niemals etwas mit der Umsiedlung zu tun gehabt. Es ist das auf ausführlichen Führererlaß hin dem Reichsführer-SS vorbehalten gewesen.

DR. SERVATIUS: Hat Ihnen Rosenberg nun nicht berichtet über Mißstände, die in seinem Bereich vorgekommen sind?

SAUCKEL: Jawohl. Ich habe mich mit Rosenberg auf seine Bitte hin etwa viermal unterhalten. Er hat mir Mißstände vorgetragen und es lag von meiner Seite keinerlei Zweifel darüber vor, daß solche Mißstände strengstens zu verurteilen waren.

DR. SERVATIUS: Sprach er von Koch?

SAUCKEL: Es hat sich hier in der Hauptsache um das Reichskommissariat Ukraine gehandelt und es waren erhebliche Differenzen zwischen dem Ostminister Rosenberg und dem Reichskommissar Koch.

DR. SERVATIUS: Waren Sie in der Lage, gegen Koch vorzugehen?

SAUCKEL: Koch hat mir weder unmittelbar noch mittelbar unterstanden. Ich konnte ihm in solchen Angelegenheiten keine Anweisungen geben. Ich habe ihn von vornherein wissen lassen, daß ich unmöglich mit solchen Methoden einverstanden sein könnte, wie sie mir zum Teil, ohne daß ich sie beweisen konnte, über Rosenberg bekanntgeworden waren.

Koch hat auf dem Standpunkt gestanden und hat es auch in seinen Briefen Rosenberg gegenüber begründet, daß er in seinem Gebiet allein zuständig sei. Er hat das auch mir gegenüber betont.

DR. SERVATIUS: Sah Rosenberg nicht die Ursache dieser Zustände darin, daß Sie zu hohe Anforderungen stellten?

SAUCKEL: Auch darüber habe ich mit Herrn Rosenberg gesprochen. Ich persönlich habe auf dem Standpunkt gestanden, daß bei der Verteilung der Anforderungen und bei ordnungsgemäßer Werbung und ordnungsgemäßer Verpflichtung sehr wohl die Kontingente zu erfüllen seien. Letzten Endes aber haben ja für mich Anordnungen und Befehle des Führers und der Zentralen Planung vorgelegen.

DR. SERVATIUS: Haben Sie sich einmal darüber unterhalten, was nun die Methoden sein werden, die angewandt werden sollten?

SAUCKEL: Über die Methoden, die angewandt werden sollten, haben wir uns nicht nur sehr häufig unterhalten, sondern ich habe die Methoden ja in zahlreichen Verordnungen eindeutig niedergelegt, veröffentlicht und bin so weit gegangen, daß ich mein Manifest ja über den Kopf dieser Behörde hinweg selbst an die unteren Dienststellen geschickt habe, damit diese sich danach richten sollen. Es handelte sich hier aber, das muß ich ausdrücklich betonen, um Vorgänge, die zum großen Teil vor dem Wirksamwerden meiner Anordnungen und vor meiner Berufung durchgeführt worden sind.

DR. SERVATIUS: Ich lege Ihnen das Dokument 018-PS vor, das ist in dem »Slave-Labor-Brief« Seite 10.

VORSITZENDER: Das ist nicht Seite 10. Es ist Nummer 10.

DR. SERVATIUS: Es ist US-Exhibit 186. In dem englischen »Slave-Labor«-Buch, Dokument 10. Es ist ein Brief vom 21. Dezember 1942.