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[Zum Zeugen gewandt:]

Wie war es mit der Bekleidung der Fremdarbeiter?

SAUCKEL: Die Bekleidung der Fremdarbeiter aus den Westgebieten machte uns verhältnismäßig wenig Sorgen, denn diese Arbeiter waren kleidungsmäßig gut versorgt und bekamen auch Entschädigungen für ihre Kleidung. Sorgen machte uns die Bekleidung der Ostarbeiter. Ich habe für die Ostarbeiter beim Reichswirtschaftsministerium ein Bekleidungskontingent beantragt und für 1500000 Ostarbeiter vollständige Unter- und Oberkleidung anfertigen lassen. Es waren dazu notwendig 10000 Arbeiter, die allein für dieses Kontingent gearbeitet haben, und 30000 Tonnen Rohstoffe. Es sind also für die Bekleidung alle Obsorgen getroffen worden, die möglich waren. Die Kleidung ist auch ausgegeben worden.

DR. SERVATIUS: Es ist von der Französischen Delegation das Dokument RF-5 vorgelegt worden. Es ist eine Werbeschrift »Europa arbeitet in Deutschland«. Ich hafte es auch eingereicht, das Gericht hat davon amtlich Kenntnis genommen, und ich übergebe es noch einmal hier und nehme Bezug auf drei Bilder, die dort drin sind; das Wesentliche an ihnen ist, daß die Arbeiter, die aus dem Osten kommen, zum Teil barfuß erscheinen; später sind Bilder drin, wo man diese Arbeiter gut gekleidet in Deutschland sieht und man sieht, daß die Bekleidung also erhebliche Fortschritte in Deutschland für diese Arbeiter gemacht hat.

VORSITZENDER: Ist das Sauckel-Dokument Nummer 5?

DR. SERVATIUS: Nein, es ist ein Dokument der Französischen Delegation, RF-5.

[Zum Zeugen gewandt:]

Wie war es mit der Arbeitszeit, wer regelte die Arbeitszeit?

SAUCKEL: Die Arbeitszeit wurde geregelt auf Grund der Erlasse des Führers, des Ministerrates beziehungsweise später von Reichsminister Goebbels. Die Durchführung dieser Anordnungen oblag mir.

DR. SERVATIUS: Wie war die Durchschnittsarbeitszeit?

SAUCKEL: Man kann während des Krieges in Deutschland von einer Durchschnittsarbeitszeit schlecht sprechen. Es gab die gesetzliche Arbeitszeit von acht Stunden. Was über acht Stunden war, mußte als Überstunden bezahlt werden. Es ist zunächst im Jahre 1943 durchschnittlich die Arbeitszeit in der Woche auf 54 Stunden festgesetzt worden, später, soweit eine Notwendigkeit bestand, auf zehn Stunden täglich. Als Reichsminister Dr. Goebbels Reichsbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz wurde, hat er gegen meinen Einspruch und gegen den Einspruch anderer Dienststellen auf Grund seiner Vollmachten, die er hatte, die zehnstündige Arbeitszeit für alle Verwaltungen und für alle Betriebe verlangt und verkündet. Dies war aber gar nicht durchführbar, weil in vielen Betrieben und Dienststellen die Arbeit geregelt werden mußte nach den damals schon in Erscheinung tretenden Schwierigkeiten der Rohstoffversorgung, der Energieversorgung und des Arbeitsanfalles. Es ist aber auch in Ausnahmefällen, die nicht selten waren, soweit es die Produktion verlangte, 11 bis 12 Stunden gearbeitet und auch von deutschen Arbeitern länger gearbeitet worden; sie sind dann entsprechend entschädigt worden.

DR. SERVATIUS: Ich halte Ihnen hier vor aus dem französischen Dokument RF-22. Dort ist auf Seite 101 im deutschen Text folgendes gesagt:

»Aus Verhören heimgekehrter verschleppter Arbeiter durch die Dienststellen des ›Ministere de Prisonniers‹ ergibt sich, daß die durchschnittliche Wochenarbeitszeit mindestens 72 Stunden betrug.«

Dazu wird die Nachrichtenquelle näher angegeben, was hier nicht näher interessiert.

»64 Wochenstunden waren keine Seltenheit. Es wurden Fälle von 100 Wochenstunden in Abschnitten von 30 bis 38 aufeinanderfolgenden Stunden gemeldet.«

Was können Sie dazu erklären? Sind Ihnen solche Fälle bekanntgeworden?

SAUCKEL: Ich kann zu diesen Berichten deshalb nicht Stellung nehmen, weil ich ja nicht weiß, ob es sich hier um Menschen handelt, die in Konzentrationslagern eingesetzt waren, oder ob sie als Zivilarbeiter in dem anderen Sektor, den ich zu betreuen hatte, eingesetzt waren. Richtig ist, daß es in seltenen Ausnahmefällen Perioden gegeben hat, in denen länger gearbeitet worden ist. Das wurde vom Betrieb bestimmt und es war dies auch für deutsche Arbeiter verpflichtend. Aber es mußte dann eine entsprechende Ruhepause dazwischengelegt werden. Es galt dies für die Fertigstellung wichtiger Aufträge. Aber wo nun diese Menschen gearbeitet haben, das kann ich aus dem Verhör nicht erkennen. Ich kann deshalb darüber keine präzise Antwort geben.

DR. SERVATIUS: Wie stand es mit der Freizeit?

SAUCKEL: Die Freizeit stand zur Verfügung der Arbeiter.

DR. SERVATIUS: Wer war für die Regelung verantwortlich?

SAUCKEL: Für die Regelung der Freizeit war die DAF, soweit es sich um die Ausgestaltung der Freizeit handelte, verantwortlich.

DR. SERVATIUS: Wie war es mit dem Einsatz von Kindern und Jugendlichen?

SAUCKEL: Durch ein deutsches Reichsgesetz ist die Kinderarbeit unter 12 Jahren verboten. Unter 14 Jahren sind nur wenige Stunden in der Landwirtschaft zugelassen.

DR. SERVATIUS: Haben Sie Anordnungen über die Arbeitszeit für Kinder erlassen?

SAUCKEL: Ich habe Anordnungen erlassen, beziehungsweise die schon vorhandenen bestätigt, soweit sie diese Arbeit betroffen haben.

DR. SERVATIUS: Ich lege Ihnen ein Dokument vor, 345-PS. Das ist ein Schreiben des Reichsministers Rosenberg an Lammers vom 20. Juli 1944.

VORSITZENDER: Wurde das schon einmal vorgelegt? Ist das schon vorher als Beweismittel eingereicht worden?

DR. SERVATIUS: Dieses Dokument ist in der Sitzung beim Kreuzverhör vorgelegt worden. Ich habe es selbst gerade bekommen. Es handelt sich dort um die Anwerbung von Jugendlichen im Alter von 15 bis 20 Jahren zu einem Kriegseinsatz im Reich. Dann wird Bezug genommen auf die Überführung von Jugendlichen im Alter von 10 bis 14 Jahren in das Reichsgebiet; das ist die »Heuaktion«. Und es heißt weiter:

»Das Ziel der Aktion ist eine weitere Betreuung der Jugendlichen unter Einschaltung der Reichsjugendführung und die Heranbildung von Anlernlingen für die deutsche Wirtschaft in ähnlicher Form, wie dies beim Weißruthenischen Jugendwerk bereits mit Erfolg im Einvernehmen mit dem GBA« – also mit Ihnen – »durchgeführt worden ist.«

Erklären Sie sich dazu, ob Sie einen Einsatz dieser Jugendlichen veranlaßt haben?

SAUCKEL: Nein, ich habe mit dieser Aktion gar nichts zu tun gehabt. Die Anschrift auf dem Anschriftenverzeichnis war nicht enthalten. Ich kenne es nicht.

DR. SERVATIUS: Sie haben Ihre eigenen Anordnungen nicht durchbrochen durch besondere Anweisungen?

SAUCKEL: Nein, es ist ein Vorgang, mit dem ich mich nicht befaßte.

DR. SERVATIUS: Dann lege ich Ihnen ein Schreiben vor, das auch bei der Sache Schirach von der Staatsanwaltschaft vorgebracht worden ist. Das ist Dokument 1137-PS, ein Schreiben vom 19. Oktober 1944. Auf Seite 3 des Schreibens ist folgendes gesagt:

»Über diese Kräfte hinaus wurden schon vorher der deutschen Rüstungsindustrie Kräfte zugeführt, und zwar

1. 3500 Jungen und 500 Mädchen den Junkers-Werken,

2. 2000 Jungen und 700 Mädchen der OT...

Aus den besetzten Ostgebieten sind somit durch die unter Führung der Hitler-Jugend stehende Dienststelle« – ich lasse aus, was uns nicht interessiert – »5500 Jungen der Rüstungsindustrie,... 1200 Mädchen der Rüstungsindustrie... zugeführt worden.«

Haben Sie diesen Einsatz veranlaßt, oder ist das durch Ihre Hand gegangen?

SAUCKEL: Nein.

DR. SERVATIUS: Wie kommen diese Kräfte in die Rüstungsindustrie?

SAUCKEL: Ja, das kann ich persönlich hier nicht näher erklären, Es geht daraus hervor, daß dies auf Grund einer Vereinbarung von Dienststellen des Ostministeriums beziehungsweise des Hauptbannführers Nickel erfolgt ist. Ich habe hier nur in der Verhandlung gehört, daß es sich nicht um Jugendliche handle, die in einem Alter standen, für die die Arbeit an sich verboten war. Ich habe gehört, daß es eine mehr vordienstliche Betreuung war, aber...

DR. SERVATIUS: Das ist bekannt.

SAUCKEL: Durch mich selbst ist es nicht gegangen, auch nicht durch meine Dienststelle.

DR. SERVATIUS: Wie stand es mit dem Einsatz der Frauen aus dem Auslande?

SAUCKEL: Frauen aus dem Auslande wurden genau so eingesetzt wie die deutschen Frauen. Keine anderen Bedingungen.

DR. SERVATIUS: Es ist hier das Dokument 025-PS vorgebracht worden, das ist US-Exhibit 698, das auch erst jetzt vorgelegt worden ist und sich nicht in den Büchern befindet. Es ist dies eine Notiz über eine Sitzung, die bei Ihnen stattgefunden hat und wo Sie sich über den Einsatz von weiblichen Arbeitskräften verbreitern. Es heißt dort im dritten Absatz:

»Als diesen Weg hat der Führer die sofortige Hereinnahme von 400000 bis 500000 hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen aus der Ukraine im Alter von 15 bis zu 35 Jahren angeordnet und den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz« – das sind Sie – »mit der Durchführung dieser Aktion, die in etwa drei Monaten abgeschlossen sein soll, beauftragt.«

Es heißt dann weiter:

»... es entspricht einem ausdrücklichen Wunsch des Führers, daß eine möglichst große Anzahl dieser Mädchen bei Bewährung eingedeutscht werden.«

Wollen Sie hierzu Stellung nehmen?

SAUCKEL: Jawohl. Es handelt sich um eine Anordnung des Führers, für die deutsche Hauswirtschaft und insbesondere zur Entlastung der deutschen Bauersfrauen 400000 bis 500000 hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen ins Reich zu bringen. Ich darf zu dieser Aktennotiz bemerken, daß sie nicht von mir abgefaßt ist, auch nicht von meiner Dienststelle; wahrscheinlich wurde dies von einem Herrn abgefaßt, auf Grund von Notizen, die er sich aufgesetzt hat. Zu diesen 400000 bis 500000 Hausgehilfinnen, wie sie vorgesehen waren, ist zu bemerken, daß sie nur auf freiwilliger Grundlage ins Reich gebracht werden sollten oder durften. Der Begriff »Eindeutschung«, wie er hier gebraucht war, bezog sich ebenfalls nur auf den freiwilligen Wunsch, etwa später in Deutschland zu bleiben.

DR. SERVATIUS: Wie war es mit der ärztlichen Betreuung, die den ausländischen Arbeitern zuteil wurde. Es sind hier verschiedene Dinge vorgetragen worden. So ist gesagt worden, wenn der Arbeiter nicht mehr arbeiten kann, so soll man sich nicht mehr um ihn kümmern. Das wäre ein Grundsatz von Ihnen gewesen. Dann heißt es: Die Arbeit, Ernährung und Bezahlung muß auf ein Verhältnis abgestimmt werden. Wenn der Arbeiter nicht mehr kann, gilt er als tote Kraft.

Was haben Sie zu diesen Vorwürfen zu sagen?

SAUCKEL: Ich darf bitten, daß Sie mir zeigen, wo ich das gesagt und niedergelegt habe. Ich kenne das nicht.

DR. SERVATIUS: Es ist das in der Vormittagssitzung vom 17. Januar 1946 (Band V, Seite 444) vorgetragen worden.

»Daß man sich um das Schicksal derjenigen, deren Leistungsfähigkeit kein Interesse mehr biete, überhaupt nicht mehr kümmern solle.«

Haben Sie diesen Grundsatz vertreten?

SAUCKEL: Im Gegenteil. Es liegen ja von mir Hunderte von präzisen Anweisungen und Anordnungen vor. Sie sind niedergelegt im Reichsgesetzblatt, in Sonderdrucken für die Betriebe und für die Arbeitsämter und in Sondersammlungen; in denen ist genauestens festgelegt, daß die fremden Arbeiter, die durch den Arbeitseinsatz ins Reich gebracht worden sind, hinsichtlich ihrer Krankenbehandlung und Krankenversorgung nach den deutschen Gesetzen und Vorschriften und Verordnungen behandelt werden mußten, einschließlich Ihrer Versicherungen. Es sind auch...

VORSITZENDER: Herr Dr. Servatius! Haben Sie dem Angeklagten ein Dokument vorgelegt, in dem behauptet wird, er solle gesagt haben, daß sie kein Interesse mehr für ihn böten, wenn sie arbeitsunfähig geworden sind? Was ist das für ein Dokument, das Sie ihm vorgelegt haben?

DR. SERVATIUS: Dieses Dokument ist ihm vorgelegt worden bezüglich der Arbeiterinnen, von denen er gesagt haben soll, sie sollen eingedeutscht werden. Von diesem Dokument bin ich ja schon fort und zur Frage der ärztlichen Versorgung übergegangen.

VORSITZENDER: Sie meinen, daß das im Dokument 025-PS, US-698 enthalten war?

DR. SERVATIUS: Dieses Dokument 025-PS bezieht sich nur auf die Arbeiterinnen. Diese Frage ist schon erledigt. Ich bin vielmehr weitergegangen zu der Frage der ärztlichen Betreuung allgemein und nicht mehr der weiblichen Arbeitskräfte.