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[Das Gericht vertagt sich bis

30. Mai 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertzweiundvierzigster Tag.

Donnerstag, 30. Mai 1946.

Vormittagssitzung.

PROFESSOR DR. FRANZ EXNER, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN JODL: Herr Vorsitzender! Ich hätte eine Bitte. Mein Klient ist der nächste, der darankommt und möchte gern heute nachmittag und morgen, wenn möglich, von der Sitzung frei haben, damit er sich vorbereiten kann.

VORSITZENDER: Ja, natürlich.

PROF. DR. EXNER: Danke sehr.

GERICHTSMARSCHALL: Hoher Gerichtshof! Der Angeklagte von Papen ist nicht anwesend.

M. HERZOG: Angeklagter Sauckel! Ich habe Sie gestern gefragt, ob Ihrer Meinung nach die Außenpolitik Deutschlands von den beiden Hitlerschen Theorien, nämlich Lebensraum und Herrenrasse, bestimmt werden sollte?

SAUCKEL: Darf ich um die Güte bitten, die Frage zu wiederholen; ich habe sie auf deutsch nicht verstanden.

M. HERZOG: Ich habe Sie gestern gefragt, ob Ihrer Ansicht nach die Außenpolitik Deutschlands nach den beiden Hitlerschen Theorien, Lebensraum und Herrenrasse, bestimmt werden sollte?

SAUCKEL: Ich habe verstanden, ob die deutsche Außenpolitik ausgerichtet sein sollte nach den Prinzipien der »höheren Rasse« und des »Lebensraumes«. Wenn ich richtig verstanden habe.

M. HERZOG: Jawohl, ich bitte, mir zu beantworten, ob Sie der Ansicht waren, daß man nach diesen Gesichtspunkten handeln sollte?

SAUCKEL: Nicht nach dem Prinzip einer »höheren Rasse«. Ich bitte, dazu eine Erklärung abgeben zu dürfen. Ich persönlich habe Auslassungen einzelner nationalsozialistischer Redner über eine »höhere Rasse« und eine »Herrenrasse« nie gebilligt. Ich habe das auch nicht vertreten. Ich bin in der Welt als junger Mensch viel herumgekommen. Ich habe in Australien und in Amerika Anschluß an Familien gefunden, die zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens gehören; aber ich habe mein eigenes Volk geliebt und habe angestrebt, das bekenne ich, die Gleichberechtigung meines eigenen Volkes, und dafür bin ich eingetreten. Eine Überheblichkeit einer Rasse habe ich keinesfalls für gut gehalten, aber ich hielt die Gleichberechtigung für notwendig.

M. HERZOG: Demnach waren Sie also nicht mit allen außenpolitischen Maßnahmen Hitlers einverstanden und haben nicht mit ihm zusammengearbeitet?

SAUCKEL: Ich habe auf die Frage meines Verteidigers schon erklärt, daß ich mich nie als Außenpolitiker gefühlt habe. Ich bin auf einem ganz anderen Weg und aus ganz anderen Motiven zur Partei gekommen.

M. HERZOG: Erinnern Sie sich an die Erklärung, die Sie am 4. September 1945 zwei amerikanischen Offizieren gegenüber abgegeben haben? Das Dokument 3057-PS enthält diese Erklärung und wurde dem Gerichtshof als US-223 vorgelegt. Darin haben Sie folgendes erklärt:

»Seit dem Jahre 1921 war ich ein überzeugter Nationalsozialist und mit dem Programm Adolf Hitlers 100 % einverstanden. Ich habe mich in diesem Sinne aktiv betätigt und in der Zeit von 1921 bis zur Machtübernahme ungefähr 500 Reden gehalten, die dem Sinne und dem Inhalt nach den nationalsozialistischen Standpunkt vertraten. Es war mir eine besondere Genugtuung, den Gau Thüringen zu einer führenden Stellung mit Bezug auf nationalsozialistische Einstellung und Gesinnung gehabt zu haben. Ich habe an Adolf Hitler bis zum Zusammenbruch nicht gezweifelt, sondern seinen Befehlen blindlings Gehorsam geleistet.«

VORSITZENDER: Herr Herzog! Sie sprechen ein wenig zu schnell. Das wurde schon vorgelesen, ich glaube, es ist nicht nötig, daß Sie das Ganze nochmals lesen.

M. HERZOG: Ich frage Sie also, Angeklagter Sauckel, ob Sie die Erklärungen, die Sie am 4. September 1945 unter Eid freiwillig und ohne Zwang abgegeben haben und die im Widerspruche zu Ihren gestrigen und den soeben gemachten Aussagen stehen, bestätigen.

SAUCKEL: Ich bestätige, daß unter diesem Dokument meine Unterschrift steht. Ich bitte das Gericht, aussagen zu dürfen, wie diese Unterschrift zustande gekommen ist. Dieses Dokument wurde mir fertig vorgelegt bei dieser Vernehmung. Ich habe daraufhin gebeten, dieses Dokument in meiner Zelle in Oberursel durchlesen und überlegen zu dürfen, ob ich es unterschreiben kann. Das wurde mir versagt. Es wurde mir in dieser Besprechung eröffnet, unter Hinzuziehung eines Offiziers, von dem mir gesagt wurde, daß er zur russischen oder polnischen Armee gehörte, daß ich, wenn ich zu lange zögerte, dieses Dokument zu unterzeichnen, an die russischen Behörden ausgeliefert würde. Es kam alsdann dieser polnische oder russische Offizier herein und erklärte: Wo ist Sauckels Familie? Wir kennen Sauckel, selbstverständlich nehmen wir ihn mit. Aber die Familie muß ebenfalls mit und wird ebenfalls ins russische Gebiet überstellt werden. Ich bin Vater von 10 Kindern. Ich habe mir das nicht überlegt, sondern mit Rücksicht auf meine Familie dieses Schriftstück unterschrieben. Ich habe dann schriftlich nach Rückkehr in meine Zelle mich an den Herrn Kommandeur des Lagers gewandt und ihn gebeten, in dieser Sache von ihm allein gehört zu werden. Das war nicht mehr möglich, weil ich dann kurz darauf hierher nach Nürnberg gebracht worden bin. Ich kann...

M. HERZOG: Steht Ihre Unterschrift unter diesem Schriftstück, in welchem Sie erklären, diese Aussagen freiwillig und ohne Zwang gemacht zu haben?

SAUCKEL: Das ist richtig, aber mir ist in dieser Situation...

M. HERZOG: Ich glaube, daß es jetzt genügend geklärt ist.

VORSITZENDER: Wollen Sie ihn bitte fragen, ob er es jetzt gelesen hat und ob es wahr ist.

M. HERZOG: Ich fragte Sie vorhin, und ich frage Sie jetzt noch einmal: Sind Sie bereit zu bestätigen, daß diese Aussagen korrekt sind?

SAUCKEL: Diese Aussagen sind in den einzelnen Punkten nicht korrekt, und ich möchte sagen, ich habe ja darum gebeten, diese einzelnen Punkte richtigstellen zu dürfen. Nach meiner Überzeugung ist mir dazu keine Zeit gelassen worden. Es wurde mir noch gesagt, am letzten Morgen vor der Abfahrt, ich könnte das in Nürnberg besprechen, und das habe ich dem hier vernehmenden amerikanischen Offizier auch mitgeteilt.

VORSITZENDER: Herr Herzog! Ist dieses Dokument dem Gerichtshof während der Anklagerede verlesen worden?

M. HERZOG: Dieses Dokument wurde als US-223 vorgelegt.

DR. SERVATIUS: Herr Vorsitzender! Soweit ich mich erinnere, ist gerade dieses Dokument nicht vorgelegt worden. Ich hatte damals eine Besprechung mit dem amerikanischen Vertreter der Anklage und habe ihn auf diese Einwendungen hingewiesen; und er hat dann mit Rücksicht auf diese Einwendungen in der Sitzung davon Abstand genommen, es vorzubringen. Der Herr Präsident haben am Schlusse des Vortrages selbst gefragt, ob denn dieses Dokument nicht vorgelegt werde, und der Vertreter der Anklage hat gesagt: nein, auf Grund einer Besprechung mit dem Verteidiger verzichte ich.

VORSITZENDER: Sie sagen also, daß das Dokument dem Gerichtshof nicht vorgelesen wurde.

DR. SERVATIUS: Nein, es ist vor Gericht nicht verlesen worden. Ich widerspreche der Zulassung dieses Dokuments als Beweis, weil es erzwungen ist.

VORSITZENDER: Unter diesen Umständen, Herr Herzog, können Sie ein Kreuzverhör über dieses Dokument durchführen, ganz wie Sie wünschen. Der Gerichtshof war der Ansicht, es sei schon vorgelesen worden, und deswegen haben wir Sie bei der Verlesung unterbrochen.

M. HERZOG: Im Absatz 2 erklärten Sie:

»Nach Einführung der Nürnberger Gesetze habe ich meiner Überzeugung gemäß dafür gesorgt, daß in dem Gau Thüringen diese Gesetze restlos durchgeführt würden.«

Absatz 4:

»Außenpolitisch bin ich der Ansicht gewesen, daß das deutsche Volk ein Anrecht auf Lebensraum in Europa hat und auf Grund seines rassisch überstehenden Niveaus führende Stellung einnehmen muß. Mit Bezug auf die anzuwendenden Mittel und Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen, habe ich alle Beschlüsse Hitlers und der NSDAP gebilligt und mich aktiv an der Verwirklichung dieser Pläne beteiligt.«

SAUCKEL: Ich habe den Schluß nicht mitbekommen.

M. HERZOG: Ich will es noch einmal lesen:

»Mit Bezug auf die anzuwendenden Mittel und Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen, habe ich alle Beschlüsse Hitlers und der NSDAP gebilligt und mich aktiv an der Verwirklichung dieser Pläne beteiligt.«

Ich bitte Sie, zu bestätigen, ob Sie diese Erklärungen abgegeben haben.

SAUCKEL: Diese Erklärungen hätte ich in dieser Art nicht abgegeben, wenn ich freien Willens und freier Entschlußkraft gewesen wäre.

M. HERZOG: Stimmt es, daß Sie ernannt worden sind...

VORSITZENDER: Herr Herzog! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß der Zeuge, dem ja das Dokument vorliegt, gefragt werden soll, in welcher Hinsicht er das Dokument für nicht wahrheitsgemäß hält.

M. HERZOG: Sie haben die Frage des Vorsitzenden gehört, Angeklagter Sauckel? Sie behaupten, daß das Dokument nicht der Wahrheit entspricht. Wollen Sie bitte dem Gerichtshof sagen, in welcher Hinsicht Sie dieses Dokument für unrichtig halten.

SAUCKEL: Ich darf nach den Punkten gehen?

M. HERZOG: Ja, bitte.

SAUCKEL: Ich war hundertprozentig mit dem sozialen Programm einverstanden; das habe ich bei meiner Vernehmung durch meinen Verteidiger schon erklärt.

VORSITZENDER: Angeklagter! Der Gerichtshof wünscht, daß Sie das Dokument zur Hand nehmen und Satz für Satz erklären, was daran unrichtig ist.

SAUCKEL: Unrichtig ist im Paragraphen 1 das Jahr 1921. Ich bin, wie meine Mitgliedskarte ausweist, Mitglied erst 1923 beziehungsweise 1925 geworden. Ich habe vor 1923 mit der Partei sympathisiert.

Mit dem Programm Adolf Hitlers war ich hundertprozentig einverstanden; das hundertprozentig verstehe ich dahin, soweit mir dieses Programm als gesetzmäßig, verfassungsmäßig und menschlich-sittlich berechtigt erschienen ist. Wie viele Versammlungen ich abgehalten habe, das kann ich auf eine Zahl festgelegt nicht erklären. Meine Reden und Vorträge haben sich auf Grund meines Lebensgangs und meiner Erfahrungen – denn nur darüber konnte ich reden – in der Hauptsache auf eine Aussöhnung der deutschen Stände und der deutschen Berufe nach der nationalsozialistischen Weltanschauung bezogen.

VORSITZENDER: Angeklagter! Ich habe Sie schon darauf hingewiesen, daß der Gerichtshof nur wünscht, daß Sie das Dokument zur Hand nehmen und erklären, welche Sätze darin unrichtig sind, aber nicht, daß Sie Reden halten.

SAUCKEL: Ja, es sind alle Sätze in meinen Augen nicht richtig. Ich würde alle Sätze nicht so abgefaßt haben wie sie sind, wenn ich sie selbst hätte formulieren dürfen. In dieser Formulierung bestreite ich alle Sätze, denn ich habe sie nicht selbst verfaßt. Ich bin nicht darum gefragt worden; sie sind mir fertig vorgelegt worden.

DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Wenn ich dazu eine Erklärung abgeben darf:

Es handelt sich bei diesem Statement praktisch um ein Resümee der gesamten Vernehmungen, indem in den verschiedenen Punkten ein Geständnis im Sinne der Anklage niedergelegt ist. Damit brauchte der Angeklagte kein Wort mehr zu seiner Verteidigung zu sagen, wenn dieses stimmen würde. Da es ein Resümee ist und daraus Schlußfolgerungen gezogen werden können, muß ihm auch Gelegenheit gegeben werden, diese Schlußfolgerungen zu widerlegen, und das bedingt einen Vortrag. Es sind ja keine bestimmten Tatsachen, die man mit Ja oder Nein beantworten kann.

VORSITZENDER: Der Angeklagte hat gerade gesagt, daß das ganze Dokument unrichtig ist und daß das Dokument unter Zwang von ihm unterschrieben wurde. Es hat deshalb gar keinen Wert, es im einzelnen noch durchzugehen; aber der Gerichtshof möchte gerne von der Amerikanischen Anklagebehörde hören, ob sie etwas darüber zu sagen hat?

MR. DODD: Ich habe keine englische Abschrift des Dokuments vor nur, aber ich...

VORSITZENDER: Herr Dodd! Herr Herzog hat gesagt, daß es als Beweismittel unter US-223 vorgelegt wurde.

MR. DODD: Meiner Erinnerung nach – ich werde es natürlich nachprüfen – meiner Erinnerung nach haben wir dieses Dokument beim Vortrag des Falles »Sklavenarbeit« unserem Dokumentenbuch beigefügt, es aber nicht als Beweismittel vorgelegt. Ich glaube, ich sagte damals dem Gerichtshof, daß wir beschlossen hätten, es nicht vorzulegen. Es war aber gedruckt und dem Dokumentenbuch beigefügt worden.

Möglicherweise irre ich mich, aber soweit ich mich erinnere, fragte mich der Herr Vorsitzende, ob ich nicht die Absicht hätte, es vorzulegen, worauf ich ihm erklärte, daß wir es uns überlegt und beschlossen hätten, es nicht vorzulegen.

VORSITZENDER: Dann kann ich nicht verstehen, wie es eine Beweisstücknummer haben kann, wenn es nicht als Beweismittel vorgelegt ist.

MR. DODD: Ich auch nicht. Ich glaube, es ist ein Irrtum.

VORSITZENDER: Herr Dodd! Wissen Sie, ob es sich hier um ein Resümee oder eine Zusammenfassung von früheren Verhören handelt?

MR. DODD: Ich glaube, es ist gerade umgekehrt. Soviel ich weiß, wurde es gemacht, bevor der Angeklagte Sauckel nach Nürnberg kam und bevor noch irgendwelche Vernehmungen seitens der Vernehmungsabteilung der Amerikanischen Anklagevertretung durchgeführt wurden.

VORSITZENDER: Wußten Sie, daß Dr. Servatius gegen dieses Dokument mit der Begründung, daß die Aussage unter Zwang abgegeben worden war, Einspruch erhoben hat?

MR. DODD: Soweit ich mich erinnere, hat Dr. Servatius damals, als wir den Fall »Sklavenarbeit« behandelten, Einspruch erhoben und dadurch, glaube ich, wurde die Sache damals zur Sprache gebracht; deshalb haben wir auch weiter keinen Gebrauch davon gemacht.

VORSITZENDER: Sehr gut. Dann, glaube ich, Herr Herzog, sollten Sie es auch lieber weglassen.

M. HERZOG: Sie wurden durch eine Anordnung vom 21. März 1942 zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannt. Stimmt das?

SAUCKEL: Das stimmt, jawohl.

M. HERZOG: Stimmt es, daß dieser Erlaß von dem Angeklagten Keitel gegengezeichnet war?

SAUCKEL: Der Erlaß trug, glaube ich, nach meiner Erinnerung, drei Gegenzeichnungen, ich glaube, ja. Ich kann es im Augenblick nicht mit Bestimmtheit aus der Erinnerung sagen.

M. HERZOG: Wollen Sie dem Gerichtshof berichten, unter welchen Umständen Ihre Ernennung stattfand?

SAUCKEL: Ich habe diese Frage gestern schon meinem Verteidiger beantwortet. Es war für mich eine Überraschung.

M. HERZOG: Hat der Angeklagte Speer, Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, für Ihre Ernennung irgendwelche Schritte unternommen?

SAUCKEL: Das kann ich aus eigenem Wissen nicht sagen. In der Veröffentlichung Bormanns heißt es: auf Vorschlag Speers. Ich kann das aber aus eigenem Wissen nicht sagen.

M. HERZOG: Sie erinnern sich nicht, daß Sie darüber bei Ihrem Verhör am 12. September 1945 eine Erklärung abgegeben haben?

SAUCKEL: Ich kann mich im Augenblick an die Erklärung nicht genau erinnern.

M. HERZOG: Als Sie am 12. September 1945 von Major Monigan verhört wurden, sollen Sie folgendes erklärt haben: Der Gerichtshof wird diese Erklärung auf der ersten Seite der Auszüge aus dem Verhör, die ich dem Gerichtshof überreicht habe, finden.

»Im März 1942 wurde ich sehr plötzlich zum Minister Speer, der erst kürzlich ernannt worden war, gebeten. Speer sagte mir, daß ich dringend...«

VORSITZENDER: Herr Herzog! Könnten Sie diese Papiere nicht von der Lampe wegnehmen. Dadurch können. Sie das Licht nicht sehen, das ständig aufflammt.

M. HERZOG: Ich zitiere:

»Speer sagte mir, daß ich dringend eine neue Aufgabe, welche mit dem Arbeitseinsatz im Zusammenhang stand, übernehmen solle. Einige Tage später bat er mich, mit ihm in das Hauptquartier zu gehen; ich wurde dem Führer vorgestellt, welcher mir erklärte, daß ich unbedingt diese mir angebotene Ernennung annehmen solle.«

Bestätigen Sie diese Erklärung?

SAUCKEL: Die ist richtig; ich kann nur nicht sagen, ob das vor einem Entschluß – also ob meine Ernennung vorher, also vor diesen Besprechungen – auf irgendeine Initiative eines Herrn ergriffen worden ist. An sich ist diese Darstellung richtig.

M. HERZOG: Aber Sie bestätigen jedenfalls, daß der Angeklagte Speer, der damals Rüstungsminister war, Sie anläßlich Ihrer Ernennung in das Führerhauptquartier mitnahm?

SAUCKEL: Das ist richtig.

M. HERZOG: Gestern hat Ihr Verteidiger eine Tafel vorgelegt, auf welcher die allgemeine Organisation Ihrer Dienststelle und Ihr Verhältnis zu anderen Dienststellen des Reiches dargestellt ist. Sie haben erklärt, daß diese Tafel korrekt sei. Bestätigen Sie diese von Ihnen gestern gemachte Aussage?

Ich bitte Sie, mir noch einmal mit Ja oder Nein zu antworten, ob diese Tafel richtig ist.

SAUCKEL: Nach meiner persönlichen Erinnerung, ja.

M. HERZOG: Haben Sie diese Tafel zur Hand?

SAUCKEL: Nein, ich habe sie nicht.

M. HERZOG: Es handelt sich um das Dokument, welches gestern von dem Verteidiger des Angeklagten vorgelegt wurde, und das die verschiedenen Dienststellen erklärt.

VORSITZENDER: Welche Nummer hat die Tafel?

M. HERZOG: Es ist die Tafel Nummer 1, auf der dargestellt ist, in welcher Verbindung die Dienststelle Sauckels zu den Dienststellen anderer Ministerien stand. Ich verweise Sie auf die sechste Spalte von links, in der oben der Name des Angeklagten steht. Haben Sie es gefunden?

SAUCKEL: Jawohl.

M. HERZOG: Wenn Sie diese Spalte weiter unten ansehen, so finden Sie im dritten Viereck die Rüstungsinspektoren. Stimmt es, daß die Rüstungsinspektoren, wie hier dargestellt ist, dem Minister Funk unterstellt waren?

SAUCKEL: Unter Funk? Welches Feld meinen Sie? Das ist hier nicht ganz richtig. Das gehörte etwas seitwärts heraus. Das gehörte später unter Speer. Es steht Reichsautobahn, Straßeninspektoren, das gehörte nicht unter Funk. Das ist ein Irrtum.

M. HERZOG: Wollen Sie bitte außerdem das Quadrat daneben ansehen, welches den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz mit der Direktion der Reichsautobahn verbindet. Es ist das Viereck auf der rechten Seite, etwas oberhalb der beiden anderen. Sollte das wirklich mit den Reichsautobahnen verbunden sein? Gehört es nicht eigentlich zum oberen Quadrat, zu den Rüstungsinspektoren?

SAUCKEL: Ja, mir ist nicht erklärlich, wie dieser Irrtum in diese Zeichnung kommt. Ich habe die Zeichnung vorher nicht gesehen. Ich sehe hier diese Zeichnung zum ersten Male, es ist ein Fehler. Das habe ich nicht gewußt.

M. HERZOG: Sie haben also behauptet, daß diese Tafel richtig sei, bevor Sie sie überhaupt angesehen haben?

SAUCKEL: Ich habe angenommen, es ist dasselbe gewesen, was mir im fertigen Zustand vorgelegt wurde.

DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Ich habe ja gestern bei der Vorlage gesagt, daß bezüglich der einen Seite einige Unstimmigkeiten sind. Diese Unstimmigkeiten sind hereingekommen im Laufe der Vervielfältigungen. Aber ich habe das letzte nicht gesehen...

VORSITZENDER: Dr. Servatius! Im Rückverhör können Sie so viele Fragen stellen, wie Sie wollen. Es besteht aber kein Grund, gegen die gestellten Fragen Einspruch zu erheben, da sie in jeder Hinsicht korrekt sind.

M. HERZOG: Angeklagter! Sie wohnten den Konferenzen der Zentralen Planung für den Vierjahresplan bei, nicht wahr?

SAUCKEL: Zum Teil nur, soweit Arbeitsfragen zur Debatte standen.

M. HERZOG: Wollen Sie bitte dem Gerichtshof sagen, wer die Mitarbeiter waren, die Sie bei diesen Konferenzen begleiteten oder Sie vertraten?

SAUCKEL: Das war zum Teil verschieden; – Dr. Timm, Dr. Hildebrand, Dr. Stothfang; aber es war verschieden.

M. HERZOG: Welche von den hier anwesenden Angeklagten gehörten sonst noch zu den Persönlichkeiten, die diesen Konferenzen beiwohnten? Wollen Sie das bitte sagen?

SAUCKEL: Ich erinnere mich bestimmt nur an Herrn Speer, der von den Angeklagten an diesen Konferenzen teilgenommen hat. Ob Herr Funk an diesen teilgenommen hat, kann ich mich beim besten Willen an eine bestimmte Sitzung nicht erinnern. Es ist möglich, und es ist auch nicht möglich. Ich kann das nicht mit Bestimmtheit aus der Erinnerung sagen.

M. HERZOG: Und der Angeklagte Göring?

SAUCKEL: Ich habe in den Sitzungen der Zentralen Planung selbst den Reichsmarschall nicht gesehen. Ich weiß aber nicht, ob einige Besprechungen, die bei ihm stattgefunden haben, typische Sitzungen der Zentralen Planung gewesen sind, das weiß ich nicht; ob Sitzungen, an denen er teilgenommen hat zum Teil in Karinhall, unter den Begriff der Zentralen Planung fallen, kann ich nicht sagen. Es war nicht immer deutlich.

M. HERZOG: Wurden die Angeklagten Göring und Funk, wenn sie diesen Konferenzen nicht beiwohnten, durch irgend jemanden vertreten?

SAUCKEL: Der Reichsmarschall war vertreten durch Herrn Feldmarschall Milch. Und ob Herr Reichsminister Funk vertreten war... ich kann das heute aus der Erinnerung nicht mehr genau zu dem Zeitpunkt sagen, vielleicht durch Herrn Kehrl oder durch den einen oder anderen; es waren zahlreiche Herren da; ich habe sie nicht alle persönlich gekannt.

M. HERZOG: Stimmt es, daß während diesen Konferenzen der Zentralen Planung auch das allgemeine Programm des Arbeitseinsatzes im Einvernehmen mit allen dort anwesenden Persönlichkeiten oder ihrer Vertreter aufgestellt wurde?

SAUCKEL: Es wurden in der Zentralen Planung keine Gesamtbeschlüsse gefaßt, sondern es wurden dort die Forderungen bekanntgegeben. Da sie meist strittig waren, mußten sie an höherer Instanz, meist selbst beim Führer, geklärt werden; häufig.

M. HERZOG: Entstand nicht durch die Zentrale Planung eine Zusammenarbeit zwischen Ihnen und den anderen Angeklagten, die dort anwesend oder vertreten waren?

SAUCKEL: Die Zusammenarbeit ist nicht erst dort entstanden, weil diese Fragen ja schon vor der Bildung der Institution »Zentrale Planung« besprochen worden sind. Die Fragen sind dort auch besprochen worden und Forderungen aufgestellt und diskutiert worden.

M. HERZOG: Wollen Sie bitte das Dokument R-124 zur Hand nehmen, das dem Gerichtshof bereits unter US-179 vorgelegt wurde. In diesem Dokument werden Sie eine Erklärung sehen, die Sie bei der Sitzung vom 1. März 1944 abgegeben haben.