[Pause von 10 Minuten.]
M. HERZOG: Angeklagter! Ist es richtig, daß Ihr Mitangeklagter Göring alle Organisationen des Vierjahresplans, welche die Aushebung von Arbeitern betrafen, Ihrer Kontrolle unterstellt hat?
SAUCKEL: Die Organisationen des Vierjahresplans, die mit Arbeitsfragen befaßt waren, wurden aufgelöst; diese Fragen wurden ausschließlich in den Abteilungen 3 und 5 des Reichsarbeitsministeriums weiterbearbeitet.
M. HERZOG: Ist es richtig, daß Ihnen die Befugnisse des Reichsarbeitsministeriums, soweit sie den Arbeitseinsatz betrafen, übertragen wurden und daß Sie dadurch gesetzgebende und anordnende Gewalt übertragen erhielten?
SAUCKEL: Nur auf dem Gebiete der Abteilungen 3 und 5, soweit sie mit meiner Aufgabe zusammenhingen; das übrige Reichsarbeitsministerium ist vollständig für sich geblieben unter dem Reichsarbeitsminister.
M. HERZOG: Aber im Rahmen dieser Ressorts übten Sie von Ihrer Ernennung ab die Befugnisse des Reichsarbeitsministers aus, das heißt im Rahmen Ihres Amtes als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz?
SAUCKEL: Im Rahmen meiner Dienststelle als GBA. Ich möchte aber ausdrücklich betonen, die Abteilungen waren mir nicht unterstellt, sondern zur Verfügung gestellt. Es ist damals auf diese Unterscheidung starker Wert gelegt worden. Die Abteilungen blieben an sich im Gesamtverband des Arbeitsministeriums.
M. HERZOG: Durch diese Stellung hatten Sie verwaltungstechnische Autonomie in allem, was den Arbeitseinsatz betraf.
SAUCKEL: Nicht eine Autonomie, sondern nur auf Grund der Abstimmung. Verordnungen konnte ich nicht erlassen, ich konnte nur Anordnungen erlassen; ich war überall gehalten und angewiesen, die Zustimmung anderer Verwaltungsbehörden oder Reichsministerien herbeizuführen und die Zustimmung des Führers beziehungsweise meiner vorgesetzten Dienststelle zu erwirken.
M. HERZOG: Waren Sie nicht vom Führer mit unbeschränkten Vollmachten für die Werbung und Ausnützung von Arbeitskräften ausgestattet worden?
SAUCKEL: Nicht für die Werbung und Ausnützung von Arbeitskräften heißt es, sondern für die Lenkung und Steuerung. – Es ist ja so, wenn ich das sagen darf, daß der Vermittler von Arbeitern, das ist ja praktisch Arbeitseinsatz, nicht die Arbeiter selbst beschäftigt, sondern die Arbeiter beschäftigt der Betrieb, nicht der Vermittler.
M. HERZOG: Sie hatten doch Vollmacht für die Werbung von Arbeitern?
SAUCKEL: Nicht völlig allein, sondern nur nach Abstimmung und bei Zustimmung – vor allem im Ausland – der gebietlichen Behörde; so habe ich keine Werbung in Frankreich gemacht, ohne ausdrückliche Zustimmung der Französischen Regierung und deren Mitarbeit. Der französische Verwaltungsapparat war hierbei eingeschaltet.
M. HERZOG: Angeklagter Sauckel! Sie haben sich bei verschiedenen Gelegenheiten auf die Vereinbarung und Abreden berufen, die Sie in Frankreich mit denjenigen Personen getroffen haben, die Sie selbst »die Führer der Kollaboration« nannten. Sie wissen besser als jeder andere, daß diese »Führer der Kollaboration«, welche Frankreich vom Feinde aufgezwungen wurden, nur für Ihresgleichen eine Autorität darstellten und daß ihre Handlungen niemals von der Masse des französischen Volkes anerkannt wurden. Diese »Führer der Kollaboration« haben außerdem in ihren Aussagen, die Sie nicht bezweifeln werden, selbst erklärt, welchem Druck sie von Ihrer Seite her ausgesetzt waren, und über diese Frage wollen wir nun sprechen.
Ist es richtig, daß Sie am 16. April 1942, also fast einen Monat nach Ihrer Ernennung, in einem an den Angeklagten Rosenberg gerichteten Brief, der Ihnen gestern vorgelegt wurde und der Ihr Programm enthält, auch die Aushebung von ausländischen Arbeitern in Ihr Ausbeutungsprogramm aufgenommen haben?
SAUCKEL: Ich widerspreche dem Ausdruck »Ausbeutung«. Ich habe auf strikteste Anordnung des Führers die Werbung ausländischer Arbeiter, das ist richtig, in mein Programm aufnehmen müssen.
M. HERZOG: Ist es richtig, daß Sie die Aushebung ausländischer Arbeiter in Ihr Programm vom 16. April 1942 aufgenommen haben? Sie haben es gestern zugegeben und ich bitte Sie, es jetzt zu bestätigen.
SAUCKEL: Jawohl, das ist richtig. Ich betone nur, daß ich das auf ausdrücklichen Befehl getan habe.
M. HERZOG: Ist es richtig, daß dieses Programm vom 16. April 1942, also ungefähr drei Wochen nach Ihrer Ernennung, bereits die Grundsätze der Zwangsaushebung enthielt?
SAUCKEL: Es war auf ausdrücklichen Befehl des Führers mit vorgesehen, soweit die freiwillige Werbung nicht ausreichte. Ich habe das gestern schon meinem Verteidiger erklärt.
M. HERZOG: Erinnern Sie sich Ihres Erlasses vom 29. August 1942? Dieser Erlaß behandelte in erster Linie den Arbeitseinsatz in den besetzten Gebieten. Es ist der Erlaß Nummer 10 vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und bezieht sich auf den Arbeitseinsatz in den besetzten Gebieten.
Er wurde dem Gerichtshof als RF-17 übergeben. Erinnern Sie sich daran?
SAUCKEL: Ich entsinne mich der Anordnung Nummer 10, jawohl.
M. HERZOG: War diese Anordnung für die besetzten Gebiete, welche der deutschen Verwaltung unterstanden?
SAUCKEL: Nach meiner Erinnerung – ich habe die Anordnung nicht im Wortlaut und in den einzelnen Paragraphen vor mir – behandelte sie die Regelung von Arbeitsverhältnissen, die mit deutschen Firmen eingegangen worden waren. Sie hatte den Zweck, ein Durcheinander der Verhältnisse dort zu beseitigen.
M. HERZOG: Ist es richtig, daß Sie im August 1942 eine Dienstreise nach Paris machten.
SAUCKEL: Das ist möglich, ich kann mich an die einzelnen Daten natürlich nicht erinnern.
M. HERZOG: Ist es richtig, daß Sie im Januar 1943 eine Dienstreise nach Paris unternahmen?
SAUCKEL: Auch möglich, auch wahrscheinlich.
M. HERZOG: Stimmt es, daß Sie im Januar 1944 dienstlich in Paris waren?
SAUCKEL: Auch wahrscheinlich; ich habe die einzelnen Daten nicht.
M. HERZOG: Sie haben also Dienstreisen nach Paris unternommen, noch ehe die französischen Behörden die gesetzgebenden Verordnungen vom 4. September 1942 erlassen haben. Ist das richtig?
SAUCKEL: Ich habe die Frage nicht genau verstanden.
M. HERZOG: Ich frage Sie, ob es richtig ist, daß Sie Dienstreisen nach Frankreich unternommen haben, noch ehe die französischen Behörden die drei grundlegenden Gesetze über die Zwangsarbeit vom 4. September 1942, 16. Februar 1943 und 1. Februar 1944 erlassen haben?
SAUCKEL: Ich habe Reisen nach Paris nur angetreten zu dem Zwecke, um mit der Französischen Regierung zu verhandeln, und ich möchte dazu sagen, daß für mich nach meiner innersten Überzeugung...
M. HERZOG: Geben Sie zu, daß Sie im Verlauf dieser Dienstreisen den französischen Behörden die Zwangsarbeitsgesetze aufgezwungen haben?
SAUCKEL: Das stimmt so nicht, sondern es ist...
M. HERZOG: Sie bestreiten also, daß die Gesetze über die Zwangsarbeit unter Ihrem Druck erlassen wurden?
SAUCKEL: Ich bestreite das Wort »Druck«. Ich habe mit der Französischen Regierung einwandfrei verhandelt, ehe solche Gesetze erlassen wurden. Ich bestreite ausdrücklich das Wort »Druck«, und es sind ja genug Zeugen bei diesen Besprechungen anwesend gewesen.
M. HERZOG: Erinnern Sie sich an das Telephongespräch, das der Angeklagte Speer am 4. Januar 1943 mit Ihnen vom Führerhauptquartier aus führte?
SAUCKEL: Ja, ich habe wahrscheinlich verschiedene Gespräche von Speer bekommen; ich weiß nicht, welches Gespräch Sie im einzelnen meinen.
M. HERZOG: Erinnern Sie sich nicht an eine Mitteilung, die Sie nach diesem Telephongespräch vom 4. Januar 1943 an Ihre verschiedenen Dienststellen gesandt haben?
SAUCKEL: Ja, ich habe wahrscheinlich verschiedene Aktennotizen gemacht; denn ich muß mir ja eine Notiz machen, wenn ich ein Telephongespräch bekomme mit einem Auftrag.
M. HERZOG: Ich lege nunmehr Dokument 556-PS vor, welches dem Gerichtshof bereits als US-194 und RF-67 vorgelegt wurde.
Ich verlese dieses Dokument oder wenigstens seinen ersten Absatz:
»1. Am 4. Januar 1943, abends 8.00 Uhr, ruft Minister Speer vom Führerhauptquartier aus an und teilt mit, daß es auf Grund der Entscheidung des Führers nicht mehr notwendig sei, bei den weiteren Anwerbungen von Facharbeitern und Hilfskräften in Frankreich besondere Rücksichten auf die Franzosen zu nehmen. Es könne dort mit Nachdruck und verschärften Maßnahmen an die Werbung herangegangen werden.«
Ich frage Sie nun, Angeklagter, was Sie gemeint haben, als Sie sagten, daß es nicht mehr notwendig sei, »besondere Rücksichten auf die Franzosen zu nehmen«?
SAUCKEL: Ich habe ja nicht diese Notiz beziehungsweise diesen Entschluß selbst gefaßt, sondern es war dies eine Mitteilung aus dem Führerhauptquartier auf Grund einer Entscheidung des Führers. Ich habe trotzdem, und ich möchte das ausdrücklich betonen, mein Verhalten gegenüber der Französischen Regierung nicht geändert; das steht auch nicht im Protokoll; ich habe nach wie vor auf derselben höflichen Grundlage mit der Regierung verhandelt und bitte das Gericht, zu der Frage meiner Verhandlungen mit der Französischen Regierung, eine kurze Erklärung abgeben zu dürfen.
M. HERZOG: Sie können diese später im Laufe des Verhörs abgeben.
Erinnern Sie sich an die Unterredung, die Sie am 12. Januar 1943 mit französischen Stellen hatten?
SAUCKEL: Ich habe in der Deutschen Botschaft in Paris meines Wissens nur mit französischen Ministern verhandelt.
M. HERZOG: Gerade das frage ich Sie. Erinnern Sie sich an diese Unterredung mit französischen Behörden am 12. Januar 1943?
SAUCKEL: Ja, aber im einzelnen nicht; daß ich damals verhandelt habe, das ist wahrscheinlich, das ist schon möglich.
M. HERZOG: Erinnern Sie sich an die Personen, die an dieser Besprechung teilnahmen?
SAUCKEL: Ja, es haben gewöhnlich an diesen Unterredungen der französische Ministerpräsident, der französische Arbeitsminister, Minister Bichelonne, teilgenommen, von deutscher Seite der Botschafter und im Auftrag des Militärbefehlshabers Dr. Fischer und von mir wahrscheinlich Dr. Hildebrand oder einer der Herren.
M. HERZOG: Und Sie können sich nicht erinnern, was Ihnen Laval während dieser Unterredung vom 12. Januar 1943 gesagt hat?
SAUCKEL: In diesen Unterredungen sind sehr viele Dinge lang und eingehend besprochen worden. Ich weiß nicht, was Sie meinen.
M. HERZOG: Nun, ich werde Ihnen das Protokoll dieser Unterredung vorlegen. Es handelt sich um Dokument F-809, welches ich dem Gericht als Beweisstück RF-1509 vorlege.
Im Laufe dieser Unterredung gab Ihnen Laval eine lange Erklärung ab oder, genauer gesagt, mehrere Erklärungen.
VORSITZENDER: Wo können wir es finden?
M. HERZOG: Es ist in meinem Dokumentenbuch, Herr Vorsitzender. Es muß mit einem Zettel »809« versehen sein.
VORSITZENDER: Ja, ich habe es gefunden.
M. HERZOG: Ich verlese zunächst Seite 7 des französischen und des deutschen Textes.
»Gauleiter Sauckel verlangt jetzt noch weitere 250000 Arbeiter, Gauleiter Sauckel kennt sehr gut – seine Dienststellen werden ihn darüber unterrichtet haben – die Schwierigkeiten, die die Französische Regierung auf sich genommen hat, um das vorjährige Programm zu erfüllen. Der Gauleiter muß sich darüber Rechenschaft geben, daß im Hinblick auf die Zahl der Kriegsgefangenen und die Zahl der bereits für Deutschland eingesetzten Arbeiter die Entsendung von weiteren 250000 Arbeitern die Schwierigkeiten der Französischen Regierung noch größer machen wird. Ich kann dem Gauleiter diese Schwierigkeiten nicht verheimlichen, denn sie sind augenfällig, und die Deutschen, die in Paris sind, kennen diese Schwierigkeiten. Wenn der Gauleiter mir erwidert, man habe dieselben Schwierigkeiten in Deutschland überwinden müssen, und wenn er sogar erklärt, man müsse die französische Industrie ausweiten, so darf ich darauf hinweisen, daß Deutschland von Frankreich nicht nur Arbeiter fordert, sondern auch anfängt, die Maschinen aus den Fabriken nach Deutschland zu überführen. Wenn Frankreich auch sonst nichts mehr hat, so blieben ihm doch bisher seine Produktionsmittel. Wenn man Frankreich auch diese noch nimmt, so hat es auch seine Arbeitsmöglichkeiten verloren. Ich tue alles, um den deutschen Sieg zu erleichtern,...«
hier sehen Sie, daß Ihnen Laval nicht verdächtig vorzukommen braucht, Angeklagter,
»ich muß jedoch feststellen, daß die deutsche Politik fast jeden Tag härtere Forderungen an mich heranträgt, ohne daß diese Forderungen in den Rahmen einer einheitlichen Politik gestellt werden. Gauleiter Sauckel kann den deutschen Arbeitern sagen, daß sie für Deutschland arbeiten. Ich kann nicht sagen, daß die Franzosen für Frankreich arbeiten.
Ich sehe, daß die Französische Regierung auf vielen Gebieten nicht handeln kann. Es sieht fast so aus, als ob man deutscherseits auf den guten Willen der Franzosen keinen Wert legt und geneigt ist, in ganz Frankreich eine deutsche Verwaltung einzurichten. Man macht mir meine Aufgabe jeden Tag schwerer. Ich lasse mich zwar nicht entmutigen, halte es jedoch für meine Pflicht, den Gauleiter auf den Ernst der deutsch-französischen Beziehungen hinzuweisen und auf die Unmöglichkeit, in dieser Weise fortzufahren. Es handelt sich nicht mehr um eine Politik der Collaboration, sondern französischerseits um eine Politik der Opfer und deutscherseits um eine Politik des Zwanges.«
Ich gehe zur folgenden Seite, Seite 11, über:
»Der augenblickliche Geisteszustand in Frankreich, die Unsicherheit der Mittel, über die die Französische Regierung verfügt, die halbe Freiheit, in der sie sich befindet, gibt mir nicht die notwendige Autorität, um Gauleiter Sauckel eine sofortige Antwort zu geben. Wir können ja nichts machen. Wir sind nicht frei, die Löhne zu ändern, wir sind nicht einmal frei, den schwarzen Markt zu bekämpfen. Wir können keine politische Maßnahme treffen, ohne überall auf eine deutsche Behörde zu stoßen, die sich uns substituiert.
Ich kann nicht als Garant für Maßnahmen tätig sein, die ich nicht selbst ergreife. Ich bin überzeugt, daß der Führer gar nicht weiß, daß die Französische Regierung nicht handeln kann. Es kann in einem Lande keine zwei Regierungen geben über Fragen, die nicht unmittelbar die Sicherheit der Besatzungsarmee betreffen.«
Ich überspringe zwei Seiten und verlese auf Seite 18 diesen einfachen Satz:
»Es ist mir nicht möglich, lediglich Syndikus deutscher Zwangsmaßnahmen zu sein.«
Dieses Dokument lege ich Ihnen vor, Angeklagter, und stelle Ihnen dazu zwei Fragen:
Die erste Frage ist: Was haben Sie Präsident Laval geantwortet, als er Ihnen diese Erklärung abgab?
Und die zweite Frage ist: Glauben Sie nicht, daß hieraus der Druck, den Sie ja bestreiten, deutlich hervorgeht?
SAUCKEL: Zunächst müßte ich, wenn es das Gericht gestattet, meine Antworten an den Präsident Laval vorlesen. Das Dokument beweist ja, und das hat mir der Präsident Laval verschiedentlich bestätigt, daß ich in korrekter Form mit ihm verhandelt habe, und ich habe auch stets, trotzdem mir der Auftrag gegeben war, keine politischen Gespräche zu führen, sondern nur über meinen fachlichen Auftrag, über diese Dinge dem Führer immer wieder berichtet. Ich glaube, daß der Ton meiner Antwort vollständig einwandfrei ist. Es waren eben Verhandlungen, die von meiner Seite...
M. HERZOG: Das habe ich Sie ja gar nicht gefragt. Ich habe Sie gefragt, was Sie ihm geantwortet haben, als er Ihnen diese Erklärung gegeben hat und als er Ihnen zum Beispiel sagte, daß er unmöglich Syndikus deutscher Zwangsmaßnahmen sein könne.
SAUCKEL: Dann müßte ich meine Antwort vorlesen. Ich selbst habe sie nicht mehr im Gedächtnis.
M. HERZOG: Sie bestreiten also, daß hieraus die Tatsache eines Druckes klar hervorgeht?
SAUCKEL: Der Präsident Laval hat sich hier nicht über mich beschwert, sondern er hat sich über die allgemeinen Verhältnisse in Frankreich beschwert; denn es war ja eine Besatzungszeit, es war ja so, daß dort eine deutsche Besatzung war, es war Krieg.
M. HERZOG: Gut, dann lege ich Ihnen das Dokument vor.
DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Zu der Aktennotiz möchte ich auf einen Übersetzungsfehler hinweisen, der hier zu erheblichem Mißverständnis führt; nach der Notiz heißt es, es könne »mit Nachdruck und verschärften Maßnahmen an die Werbung herangegangen werden«. Das Wort »Nachdruck« ist übersetzt worden mit »pressure« im Englischen. Das ist aber nicht gemeint. Es ist nicht Druck gesagt, sondern »Nachdruck«, das heißt man kann mit Energie auf die nächste Stelle drücken.
VORSITZENDER: Wie mir gesagt wird, steht in der Übersetzung, die wir hier haben, »emphasis« (Nachdruck).
DR. SERVATIUS: »pressure«.
VORSITZENDER: Hier wird gesagt, in der Übersetzung steht »Nachdruck«. Nein, nein, die Übersetzung ist »emphasis«, das heißt »Nachdruck« in diesem Dokument.
DR. SERVATIUS: Oh, ich habe die französische Übersetzung.
M. HERZOG: Ich lege Ihnen das Dokument vor...
VORSITZENDER: Ist dieses Dokument aus der PS-Serie?
M. HERZOG: Nein, Herr Präsident, es ist ein neues, französisches Dokument, das ich vorlege und das die Nummer RF-1509 tragen wird.
VORSITZENDER: Woher kommt dieses Dokument?
M. HERZOG: Dieses Dokument, Herr Vorsitzender, kommt aus den Archiven des Hotels Majestic in Paris, in dem sich die deutschen Dienststellen befanden. Die Archive sind vor einigen Monaten in Berlin wieder aufgefunden worden, und wir haben die Sauckel-Dokumente herausgenommen.
Ich unterbreite dem Gerichtshof die Ursprungsbescheinigung für die Sauckel-Akten sowie auch für diejenigen Dokumente, die ich dem Gerichtshof im Laufe meines Kreuzverhörs noch vorlegen werde. Vielleicht wünscht der Gerichtshof, daß ich es verlese, da das Dokument auf französisch ist.
VORSITZENDER: Ja bitte. Sie meinen die Niederschrift. Was ist das für eine Niederschrift? Von wem wurde sie aufgenommen?
M. HERZOG: Diese Niederschrift wurde von zwei Personen aufgenommen, von Major Henri, dem Verbindungsoffizier bei der amerikanischen Dokumentenzentrale in Berlin und von meinem französischen Kollegen Gerthoffer, der zusammen mit Major Henri dieses Archiv beschlagnahmt hat.
VORSITZENDER: Dann wird es wohl besser sein, daß Sie diese Niederschrift verlesen, damit sie in unser hiesiges Prozeßprotokoll aufgenommen wird.
M. HERZOG:
»Ich, Charles Gerthoffer, Staatsanwalt beim Seine-Gericht, beordert zum Internationalen Militärgerichtshof zur Aburteilung der Hauptkriegsverbrecher, habe mich zum Ministerial Collecting Center nach Berlin begeben und erhielt von Major Henri, dem Chef der französischen Mission mit Genehmigung von Oberst Helm von der Armee der Vereinigten Staaten, dem Chef der Dienststelle 6889, des Berliner Collecting Center, sieben Akten aus den Archiven des Militärbefehlshabers in Frankreich über Zwangsarbeit, die beim M.C.C. unter folgenden Nummern geführt sind: 3 DS, Nr. 1 bis 213, 4 DS Nr. 1 bis 230, 5 DS Nr. 1 bis 404 und zwei Anlagen; 6 DS Nr. 1 bis 218, 7 DS Nr. 1 bis 118 und eine Anlage: 1 bis 121; 50 DS Nr. 1 bis 55, 71 DS Nr. 1 bis 40.
Ich erkläre vor Major Henri, daß ich diese Akten übernehme, um sie dem Internationalen Militärgerichtshof zur Aburteilung der Hauptkriegsverbrecher zur Benutzung während des Verfahrens vorzulegen und daß diese Akten endgültig im französischen Justizministeri um, in dessen Besitz sie bleiben, hinterlegt werden.
Dieses Dokument ist in fünf Exemplaren ausgefertigt, wovon eines als Affidavit für den Internationalen Militärgerichtshof bestimmt ist.
Gezeichnet Gerthoffer,
gezeichnet Henri.«
Dies ist das Ursprungszeugnis der Dokumente selbst.
Ich habe noch ein zweites Zeugnis, das...
SAUCKEL: Darf ich zu dem ersten noch eine Bemerkung machen? Das erste ist die Niederschrift...
M. HERZOG: Ich möchte Sie bitten, mich nicht zu unterbrechen.
VORSITZENDER: Herr Herzog! Die Dokumente kamen vom Hotel Majestic?
M. HERZOG: Jawohl, Herr Vorsitzender.
VORSITZENDER: Und das Hotel Majestic war die Stelle...
M. HERZOG: Das war der Ort, wo sich in Paris die Büros des deutschen Militärbefehlshabers und der verschiedenen Besatzungsdienststellen befanden. Diese Dokumente, die zur Zeit der Befreiung verschwunden waren, tauchten in Berlin beim Ministerial Collecting (center) wieder auf. Das Dokument, das ich Ihnen eben vorlegte, ist die Ursprungsbescheinigung dieser Akten. Ich habe ebenfalls ein Ursprungszeugnis der Dokumente, die ich aus den Akten entnommen habe und bin bereit, sie zu verlesen, wenn der Gerichtshof es wünscht.
VORSITZENDER: Das Hotel Majestic war also der Sitz der deutschen Militärregierung in Paris, ist das richtig?
M. HERZOG: Jawohl, Herr Vorsitzender, soweit ich mich nicht irre. Wünscht der Gerichtshof, daß ich zum mindesten einen Auszug aus dem anderen Ursprungszeugnis verlese, das sich auf das Dokument selbst bezieht?
VORSITZENDER: Ich dachte, Sie hätten es schon verlesen?
M. HERZOG: Nein, Herr Vorsitzender, ich unterbreitete dem Gerichtshof zwei Ursprungszeugnisse. Das erste, das ich soeben verlesen habe, ist das Ursprungszeugnis über sieben Akten, die zahlreiche Dokumente enthalten. Aus diesen sieben Akten haben wir nur eine gewisse Anzahl von Dokumenten herausgenommen, die wir dem Gerichtshof vorlegen, und deshalb hielt ich es für gut, nach Verlesung des Ursprungszeugnisses für die Akten auch noch...
VORSITZENDER: Die zweite Bescheinigung besagt nur, daß die Dokumente, die Sie vorlegen, aus jenen Akten stammen?
M. HERZOG: Jawohl, Herr Vorsitzender.
VORSITZENDER: Und die Akten selbst stammen aus dem Hotel Majestic, dem Sitz der deutschen Militärverwaltung. Wollen Sie auch das zweite Dokument in das Protokoll verlesen?
M. HERZOG: Ich lege beide vor.
VORSITZENDER: Bieten Sie die deutschen Originaldokumente als Beweis an?
M. HERZOG: Jawohl, Herr Vorsitzender.