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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Zeuge! Entsinnen Sie sich einer Gelegenheit im Jahre 1942, kurz nach Ihrer Ernennung, als Sie sich mit einigen leitenden Beamten des Arbeitsministeriums trafen und mit ihnen Ihr zukünftiges Programm besprachen, das Sie im Begriffe waren, aufzustellen und für das Sie jetzt die Verantwortung übernehmen wollen? Erinnern Sie sich daran?

SAUCKEL: Ich kann mich an Einzelheiten dieser Unterredung natürlich nicht entsinnen. Es sind verschiedene Punkte des Programms besprochen worden, und ich darf vielleicht im Zusammenhang auch zu der Stellungnahme des Verteidigers des Angeklagten Rosenberg sagen, daß das, was er zitiert hat...

MR. DODD: Einen Augenblick; einen Augenblick; ich habe Sie nur gefragt, ob Sie sich an diese Besprechung erinnern, und Sie sagten nein. Hier ist nun das Dokument.

SAUCKEL: An Einzelheiten dieser Besprechung nicht.

MR. DODD: Schauen Sie sich dann das Protokoll dieser Besprechung an.

VORSITZENDER: Welches Dokument ist das?

MR. DODD: Es ist EC-318.

VORSITZENDER: Welche Beweisstücknummer trägt es? Ist es schon vorgelegt worden oder nicht?

MR. DODD: Ich lege es jetzt vor. Ich bekomme die Nummer erst vom Sekretariat. Ich werde die Nummer später angeben, Herr Vorsitzender. Ich habe keine Vorbereitungen getroffen, dieses Dokument vorzulegen; daher hatte ich die Nummer nicht im voraus.

[Zum Zeugen gewandt:]

Nun möchte ich Ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf einige Stellen lenken. Zunächst erzählen Sie den versammelten Beamten, daß Sie mit ihnen eng zusammenarbeiten wollen. Dann im Laufe der weiteren Besprechung geben Sie einen Überblick über die Anzahl der Arbeitskräfte, die Sie auszuheben beabsichtigen. Sie erwähnen, daß schätzungsweise eine Million gebraucht wird. Dann heben Sie an diesem Tage ganz klar hervor, daß die meisten Ihrer Leute, der Großteil dieser Arbeiter aus dem Osten, besonders aus Sowjetrußland kommen sollten.

Sie erzählten diesen Beamten von einer mehrstündigen Unterredung mit dem Führer und daß Sie mit dem Reichsmarschall acht Stunden lang gesprochen hätten; sie wären sich alle darin einig gewesen, daß das wichtigste Problem die Ausbeutung der Arbeitskräfte aus dem Osten wäre.

Sie erwähnten ferner... sehen Sie das dort?

SAUCKEL: Wo ist von »Ausbeutung« die Rede; das Wort finde ich nicht.

MR. DODD: Finden Sie die Stelle, wo Sie sagten, Sie hätten Ihre Aufgabe mit dem Führer in einer mehrstündigen Unterredung besprochen? Finden Sie das?

SAUCKEL: Ich finde das nicht.

MR. DODD: Sie haben den deutschen Text vor sich, nicht wahr?

SAUCKEL: Ja, aber wollen Sie mir bitte freundlicherweise die Seite sagen?

MR. DODD: Seite 2, Mitte. Haben Sie es gefunden?

SAUCKEL: Herr Ankläger! Ich möchte ausdrücklich auf den Wortunterschied im Deutschen zwischen »Ausnutzung« und »Ausbeutung« hinweisen. »Ausbeutung« ist ein Begriff, der etwas anrüchig ist in der Arbeitersprache; »Ausnutzung« ist eine ganz gewöhnliche Darstellung; eine Sache zu benützen, heißt sie nutzbar zu machen. Das ist ein großer Begriffsunterschied in der deutschen Sprache.

MR. DODD: Wir wollen bei unserer Ansicht bleiben, und Sie können bei der Ihrigen bleiben; der Gerichtshof wird dann zwischen uns beiden entscheiden, welches die richtige Auslegung ist. Gleichviel, ob Sie »ausnützen« oder »ausbeuten« gesagt haben, sagten Sie trotzdem, daß das wichtigste Problem das »Ausnützen« oder das »Ausbeuten« war.

SAUCKEL: Das ist nicht gleichviel, Herr Ankläger, das ist im Deutschen ein elementarer Sprachunterschied. Darauf muß ich aufmerksam machen; das Wort »Ausbeutung« ist ein Wort, das ich nicht gebraucht habe und auch nicht brauchen wollte.

VORSITZENDER: Angeklagter! Sprechen Sie etwas leiser! Sie übertönen die Stimme des Übersetzers.

SAUCKEL: Ich bitte um Entschuldigung, Euer Lordschaft.

MR. DODD: Es interessiert mich nicht, ob Sie mit dem Wort »ausbeuten« einverstanden sind oder nicht. Dies ist ein sehr unwichtiger Teil des Dokuments, wie Sie das wahrscheinlich schon selbst erkannt haben.

SAUCKEL: Ich bitte, Ihnen widersprechen zu dürfen. Das Wort ist sehr wichtig vom menschlichen Standpunkt aus.

MR. DODD: Es liegt mir gar nichts daran, mit Ihnen zu streiten.

VORSITZENDER: Angeklagter! Der Gerichtshof kann sehr wohl den Unterschied zwischen den beiden Worten verstehen, und Sie gaben uns die Auslegung, die Ihrer Meinung nach richtig ist.

MR. DODD: Nun, etwas weiter unten. Erinnern Sie sich, daß Sie sagten, eine Million Russen wären so rasch als möglich nach Deutschland zu bringen, um sogar noch vor der Offensive einsatzfähig zu sein? Es ist der nächste oder zweitnächste Satz in Ihrem Text. Sie werden es nicht sehen, wenn Sie auf mich schauen. Lesen Sie den nächsten Satz.

SAUCKEL: Ja, ich bitte, den nächsten Satz lesen zu dürfen.

»Die Voraussetzung für die Übernahme seines Auftrages wäre die Sicherstellung der Ernährung der Russen zu annähernd denselben Sätzen, wie sie für die deutsche Zivilbevölkerung gelte, gewesen.«

MR. DODD: Sie haben den Satz ausgelassen, den ich von Ihnen gelesen haben wollte. Ich weiß wohl, daß das kommt, aber ich möchte, daß Sie den Satz lesen, worin Sie sagen, Sie hätten eine Million Russen schnellstens in das Reich zu bringen; das ist der nächste oder übernächste Satz nach dem, in dem das Wort »ausbeuten« oder »ausnutzen« vorkommt, das Sie vorhin diskutiert haben.

SAUCKEL: »... müßten schnellstens in das Reich gebracht werden.«

MR. DODD: Das ist alles, was ich wissen will. Erinnern Sie sich, das gesagt zu haben?

SAUCKEL: Ja, daß ich das gesagt habe. Ich muß zu dieser Darstellung bemerken, das ist eine Niederschrift, die ich vorher nie gesehen oder kontrolliert habe. Irgend jemand hat sie gemacht. Die Niederschrift selbst kannte ich nicht und habe sie nicht vorgelegt bekommen.

MR. DODD: Nun, sie dürfte wohl stimmen, auch wenn Sie nicht von Ihnen selbst stammt.

Wollen wir jetzt zu dem vorletzten Absatz übergehen. Dort finden Sie einen Satz, der lautet oder besagt:

»Sie« – die Russen – »müßten durch die deutsche Verwaltung im Osten so scharf angefaßt werden, daß ein Stimmungsgefälle erzeugt werde, das sie gern nach Deutschland zur Arbeit gehen ließe.«

Haben Sie das gefunden?

SAUCKEL: Darf ich bitten, mir zu sagen, wo der Satz steht?

MR. DODD: Er folgt, unmittelbar auf den Satz, worin Sie von Ihren Verhandlungen mit Himmler sprechen. Vielleicht hilft Ihnen das. Finden Sie die Stelle, wo Sie sagen, Sie hatten Verhandlungen mit dem Reichsführer-SS; es gelang Ihnen, ihn dahin zu bringen, daß er die Stacheldrahtumzäunungen niederlegen ließ? Das haben Sie doch gewiß gelesen? Finden Sie jetzt den Satz:

»Sie müßten durch die deutsche Verwaltung im Osten so scharf angefaßt werden, daß ein Stimmungsgefälle erzeugt werde, das sie gern zur Arbeit gehen ließe.«

Erinnern Sie sich, das gesagt zu haben?

SAUCKEL: Ich kann mich auf diesen Ausdruck im einzelnen nicht festlegen, daß ich ihn so gesagt habe; denn ich habe schon bemerkt, das ist eine Niederschrift von Ausführungen proklamatischer Art, die ich selbst nicht kontrolliert habe. Ich kann mich nicht festlegen, wie ein Dritter hier aus seiner Erinnerung eine Wiedergabe niedergeschrieben hat. Es ist das kein stenographisches Protokoll, sondern eine Wiedergabe, die weder von irgend jemand unterzeichnet ist, und in der...

MR. DODD: Sie brauchen keine längeren Erklärungen darüber abzugeben, daß diese Notizen von einer anderen Person stammen. Sie wurden Ihnen nicht als Ihre eigenen unterbreitet.

SAUCKEL: Ja, ich habe das Recht und die Pflicht, das zu sagen.

MR. DODD: Warten Sie doch einen Augenblick, und lassen Sie mich hie und da eine Frage an Sie stellen. Ich habe nicht behauptet, dies seien Ihre Notizen, ich zeigte sie Ihnen lediglich, um festzustellen, ob Sie sich, nachdem Sie sie sahen, daran erinnern können? Und erinnern Sie sich daran oder nicht?

SAUCKEL: Ich erinnere mich an diese Stelle keineswegs; ich kann hier nur das lesen, was eine dritte Person, von der ich nicht weiß, wer sie war, niedergeschrieben hat. Sie kann mich auch sehr wohl mißverstanden haben, das ist möglich...

MR. DODD: Nun, es steht hier auch, Sie hätten eine Unterhaltung mit dem Reichsführer-SS gehabt. Erinnern Sie sich, daß Sie dies im Laufe dieser Unterhaltung oder Rede, oder was es auch immer war, sagten?

SAUCKEL: Der Reichsführer-SS hat mich verschiedene Male angegangen und angehalten, und ich habe beim Reichsführer-SS ja durchsetzen müssen, daß Stacheldrahtumzäunungen niedergelegt werden; das habe ich gemacht. Ich habe die Anordnungen des Reichsführers-SS von Beginn meiner Dienstzeit an abgemildert und bin dadurch in einen starken Widerspruch gekommen.

MR. DODD: Dann stimmt also dieser Teil des Protokolls. Der Protokollführer oder wer auch sonst dies niederschrieb, hat richtig berichtet, was Sie über die Verhandlungen mit dem Reichsführer-SS sagten, nicht wahr? Das finden Sie, geht in Ordnung?

SAUCKEL: Was er im einzelnen niedergeschrieben hat, worüber ich mich unterhalten haben soll, habe ich noch nicht gelesen.

MR. DODD: Hören Sie zu! Sehen Sie sich das Schriftstück noch einmal an. Sie beanstanden den Satz, der berichtet, daß Sie sagten, sie sollten im Osten scharf angefaßt werden; aber Sie beanstanden nicht den vorhergehenden Satz, der besagt, daß Sie den Stacheldraht entfernen ließen. Stimmt das nicht?

Anscheinend beschweren Sie sich über die Tatsache, daß dies nicht Ihr eigener Bericht, sondern der eines anderen war. Haben Sie das gelesen?

SAUCKEL: Nein.

MR. DODD: Nun, es ist der Satz vor dem, über den wir gerade sprachen. Können Sie ihn wirklich nicht finden? Brauchen Sie Hilfe?

SAUCKEL: Ja, hier sind zwei Seiten doppelt.

MR. DODD: Alles, was ich Sie fragte, Herr Zeuge, ist, ob der Satz über Ihre Besprechung mit Himmler ein einigermaßen zutreffender Bericht über das ist, was Sie gesagt haben?

SAUCKEL: Das kann ich Ihnen aus der Erinnerung nicht beantworten. Ich habe mit Himmler außerordentlich wenig gesprochen und nur sehr flüchtig, es können auch Verhandlungen gewesen sein, die meine Dienststelle in meinem Auftrag geführt hat, das kann ich Ihnen nicht sagen.

MR. DODD: Die Antwort zu alledem ist also, daß Sie sich nicht daran erinnern, was Sie damals sagten; das Dokument hilft Ihnen nicht, sich daran zu erinnern.

SAUCKEL: Sie können von mir unmöglich verlangen, daß ich mich exakt erinnere an Vorgänge, die sehr flüchtig gewesen sind und schon sehr weit zurückliegen.

MR. DODD: Ich bin gern bereit, es dabei zu belassen. Hier steht ein geschriebenes Protokoll gegen das Versagen Ihres Gedächtnisses; ich überlasse es dem Gerichtshof zur Beurteilung.

VORSITZENDER: Herr Dodd! Vielleicht sollten Sie ihm...

SAUCKEL: Das ich aber vorher nicht selbst gekannt habe.

VORSITZENDER: Herr Dodd! Vielleicht sollten Sie ihm den nächsten Absatz vorlegen:

»Als Drittes...« Er folgt nach dem Satz über die harte Behandlung.

MR. DODD: Jawohl, Herr Vorsitzender!