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[Zum Zeugen gewandt:]

Sie erinnern sich doch der Konferenz? Haben Sie sich diese Aufzeichnungen angesehen?

SAUCKEL: Es war die Konferenz über die Zentrale Planung.

MR. BIDDLE: Ja, das ist richtig. Haben Sie sich diese Aufzeichnungen angesehen?

SAUCKEL: Jetzt?

MR. BIDDLE: Ja.

SAUCKEL: Ja.

MR. BIDDLE: Geben Sie ungefähr wieder, was sich ereignete? Im wesentlichen war es ein Bericht über die Konferenz, nicht wahr?

SAUCKEL: Ja, in diesem Augenblick – ich bitte zu entschuldigen – kann ich mich an den konkreten Besprechungsgegenstand damals nicht erinnern.

MR. BIDDLE: Haben Sie beim Lesen dieser Aufzeichnungen irgend etwas gefunden, was Sie als einen wesentlichen Fehler betrachten?

SAUCKEL: Ich kann es jetzt nicht sagen, welcher Gegenstand gemeint ist.

MR. BIDDLE: Haben Sie die Aufzeichnungen gelesen?

SAUCKEL: Ich habe nicht alle Aufzeichnungen über die Zentrale Planung gelesen. Damals waren mir die Aufzeichnungen über die Zentrale Planung nicht erhältlich. Ich habe also nicht gewußt, daß über die Zentrale Planung Aufzeichnungen gemacht wurden.

MR. BIDDLE: Reden Sie nicht so viel! Ich habe Sie nur gefragt, ob Sie sie gelesen haben und Sie sagten, Sie hätten sie nicht alle gelesen. Das genügt.

SAUCKEL: Ich habe nicht alle gelesen.

MR. BIDDLE: Haben Sie irgendwelche Fehler in dem Teil gefunden, den Sie gelesen haben?

SAUCKEL: Ich habe Ungenauigkeiten gefunden, jawohl.

MR. BIDDLE: Ungenaue Teile?

SAUCKEL: Ungenauigkeiten. Zum Beispiel die Wiedergabe meines Zwischenrufes »200000 zu 5 Millionen«; das ist ein vollkommen unmögliches Verhältnis.

MR. BIDDLE: Ich habe einen Ausdruck nicht ganz verstanden, den Sie nach diesen Aufzeichnungen gemacht haben. Und ich frage Sie, was Sie damit meinten. Sie sprechen von Ihren Sonderbeauftragten für Arbeitswerbung. War das der Ausschuß für sozialen Frieden, über den Sie gestern sprachen, mit ungefähr 1000 Leuten? Erinnern Sie sich dessen?

SAUCKEL: Ja.

MR. BIDDLE: Ist das dasselbe?

War das der Ausschuß, von dem Sie, wie ich glaube, sagten, daß er durch die SS und die Polizei in Frankreich, oder wo er auch sonst eingesetzt wurde, besonders ausgebildet werden mußte?

SAUCKEL: Ja.

MR. BIDDLE: Sie sagten übrigens, sie seien bewaffnet gewesen. Warum waren sie bewaffnet? Warum haben sie Waffen getragen?

SAUCKEL: Sie mußten zum persönlichen Schutz und zum Schutz derjenigen, die sie warben, eine Verteidigungsmöglichkeit gegen Angriffe haben.

MR. BIDDLE: Sie hatten doch sonst nichts mit der Polizei zu tun. Warum haben Sie dieses bewaffnete Polizeikorps aufgestellt? Warum halfen Sie dabei mit, dieses bewaffnete Polizeikorps aufzustellen?

SAUCKEL: Es war kein bewaffnetes Polizeikorps in dem üblichen Sinne, wie man das versteht, sondern es war...

MR. BIDDLE: Beschreiben Sie es nicht! Wir wissen, was es war. Warum haben Sie es aufgestellt? Ich dachte, Sie hätten sich von polizeilichen Maßnahmen ferngehalten?

SAUCKEL: Um einen Schutz für diese Leute zu haben und für diese Lokale, die sehr oft von der Widerstandsbewegung überfallen, zertrümmert oder belästigt worden sind.

MR. BIDDLE: Ich verstehe. Es war eine Organisation, die die Anwerbung schützen sollte. Stimmt das?

SAUCKEL: Jawohl.

MR. BIDDLE: Ich möchte nur noch eine Frage zu einem anderen Dokument stellen, 016-PS, datiert vom 20. April 1944. Es war »Das Programm des Arbeitseinsatzes«, welches Sie herausgegeben und unterzeichnet haben. Sehen Sie es sich an. Ist es das Programm, das Sie unterzeichnet haben?

SAUCKEL: Nein.

MR. BIDDLE: Nein? Ich weiß nicht, was Sie meinen.

SAUCKEL: Ich habe Sie falsch verstanden, glaube ich. Ich hatte verstanden 1944, es handelt sich...

MR. BIDDLE: Nein, nein, am 20. April 1942. Sie haben »Das Programm des Arbeitseinsatzes« herausgegeben. Ist das das Programm, das von Ihnen unterzeichnet wurde und Ihnen als Beweisstück 016-PS gezeigt wurde? Das ist doch das Programm?

SAUCKEL: Das Programm – darf ich folgendes sagen: Es war ein Programm, das nicht unmittelbar besagt...

MR. BIDDLE: Angeklagter! Beantworten Sie die Frage! Alles, was ich zunächst wissen möchte, ist: Haben Sie ein »Programm des Arbeitseinsatzes« herausgegeben?

SAUCKEL: Das habe ich getan, aber...

MR. BIDDLE: Gut. Und es ist das Programm, das dieses Beweisstück aufzeigt? Ich will es nur identifizieren.

SAUCKEL: Ja.

MR. BIDDLE: Gut. Ich möchte Sie nun einiges über das Hereinbringen von Jugendlichen der besetzten Gebiete in das Reich fragen. Gewisse Jugendliche wurden hereingebracht, nicht wahr?

SAUCKEL: Es wurden Jugendliche hereingebracht, aber gegen meinen...

MR. BIDDLE: Gegen Ihre Absicht, sagten Sie. Wie viele wurden hereingebracht?

SAUCKEL: Das kann ich aus meinem Wissen unmöglich sagen, das weiß ich nicht. Es waren Jugendliche...

MR. BIDDLE: In welchem Alter? Wie jung waren sie?

SAUCKEL: Das kann ich auch nicht sagen, in welchem Alter die Jugendlichen waren, denn es handelte sich um Familien, die auf Grund von Flüchtlingsmaßnahmen oder Evakuierungen anderer Stellen mit ins Reich innerhalb ihrer Familien gekommen sind. Dann sind ein zweites Mal bei der sogenannten »Heu-Aktion« 1944 Jugendliche ins Reich gekommen, aber ohne daß ich dabei dann beteiligt gewesen bin.

MR. BIDDLE: Sie wissen selbstverständlich, daß es Jugendliche waren, heranwachsende Kinder. Das wissen Sie doch?

SAUCKEL: Ja.

MR. BIDDLE: Zu welchem Zweck wurden sie hereingebracht? Wurden sie zur Arbeit angeworben, oder sollten sie im Reich erzogen werden?

SAUCKEL: Es liegen hier verschiedene Komplexe vor, innerhalb deren Jugendliche ins Reich gebracht worden sind. Ein Teil dieser Jugendlichen ist nicht geworben worden und ist auch nicht durch Agenten hereingekommen, sondern sie sind in der Durchführung von Flüchtlings- und Räumungsmaßnahmen mit ihren Familien auf Wunsch der Familien mit hereingekommen, und andere sind hereingekommen...

MR. BIDDLE: Einen Augenblick. Wir wollen diejenigen, die mit ihren Familien hereingekommen sind, weglassen. Es wurden auch einige zum Arbeiten angeworben, nicht wahr?

SAUCKEL: Für die Arbeit durften Jugendliche unter dem gesetzlichen Alter von 14 Jahren nicht hereingebracht werden. Es wurden durch Vereinbarungen, wie sie in den Dokumenten vorgetragen worden sind, von anderen Stellen Jugendliche zur Erziehung und Betreuung hereingebracht.

MR. BIDDLE: Angeklagter! Sie beantworten keine Fragen. Ich fragte Sie, ob einige zum Arbeiten hereingebracht wurden, ob Kinder von 14 bis 20 Jahren zum Arbeiten angeworben und hereingebracht wurden?

SAUCKEL: Aber nur Freiwillige wurden hereingebracht.

MR. BIDDLE: Nur Freiwillige wurden hereingebracht?

SAUCKEL: Jugendliche sollten nur als Freiwillige hereingebracht werden.

MR. BIDDLE: Sie warben also keine unfreiwilligen Jugendlichen; meinen Sie das?

SAUCKEL: Ich nicht.

MR. BIDDLE: Ich meine nicht Sie persönlich, ich meine die Verwaltung.

SAUCKEL: Nein, die Arbeitsverwaltung sollte keine Jugendlichen, vor allem nicht die Mädchen, zwangsweise, sondern freiwillig anwerben. Hausgehilfinnen waren nur Freiwillige.

MR. BIDDLE: Einige wurden auch hereingebracht, um in Deutschland erzogen und deutsche Staatsbürger zu werden, nicht wahr?

SAUCKEL: Das habe ich aus den Dokumenten ersehen. Aber es geschah nicht auf meine Veranlassung.

MR. BIDDLE: Sie wußten vorher nichts darüber? Hat Ihnen irgend jemand mitgeteilt, daß es mit dem Völkerrecht im Einklang stand, Leute in den besetzten Gebieten zu zwingen, nach Deutschland zur Arbeit zu kommen?

SAUCKEL: Ich bin vom Führer eindringlich zu dieser Maßnahme verpflichtet worden, und es ist mir als zulässig geschildert worden. Es hat keine Stelle gegen diese Maßnahmen Bedenken oder Einspruch erhoben, sondern es entsprach der Forderung aller Stellen.

MR. BIDDLE: Das habe ich Sie nicht gefragt. Ich habe Sie gefragt, ob Ihnen irgend jemand mitgeteilt hat, daß dies mit dem Völkerrecht im Einklang stand.

SAUCKEL: Nein.

MR. BIDDLE: Sie wußten doch, daß das Außenamt derartige Dinge berücksichtigen mußte.

SAUCKEL: Ich habe ja mit dem Außenamt verschiedentlich gesprochen und es wurde das alles in Ordnung befunden, weil wir der Überzeugung waren, daß in diesen Gebieten auf Grund der vorliegenden Kapitulationsbedingungen die Einführung deutscher Vorschriften unter den gegebenen Verhältnissen zulässig und möglich war, auch unter Berücksichtigung der bestehenden Verträge. Das ist mein Glaube gewesen.

MR. BIDDLE: Behaupten Sie, das Auswärtige Amt habe Ihnen mitgeteilt, daß Sie nach Völkerrecht berechtigt waren, Leute aus Rußland zu zwingen, zur Arbeit nach Deutschland zu kommen?

SAUCKEL: Es ist mir niemals vom Auswärtigen Amt etwas Gegenteiliges gesagt worden, aber das Auswärtige Amt war, glaube ich, für die Frage im Osten nicht zuständig. Ich weiß das nicht.

MR. BIDDLE: Wen haben Sie um Rat gefragt?

SAUCKEL: Ich habe diese Bestimmungen schon vorgefunden, ehe ich in mein Amt kam; da lagen diese Entscheidungen schon vor. Sie wurden mir beim Führer ausdrücklich aufgetragen.

MR. BIDDLE: Dann ist die Antwort, daß Sie niemanden fragten. Stimmt das?

SAUCKEL: Ich habe niemanden gefragt; ich konnte niemanden fragen, weil alle Stellen meine Maßnahmen ja wünschten und annahmen. Es hat niemals eine gegenteilige Diskussion darüber stattgefunden.

MR. BIDDLE: Und Sie sagten, daß es nicht Aufgabe der Polizei war, die Arbeitsanwerbung zwangsweise durchzuführen?

SAUCKEL: Es war nicht Aufgabe der Polizei, Anwerbungen durchzuführen.

MR. BIDDLE: Warum haben Sie bei der Konferenz am 4. Januar 1944, über die Dokument 1292-PS berichtet, gesagt, daß Sie alles, was in Ihrer Macht stünde, tun werden, um im Jahre 1944 die geforderten Arbeitskräfte aufzubringen, daß der Erfolg in erster Linie jedoch davon abhängen werde, welche deutschen Behörden zur zwangsweisen Durchführung zur Verfügung stünden und daß Ihr Projekt mit einheimischen Durchführungsstellen nicht durchgeführt werden könne.

Bedeutet das nicht, daß die Polizei Ihr Arbeiteranwerbungsprogramm erzwingen mußte?

SAUCKEL: Nein, es bedeutete – die Wiedergabe dieses Protokolls ist nicht sehr genau – ich habe dem Führer gegenüber ausgeführt, daß ich sein Programm wahrscheinlich nicht durchführen könnte, weil es erheblich große Partisanengebiete gäbe; ehe diese Partisanengebiete nicht so bereinigt seien, daß eine geregelte Verwaltung dort stattfinden könne, könne dort auch keine Werbung stattfinden. Es müßten also vorher die verwaltungsmäßigen, normalen Zustände wieder hergestellt werden. Das konnte nur von Organen erfolgen, die dafür bestimmt waren.

MR. BIDDLE: Was verstanden Sie unter deutschen Durchführungsstellen?

SAUCKEL: Mit deutschen Durchführungsstellen meinte ich an sich die normale Verwaltung. Aber die war in manchen Gebieten zu schwach.

MR. BIDDLE: Warum hat dann der Reichsführer-SS erklärt, daß ihm nur sehr wenig Durchführungsstellen zur Verfügung ständen, wenn diese Durchführungsstellen nicht Polizeistellen waren?

SAUCKEL: Ich hatte die Frage ursprünglich nicht richtig verstanden. Der Reichsführer, glaube ich, brachte nach meiner Erinnerung zum Ausdruck, daß er zur Befriedung dieser Gebiete nicht genügend Mannschaften hätte, da die alle an der Front wären. Das bezog sich nicht auf die Werbung und verwaltungsmäßige Dienstverpflichtung, sondern auf die Wiederherstellung geordneter Zustände in diesen Gebieten.

MR. BIDDLE: Wollen Sie also sagen, daß es nicht die Aufgabe der Polizei war, Ihnen bei der Arbeitsanwerbung zu helfen, sondern daß es Aufgabe des Militärs war?

SAUCKEL: Das war nach den verschiedenen Anordnungen in den Gebieten durchaus verschieden. Es gab Gebiete, in denen Militärbefehlshaber die alleinige Exekutivgewalt hatten, und es gab Gebiete, in denen zivile Behörden die Gebietshoheit auf deutscher Seite ausgeführt haben. Es gab eine dritte Art von Gebieten, die Heeresoperationszonen mit rückwärtigen Gebieten, in denen die Oberbefehlshaber des Heeres die vollziehende Gewalt hatten.

MR. BIDDLE: Dann war es entweder die Polizei oder das Militär oder andere Stellen, die Ihre Zwangsverpflichtungen durchführen sollten? Stimmt das?

SAUCKEL: Ja, aber auch in diesen Gebieten standen zivile Verwaltungsapparate zur Verfügung, die nicht mit der Truppe oder mit der Polizei identisch waren, sondern innerhalb dieser Wehrmachtsorganisationen eigene Verwaltungszweige darstellten unter einem besonderen Verwaltungschef.

MR. BIDDLE: Dann verstehe ich nicht, was Sie meinten, als Sie sagten, daß Ihr Projekt nicht mit einheimischen Durchführungsstellen ausgeführt werden konnte.

Das ist alles, was ich fragen wollte. Der Angeklagte kann auf die Anklagebank zurückkehren.

DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Ich bitte aus dem Dokument 3 – das ist eine Aufzeichnung der Dienststellen Sauckels – zu sehen, welche Stellung der Zeuge gehabt hat, den ich nun rufen will. Es sind unter Sauckel im Reichsarbeitsministerium verschiedene Abteilungen, davon ist die Abteilung des Zeugen Timm das sogenannte Europa-Amt, das unter sich wieder drei Stellen hat, die eine für den Westen, die andere für den Osten, die dritte für das übrige, Süden und Südosten. Mit Erlaubnis des Gerichts rufe ich dann den Zeugen Timm.