[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]
VORSITZENDER: Wie heißen Sie?
ZEUGE MAX TIMM: Max Timm.
VORSITZENDER: Sprechen Sie folgenden Eid nach: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«
[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]
VORSITZENDER: Sie können sich setzen.
DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Sie waren im Reichsarbeitsministerium in der Abteilung Arbeitseinsatz tätig?
TIMM: Jawohl. Das ist zutreffend.
DR. SERVATIUS: Waren Sie schon da, als Sauckel die Stelle übernahm?
TIMM: Ja, und war einige Jahre vorher in der Arbeitsverwaltung.
DR. SERVATIUS: Welchen Eindruck erhielten Sie von Ihrem neuen Chef, als Sauckel sein Amt übernahm?
TIMM: Als Sauckel sein Amt übernahm, hatte ich den Eindruck eines sehr energischen, arbeitsfreudigen Menschen, der zum Teil zuweilen erregbar war und auch wohl zu Zornesausbrüchen kam, der von seinen Mitarbeitern viel forderte, aber auch an sich selbst hohe Anforderungen stellte.
DR. SERVATIUS: Wie war er in der Durchführung seiner Maßnahmen?
TIMM: Bei seinem Amtsantritt fand er auf dem Gebiet des Arbeitseinsatzes ein ziemliches Durcheinander vor. Jeder machte in Arbeitseinsatz.
DR. SERVATIUS: War das der Grund, warum dieses Amt geschaffen wurde?
TIMM: Die vorhergehenden Chefs hatten nicht genügend Durchschlagskraft, um sich gegen manche Stelle durchzusetzen, und Sauckel war der starke Mann und besonders der starke politische Mann, der diese Dinge in Ordnung bringen sollte.
DR. SERVATIUS: Wie faßte Sauckel nun diese neue Arbeit an? Hielt er sich an die Verwaltungsbestimmungen, oder machte er das freier, wie man sagt, in einer wilden neuen Art?
TIMM: Er sah seine Aufgabe sehr stark als politische Aufgabe, gab sich aber immer. Mühe, die Verwaltungsdinge ordnungsgemäß ablaufen zu lassen. Er war allgemein bekannt als beamtenfreundlicher Gauleiter. Er hielt auch, um alle Stellen seiner Verwaltung zu unterrichten, in gewissen Abständen sogenannte Stabsbesprechungen ab, in denen die hauptsächlichsten Dinge, die wichtigsten Dinge besprochen wurden.
DR. SERVATIUS: Welche Stellung hatten Sie in dem Amt?
TIMM: Ich hatte zunächst in der Abteilung Arbeitseinsatz eine Unterabteilung und später eine Abteilung.
DR. SERVATIUS: Mit was befaßte sich diese Abteilung?
TIMM: Diese Abteilung hatte den fachlichen Einsatz aller Arbeitskräfte zu regeln, insbesondere die Fragen der Facharbeitereigenschaft, Anlernung von Arbeitskräften, Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung.
DR. SERVATIUS: Hieß Ihr Amt auch Europa-Amt?
TIMM: Jawohl.
DR. SERVATIUS: Hatten Sie einen Gesamtüberblick über das, was in diesem Amt vorging?
TIMM: Nicht umfassend dadurch, daß Gauleiter Sauckel auch gleichzeitig noch weiter Gauleiter in Thüringen blieb und er in Berlin im Thüringenhaus arbeitete, während die ihm zur Verfügung gestellten Fachabteilungen im Arbeitsministerium blieben.
DR. SERVATIUS: Nein. Sie hatten meine Frage nicht verstanden. Ob Sie von Ihrem Amt aus einen Überblick über alles hatten, was im Arbeitseinsatz vor sich ging, ohne Rücksicht auf die Tätigkeit Sauckels.
TIMM: Jawohl. Nicht ganz umfassend, weil nicht alle Vorgänge durch die Zersplitterung der Dienststellen an uns herankamen.
DR. SERVATIUS: Was waren die Stabsbesprechungen, wer nahm daran teil, und aus was für Leuten setzten sie sich zusammen?
TIMM: Zu den Stabsbesprechungen waren überwiegend die Verbindungsmänner zu den einzelnen Ressorts geladen.
DR. SERVATIUS: Was waren das für Leute?
TIMM: Das waren Leute verschiedener Art, Beamte, aber auch Wirtschaftler und ähnliches.
DR. SERVATIUS: Sie müssen einmal angeben, von welchen Dienststellen diese Leute kamen, oder waren es Leute, die bei Sauckel im Amt waren?
TIMM: Das waren überwiegend Männer anderer Ressorts, wie zum Beispiel ein Vertreter des Beauftragten für den Vierjahresplan, Vertreter des Rüstungsministeriums, Vertreter des Ostministeriums und anderer Ressorts.
DR. SERVATIUS: Ist das der sogenannte fachliche Arbeitsstab?
TIMM: Das war der fachliche Arbeitsstab.
DR. SERVATIUS: Wieviel Personen waren das etwa?
TIMM: Nach meiner Schätzung werden es etwa 15 bis 20 Personen gewesen sein.
DR. SERVATIUS: Daneben hatte Sauckel einen persönlichen Arbeitsstab. Aus was für Leuten setzte der sich zusammen?
TIMM: Der persönliche Arbeitsstab setzte sich überwiegend aus Männern zusammen, die Sauckel aus Weimar mitgebracht hatte, aus Männern seiner engeren Umgebung.
DR. SERVATIUS: Nun, hatte er noch Referenten? Wer war das?
TIMM: Er hatte zwei persönliche Referenten. Das war Landrat Berch und Ministerialrat Dr. Stothfang.
DR. SERVATIUS: Und welche Stelle hatte Dr. Didier?
TIMM: Dr. Didier war, soweit ich mich erinnere, der Pressereferent.
DR. SERVATIUS: Wie verliefen nun diese Stabsbesprechungen? Was war der Gegenstand der Besprechungen?
TIMM: In diesen Stabsbesprechungen wurden alle Dinge des Arbeitseinsatzes, also des gesamtdeutschen Arbeitseinsatzes, besprochen. Eingeleitet wurden die Sitzungen im allgemeinen durch ein umfassendes Referat von Herrn Sauckel, in denen er seine Pläne für die Zukunft entwickelte.
DR. SERVATIUS: Wurden die Fragen der Werbung in den besetzten Gebieten besprochen und was hier interessiert, die Schwierigkeiten, die dort bestanden, die Methoden, von denen wir gehört haben? Was wurde darüber vorgetragen?
TIMM: Fragen der Werbung selbst wurden im allgemeinen dort weniger besprochen, sondern mehr die sich im Reiche abspielenden Fragen.
DR. SERVATIUS: Ich habe Sie zunächst über die besetzten Gebiete gefragt. Wurde zum Beispiel ein Fall, der hier vorgetragen worden ist, die Besetzung eines Kinos, Erfassung von Leuten in einem Kino und ähnliche solche Fälle besprochen?
TIMM: Jawohl, der Fall mit dem Kino ist mir bekannt.
DR. SERVATIUS: Der wurde dort besprochen?
TIMM: Jawohl, der wurde besprochen.
DR. SERVATIUS: Was wurde veranlaßt?
TIMM: Herr Sauckel hat verschiedene Herren – ich weiß im einzelnen nicht mehr welche – sofort beauftragt, alle Recherchen anzustellen, die nur möglich wären, um den Fall aufzuklären.
DR. SERVATIUS: Sind nun andere Fälle gemeldet worden?
TIMM: Es waren keine Fälle, die in der Schwere mit dem eben geschilderten Fall gleichzustellen waren.
DR. SERVATIUS: Wurde nun auch über die Frage der Arbeitsbedingungen für die ausländischen Arbeiter in Deutschland gesprochen?
TIMM: Über Fragen der Arbeitsbedingungen wurde auch in den Stabsbesprechungen gesprochen.
DR. SERVATIUS: Wurde da nicht gemeldet, daß in einzelnen Lagern oder Betrieben Zustände vorlagen, die beanstandet wurden?
TIMM: Es wurden schon Fälle dieser Art besprochen, und zwar lagen sie im allgemeinen auf dem Gebiete der Bekleidung, Ernährung und ähnlicher Dinge.
DR. SERVATIUS: Wie kamen denn diese Meldungen an die Stabsbesprechungen heran? Wer trug das vor, woher erfuhr man das?
TIMM: Herr Sauckel legte immer wieder Wert darauf, diese Dinge draußen in der Praxis prüfen zu lassen und unterhielt ein weitverzweigtes System von Inspektionen, um sich ein Bild über diese Fragen zu verschaffen, und diese Inspektionsberichte waren dann Gegenstand eingehender Besprechungen in den Stabsbesprechungen.
VORSITZENDER: Ich habe eine Mitteilung zu machen.
Nach Beratung des Antrages der Anklagebehörde vom 21. Mai und des Memorandums der Verteidigung vom 29. Mai fällt der Gerichtshof folgende Entscheidung:
Dem Antrag der Anklagebehörde, daß die Plädoyers über die Schuld oder Unschuld der einzelnen Angeklagten nach Abschluß der Beweiserhebung für die einzelnen Angeklagten und vor Beginn des Beweisverfahrens gegen die angeklagten Organisationen gehalten werden sollen, wird stattgegeben. Der Gerichtshof wird jedoch über die Frage der Schuld oder Unschuld jedes Angeklagten keine Entscheidung treffen, bis das ganze Beweismaterial angehört worden ist. Wenn ein Verteidiger eines Einzelangeklagten glaubt, daß irgendwelches Beweismaterial für die angeklagten Organisationen seine Verteidigung unterstützen könnte, so kann er beantragen, hierzu nochmals gehört zu werden. Nach Abschluß der Beweiserhebung für die einzelnen Angeklagten wird der Gerichtshof daher zuerst die Plädoyers für sie hören und sodann die Plädoyers der Anklagebehörde. Die Schlußworte jedes Angeklagten, die ihm selbst zustehen, werden am Ende des Prozesses vor dem Urteil gehört werden.
Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Plädoyers über die Schuld oder Unschuld der einzelnen Angeklagten besser sofort nach Abschluß der Beweisaufnahme gehört werden, bevor der Gerichtshof davon abgeht und zum Falle der Organisationen übergeht. Außerdem gibt diese Anordnung den Kommissionären, die das Beweismaterial über die Organisationen entgegennehmen, mehr Zeit, ihre Arbeit zu vollenden. Die Angeklagten werden durch diese Anordnung keinen Nachteil erleiden; denn außer dem Umstand, daß ihr Fall wesentlich verschieden ist von dem der Organisationen, ist ihnen gestattet, die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf alle Umstände zu lenken, die sich aus der Verhandlung gegen die Organisationen ergeben und welche sie als für ihre Verteidigung wertvoll ansehen.
Der Gerichtshof findet nichts im Statut, das dieses Verfahren verbieten könnte. Artikel 9 überläßt es dem Ermessen des Gerichtshofs, die Art und Weise der Beweisaufnahme für die angeklagten Organisationen zu bestimmen.
Den Verteidigern für die einzelnen Angeklagten wird es nicht gestattet sein, Zeugen im Kreuzverhör zu vernehmen, die von den Verteidigern der Organisationen für diese gerufen worden sind, oder an einem derartigen Verfahren teilzunehmen, es sei denn, daß sie vom Gerichtshof hierzu besonders ermächtigt werden.
Das ist alles.
Der Gerichtshof wird morgen von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr eine öffentliche Sitzung abhalten.