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[Zum Zeugen gewandt:]

Sie haben kurz vorher erklärt, daß die in Ihrer Gegenwart in Paris abgehaltenen Besprechungen freundschaftlicher Art waren. Erinnern Sie sich daran, an der Konferenz vom 12. Januar 1943 teilgenommen zu haben?

TIMM: Das ist mir im Augenblick nicht möglich, nach dem Datum die Teilnahme zu bestätigen, ich könnte es aber nach dem Inhalt der Besprechung wissen, ob ich dabeigewesen bin.

M. HERZOG: Ich habe gestern dem Gerichtshof das Dokument F-809 vorgelegt; es handelt sich um das Protokoll dieser Besprechung. Im Laufe der Konferenz erklärte Laval unter anderem Sauckel gegenüber:

»Es handelt sich nicht mehr um eine Politik der Kollaboration, sondern französischerseits um eine Politik der Opfer und deutscherseits um eine Politik des Zwanges... Wir können keine politischen Maßnahmen treffen, ohne überall auf eine deutsche Behörde zu stoßen, die sich uns substituiert. Ich kann nicht als Garant für Maßnahmen tätig sein, die ich nicht selbst ergreife....Es ist nur nicht möglich, lediglich Syndikus deutscher Zwangsmaßnahmen zu sein.«

Waren das Ihrer Meinung nach Bemerkungen »freundschaftlicher Art«?

TIMM: Ich habe das eine Wort nicht verstanden. »Glauben Sie, daß das...«

M. HERZOG: »Freundschaftlicher Art«. Sie haben gesagt, daß diese Besprechungen freundschaftlich gewesen sind. Ich habe Ihnen jedoch einen Auszug des Inhalts dieser Besprechungen vorgelegt. Glauben Sie jetzt noch immer, daß diese »freundschaftlicher Art« waren?

TIMM: Ich kann nur den Geist der Verhandlungen bestätigen, an denen ich teilgenommen habe. Diese Ausführungen sind mir in der vorgetragenen Form nicht bekannt.

M. HERZOG: Wenn Sie diese jedoch gekannt hätten, würden Sie dann auch sagen, daß es sich um Besprechungen freundschaftlicher Art gehandelt habe?

VORSITZENDER: Der Zeuge war nicht anwesend. Er hat gerade erklärt, daß er darüber nichts weiß. Wir können selbst beurteilen, ob der Ton freundschaftlicher Art war.

M. HERZOG: Sie haben früher erklärt, daß Sie keine Kenntnis von Zwangsdeportationen hatten.

TIMM: Ich habe zum Ausdruck gebracht, daß mir keine Zwangsdeportationen in der Zuständigkeit des GBA bekannt sind; kenne ich auch nicht.

M. HERZOG: Erinnern Sie sich an eine auf der Wartburg am 15. und 16. Juli 1944 abgehaltene Tagung, an der Sie teilnahmen und bei der sich Sauckel und eine Anzahl von Präsidenten der Gauarbeitsämter und Mitarbeiter von Sauckel trafen?

TIMM: Auf der Wartburg war eine Besprechung der Präsidenten der Gauarbeitsämter. Zu dieser Besprechung bin ich dort gewesen.

M. HERZOG: Erinnern Sie sich, dort gesprochen zu haben?

TIMM: Jawohl.

M. HERZOG: Erinnern Sie sich an eine von Ihnen abgegebene Erklärung bezüglich der Anwerbungsmethoden?

TIMM: Das erinnere ich mich so nicht aus dem Gedächtnis.

M. HERZOG: Ich lege Ihnen nunmehr Dokument F-810 vor, welches gestern dem Gerichtshof als RF-1507 unterbreitet wurde. Der Gerichtshof findet den Auszug, welchen ich dem Zeugen vorlegen will, auf Seite 10. Sie sprachen über Besprechungen, die der GBA mit der Wehrmacht zwecks Zusammenarbeit in der Zwangsanwerbung hatte, und erklärten:

»Der Führer hat die Anwendung von Zwangsmaßnahmen in vollem Umfange gebilligt.«

Leugnen Sie ab, daß Ihnen die Einziehung von Arbeitern durch Zwangsmaßnahmen bekannt war?

TIMM: Ich bitte um einen Augenblick Zeit, weil ich es bisher noch nicht gefunden habe. Es hat mir noch nicht vorgelegen. Es handelt sich um eine Niederschrift eines Teilnehmers, anscheinend des Militärbefehlshabers in Paris. Ich habe meine Ausführungen zu dieser Frage hier nicht zur Hand, könnte aber wohl denken, daß der GBA bei der schwierigen...

M. HERZOG: Bitte, sehen Sie sich dann Seite 8 an, Absatz IV.

TIMM: Seite 8, jawohl.

M. HERZOG: Unter Absatz IV auf Seite 8:

»Zum europäischen Arbeitseinsatz, über dessen Probleme, Mittel und Wege bemerkt Timm folgendes:

1. Nordeuropa...

2. Südostraum...

3. Italien...

4. Frankreich...«

Dann kommen wir zu einem Satz, zu dem ich Sie um eine Erklärung bitte, weil Sie diese Bemerkung machten. Wollen Sie das beantworten? Bestreiten Sie noch immer Ihre Kenntnis der Tatsache, daß es sich um Zwangsdeportationen gehandelt hat?

TIMM: Ich habe nicht die Absicht, etwas zu bestreiten, sondern kann nur zum Ausdruck bringen, daß Sauckel an sich vom Führer wohl Vollmacht hatte, alle vernünftigen Wege zu beschreiten, um die Heranbringung von Kräften zu aktivieren.

Es sind in Frankreich ja auch Maßnahmen eingeleitet und durchgeführt worden, wenn auch im Einverständnis mit dem damaligen Ministerpräsidenten Laval, die man vielleicht als Zwang bezeichnen könnte.

M. HERZOG: Ich danke. Ich habe nunmehr eine letzte Frage an Sie. Sie haben nach diesem Auszug erklärt: »Der Führer hat... gebilligt.«

Wenn der Führer etwas gebilligt hat, heißt das, daß ihm etwas vorgeschlagen wurde? Ist das nicht eine Tatsache?

TIMM: Soweit ich mich erinnern kann, trug Gauleiter Sauckel stets das Ergebnis seiner Besprechungen in Paris dem Führer vor. Es ist möglich, daß er dort die Frage der Methode der Anwerbung, die er mit Laval besprochen hat, dem Führer vorgetragen hat, und es war üblich, daß er sich dann, wie ich schon einmal bei meiner Vernehmung sagte, der Billigung des Führers stets vergewisserte, um nicht in Widerspruch zu den Auffassungen Hitlers zu arbeiten.

M. HERZOG: Ich danke; ich habe keine weiteren Fragen mehr.

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Das Dokument, das Ihnen zuletzt vorgelegt wurde, L-61 aus der Saarlandstraße, liegt Ihnen vor... nicht im Original, sondern es steht darin: »Gezeichnet Sauckel«.

Nun hat mich Herr Sauckel dahin informiert, daß es möglich sei, daß er es nicht selbst unterschrieben habe, sondern daß er nur allgemein unterrichtet worden sei, es liege etwa die und die Post vor, es sind normale Durchgangsschreiben, und daß er seine Vollmacht gegeben habe, zu unterzeichnen. Ist das denkbar?

TIMM: Es war so, daß die Abteilungen in der Saarlandstraße...

VORSITZENDER: Dr. Servatius! Hat das Sauckel gesagt, als er vernommen wurde, oder hat er Ihnen das privat mitgeteilt. Erinnern Sie sich?

DR. SERVATIUS: Ich kann es nicht genau sagen, ob er hier das erklärt hat.

VORSITZENDER: Fahren Sie fort.

DR. SERVATIUS: Beantworten Sie die Frage.

TIMM: Jawohl. Es kam schon vor, da Sauckel seine Funktion als Gauleiter in Weimar weiter durchführte, daß ihn Vorlagen nicht erreichten. Die Abteilungen in der Saarlandstraße legten ihre Entwürfe im Thüringer Haus dem persönlichen Referenten vor, und da war es schon möglich – ich weiß das aus meiner Kenntnis der Verhältnisse –, daß der Inhalt der Entwürfe telephonisch durchgegeben wurde und daß die persönlichen Referenten befugt wurden, den Namen des Generalbevollmächtigten darunterzusetzen.

DR. SERVATIUS: War das so eine umfangreiche Post, daß er von den einzelnen Schreiben keine genaue Kenntnis nahm?

TIMM: Das ist schwer für mich zu beurteilen.

DR. SERVATIUS: Das genügt.

Noch eine Frage: Führer-Sauckel-Speer. Ist es richtig, daß der Angeklagte Sauckel Ihnen gesagt hat, der Führer habe ihm befohlen, allen Anforderungen Speers nachzukommen?

TIMM: Ob diese Äußerung direkt gefallen ist, weiß ich nicht.

DR. SERVATIUS: Es ist Ihnen hier das Dokument vorgelegt worden, wo Laval sich beschwert über das Verhalten der deutschen Dienststellen. Bezog sich diese Beschwerde auf die Tätigkeit Sauckels, oder war es nicht so, daß er Sauckel gegenüber von diesen Beschwerden Mitteilung gemacht hatte und er sich dann bei Sauckel selbst bedankte für dessen Haltung?

TIMM: Ich erinnere mich aus den Besprechungen bei Laval, daß Laval mehrfach Sauckel gegenüber seine Dankbarkeit dafür zum Ausdruck brachte, daß er von ihm vorgeschlagene Maßnahmen und Erleichterungen bewerkstelligt hatte; insbesondere lag Laval immer daran, daß, wie er sich ausdrückte, das Klima und die Atmosphäre in Ordnung gebracht werden müßten und daß er den Wunsch hatte, möglichst bald zu Besprechungen mit Hitler selbst zu kommen, und Sauckel bat, ihm doch den Weg zu öffnen. Soviel ich weiß hat Sauckel Besprechungen dieser Art auch durchgeführt, und dafür bedankte sich Laval.

DR. SERVATIUS: Ich habe nun an den Zeugen keine Fragen mehr.

MR. BIDDLE: Die Aufgabe des GBA war, Arbeiter zu besorgen, um die Männer, die von der Industrie in die Wehrmacht überwiesen waren, zu ersetzen. Darin bestand ein Großteil Ihrer Arbeit, nicht wahr?

TIMM: Die Aufgabe des GBA war viel umfassender, da die ganzen Aufgaben früher in Arbeits...

MR. BIDDLE: Gut, ich verstehe schon, aber das war doch ein Teil Ihrer Arbeit, nicht wahr?

TIMM: Jawohl.

MR. BIDDLE: Gut! Nun, es wurde Ihnen deshalb im voraus die Zahl der Leute mitgeteilt, welche die Wehrmacht aus der Industrie herauszog, nicht wahr? So konnten Sie Ihre Schätzungen aufstellen.

TIMM: Die Zahlen wurden in der Zentralen Planung abgeglichen. Das war gerade die Aufgabe der Zentralen Planung, daß die im OKW geplanten...

MR. BIDDLE: Einen Moment. Ich will nicht wissen, wer die Zahlen prüfte; aber Ihre Organisation hatte doch gewiß Kenntnis von den Bedürfnissen der Wehrmacht, von der Anzahl der Leute, die die Wehrmacht aus der Industrie herauszog. Sie mußten doch diese Informationen haben, nicht wahr?

TIMM: Die vorgesehenen Einziehungen wurden der Zentralen Planung mitgeteilt.

MR. BIDDLE: Schön. Diese wurden der Zentralen Planung mitgeteilt. Dann nahm man auch Leute aus der Industrie, die nicht für die Wehrmacht bestimmt waren, nicht wahr? Ich meine Juden.. Sie entfernten Juden aus den Betrieben, stimmt das nicht? Sauckel sagte gestern, daß Juden aus der Industrie entfernt wurden. Sie geben das zu, nicht wahr?

TIMM: Ja, Juden wurden aus der Industrie entfernt.

MR. BIDDLE: Gut. Und ich nehme an, daß die Zentrale Planung über die Anzahl der aus der Industrie entfernten Juden benachrichtigt wurde, nicht wahr?

TIMM: Das ist mir nicht bekannt. In den Besprechungen, bei denen ich dabeigewesen bin...

MR. BIDDLE: Glauben Sie nicht, daß das der Fall gewesen sein müßte, wenn Sie Ersatzmänner stellen mußten. Das mußte doch so sein, nicht wahr?

TIMM: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nur die Gesamtzahl der Einziehungen kennenlernte, aber unabhängig von der Judenfrage. Da kann ich mir kein Urteil erlauben, das weiß ich nicht.

MR. BIDDLE: Wissen Sie nicht, daß Himmler und die SS der Zentralen Planung die Zahl der Juden mitteilten, die aus der Industrie entfernt wurden und ersetzt werden mußten. Das ist Ihnen doch als eine Tatsache bekannt, nicht wahr?

TIMM: Nein.

MR. BIDDLE: Sie wissen es nicht?

TIMM: Nein. Ich weiß nur, daß wir gewisse Auszüge mal vom Reichsführer-SS bekamen, daß aus der Industrie Kräfte herausgezogen wurden und daß gerade auf Einspruch des Generalbevollmächtigten, der für Ersatz sorgen sollte, diese Maßnahme, daran erinnere ich mich, zum Teil wieder zurückgezogen wurde.

MR. BIDDLE: Und Sie wissen, daß eine der Aufgaben des Reichsführers-SS war, Juden aus der Industrie zu entfernen? Sie wissen das doch?

TIMM: Ich weiß von Auszügen aus Mitteilungen, daß Juden aus der Industrie herausgezogen würden.

MR. BIDDLE: Das ist alles.

VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen.

Der Gerichtshof vertagt sich.