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[Zum Zeugen gewandt:]

Wie war das Verhältnis Speer-Sauckel?

STOTHFANG: Offenbar ist die Einsetzung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zurückzuführen auf einen Vorschlag, den der Minister Speer dem Führer gemacht hat.

DR. SERVATIUS: Ich beziehe mich auf das Dokument 58 im Dokumentenbuch II, im deutschen Text Seite 167, im englischen Text Seite 156. Das ist die Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter vom 25. März 1944, und ich verlese hier den Paragraphen 2:

»Arbeitsentgelt. Für die Ostarbeiter gelten die gleichen Lohn- und Gehaltsbedingungen wie für sonstige ausländische Arbeitskräfte. Ostarbeiter erhalten ein Arbeitsentgelt nur für die tatsächlich geleistete Arbeit.«

VORSITZENDER: In welchem Verhältnis standen diese Löhne zu den Löhnen der deutschen Arbeiter?

STOTHFANG: Es war grundsätzlich bestimmt, daß der gleichen Arbeitsleistung die entsprechenden deutschen Löhne zugrunde gelegt werden müßten, um einen zusätzlichen Gewinn der Betriebe bei der Beschäftigung von Ostarbeitern zu vermeiden.

DR. SERVATIUS: Erinnern Sie sich einer Besprechung, in der Goebbels Sauckel gegenüber zu der Politik Sauckels bezüglich der sozialen Fragen und Lohnfragen Stellung genommen hat?

STOTHFANG: Ja.

DR. SERVATIUS: Wollen Sie es schildern?

STOTHFANG: An dieser Besprechung habe ich selber nicht teilgenommen. Ich kenne sie nur aus der Darstellung des Kollegen Dr. Hildebrand, der mit dem Gauleiter Sauckel an dieser Besprechung teilgenommen hat.

Es handelt sich um die erste Aussprache der beiden Herren nach der Bestellung des Reichsministers Goebbels zum Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz. Anwesend bei dieser Besprechung war der Minister Speer, und in dieser Besprechung hat Reichsminister Dr. Goebbels dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vorgeworfen, daß seine bisherigen Maßnahmen...

VORSITZENDER: Er sagt uns jetzt, was Hildebrand ihm gesagt hat, nicht wahr?

DR. SERVATIUS: Jawohl.

VORSITZENDER: Nun, Hildebrand war schon Zeuge und wurde darüber nicht befragt.

DR. SERVATIUS: Es ist eine Verwechslung der beiden Zeugen. Sie sind erst kurz gekommen. Ich bitte, vielleicht zu gestatten, daß der Zeuge sagt, was Hildebrand ihm gesagt hat. Es ist darauf zurückzuführen, daß der Zeuge ja sehr kurz hier war.

VORSITZENDER: Herr Dr. Servatius! Der Gerichtshof hält diese Frage nicht für zulässig.

DR. SERVATIUS: Bestanden mit Speer Schwierigkeiten?

STOTHFANG: Zu Anfang nicht. Im Laufe der Jahre entwickelten sich Schwierigkeiten wegen der grundsätzlich verschiedenen Auffassung der beiden Herren.

VORSITZENDER: Auf die Beziehungen zwischen Sauckel und Speer wurde schon genügend eingegangen.

DR. SERVATIUS: Ja, ich will diese Frage zurückziehen.

[Zum Zeugen gewandt:]

Was hatten die Dienststellen mit dem Einsatz von Konzentrationslagerhäftlingen zu tun; wurden diese vermittelt?

STOTHFANG: Nein.

DR. SERVATIUS: Bekamen Sie keine Meldungen darüber, daß Kräfte aus anderen Betrieben verschwanden und auf diese Art und Weise zu den Konzentrationslagerarbeitern kamen?

STOTHFANG: Darüber sind keine Meldungen eingegangen.

DR. SERVATIUS: Ist Ihnen bekannt, daß Konzentrationslagerarbeiter in größeren Mengen eingesetzt worden sind zur Arbeit?

STOTHFANG: Das war an sich der allgemeine Brauch der Polizei, Häftlinge zu beschäftigen.

DR. SERVATIUS: An Sie kamen darüber keine Meldungen?

STOTHFANG: Nein. Es ist versucht worden, Einfluß insofern zu gewinnen, weil die Meldungen über den Einsatz der Konzentrationslagerhäftlinge an die Dienststelle der Arbeitsverwaltung erstattet werden sollte, um für die allgemeine Planung im Arbeitseinsatz berücksichtigt werden zu können.

Diese Meldungen haben aber die Arbeitsämter nicht bekommen.

DR. SERVATIUS: Nun habe ich noch einige Fragen zu den Kontrollorganen und den sonstigen Kontrollstellen, die zur Überprüfung der Lage der Arbeiter in Deutschland vorhanden waren.

Wissen Sie, inwieweit die ausländischen Arbeiter selbst eingeschaltet waren in diese Kontrolle? Ich denke zunächst einmal an die Stelle des Botschafters Scapini. Wie arbeitete diese Stelle? Hörten Sie etwas davon?

STOTHFANG: Von der Dienststelle Scapini ist mir im einzelnen nicht viel bekannt. Ich wußte von ihrer Existenz. Meines Wissens beschäftigte sich aber die Dienststelle Scapini im allgemeinen mit der Betreuung der französischen Kriegsgefangenen und nicht mit der Betreuung ziviler französischer Arbeitskräfte, weil dafür eine besondere Dienststelle des Herrn Bruneton bestand. Aber ganz allgemein bestand ja eine Vertretung der ausländischen Arbeitskräfte im Rahmen der Deutschen Arbeitsfront. Dort waren sogenannte Reichsverbindungsstellen eingerichtet, die sich von der Zentrale über die Gaue bis zu den Kreisen erstreckten und jeweils mehrere Kräfte beschäftigten, die die Lager besuchten, Beschwerden entgegennahmen und jeweils die Verhandlungen, sei es mit den Dienststellen der Deutschen Arbeitsfront oder mit anderen Dienststellen der Arbeitsverwaltung führten.

DR. SERVATIUS: Das waren deutsche Kräfte, von denen Sie sprechen?

STOTHFANG: Nein, das waren ausländische, fremdländische Kräfte, und zwar aus fast allen Staaten.

DR. SERVATIUS: Waren nun in den Betrieben selbst Vertreter der Arbeiter, die als Verbindungsleute zu den Aufsichtsorganen der Deutschen Arbeitsfront Verbindung hatten?

STOTHFANG: Soviel ich weiß, nicht.

DR. SERVATIUS: Für die Ostarbeiter bestand auch eine Kontrollstelle. Kennen Sie diese Stelle?

STOTHFANG: In der Dienststelle Rosenberg gab es eine besondere Stelle dafür.

DR. SERVATIUS: Wie arbeitete diese Stelle, hörten Sie da etwas davon?

STOTHFANG: Ja. Sie hat ständig Verbindung genommen mit den fachlich zuständigen Stellen der Arbeitsverwaltung.

DR. SERVATIUS: Wohin mußte sich diese Stelle wenden, wenn sie Beschwerden hatte, an die Arbeitsfront oder an das Amt Sauckels oder an den Arbeitsminister? An wen mußte sie sich wenden?

STOTHFANG: Das ergab sich aus der Art der Mißstände oder der vorzubringenden Beschwerden.

DR. SERVATIUS: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Beschwerden über die Arbeitsbedingungen?

STOTHFANG: Da wandte man sich zunächst an das örtlich zuständige Arbeitsamt, um die Dinge im einzelnen nachprüfen zu lassen und um sich über die allgemeinen Voraussetzungen beziehungsweise die tatsächlichen Verhältnisse Aufklärung zu verschaffen.

DR. SERVATIUS: Und wenn es Fragen der Unterbringung waren und Verpflegung, an wen wandte man sich dann?

STOTHFANG: Zunächst an die Dienststelle der Deutschen Arbeitsfront, der ja in einer Anordnung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz – ich glaube, es war die vierte – allgemein die Betreuung der ausländischen Arbeitskräfte übertragen worden war.

DR. SERVATIUS: Und meldete die Arbeitsfront weiter an Sie?

STOTHFANG: Sie versuchte im Rahmen ihrer Aufgabe die Dinge in Ordnung zu bringen.

DR. SERVATIUS: Dann war also die Arbeitsfront selbst in der Praxis die höchste Stelle für Beschwerden über die Betreuung?

STOTHFANG: Wenn man so will, ja.

DR. SERVATIUS: Wie wurde die Behandlung der Kriegsgefangenen überwacht? Kamen da Beschwerden an Sauckel?

STOTHFANG: Nein.

DR. SERVATIUS: Wer hatte das zu regeln?

STOTHFANG: Das Oberkommando der Wehrmacht.

DR. SERVATIUS: Das Reichsaufsichtsamt war auch eine Kontrollstelle. Inwieweit hatte Sauckel mit dem Reichsaufsichtsamt zu tun?

STOTHFANG: Das muß, Herr Verteidiger, eine falsche Bezeichnung sein. Ich weiß nicht, was Sie mit dem Reichsaufsichtsamt meinen?

DR. SERVATIUS: Ich meine das Gewerbeaufsichtsamt, die Reichsgewerbeaufsicht.

STOTHFANG: Grundsätzlich sind in Deutschland für den Arbeitsschutz in den Betrieben die Gewerbeaufsichtsämter zuständig. Soweit es sich um Fragen des Arbeitsschutzes in den Betrieben handelt, hatten sie für eine Durchführung und Beachtung der ergangenen und bestehenden Bestimmungen Sorge zu tragen, waren also bei Beschwerden für dieses Gebiet zuständig.

DR. SERVATIUS: Bekam Sauckel von anderen Stellen Vorwürfe, daß er zu gut für die Arbeiter sorge, und war man sogar neidisch in manchen Fällen auf die Lage einzelner ausländischer Arbeiter?

STOTHFANG: Ja, von drei Stellen etwa kamen derartige Vorwürfe.

Einmal von den beiden Stellen, die ich zuvor schon nannte, die allgemein Hemmungen und Widerstände gegenüber den zu weit gehenden Forderungen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz hatten, die Dienststelle Bormanns und die Dienststelle Himmlers. Es ging so weit, daß man den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz sogar verdächtigte, er sei bolschewisten-freundlich.

DR. SERVATIUS: Ich habe an den Zeugen dann keine Fragen mehr.

VORSITZENDER: Wünscht irgendein anderer Verteidiger Fragen zu stellen? – Die Anklagevertretung?

Der Zeuge kann sich zurückziehen.