HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

ZEUGE DR. WILHELM JÄGER: Dr. Wilhelm Jäger.

VORSITZENDER: Bitte leisten Sie den folgenden Eid: Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzufügen werde; so wahr mir Gott helfe.«

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Sie haben während des Krieges bei der Firma Krupp in Essen die Lager der ausländischen Arbeiter als Arzt betreut? Ist das richtig?

JÄGER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Von wem waren Sie hierzu bestellt?

JÄGER: Bestellt war ich hierzu von der Firma Krupp, die mich anstellte, da eine Änderung eintrat in der Betreuung der ausländischen Arbeiter dadurch, daß die Kassenärztliche Vereinigung die Versorgung übernehmen mußte.

DR. SERVATIUS: Sind Sie nicht auch von der Deutschen Arbeitsfront mit dieser Aufgabe betraut worden?

JÄGER: Nein. Der Vertrag, der von der Firma Krupp mit mir geschlossen wurde, ging durch die Deutsche Arbeitsfront.

DR. SERVATIUS: Wenn ich Sie recht verstehe, haben Sie zwar den Vertrag nicht unmittelbar mit der Arbeitsfront geschlossen, aber Sie waren der Deutschen Arbeitsfront gegenüber verpflichtet.

JÄGER: Ich habe nie das Gefühl gehabt, mit der Arbeitsfront da etwas zu tun zu haben.

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Haben Sie nicht ständig auch an die Deutsche Arbeitsfront berichtet über die Zustände in den Lagern?

JÄGER: Das ist nur ein paarmal gewesen, soweit ich mich erinnern kann. Ich gab in der Hauptsache diese Berichte an die Kassenärztliche Vereinigung und an die Firma Krupp.

DR. SERVATIUS: Meldeten Sie nicht auch an das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt?

JÄGER: Nicht immer. Ich meldete an das Gesundheitsamt der Stadt Essen nur einzelne Fälle, wo es mir wichtig schien, daß das Gesundheitsamt davon auch unterrichtet wurde.

DR. SERVATIUS: Kennen Sie das Amt Gesundheit und Volksschutz?

JÄGER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Bei welcher Stelle befindet sich das?

JÄGER: Das war in Essen.

DR. SERVATIUS: Nicht örtlich gesehen, sondern bei welcher Dienststelle befindet es sich; befindet es sich nicht bei der Deutschen Arbeitsfront?

JÄGER: Das kann ich genau nicht sagen; ich weiß nur, daß es eine Unterabteilung bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Essen war.

DR. SERVATIUS: Ist Ihnen bekannt, daß die ausländischen Arbeiter durch die Deutsche Arbeitsfront betreut wurden?

JÄGER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Auch in gesundheitlicher Hinsicht?

JÄGER: Ich habe nur ein einziges Mal eine Kommission von der Arbeitsfront in meinem Lager getroffen.

DR. SERVATIUS: Kennen Sie die Einrichtung der Gaulagerärzte?

JÄGER: Es sollte etwas Derartiges in Essen eingerichtet werden; das hat sich aber zerschlagen. Ich hatte damals, als wir eine Fleckfieberepidemie hinter uns hatten, selbst dem damaligen Leiter, dem Gesundheitsführer – es war ein Dr. Heinz Bühler in Mülheim- den Vorschlag gemacht, etwas Derartiges einzurichten. Ich habe dann auch in einer Versammlung über meine Ziele gesprochen, habe dann aber von dieser Gaulagerärztestelle hinterher nichts mehr gehört.

DR. SERVATIUS: Das genügt. Auf wie viele Lager erstreckte sich Ihre überwachende Tätigkeit?

JÄGER: Das war verschieden. Zuerst waren es vielleicht fünf, also fünf bis sechs, dann hinterher vielleicht siebzehn bis achtzehn, um dann nachher wieder abzusinken auf eine geringere Zahl. Genau kann ich jetzt im Moment die Zahl nicht angeben.

DR. SERVATIUS: Was war der Inhalt Ihrer Aufgabe?

JÄGER: Ich sollte vor allen Dingen die ärztliche Versorgung der Fremdarbeiter sicherstellen.

DR. SERVATIUS: Hatten Sie mit der Behandlung der Kranken zu tun?

JÄGER: Nur soweit sie mir vorgeführt wurden und soweit ich in dem Lager selbst war. Ich habe mich persönlich um die einzelnen Fälle in den Lagern immer gekümmert, wenn ich durch die Lager ging.

DR. SERVATIUS: Sie hatten nicht nur eine Aufsichtstätigkeit, sondern behandelten auch selbst?

JÄGER: Im Lager, wenn ich dort war, würde ich von den Lagerärzten gefragt; ich habe dann beraten.

DR. SERVATIUS: Was war dann die Aufgabe der Lagerärzte?

JÄGER: Die Lagerärzte hatten den täglichen Revierdienst und die Behandlung der Kranken überhaupt.

DR. SERVATIUS: Also Ihre Tätigkeit war eine überwachende?

JÄGER: War eine überwachende.

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Sie sind von dem Vertreter der Anklage schon wiederholt vernommen worden außerhalb dieses Saales?

JÄGER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Sie sind auch schon hier in Nürnberg gewesen in diesem Gebäude?

JÄGER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Wie damals die Verhandlung anstand?

JÄGER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Haben Sie eine eidesstattliche Versicherung abgegeben über die Zustände in den Kruppschen Lagern?

JÄGER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Ich werde Ihnen diese Versicherung vorlegen. Das ist eine Erklärung vom 15. Oktober 1945. Haben Sie diese für die Staatsanwaltschaft abgegeben als Zeuge der Staatsanwaltschaft?

JÄGER: Soweit ich mich erinnere, ja.

DR. SERVATIUS: Ich bitte Sie, mir zu bestätigen, ob Sie die Erklärung, die Sie dort gemacht haben, heute aufrechterhalten?

JÄGER: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Ich werde Ihnen diese Erklärung verlesen:

»Ich heiße Dr. Wilhelm Jäger, bin praktischer Arzt in Essen...«

VORSITZENDER: Dr. Servatius! Sie können ihm doch nicht das ganze Dokument vorlesen; Sie können irgend etwas daraus, gegen das Sie Einwendungen haben, ihm vorhalten.

DR. SERVATIUS: Sehr gut.

Sie sagen, in der Mitte der ersten Seite:

»Ich begann meine Tätigkeit mit einer vollkommenen Inspektion der Lager. Zu dieser Zeit, im Oktober 1942, fand ich folgende Zustände vor«: und dann sagen Sie: »Die Ostarbeiter waren in folgenden Lagern untergebracht: Seumannstraße, Grieperstraße, Spendlerstraße, Hoegstraße, Germaniastraße, Dechenschule...«

VORSITZENDER: Wollen Sie das bestreiten?

DR. SERVATIUS: Ja.

VORSITZENDER: Wo diese Lager waren?

DR. SERVATIUS: Ja, das ist, was ich ihn fragen will.