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[Zum Zeugen gewandt:]

Also bitte, erklären Sie noch einmal, welcher Teil des Wehrmachtsberichts von Ihnen verfaßt ist, und welcher vom Führer verfaßt ist und was der Inhalt dieses Führerzusatzes ist.

JODL: Der ganze erste Teil dieses Wehrmachtsberichtes hat mit Kommandotrupps gar nichts zu tun, sondern er befaßt sich mit der berühmten Affäre der Fesselung deutscher Kriegsgefangener am Strande von Dieppe. Ich werde darauf noch zurückkommen.

VORSITZENDER: Sie meinen also, ich hatte recht, daß er hauptsächlich von Ihnen stammte?

JODL: Das absolut. Den ersten Teil dieses Wehrmachtsberichtes habe ich formuliert, und er enthält die nachweisbare Widerlegung einer englischen Rundfunkerklärung, die das britische Kriegsministerium abgegeben hat.

Diese Erklärung des britischen Kriegsministeriums war falsch. Warum sie falsch war, das habe ich hier zusammengestellt auf Grund unserer, bei uns vorliegenden Protokolle, Photographien und eidlichen Aussagen. Mit Kommandos, mit Repressalien hatte diese Angelegenheit zunächst noch nichts zu tun. Das ist erst in diesen Wehrmachtsbericht hineingekommen durch den Zusatz des Führers, der mit dem Satz beginnt:

»Das Oberkommando der Wehrmacht sieht sich daher gezwungen, folgendes anzuordnen.«

PROF. DR. EXNER: Nun wurde es für notwendig befunden, diese Ankündigung im Wehrmachtsbericht auszuführen. In einem Ausführungsbefehl. Hat der Führer von Ihnen Entwürfe über einen Ausführungsbefehl verlangt?

JODL: Nachdem der Führer diesen letzten Zusatz geschrieben hatte, wandte er sich an den Feldmarschall Keitel und an mich und forderte nun einen Ausführungsbefehl zu dieser allgemeinen Ankündigung im Wehrmachtsbericht. Er gab dabei gleichzeitig die Parole, »aber ich wünsche keine Kriegsgerichte«.

PROF. DR. EXNER: Haben Sie dann einen Entwurf gemacht?

JODL: Ich hatte nun eine Menge von Zweifeln, die mir auch eine genaue Durchsicht der Haager Landkriegsordnung keineswegs beseitigen konnte. Weder der Feldmarschall Keitel noch ich haben einen derartigen Entwurf angefertigt; wohl aber hat mein Stab aus eigener Initiative von verschiedenen Dienststellen Entwürfe und deren Ansichten eingefordert. Und so entstand das Dokument 1263-PS, auf das ich später noch zurückkomme.

VORSITZENDER: 1263-PS?

PROF. DR. EXNER: 1263; das ist Seite 104 des zweiten Bandes meines Dokumentenbuches, 1263-PS, RF-365; aber davon sprechen wir später.

VORSITZENDER: Sagten Sie Seite 204?

PROF. DR. EXNER: Nein, 104. Zweiter Band, 104.

[Zum Zeugen gewandt:]

Ja, bitte setzen Sie fort.

JODL: Mein Wunsch war nun ein ganz anderer. Meine Absicht war, einen Befehl überhaupt zu vermeiden. Ich erwartete eigentlich, daß auf die Ankündigung im Wehrmachtsbericht hin, die ja nicht verheimlicht worden ist, sondern die offen durch den Äther in die ganze Welt ging, das englische Kriegsministerium, sei es unmittelbar, sei es auf dem Wege über Genf, erneut an uns herantreten würde, wie es vorher schon einige Male geschehen war. Damit hoffte ich, die ganze Angelegenheit auf die Ebene des Auswärtigen Amtes zu schieben. Das geschah aber nicht. Das englische Kriegsministerium blieb stumm. Inzwischen waren zehn Tage vergangen und es war nichts geschehen. Da kam am 17. Oktober der Chefadjutant des Führers, General Schmundt, zu mir und sagte, der Führer verlangt den Ausführungsbefehl. Ich gab ihm wörtlich folgende Antwort:

»Sagen Sie ihm einen schönen Gruß, einen solchen Befehl mache ich nicht.«

Schmundt lachte daraufhin und sagte: »Das kann ich aber nicht sagen.« Darauf meine Antwort:

»Gut, dann melden Sie dem Führer, ich wisse nicht, wie man einen solchen Befehl völkerrechtlich begründen solle.« Damit ging er. Ich hoffte, nun zum Führer bestellt zu werden, um endlich einmal wieder seit vielen Monaten persönlich mit ihm sprechen zu können.

PROF. DR. EXNER: Das fiel gerade in die Winnizakrise?

JODL: Das war die Winnizakrise. Ich wollte dadurch entweder die Möglichkeit erreichen, meine Bedenken vorzutragen oder hinausgeworfen zu werden. In beiden Fällen war mir geholfen; aber keines von beiden geschah. Nach wenigen Minuten rief mich Schmundt an und teilte mir mit, der Führer mache die Befehle selbst. Am 18. Oktober brachte mir nun wieder Schmundt persönlich die beiden Befehle des Führers, den Befehl an die Truppe und die Begründung dazu für die Kommandeure.

VORSITZENDER: Sprechen Sie von den beiden Dokumenten, die uns vorliegen?

JODL: Es sind die beiden Dokumente 498-PS und 503-PS. Das heißt, das, was das Gericht als diese Dokumente hat, das sind nicht die Originale des Führers. Diese Originale habe ich aber in Flensburg persönlich abgegeben. Das, was dem Gericht vorliegt, sind Abschriften dieser Originale oder Vervielfältigungen meines Stabes.

PROF. DR. EXNER: Nun eine Zwischenfrage. Sie erwähnten, daß Ihr Stab etwas ausgearbeitet hat, und haben sich auf 1263-PS berufen, was dem Gericht auch vorliegt, und zwar unter Seite 104 des zweiten Bandes. In dieser Urkunde haben Sie auf Seite 106 zwei Bemerkungen gemacht. Die erste Bemerkung auf dieser Seite heißt »nein«. In der französischen Übersetzung fehlt dieses »non«. Bitte das zu ergänzen. Und auf derselben Seite unten steht von Ihnen handschriftlich »das geht auch nicht J« – Jodl.

Bitte erklären Sie, um was es sich da im ganzen dreht.

JODL: Wie ich dem Gericht schon erklärte, hat mein Stab, wie in der ersten Ziffer auf Seite 104 zu lesen ist, von sich aus Vorschläge einverlangt, und zwar von dem Amt Ausland/Abwehr, Canaris, denn bei ihm befand sich die völkerrechtliche Gruppe, und zweitens von der Wehrmachtsrechtsabteilung, das heißt der WR, da es sich ja immerhin um eine rechtliche Angelegenheit handelte.

Auf der Seite 106 findet das Gericht nun unter Absatz »a« den Vorschlag den das Amt Ausland/Abwehr gemacht hat, und zwar die Auslandsabteilung dieses Amtes:

»Angehörige von Terror- und Sabotagetrupps... die... ohne Uniform oder in deutscher Uniform angetroffen werden, werden als Banditen behandelt.... Oder fallen sie außerhalb von Kampfhandlungen in deutsche Hand, so sind sie sofort einem Offizier zur Vernehmung vorzuführen. Danach ist standgerichtlich mit ihnen zu verfahren.«

Das war ganz unmöglich, denn wenn man einen Soldaten in Zivil antrifft, ohne Uniform, dann konnte ja niemand wissen, um was es sich dabei handelt. Das konnte ein Spion sein, das konnte ein entwichener Kriegsgefangener sein, das konnte ein feindlicher Flieger sein, der durch Absprung sein Leben gerettet hat und nun in Zivil unterzutauchen hoffte. Das mußte festgestellt werden durch einen erfahrenen Untersuchungsrichter und nicht durch ein Standgericht, bestehend aus irgendeinem Leutnant und zwei Unteroffizieren und zwei Soldaten. Im Absatz »b...«

PROF. DR. EXNER: Aus diesem Grunde haben Sie »nein« hingeschrieben?

JODL: Aus diesem Grunde habe ich »nein« hingeschrieben.

Im Absatz »b« war vorgeschlagen, daß, wenn solche Sabotagetrupps in Uniform festgenommen würden, an den Wehrmachtführungsstab zu berichten sei, und der sollte darüber zu entscheiden haben, was zu geschehen habe. Damit war dem Wehrmachtführungsstab die Rolle eines Kriegsgerichts zugeschoben, was er niemals sein konnte.

Also ich muß schon für mich in Anspruch nehmen, daß ich dank meiner größeren Erfahrung diese Probleme etwas genauer durchschaut habe als manche meiner Untergebenen.

PROF. DR. EXNER: Sie haben also diesen Vorschlag abgelehnt. Aber gegen den Führerbefehl hatten Sie, wie Sie gesagt haben, auch Ihre schweren Bedenken. Jetzt sagen Sie zunächst mal, welche Bedenken hatten Sie denn?

JODL: Ich hatte zunächst eine Reihe von rechtlichen Zweifeln. Dann war der Befehl mehrdeutig. Und dann war er zu unklar für die Praxis. Gerade in diesem Falle hielt ich Kriegsgerichte für unbedingt notwendig. Ich bin mir dessen bewußt, daß auch die Richter manchmal bewußt oder unbewußt unter einem Zwang stehen können und nicht nur nach dem Recht urteilen. Aber eine gewisse Gewähr gegen Fehlentscheidungen bilden sie doch.

PROF. DR. EXNER: Daher wollten Sie also ein gerichtliches Verfahren einschalten, wenn ich recht verstehe. Was meinten Sie mit unklar und mehrdeutig?

JODL: Der Gedanke war doch, daß die Soldaten, die sich in ihren Handlungen außerhalb des Kriegsrechtes stellen, auch keinen Anspruch darauf haben, nach Kriegsrecht behandelt zu werden, ein Grundsatz, der im Völkerrecht zum Beispiel bei dem Begriff des Spions oder des Franktireurs absolut anerkannt ist. Durch diesen Befehl sollte eine gewisse Abschreckung erzielt werden gegenüber solchen Kampfmethoden der englischen Kommandotrupps. Aber der Befehl das Führers ging ja weiter. Er sagte nämlich, alle Kommandotrupps sind niederzumachen. Und dagegen hatte ich meine ernsten Bedenken.

PROF. DR. EXNER: Welche rechtlichen Zweifel hatten Sie denn?

JODL: Ich hatte eben diesen Zweifel, daß auf Grund dieses Befehls auch Soldaten niedergemacht würden...

VORSITZENDER: Angeklagter! Es ist nicht notwendig, so langsam zu sprechen. Sie können ein bißchen schneller sprechen.

JODL: Ich hatte Sorge, daß nicht nur feindliche Soldaten niedergemacht würden, die sich, um den Führerausdruck zu gebrauchen, wirklich wie Banditen benommen haben, sondern auch anständige Soldaten. Es kam als zweites dazu, und das stieß mich besonders ab, daß in dem allerletzten Zusatz im Dokument 503-PS befohlen war, auch Soldaten zu erschießen, nachdem sie gefangengenommen waren und nachdem man sie verhört hatte. Was mir aber völlig unklar war, das war die allgemeine Rechtslage, ob ein Soldat, der sich vorher banditenhaft benommen hat, durch seine Gefangennahme überhaupt in den Rechtszustand des Kriegsgefangenen überführt wird, ob er in diesen Rechtszustand überhaupt eintritt oder ob er sich nicht durch seine Handlung vorher bereits außerhalb dieses Rechtszustandes gesetzt hat.

PROF. DR. EXNER: Sie meinen damit wohl die Genfer Konvention?

JODL: Ich meine damit die Genfer Konvention.

PROF. DR. EXNER: Daß feindliche Kämpfer, die sich unsoldatisch benommen hatten, nicht als Soldaten behandelt werden, war Ihnen das an sich verständlich?

JODL: Das war mir absolut verständlich und nicht nur mir; der Führer hatte nämlich sehr bittere Meldungen. Wir hatten die sämtlichen Befehle der kanadischen Landungsbrigade von Dieppe erbeutet. Sie sind im Original vor mir gelegen. In diesen Befehlen war befohlen, daß, wo immer es möglich sei, deutschen Gefangenen die Hände zu fesseln sind. Aber nach einiger Zeit bekam ich durch den Oberbefehlshaber West gerichtliche Protokolle und Zeugenaussagen, mit Photographien belegt; daraus ging für mich jedenfalls eindeutig hervor, daß mehrere Leute, die der Organisation Todt angehörten, Familienväter, unbewaffnet, alte Leute, aber mit einer Hakenkreuzbinde am Arm – das war nämlich ihre Ausstattung – so gefesselt worden waren, daß eine Schlinge um ihren Hals war und das Ende des Strickes um die zurückgebogenen Unterschenkel, so daß sie sich selbst erdrosselt hatten.

Ich darf dazu sagen, daß ich diese Photographien, diese für mich als Tatsache erschwerenden Vorgänge, dem Führer verschwiegen habe. Ich habe sie dem deutschen Volke verschwiegen und deshalb dem Propagandaministerium verschwiegen. Es kam dann die englische Mitteilung durch den Rundfunk, die lautete, es werde nachdrücklich in Abrede gestellt, daß irgendein deutscher Soldat in Dieppe gefesselt worden ist.

Nach einiger Zeit gab es einen Überfall durch einen Kommandotrupp auf der Insel Sercq. Wieder bekamen wir amtliche Protokolle, daß dabei Soldaten gefesselt worden waren, deutsche Gefangene. Und endlich erbeuteten wir die sogenannte englische Nahkampfvorschrift, und diese schlug beim Führer dem Faß den Boden aus. Auch sie habe ich genauestens studiert. In ihr war in Abbildungen dargestellt, wie man Menschen fesseln kann, daß sie sich selbst durch die Fesselung töten, und es war genau registriert, in welcher Zeit der Tod eintritt.

PROF. DR. EXNER: Also haben die Begründungen, die Hitler, seinem Befehl 498 voranstellte, auf verläßlich gemeldeten Tatsachen beruht. Ich erinnere daran, Hitler beruft sich zunächst einmal auf Gefangene, die gefesselt worden sind, auf Gefangene, die getötet wurden und darauf, daß die Kommandos wie Verbrecher...

VORSITZENDER: Sie fassen die Aussage unrichtig zusammen, da der Angeklagte eben gesagt hat, daß er diese Dinge von Hitler ferngehalten hat. Sie sagen jetzt, daß Hitler davon wußte. Das hat der Zeuge nicht gesagt.

PROF. DR. EXNER: Ja. Ich muß Sie also nun fragen, ob die Tatsachen, auf die der Befehl sich beruft, Ihnen gemeldet waren.

JODL: Ich glaube, das Gericht hat das Dokument 498-PS vor sich. Das erste, was der Führer hierin anführt, ist, daß er allgemein sagt, seit längerer Zeit bedienen sich unsere Gegner in ihrer Kriegführung Methoden, die außerhalb der Internationalen Abmachung von Genf stehen. Diesen Satz muß ich nach den Meldungen, die wir bedauerlicherweise seit dem Sommer 1941 bekommen haben, als richtig unterstellen. Ich will auf die einzelnen Fälle nicht eingehen. Es war ein unerhörter Vorfall eines englischen Unterseebootes in der Ägäis, es war der Befehl, in Nordafrika deutschen Kriegsgefangenen kein Wasser zu geben, bevor sie vernommen sind; also es waren eine Menge solcher Meldungen.

VORSITZENDER: Angeklagter! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß es sehr schwierig ist, auf einzelne Zwischenfälle einzugehen, die sich ereigneten, lange bevor dieser Befehl entworfen wurde. Sie haben uns mitgeteilt, worauf sich Ihrer Ansicht nach der Befehl bezog, nämlich auf die Fesseln, und nun sprechen Sie von anderen Zwischenfällen, die sich angeblich schon lange vorher ereignet haben. Es scheint dem Gerichtshof nicht möglich, alle diese Dinge zu untersuchen, die sich viel früher ereignet haben.

JODL: Ich will auch nicht weiter davon sprechen. Ich will nur – und das muß ich wohl nachweisen –, daß im allgemeinen die Begründungen, die der Führer für den Befehl gegeben hat, nicht nur einer krankhaften Phantasie entsprungen sind, sondern daß er schon sehr reale Unterlagen dafür hatte, und wir auch. Denn es ist ja ein großer Unterschied, ob auch ich innerlich eine gewisse Berechtigung für diesen Befehl zugeben mußte oder ob ich den ganzen Befehl für einen offenen Skandal hielt. Das ist doch für mein Verhalten sehr wesentlich. Aber ich will es ganz kurz machen. Daß vielfach Vorbestrafte und Verbrecher mit bei den Kommandos, die ja aus verwegenen Menschen bestanden, beteiligt waren, darüber lagen Gefangenenaussagen vor. Daß sie Gefangene gefesselt hatten, dafür hatten wir erbeutete Befehle, Zeugenaussagen.

VORSITZENDER: Das haben Sie uns schon gesagt. Wir haben es mehr als einmal gehört, daß Sie Beweise dafür hatten, daß Gefangene gefesselt worden waren und daß Sie den kanadischen Befehl dazu vorliegen hatten.

PROF. DR. EXNER: Vielleicht sagen Sie einige Worte über das Thema »Töten«?

JODL: Abschließend möchte ich sagen, ich habe keinen Befehl gesehen, keinen erbeuteten Befehl, wonach befohlen worden wäre, deutsche Kriegsgefangene zu töten, was auch als Begründung in dem Führerbefehl enthalten ist. Aber ich darf erklären, daß das englische Kriegsministerium uns mitgeteilt hat – ich weiß nicht mehr sicher, über Genf oder durch den Rundfunk –, daß es sehr wohl Fälle geben könne, in denen man Kriegsgefangene töten müsse, – nein, in denen man Kriegsgefangene fesseln müsse, weil man sonst gezwungen wäre, sie zu töten. Wenn der Führer also zum Schluß hier noch schreibt, es sind Befehle gefunden worden, daß die Gefangenen grundsätzlich durch die Kommandos zu töten seien, so hatte er das meiner Auffassung nach auf die englische Nahkampfvorschrift bezogen, wo ja Fesselungen beschrieben waren, die zum Tod führen mußten.

PROF. DR. EXNER: Nun sagen Sie, worin bestand Ihre eigene Beteiligung an diesem Kommandobefehl?

JODL: Meine persönliche Beteiligung bestand nur darin, daß ich diesen Befehl auf ausdrückliche Anordnung hin verteilt habe oder verteilen ließ.

PROF. DR. EXNER: Die Anklagebehörde hat nämlich einmal mündlich behauptet, Sie hätten auch den Befehl, einen dieser beiden Befehle – ich weiß nicht welchen – unterschrieben. Das ist nicht richtig?

JODL: Nein, ich habe nur eine allgemeine Geheimhaltungsverfügung zu einem Befehl unterschrieben.

PROF. DR. EXNER: Ja, davon reden wir gleich. Sagen Sie, hätten Sie die Weitergabe des Befehls verweigern können?

JODL: Nein, wenn ich die Weitergabe eines Befehls vom Führer persönlich verweigert hätte, wäre ich auf der Stelle abgeführt worden, und da muß ich auch sagen, mit Recht. Aber wie gesagt, ich war mir ja gar nicht sicher, ob dieser Befehl, sei es in seiner Gesamtheit wie auch nur in Teilen, wirklich rechtswidrig war, ich weiß es auch heute noch nicht, und ich bin überzeugt, daß, wenn man ein Konzilium von Völkerrechtslehrern hier einberufen würde, wahrscheinlich jeder darüber eine andere Ansicht hätte.

PROF. DR. EXNER: Herr Generaloberst! Sie können schneller sprechen. Hätten Sie einige Gegenvorstellungen machen können.

JODL: Zu anderen Zeiten wahrscheinlich ja. In dieser Zeit, die ja eine Konfliktzeit mit dem Führer war, habe ich ihn überhaupt persönlich gar nicht sprechen können. Während des allgemeinen Lagevortrages dieses Problem anzuschneiden, war ganz unmöglich. Ich hatte daher die Absicht, bei der Ausführung dieses Befehls eine möglichst weitherzige Praxis zu befolgen, und ich war sicher, daß auch die Oberbefehlshaber das tun würden.

PROF. DR. EXNER: Was meinen Sie mit weitherziger Praxis? Läßt denn der Befehl verschiedene Auslegungen zu?

JODL: Ja, der Befehl gab zwei Handhaben, um zu vermeiden, daß wirklich anständige Soldaten wie Verbrecher behandelt würden. Wenn nämlich ein solcher Kommandotrupp in einem meist nächtlichen Kampf von der Truppe nicht niedergemacht worden war, sondern, wie es beinahe die Regel war, gefangengenommen wurde, so war das schon ein gewisser Beweis, daß die Truppe diese Kämpfer nicht als Banditen empfunden hat. Es war nun durch die Oberbefehlshaber zu prüfen: Handelte es sich um ein reines Erkundungs- oder Aufklärungsunternehmen, dann fiel die ganze Kampfhandlung überhaupt nicht unter den Begriff des Kommandobefehls. Es wurde gar nicht als Kommandounternehmen gemeldet. War es aber ein wirklicher Sabotage- und Zerstörungstrupp, so mußte geprüft werden, wie ist er ausgerüstet, hat er Zivil unter der Uniform, hat er die berühmte Achselpistole, aus der sich der Schuß löst, wenn man die Hand hochhebt, um sich zu ergeben, hat er sich sonstwie im Kampf gemein benommen, und je nachdem diese Prüfung ausfiel, konnten die Oberbefehlshaber handeln. Ich glaube, daß nach diesem Gesichtspunkt es durchaus möglich war – und so ist es vielfach oder, ich möchte beinahe sagen, vorwiegend auch geschehen –, die Erschießung von tapferen anständigen Soldaten zu vermeiden.

PROF. DR. EXNER: Haben Sie selbst Einfluß auf die Praxis der Truppe nehmen können?

JODL: Ich habe verschiedentlich Einfluß genommen. Wenn mir gemeldet worden war, daß ein solcher Trupp gefangengenommen wurde – was ja eigentlich nach dem Führerbefehl gar nicht geschehen durfte –, dann habe ich das nicht beanstandet und habe nicht zurückgefragt. Ich habe Kommandounternehmen überhaupt, wenn sie nicht einen großen Sprengerfolg hatten, dem Führer nicht vorgetragen. Und ich habe ihn letzten Endes von manchen zu schroffen Auffassungen abgebracht wie im Falle Pescara, den der Feldmarschall Kesselring schon hier geschildert hat, wo es mir gelang, den Führer zu überzeugen, daß das wirklich nur ein Erkundungstrupp war.

PROF. DR. EXNER: Sind tatsächlich viele Trupps niedergemacht worden?

JODL: Die Kommandounternehmen sind durch die öffentlichen Ankündigungen im Wehrmachtsbericht sehr stark zurückgegangen. Ich glaube nicht, daß in der Gesamtheit mehr als acht oder zehn Fälle vorkamen. Wenn eine Zeitlang im Wehrmachtsbericht – es handelt sich um die Monate Juli und August 1944 – immer größere Zahlen gemeldet wurden von getöteten Terroristen, so sind das keine Kommandotrupps, sondern es sind die Toten in den Kämpfen mit den Aufständischen in Frankreich. Und das wird bewiesen, wenn das Gericht in dem Dokument Nummer 551-PS, Ziffer 4 nachliest. Dort ist es nämlich befohlen... Es ist US-551 auf Seite 117.

MR. ROBERTS: Herr Vorsitzender! Es ist Seite 70 in Buch 7.

JODL: Oder Seite 117 unseres zweiten Bandes. Da ist nämlich befohlen...

PROF. DR. EXNER: Was ist befohlen? Ich möchte jetzt noch ein anderes Dokument mit Ihnen besprechen, nämlich das Dokument 532-PS.

VORSITZENDER: Es ist jetzt Zeit für eine Pause.