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[Pause von 10 Minuten.]

PROF. DR. EXNER: Zum Thema »Kommandobefehl« gehört noch das Schriftstück 532-PS, RF-368, unser Dokumentenbuch II, Seite 113.

Dieses Dokument ist schon einmal vorgelegt gewesen und war Anlaß für einen Protest meinerseits, weil das Dokument nicht unterschrieben ist oder weil das Dokument durchstrichen ist, nicht wahr?

Nun erklären Sie uns, warum Sie diesen Befehlsentwurf – darum handelt es sich ja – durchstrichen haben.

JODL: Diesem Befehlsentwurf ging ein Antrag des Oberbefehlshabers West voraus, nunmehr, nach der Invasion, den Kommandobefehl überhaupt aufzuheben. Und mit diesem Vorschlag stimmte ich überein. Nun war mir hier ein Entwurf vorgelegt worden, der nur eine teilweise Aufhebung enthielt, nämlich für den unmittelbaren Landekopf und in der Bretagne – also etwas abgesetzt vom Landekopf –, wo zu dieser Zeit täglich Fallschirmjäger abgesetzt wurden.

VORSITZENDER: Wurde das Dokument nicht zurückgewiesen als Sie Einspruch erhoben? Sie sagten, Sie hätten gegen das Dokument Einspruch erhoben. Ich frage Sie, was tat der Gerichtshof auf Ihren Einspruch? Wurde ihm stattgegeben, oder wurde er zurückgewiesen?

PROF. DR. EXNER: Ja, der Einspruch wurde aufrechterhalten, und das Dokument wurde gestrichen. Ich glaube, mich nicht zu irren.

VORSITZENDER: Warum legen Sie es jetzt vor?

PROF. DR. EXNER: Ich habe damals nicht die Streichung des Dokuments beantragt, sondern ich habe nur beanstandet, daß nicht angegeben war, daß dieses Dokument durchstrichen ist und daß es eine ablehnende handschriftliche Bemerkung von Jodl enthält, die ja hier steht.

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Entweder wurde das Dokument als Beweisstück angeboten oder nicht, entweder hat es eine Beweisstücknummer oder es hat keine. Wenn ich richtig verstehe, ist Ihr Einspruch abgewiesen worden.

MR. ROBERTS: Dr. Exner hat in der Tat Einspruch dagegen erhoben, nachdem es die französische Beweisstücknummer RF-368 erhalten hatte. Nach Erörterung darüber wurde es dann aus dem Protokoll gestrichen; der entsprechende Vermerk findet sich in der Sitzung vom 30. Januar 1947, nachmittag (Band VI, S. 397).

Herr Vorsitzender! Ich glaube, daß sowohl die Anklage als auch die Verteidigung darin übereinstimmten, daß Jodls Handschrift darauf ist, und ich bin daher sicher, daß weder für die Anklage noch für die Verteidigung ein Zweifel über die Zulässigkeit bestehen kann. Herr Vorsitzender, ich habe die feste Absicht, mit Genehmigung des Gerichtshofs ihn darüber ins Kreuzverhör zu nehmen, und ich habe nicht das geringste dagegen einzuwenden, daß mein Freund, Dr. Exner, es vorlegt.

VORSITZENDER: Sehr wohl.

PROF. DR. EXNER: Nun setzen Sie fort.

JODL: Es war also zu diesem Zeitpunkt meine Absicht, von dem ganzen Kommandobefehl freizukommen. Deswegen habe ich neben dem Satz in Ziffer 4 die Bemerkung geschrieben: »Das sollen sie eben nicht« – nämlich als Kommandoangehörige behandelt werden und habe die ganze erste Seite durchstrichen. Das nützte aber nichts, denn noch am selben Tage hat der Führer auf Grund dieses Antrages des Oberbefehlshabers West anders entschieden, und was er entschieden hat, das ist niedergelegt in dem Dokument 551-PS.

PROF. DR. EXNER: 551-PS, US-551. Das ist bei mir im zweiten Band, Seite 115; ein Befehl betreffend Behandlung Kommandoangehöriger.

Bitte setzen Sie fort.

Dieser Befehl nämlich, der enthält einen handschriftlichen Zusatz von Ihnen: »Auf dem italienischen Kriegsschauplatz ist sinngemäß zu verfahren.« Das ist Seite 117.

Bitte, erklären Sie kurz den Inhalt dieses Befehls und den Grund Ihres Zusatzes.

JODL: Das ist kurz zu erklären: In diesem Befehl ist eine räumliche Einschränkung gemacht worden für die Anwendung des Kommandobefehls, insofern nämlich, als er nur durchzuführen sei gegenüber feindlichen Unternehmungen rückwärts der Korpsgefechtsstände, aber nicht im Kampfgebiet des Landekopfes. Das war eine räumliche Einschränkung, die bisher noch nicht gegeben war und noch nicht angeordnet war, und ich übernahm sie sofort für den italienischen Kriegsschauplatz; denn dort war ja auch eine Kampffront an Land. Wenn man diesen Befehl nun in die Praxis von Italien übersetzt, so bedeutete er, daß überhaupt kein Kommandounternehmen mehr, das mit einer Landung an der Küste begann, als Kommandounternehmen betrachtet zu werden brauchte, denn alle diese Anlandungen, die fanden ja vor den Korpsgefechtsständen statt. Infolgedessen war es von mir außerordentlich erwünscht, dieselbe Erleichterung auch für den ganzen italienischen Kriegsschauplatz anwenden zu können.

PROF. DR. EXNER: Ich möchte nur einen Absatz verlesen von Seite 116, der zweite Absatz unter Nummer 1. Im ersten Absatz nämlich heißt es: »Der Befehl bleibt aufrechterhalten.«

Im zweiten Absatz heißt es:

»Ausgenommen bleiben feindliche Soldaten in Uniform im unmittelbaren Kampfgebiet des Landekopfes, das heißt im Bereich der in vorderer Linie kämpfenden Divisionen sowie der Reserven bis einschließlich Generalkommandos, gemäß Ziffer 5 des grundlegenden Befehls...«

Das Wort »Generalkommando« bedeutet soviel wie Korpskommando, und das ist auch im Englischen und Französischen nicht ganz richtig übersetzt; diese Einschränkung, diese örtliche Einschränkung der Gültigkeit des Befehls sollte nun nach dem Zusatz von Jodl auch in Italien gelten.

Nun möchte ich Sie zum Abschluß...

Ja, da habe ich ja noch eine wichtige Frage...

VORSITZENDER: Was sagen Sie über die Übersetzung?

PROF. DR. EXNER: Ja, das Wort »Generalkommando« ist im Französischen übersetzt mit »Region Militaire«. Das versteht man nicht recht »Region Militaire«.

VORSITZENDER: Ist das im englischen Text?

PROF. DR. EXNER: Und im Englischen heißt es »Corps Command«. Das ist richtig. Im Englischen heißt es richtig »Corps Command«. Das ist dasselbe wie Generalkommando.

VORSITZENDER: Dr. Exner! Der Gerichtshof sieht es lieber, wenn Sie ihn nur auf etwas aufmerksam machen, was Ihrer Meinung nach eine falsche Übersetzung ist, als daß Sie es gleich als falsche Übersetzung bezeichnen. Ich nenne es eine Meinungsverschiedenheit, ob es eine falsche Übersetzung ist oder nicht. Es ist nicht Ihre Aufgabe, uns zu sagen, daß es eine falsche Übersetzung ist. Sie sollen uns nur aufmerksam machen und erklären, daß Sie es für eine falsche Übersetzung halten. Aber jetzt sagen Sie uns bitte noch folgendes: Ein Exemplar dieses Dokuments 551-PS erscheint von Warlimont unterschrieben oder paraphiert zu sein; in der anderen – in Ihrer Fassung der Übersetzung erscheint es als vom Angeklagten Keitel unterschrieben. Wie erklären Sie das?

MR. ROBERTS: Herr Vorsitzender! Darf ich einen Vorschlag machen? Ich denke der Gerichtshof sollte sich das Original aus dem Dokumentenraum kommen lassen. 551-PS besteht tatsächlich aus drei Dokumenten. Das erste ist ein Entwurf, der mit Bleistift geändert ist. Das zweite ist ein Entwurf, paraphiert »W« – das ist Warlimont – und trägt Jodls Bleistiftanmerkung am Ende, die seine Geltung auf Italien ausdehnt. Das dritte ist der endgültige Befehl, welcher die Bleistiftnotiz von Jodl und die Änderung der Verteilung auf Italien enthält.

Es sind also tatsächlich drei Dokumente, und das letzte Dokument ist vervielfältigt und trägt die vervielfältigte Unterschrift Keitels. Das ergibt sich aus dem Originalentwurf.

VORSITZENDER: Fahren Sie fort, Dr. Exner.

PROF. DR. EXNER: Nun, die Anklage betont ganz besonders, daß Sie die Geheimhaltung dieses Befehls so dringend angeordnet haben, daß Sie gesagt haben, er dürfe nur bis zu den Kommandeuren verteilt werden, daß er keinesfalls in Feindeshände fallen solle. Das haben Sie alles angeordnet für den zweiten Befehl, für den Begründungsbefehl 503-PS. Sagen Sie mir, warum Sie eine so strenge Geheimhaltung befohlen haben?

JODL: Diese Geheimhaltungsverfügung bezieht sich tatsächlich nur auf Dokument 503.

PROF. DR. EXNER: Ich möchte hinzufügen, das ist in meinem Dokumentenbuch, zweiter Band, 102. Das ist der Befehl der Geheimhaltung, von Jodl unterzeichnet. Bitte fortsetzen.

JODL: Für diesen Befehl war eine besondere Geheimhaltung unvermeidbar. Denn erstens richtete er sich ja überhaupt nur an die Kommandeure, zweitens war in diesem Befehl in aller Ausführlichkeit dargestellt, welche großen Schäden durch diese Kommandounternehmen der deutschen Wehrmacht schon erwachsen waren und welche unter Umständen noch eintreten konnten. Fiel dieser Befehl in Feindeshand, so bildete er ja geradezu einen Anreiz, diese Art der Kriegführung in verstärktem Maße fortzusetzen; und drittens, der Befehl 498-PS konnte als eine Repressalie angesehen werden. Aber der allerletzte Satz im Dokument 503-PS, ein Satz, aus dem man unschwer erkennen kann, daß er nachträglich hinzugesetzt worden ist – denn der Befehl schien vorher schon abgeschlossen –, dieser Satz, muß ich sagen, der empörte mich; und das war mit ein Grund, warum ich diese besonders strenge Geheimhaltung für diesen Befehl angeordnet habe.

VORSITZENDER: Auf welchen Satz beziehen Sie sich?

JODL: Ich beziehe mich auf den letzten Satz des Dokuments 503-PS, der lautet:

»Sollte sich die Zweckmäßigkeit ergeben, aus Vernehmungsgründen einen oder zwei Mann zunächst noch auszusparen, so sind diese nach ihrer Vernehmung sofort zu erschießen.«

Ich kann es nicht beweisen...

VORSITZENDER: Das ist doch nicht 503, oder?

PROF. DR. EXNER: 503-PS.

VORSITZENDER: Sie haben nicht den ganzen Inhalt von 503 in Ihrem Dokumentenbuch abgedruckt. Ist es das?

PROF. DR. EXNER: Nein, 503-PS habe ich leider nicht drin, sondern nur den Geheimhaltungsbefehl, Seite 102. Aber ich habe ausdrücklich gebeten, er soll dem Gericht vorgelegt werden.

JODL: Ich darf ergänzen, daß dieser Satz überhaupt die Quelle allen Übels geworden ist. Denn diesen Satz benützte die Truppe, um grundsätzlich oder in der Regel die Kommandotrupps nicht niederzumachen, sondern gefangenzunehmen.

PROF. DR. EXNER: Sie sagen, dieser letzte Satz habe Sie empört. Sagen Sie, waren Sie auch zweifellos auf dem Standpunkt gestanden, daß er völkerrechtswidrig ist?

JODL: Auch darüber könnte man Zweifel haben. Aber der berührte mich menschlich unangenehm. Denn wenn man schon einen Menschen erschießt, dann empfinde ich es als unanständig, ihn vorher noch auszupressen.

PROF. DR. EXNER: Ich möchte noch mit einer Frage auf das zurückkommen, was Sie uns vor der Pause gesagt haben. Sie sagten, daß Sie dem Führer nicht alles gemeldet haben, nicht alle Kommandounternehmungen gemeldet haben. Das war ganz klar. Aber, daß Sie auch die Dinge nicht gemeldet haben, die Sie von der Feindesseite gehört haben, die Tötungen und so weiter. Was meinten Sie damit?

JODL: Ich habe die Ergebnisse, will sagen, die Völkerrechtsverletzungen nach unserer Ansicht bei Dieppe – die Fesselung deutscher Gefangener –, die habe ich alle gemeldet. Ich habe nur eines nicht gemeldet, die Fesselung einiger Leute der Organisation Todt, und zwar auf eine Weise, daß sie sich selbst erdrosselt haben. Das ist das, was ich nicht gemeldet habe, und das ist auch in keinem Befehl und in keinem Wehrmachtsbericht enthalten.

VORSITZENDER: Der Angeklagte hat uns davon doch schon erzählt. Warum Sie ihn also nochmals fragen, verstehe ich nicht.

PROF. DR. EXNER: Es schien mir nicht ganz klar.

Nun gehen wir zu einer anderen Sache über, zu dem Befehl bezüglich Leningrad und Moskau. Sagen Sie, wie ist der Befehl Hitlers betreffs des Schicksals der Städte Leningrad und Moskau zustande gekommen? Es ist C-123, zweiter Band, Seite 145 meines Dokumentenbuches, vorgelegt als USSR-114. Es ist der Befehl, daß eine Kapitulation nicht anzunehmen ist. Nun sagen Sie, wie ist der zustande gekommen?

JODL: Bei Beginn des zweiten Absatzes wird das Gericht den Satz finden:

»Die moralische Berechtigung zu dieser Maßnahme liegt vor aller Welt klar.«

Das will ich nun tun. Der erste Anlaß war eine Meldung des Generalfeldmarschalls von Leeb, also des Oberbefehlshabers der Heeresgruppe Nord vor Leningrad. Er meldete nämlich, daß die Bevölkerung von Leningrad bereits anfange, gegen seine Linien nach Westen und nach Süden herauszudrücken. Er machte darauf aufmerksam, daß es ihm ganz unmöglich sei, diese Millionenbevölkerung von Leningrad zu ernähren oder zu versorgen, wenn sie irgendwie in seine Hand käme. Denn die Versorgungsverhältnisse zu dieser Zeit, die Nachschubverhältnisse der Heeresgruppe, waren katastrophal. Das war der erste Anlaß. Nun war kurz vorher Kiew von den russischen Armeen aufgegeben worden und wir hatten kaum die Stadt besetzt, da ereignete sich eine große Sprengung nach der anderen. Der größte Teil der Innenstadt ist abgebrannt. 50000 Menschen wurden obdachlos. Deutsche Soldaten waren zur Bekämpfung des Brandes eingesetzt. Wir hatten erhebliche Verluste dabei, denn bei diesem Brand flogen weitere riesige Sprengkammern in die Luft. Der örtliche Kommandant von Kiew dachte zunächst an Sabotage durch die Bevölkerung, bis wir eine Sprengkarte erbeuteten. Diese Sprengkarte enthielt etwa 50 oder 60 Objekte von Kiew, die zur Sprengung langfristig vorbereitet waren und die, wie die Untersuchungen durch Pioniere sofort ergaben, auch richtig war. Es waren mindestens noch 40 solcher Objekte sprengfertig vorhanden, und großenteils sollte die Sprengung durch Fernzündung von außen her mittels Funkwellen ausgelöst werden. Diese Originalsprengkarte habe ich selbst in meiner Hand gehabt. Damit war festgestellt...

VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß wir auf die Einzelheiten von Kiew eingehen müssen. Hier handelt es sich um Leningrad. Der Angeklagte mag kurz das Wesentliche von dem, was sich, wie er sagt, in Kiew ereignete, wiedergeben, aber wir können Einzelheiten davon nicht untersuchen.

PROF. DR. EXNER: Herr Vorsitzender! Der Angeklagte wollte nur geltend machen, daß dasselbe, was in Kiew geschehen war, für Leningrad befürchtet wurde.

VORSITZENDER: Das verstehe ich ganz gut; aber wenn er sagt, er hätte Pläne für die Sprengung von Leningrad gehabt, so wäre das etwas anderes, und er könnte uns Einzelheiten darüber erzählen. Ich sage aber, daß wir uns nicht mit den Einzelheiten von Kiew befassen können.

PROF. DR. EXNER: Ja, ich möchte in diesem Zusammenhang, ohne zu verlesen, nur auf mein Dokument AJ-15 hinweisen. Das ist Seite 149 vom zweiten Band. Es ist ein Bericht eben über diese Sprengungen in Kiew. Wir werden jetzt nicht mehr darüber sprechen; ich möchte das nur dem Gericht zur Kenntnis bringen.