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[Zum Zeugen gewandt:]

Bitte, setzen Sie fort.

JODL: Ich brauche da nur noch abschließend zu sagen, daß, was sich in Kiew, in Charkow, in Odessa ereignet hat, das erwartete der Führer auch in Leningrad und eventuell auch in Moskau. Das war der ausschlaggebende Grund, warum er diesen Befehl, der schon vorher mündlich an das Oberkommando des Heeres gegeben wurde, schriftlich fixierte. Er war noch besonders bestärkt dadurch, daß der russische Rundfunk ja ohnehin mitgeteilt hatte, daß Leningrad unterminiert sei und bis zum letzten Mann verteidigt würde. Um ausschließlich also die deutschen Truppen vor derartigen Katastrophen zu bewahren, wie sie schon eingetreten sind – denn es waren ganze Stäbe in Kiew und Charkow in die Luft geflogen –, aus diesem Grunde hat er jenen Befehl erlassen, den ich noch einmal auf seinen besonderen Wunsch hin schriftlich niedergelegt hatte. Der Befehl beginnt deshalb auch mit den Worten: »Der Führer hat erneut entschieden«, das heißt »nochmals«, »zum zweitenmal«.

PROF. DR. EXNER: Warum wurde befohlen, in der Einkreisung der Stadt Leningrad und Moskau nach Osten Lücken zu lassen?

JODL: Wir wollten ja diese Massenbevölkerung nicht haben. Wir hatten unsere Erfahrungen in Paris gemacht. Dort war es deswegen sogar notwendig geworden, den Transportraum von vier Divisionen und den ganzen Hilfszug Bayern, der Zehntausende verpflegen konnte, dafür einzusetzen, die Bevölkerung vor Hunger zu bewahren. In Leningrad war das vollkommen unmöglich, denn erstens waren die Bahnen zerstört, die Schienen waren noch nicht umgenagelt auf die andere Spurweite, die Versorgung war außerordentlich schwierig. Es war unmöglich, dieser Massen- und Millionenbevölkerung irgendwie zu helfen. Es hätte wirklich eine Katastrophe gegeben und deswegen der Gedanke, sie nach Osten hinauszudrücken in den russischen Raum hinein, ein Gedanke, der im übrigen der These widerspricht, die hier schon aufgetreten ist, wir hätten die Slawen ausrotten wollen.

PROF. DR. EXNER: Nun komme ich zu etwas anderem. Der französische Ankläger hat Ihnen vorgeworfen, Sie hätten in UK-56 – das ist RF-335, in meinem Urkundenbuch zweiter Band, Seite 153 – die Deportation von Juden befohlen und dadurch als Chef eines militärischen Stabes einen politischen Befehl gegeben. Bitte, erklären Sie, wie es zu diesem Befehl kam.

VORSITZENDER: Ich glaube, die Übersetzung muß falsch durchgekommen sein. Sie sagten, wenigstens notierte ich es so, Seite 153?

PROF. DR. EXNER: 155, entschuldigen Sie, Seite 155 des zweiten Bandes meines Dokumentenbuches; der Befehl selber steht auf Seite 156.

[Zum Zeugen gewandt:]

Bitte antworten Sie.

JODL: Zu diesem Dokument ist zu erläutern: Die Deportation von Juden aus Dänemark ist in einer Besprechung, an der ich nicht teilgenommen habe, durch Himmler dem Führer vorgeschlagen worden und vom Führer bewilligt oder angeordnet worden. Mitteilung darüber erhielt ich entweder durch den General Schmundt oder durch den Botschafter Hewel. Ich habe nun auf Anordnung, von Schmundt übermittelt, den Militärbefehlshaber in Dänemark von dieser Anordnung verständigt, und aus der Überschrift, oder besser, aus der Anschrift dieses Fernschreibens geht hervor, daß es an zwei Stellen gerichtet ist: An das Auswärtige Amt und an den Befehlshaber der deutschen Truppen in Dänemark. Das sind die Stellen, die es, ich möchte sagen, hauptamtlich empfangen haben. An den Reichsführer-SS ist das Schreiben nur nachrichtlich gegangen, wie nach unserem Bürogebrauch vorne dran steht. Er hat daraufhin nichts zu machen, für ihn ist es kein Befehl, für ihn ist es nur eine Unterrichtung, denn er kannte ja die Entscheidung des Führers schon.

Nun habe ich aber keineswegs die Deportation von Juden befohlen, sondern ich habe geschrieben:

»Die Judendeportation wird durch Reichsführer-SS durchgeführt...«

PROF. DR. EXNER: In Punkt 2?

JODL: Punkt 2. Wäre das ein Befehl gewesen, so hätte er ja an den Reichsführer-SS gerichtet sein müssen, und der Wortlaut hätte gelautet: »Reichsführer- SS hat die Juden aus Dänemark zu deportieren.« Genau das Umgekehrte ist der Fall: Diese Ziffer 2 teilt dem General Hannecken in Dänemark mit, daß er mit dieser Geschichte nichts zu tun hat, sondern daß es durch den Reichsführer-SS durchgeführt wird. Das mußte aber der General von Hannecken in diesem Augenblick wissen, denn es war militärischer Ausnahmezustand. Er hatte die vollziehende Gewalt in Dänemark, und wenn ohne sein Wissen etwas Derartiges geschehen wäre, so hätte er womöglich sofort dagegen Einspruch erhoben und es nicht geduldet. Nun schien mir die Angelegenheit derart dringlich, damit es keinen Zwischenfall gibt, daß ich ohne Rücksicht auf die Geheimhaltung den Befehlshaber in Dänemark durch das Telephon offen von dieser Angelegenheit verständigte. Und wenn die Französische Anklagebehörde von einer Indiskretion sprach, die es den meisten Juden in Dänemark ermöglichte, nach Schweden zu entkommen, so ist dies vermutlich auf dieses Telephongespräch zurückzuführen.

Ich habe also, um es abschließend nochmals zu sagen, nicht im entferntesten daran gedacht, eine Judendeportation zu befehlen, sondern nur den zuständigen Militärbefehlshabern mitzuteilen, das geht dich nichts an. Im übrigen sind, wie ich nachträglich gehört habe und mich erkundigt habe, diese Juden nach Theresienstadt gekommen; sie sind durch das Rote Kreuz betreut und besucht worden und sogar der Dänische Gesandte hat sich mit ihrer Behandlung zufrieden erklärt.

PROF. DR. EXNER: Ich möchte hier das Gericht noch auf einen Punkt hinweisen, den ich für eine mangelhafte Übersetzung des Englischen und Französischen halte. In Punkt 1 auf Seite 156, zweiter Band, ist in der Übersetzung nicht das Wort »freiwillig« aufgenommen. Es heißt hier:

»Der Reichsführer-SS hat die Genehmigung, aus den zu entlassenden ehemaligen dänischen Wehrmachtangehörigen Freiwillige zu werben...«

Das Wort »freiwillig« fehlt im Englischen; im Französischen heißt es einfach »hommes« – »Männer«.