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[Zum Zeugen gewandt:]

Sagen Sie, Sie hatten ja eigentlich mit den Dingen in besetzten Gebieten nichts zu tun, das fiel doch außerhalb Ihrer Zuständigkeit. Wieso kamen Sie dazu, diesen Befehl da zu unterzeichnen?

JODL: Diese Angelegenheit ging mich eigentlich gar nichts an. Ich habe sie unterschrieben, weil an diesem Tage Feldmarschall Keitel nicht da war.

PROF. DR. EXNER: Nun sagen Sie, da wir gerade von Juden sprechen, was wußten Sie überhaupt von Judenvernichtung? Ich erinnere Sie dabei an Ihren Eid.

JODL: Ich weiß, wie unwahrscheinlich alle diese Erklärungen klingen, aber sehr oft ist eben auch das Unwahrscheinliche wahr und das Wahrscheinliche unwahr. Ich kann nur im vollsten Bewußtsein meiner Verantwortung hier zum Ausdruck bringen, daß ich niemals, mit keiner Andeutung, mit keinem Wort, mit keinem Schriftstück, von einer Vernichtung von Juden gehört habe. Ich bin ein einziges Mal mißtrauisch geworden und das war, als Himmler über den Aufstand im jüdischen Ghetto vortrug. Ich glaubte nicht recht an diesen heroischen Kampf, aber Himmler legte daraufhin sofort Photographien vor über die Bunker, die dort gebaut waren, er sagte: »Ja, das sind auch nicht nur die Juden, da haben sich polnische. Nationalisten hineingerettet, es ist ein erbitterter Widerstand.« Und damit beseitigte er zunächst meinen Argwohn.

VORSITZENDER: Sprechen Sie von Warschau?

JODL: Ich spreche von dem Aufstand im Ghetto in Warschau, den ich erfahren habe durch eine persönliche Meldung Himmlers in unserer Gegenwart, in Gegenwart der Soldaten beim Führer und in der er kein anderes Wort sprach als von einem Aufstand mit erbitterten Kämpfen. Über die Tätigkeit der Polizei, dieser sogenannten Einsatzgruppen und Einsatzkommandos – übrigens ein Begriff, den ich erst hier genau kennengelernt habe –, über diese Polizeikräfte ist durch den Führer selbst niemals eine andere Erklärung abgegeben worden, als daß sie dazu notwendig wären, Aufstände, Rebellionen, Partisanenkrieg in der Entstehung zu verhindern; das könne die Wehrmacht nicht, das sei eine polizeiliche Aufgabe, und deswegen müßte die Polizei auch in das Operationsgebiet des Heeres hinein. Ich habe niemals eine private Mitteilung über die Vernichtung von Juden gehört, sondern ich habe alle diese Dinge, so wahr ich hier sitze, zum erstenmal nach Beendigung des Krieges erfahren.

PROF. DR. EXNER: Was wußten Sie von den Konzentrationslagern...

VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß es notwendig ist, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß Sie nicht darüber sprechen können, daß dem Führer keine Aufklärung gegeben wurde; Sie können nur sagen, daß Ihnen selbst keine Aufklärung gegeben wurde.

Die Übersetzung, die ich bezüglich dieser Einsatzgruppen hörte, war, daß keine Erklärung an den Führer abgegeben wurde.

JODL: Ich habe gesagt, daß der Führer den Zweck der Polizei uns gegenüber nie anders begründet hat als mit der Notwendigkeit polizeilicher Maßnahmen.

VORSITZENDER: Ich hatte die Übersetzung falsch verstanden.

PROF. DR. EXNER: Haben Sie etwas von Konzentrationslagern gewußt, oder wieviel haben Sie davon gewußt? Bitte, sich kurz zu fassen.

JODL: Ich kann kurz sagen, von Konzentrationslagern wußte ich von Dachau und Oranienburg. Oranienburg hatten im Jahre 1937 auch einmal Offiziere einer Abteilung besucht und mir sehr begeistert davon berichtet. Den Namen Buchenwald habe ich im Frühjahr 1945 zum erstenmal gehört. Ich hielt ihn für einen neuen Truppenübungsplatz, wie das Wort gefallen ist, und habe mich danach erkundigt. Über die Insassen ist niemals eine andere Darstellung gegeben worden, als daß sich die deutschen Berufsverbrecher und einige politische erbitterte Feinde dort befinden, die aber, wie zum Beispiel Schuschnigg oder Niemöller, in einer Art Ehrenhaft dort lebten. Niemals ist auch nur mit einem Wort die Rede gewesen von Quälerei, von Deportierten, die dort sind, von Kriegsgefangenen, von Verbrennungsöfen, von Gaswagen, von Martern wie in Zeiten der Inquisition, von medizinischen Versuchen. Ich kann nur sagen, selbst wenn ich es gehört hätte, ich hätte es nicht geglaubt, bevor ich es mit eigenen Augen gesehen hätte.

PROF. DR. EXNER: Es ist vom französischen Anklagevertreter eine Aussage des deutschen Polizeigenerals Panke verlesen worden. Nach der seien Sie bei einer Besprechung am 30. Dezember 1942 mit Hitler anwesend gewesen, und da habe es sich gehandelt um Gegenterror gegen Terror und so weiter in Dänemark, um Ausgleichsmorde; was sagen Sie dazu?

JODL: Ich glaube, es war am 30. Dezember 1943.

PROF. DR. EXNER: So?

JODL: Diese Aussage ist in manchem richtig, in manchem ist sie falsch. Es ist bei dieser Erörterung, wenigstens solange ich dabei war, das Wort »Mord« überhaupt nie gefallen. Der Führer hat auseinandergesetzt: »Den jetzt einsetzenden Terror durch Sabotage und Überfälle in Norwegen wünsche ich genau mit denselben Mitteln zu bekämpfen. Also, wenn ein für Deutschland arbeitender dänischer Betrieb in die Luft gesprengt wird, was geschehen ist, dann wird auch ein Betrieb in die Luft gesprengt, der nur für die Dänen arbeitet; wenn einzelne Stützpunkte von uns durch Terroristen überfallen werden, was auch geschehen ist, dann werden diese Terroristen aufgesucht, dann werden sie auch umstellt, daran werden sie auch im Kampf niedergemacht, und ich wünsche keine Kriegsgerichte, die nur Märtyrer schaffen.« Aber mit keinem Wort hat er davon gesprochen, daß man unschuldige Dänen nun zum Ausgleich ermorden solle. Ich kann nur feststellen: so ist in meiner Gegenwart und in der des Feldmarschalls Keitel gesprochen worden und nicht anders; und es ist wieder völkerrechtlich höchst fraglich, ob eine Wehrmacht nicht berechtigt ist, die Kampfmethoden der Gegenseite auch ihrerseits bei der Gegenbekämpfung zu übernehmen gerade in diesem Franktireurkrieg, in dieser Rebellion; das erscheint mir höchst zweifelhaft.

PROF. DR. EXNER: Sie sagen, in Ihrer Anwesenheit. Waren Sie vielleicht nicht während des ganzen Gesprächs anwesend? Wissen Sie das?

JODL: Ich glaube nicht, daß auch in meiner Abwesenheit irgend etwas anderes gesprochen worden ist. Ich war einmal kurz, vielleicht für eine Viertelstunde zum Telephonieren, nicht dabei.

PROF. DR. EXNER: Nun kommen wir zur Bandenbekämpfung. Es ist hier viel vom Bandenkrieg, von Banditen und so weiter die Rede gewesen. Sagen Sie mal kurz, was waren diese Banden?

JODL: Es ist nicht einfach, diesen Begriff bei den Kampfformen, die dieser Weltkrieg angenommen hatte, klar zu umreißen. Aber fünf Merkmale müssen doch vorliegen,

1. es muß eine Kampfgruppe sein, die sich hinter der eigenen Front gebildet hat;

2. sie ist nicht oder nur teilweise uniformiert;

3. sie gehört nicht organisch zur Wehrmacht, auch wenn sie von ihr Befehle bekommt;

4. sie muß in der Lage sein oder ist in der Regel in der Lage, unter der Bevölkerung...

VORSITZENDER: Wir brauchen keine Vorlesung über diese Angelegenheit.

PROF. DR. EXNER: Also über den Begriff der Banden ist man sich ungefähr im klaren, und ich möchte Sie jetzt über den Kampf gegen die Banden befragen. Dazu muß ich allerdings zuerst vorlesen, was wir über die Banden gehört haben. Das ist ein Dokument L-180, US-276, bei mir im zweiten Band, Seite 121. Das ist ein Gesamtbericht einer Einsatzgruppe im Bandenkampf, und zwar eine Anlage 9 dazu. Und da scheint mir einiges, was auf Seite 122 zusammengestellt ist, doch von Bedeutung; zunächst einmal unter I, Punkt 5, da heißt es:

»In den größeren Städten, insbesondere solchen mit Industrieanlagen, wurden von den Sowjets vor dem Einmarsch der deutschen Truppen sogenannte Istribitjelni- Bataillone (das heißt Vernichtungsbataillone) gebildet.«

Und dann unter III heißt es:

»Die Aufgaben und die Kampfesweise der verschiedenen Partisanengruppen ist teils aus den Erfahrungen der Bekämpfung, teils aus den erfaßten Kampfesanweisungen der Partisanen selbst bekanntgeworden. Bezeichnend ist die Aussage eines gefangenen Partisanen: ›Der Partisan muß alles vernichten, was er erreichen kann‹.«

Und dann, in einer vom Befehlshaber für das rückwärtige Heeresgebiet Nord übermittelten »Kampfesanweisung für Partisanengruppen« heißt es:

»daß ›in den vom Feind besetzten Gebieten für ihn und seine Mithelfer unerträgliche Bedingungen zu schaffen sind. Alle Maßnahmen des Gegners sind zu stören‹.«

Und dann heißt es, Brücken sprengen, Straßen zerstören und so weiter. Ich werde das nicht alles verlesen. Im letzten Absatz, den ich auf Seite 123 abgeschrieben habe, ist noch ausdrücklich gesagt, daß die Partisanen sich sehr geschickt tarnen, daß sie manchesmal als Bauern verkleidet erscheinen oder sich mit Feldarbeiten beschäftigen, sobald deutsches Militär in die Nähe kommt.

Der Zeuge von dem Bach-Zelewski hat hier ausgesagt, es sei der Kampf gegen die Banden chaotisch durchgeführt worden. Er meinte damit, ohne Regelung von oben her durchgeführt worden. Darüber müssen Sie ja orientiert sein. Ist das richtig?

JODL: Das ist nicht richtig. Dieser Sachverständige für den Bandenkampf hat offenbar ein schlechtes Gedächtnis. Ich verweise auf das Dokument F-665 im Dokumentenbuch II, Seite 126. Hier ist die erste Seite einer Kampfanweisung gegen die Banden wiedergegeben. Es nennt sich »Merkblatt für die Bandenbekämpfung«, das ich persönlich am 6. Mai 1944 unterschrieben habe. Und das Gericht wird finden, daß es im zweiten Satz heißt...

PROF. DR. EXNER: Seite 126.

JODL: »Das Merkblatt« – Nummer so und so – »Kampfanweisung für die Bandenbekämpfung im Osten« –, herausgegeben vom Oberkommando der Wehrmacht, Wehrmachtführungsstab, vom 11. November 1942 – »tritt damit außer Kraft.« Damit ist der Beweis geliefert, daß zumindest seit 11. November 1942 im Besitz der Truppe eine vom Wehrmachtführungsstab ausgegebene Vorschrift war, wie man den Bandenkampf zu führen hatte.

PROF. DR. EXNER: Ich möchte da auch hinweisen auf mein Dokument AJ-1, Seite 133. Das ist ein Affidavit eines Pfarrers Wettberg. Ich will es nicht verlesen; der Mann hat sich bei mir gemeldet, weil er selber im Bandenkampf tätig war, und bestätigt auch, daß es einen ganz geregelten Bandenkampf schon vor dem neuen Merkblatt, also von 1942 an, gegeben hat. Sie haben dieses neue Merkblatt im Jahre 1944 ohne Genehmigung Hitlers herausgegeben, nicht wahr?

JODL: Ja.

PROF. DR. EXNER: Was veranlaßte Sie dazu? Das ist doch ungewöhnlich.

JODL: Ich muß dazu sagen, daß dieses Merkblatt weder dem Feldmarschall Keitel noch dem Führer von mir vorgelegt wurde, denn dieses Merkblatt widerspricht allen bisher gegebenen Befehlen. Es behandelt nämlich, wie ich im einzelnen später noch nachweisen werde, von diesem Zeitpunkt an die gesamten sogenannten Banden in Frankreich und in Jugoslawien. Die russischen Bandengebiete waren inzwischen vor unserer Front. Sie behandeln diese Banden als reguläre Truppen und damit als Kriegsgefangene. Ich habe diesen ungewöhnlichen Schritt getan, weil mir aus der vorausgegangenen Erschießung der englischen Fliegeroffiziere von Sagan klar geworden war, daß sich der Führer von diesem Zeitpunkt an um menschliche Rechtsbegriffe nicht mehr kümmerte und weil ich mich seit dem 1. Mai 1944 verantwortlich fühlte für Völkerrechtsfragen, denn das Amt »Canaris« war am 1. Mai aufgelöst worden und die Abteilung »Ausland« mit der Völkerrechtsgruppe war am 1. Mai unter meinen Befehl getreten. Ich war entschlossen, keine derartige Völkerrechtsverletzung unsererseits zu dulden und mitzumachen. Das habe ich von diesem Tage an bis zur Beendigung des Krieges getan. Ich habe mit dieser Vorschrift die gesamten Banden und die Bandenhelfer, ja sogar die in Zivil, als reguläre Truppen und Kriegsgefangene erklärt, lange bevor Eisenhower diese Stellung der Terroristen in Frankreich von uns gefordert hat. Das geschah nämlich erst am 7. Juli 1944.

PROF. DR. EXNER: Die Anklage behauptet, der Bandenkampf sei nur ein Code gewesen, um die Juden und Slawen zu vernichten. Ist das richtig?

JODL: Der Bandenkampf war eine ungeheuerliche Realität. Ich darf nur, um eine Zahl zu nennen, darauf hinweisen, daß im Juli 1943 1560 Eisenbahnsprengungen in Rußland vorkamen, im September 2600. Das sind im Tage 90. Es ist das Buch von Ponomarenko erschienen, aus dem eine amerikanische Zeitung zitiert hat, daß 500000 Deutsche durch diese Banden getötet worden sein sollen. Wenn man eine Null wegstreicht, so ist das immerhin noch eine beachtliche Leistung für eine friedliche Sowjetbevölkerung. Aber in diesem Buch soll ja stehen, daß die Bevölkerung unaufhörlich feindseliger wurde, Mord und Terror nahmen zu und die friedlichen, die Quisling-Bürgermeister wurden getötet. Also es war schon ein ungeheuerlicher Kampf, der sich hier im Osten abspielte.

PROF. DR. EXNER: Ich möchte in diesem Zusammenhang noch aufmerksam machen auf einen Eintrag im Tagebuch Jodls, 1807-PS. Das ist Seite 119, zweiter Band meines Dokumentenbuches. Da heißt es am 25. Mai:

»Gen. Oberst Halder macht den Führer auf zunehmende Partisanentätigkeit...«

VORSITZENDER: Einen Augenblick, bitte. Der Angeklagte hat ausgesagt, glaube ich, daß seine Anweisung vom 6. Mai 1944 einen Befehl enthielt, daß die Partisanen als Kriegsgefangene zu behandeln sind. Wollen Sie uns die Stelle angeben?

PROF. DR. EXNER: Wollen Sie das sagen?

JODL: Das steht in der Ziffer 163, auf Seite 131.

PROF. DR. EXNER: Seite 131 des zweiten Bandes.

JODL: Wenn ich es vorlesen darf.

PROF. DR. EXNER: Ja.

JODL:

»Als Kriegsgefangene sind grundsätzlich alle Banditen zu behandeln, die in feindlicher Uniform oder in Zivil im Kampf ergriffen werden oder sich im Kampf ergeben. Das gleiche gilt für alle Personen, die im unmittelbaren Kampfgebiet angetroffen werden und als Bandenhelfer anzusehen sind, auch wenn ihnen keine Kampfhandlungen nachgewiesen werden können. Banditen in deutscher Uniform oder der Uniform einer verbündeten Wehrmacht sind nach sorgfältiger Vernehmung zu erschießen, wenn sie im Kampf gefangengenommen werden. Überläufer, gleichgültig in welcher Bekleidung« – also auch in deutscher Uniform, setze ich dazu –, »sind grundsätzlich gut zu behandeln. Die Banden sollen dies erfahren.«

VORSITZENDER: Einen Augenblick, bitte! Es ist jetzt 13.00 Uhr, vielleicht unterbrechen wir jetzt.