[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]
Nachmittagssitzung.
[Der Angeklagte Jodl im Zeugenstand.]
PROF. DR. EXNER: Ich habe noch eine Frage zur Bandenvorschrift. Die Anklage wirft Ihnen vor, daß Sie durch die Ziffer 161 der Bandenvorschrift – das ist das zuletzt benützte Dokument F-665, meine Herren Richter, und zwar Seite 130 des zweiten Bandes – der Vernichtung ganzer Dörfer, ja sogar ganzer Bevölkerungen der Dörfer in Frankreich schuldig seien. Äußern Sie sich dazu!
JODL: Ich glaube, das Gegenteil ist richtig. Ich habe durch diese Ziffer die Kollektivstrafen, die Kollektivmaßnahmen, die der Führer ja schrankenlos angeordnet hatte, zurückgeschraubt auf das nach dem Artikel 50 der Haager Landkriegsordnung Zulässige. In diesem Artikel werden nämlich Kollektivstrafen verboten, wenn nicht die ganze Bevölkerung mitschuldig an irgendwelchen Terrormaßnahmen ist. Ich habe also mit dieser Ziffer nicht das Niederbrennen von Dörfern auch nicht in Ausnahmefällen befohlen, sondern ich habe gesagt, solche Kollektivmaßnahmen dürfen nur in ganz besonderen Ausnahmefällen stattfinden, und dann nur mit Genehmigung eines Divisionskommandeurs; denn dieser hatte ein Gericht, er konnte eine gerichtliche Prüfung durchführen.
Ich will das Gericht nicht weiter langweilen mit meinen sonstigen Verdiensten, die man aus dieser Vorschrift noch lesen kann. Ich habe von der guten Behandlung der Bevölkerung gesprochen, von der Notwendigkeit, ihr das zum Leben Notwendige zu belassen und so weiter. Ich glaube jedenfalls, daß dieses Dokument wirklich ein Musterbeispiel ist, um diese Art Krieg auch in die Bahnen des Völkerrechts einzufangen; und das habe ich getan, weil ich der Überzeugung war, daß zu diesem Zeitpunkt auch die französische Maquis-Bewegung, auch der Tito-Aufstand, allmählich begonnen hatten, ein regulärer Krieg zu werden.
Es ist nun der Fall der 2. SS-Panzer-Division als Beweis angeführt worden, was ich durch diese Ziffer alles verursacht hätte. Ich kann nur sagen, das Verhalten der 2. SS-Panzer-Division, das muß ihr Kommandeur verantworten. Ich habe davon erst monatelang später erfahren. Ich bin der Französischen Anklagebehörde dankbar, daß sie dieses Dokument vorgelegt hat. Ich bin ihr dankbar für die Erklärung, daß die Maquis-Bewegung zu Beginn nichts anderes war als ein recht übler Franktireurkrieg, dessen Heroismus ich nicht abstreite.
PROF. DR. EXNER: Wir kommen jetzt zu einem anderen Problem: Tiefflieger. Aus der Urkunde 731-PS – das ist Seite 139 und Seite 144 des zweiten Bandes meines Dokumentenbuches – ist ersichtlich, daß von verschiedenen Stellen Vorschläge für die Behandlung von notgelandeten feindlichen Fliegern gemacht worden sind.
Sagen Sie zunächst, was der Anlaß dazu war und wie Sie sich zu den Vorschlägen äußerten?
JODL: Ich will mich möglichst kurz fassen.
Der Anlaß waren viele Meldungen über völkerrechtswidrige Menschenjagd durch einzelne feindliche Jagdflieger. Der Führer forderte Gegenmaßnahmen, und so entstand die Vortragsnotiz 731-PS, RF-1407. Es ist kein Befehlsentwurf, es ist noch weniger ein Befehl, es ist eine Notiz. Sie enthält die Vorschläge der Luftwaffe dazu. Vom Lynchen ist noch nicht die Rede. Daß ich mich mit dem Problem überhaupt befaßte, hat wieder den Grund in der von mir schon geschilderten Verantwortung, die ich seit 1. Mai glaubte, für Völkerrechtsfragen zu haben. Der Zusatz, den ich darauf machte, ist schon verlesen worden. Ich wandte mich gegen eine Ziffer, also gegen einen Vorfall, den ich für absolut völkerrechtlich zulässig hielt. Er wurde später auch gestrichen und wurde ersetzt durch einen anderen, nämlich, daß es auch als Mord zu bezeichnen sei, wenn ein am Fallschirm abspringender eigener Pilot beschossen würde. Diesen Einwand habe ich auf dem Dokument 735-PS gemacht. Der Begriff des Lynchens...
PROF. DR. EXNER: Ich möchte nur bemerken, wo das ist, damit das Gericht sich auskennt. Die Bemerkung, die handschriftlich von Jodl zugesetzt worden ist, befindet sich auf Seite 144 unseres Dokumentenbuches. In dieser Vortragsnotiz werden nämlich verschiedene Vorschläge gemacht, und dann fügt Jodl bei »zu 3«. Das ist seine Einfügung.