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[Zum Zeugen gewandt:]

Wir kommen jetzt zu dem Augenblick, als Sie im Jahre 1939 von Wien nach Berlin berufen wurden. Welche Lage fanden Sie in Berlin vor?

JODL: Ich fand in Berlin eine völlig undurchsichtige, jedenfalls für mich völlig undurchsichtige Lage vor. Niemand wußte, was ist Ernst, was ist Bluff. Der Vertrag mit Rußland nährte alle unsere Hoffnungen auf Erhaltung des Friedens, eine Hoffnung, die sich noch ungeheuer steigerte und festigte, als der schon befohlene Angriff vom 26. August überraschend abgesagt wurde. Niemand von den Soldaten, die ich gesprochen habe, rechnete damals mit einem Krieg gegen die Weststaaten. Es war nichts vorbereitet als die Angriffsoperationen gegen Polen.

Es gab nur einen Defensivaufmarsch im Westwall. Die Kräfte, die dort eingesetzt waren, waren so schwach, daß wir nicht einmal alle Bunker besetzen konnten. Die ganzen Bemühungen um die Erhaltung des Friedens, wie ich sie hier vom Reichsmarschall gehört habe, der Name Dahlerus, all diese Verhandlungen blieben mir unbekannt, soweit sie nicht in der Presse standen. Aber eines kann ich abschließend sagen, als dann die Kriegserklärung Englands und Frankreichs kam, da wirkte das auf uns Soldaten, die wir den letzten Weltkrieg miterlebt hatten, wie ein Keulenschlag. Und ich habe durch den General Stapf damals vertraulich – heute ist es nicht mehr vertraulich – erfahren, daß es dem Reichsmarschall genau so gegangen ist.

PROF. DR. EXNER: Wissen Sie, wann Polen mobil gemacht hat?

JODL: Das kann ich nicht sagen; ich weiß nur, daß in dem Augenblick, als ich nach Berlin kam und dort von General von Stülpnagel einmal überhaupt erst orientiert wurde über die Lage, auch erst über unsere eigene Stärke, ein polnischer Aufmarsch an den Grenzen schon im Gange war, ebenso wie der deutsche.

PROF. DR. EXNER: Damit ist eigentlich schon eine Antwort gegeben auf das, was der Trialbrief Ihnen vorwirft, nämlich »planing against Poland«.

Haben Sie einen Plan gegen Polen gemacht?

JODL: Nein, ich habe mit keinem Federstrich an den Vorbereitungen für den Polenkrieg mitgewirkt.

PROF. DR. EXNER: Also ist es richtig, wenn ich resumiere, als Sie Berlin verließen, gab es noch keinen Operationsplan gegen Polen?

JODL: Nein.

PROF. DR. EXNER: Und als Sie nach Berlin zurückkehrten, lag der Plan fertig vor?

JODL: Da war der Angriffsplan völlig ausgearbeitet.

PROF. DR. EXNER: Haben Sie den Führervortrag am 22. August 1939, der hier oft zitiert wurde, gehört?

JODL: Nein, an diesem Tag war ich noch in Wien.

PROF. DR. EXNER: Wann haben Sie von diesem Vortrag gehört?

JODL: Erst hier in Nürnberg.

PROF. DR. EXNER: Erinnern Sie sich an die Zusammenkunft im Führerzug vom 9. September 1939, die der General Lahousen hier beschrieben hat. Können Sie sich an ihn erinnern?

JODL: Ja, an diese Besprechung erinnere ich mich genau.

PROF. DR. EXNER: Sagen Sie, wovon wurde gesprochen, solange Sie in diesem Führerzug anwesend waren, in dieser Zusammenkunft?

JODL: Ich kam mit dem Führer zusammen in dem sogenannten Befehlswagen, in dem Kartenraum, wo Feldmarschall Keitel, Canaris und Lahousen waren, und dann hielt Canaris einen kurzen Vortrag über seine Nachrichten aus dem Westen und gab der Vermutung Ausdruck, daß ein französischer Angriff im Abschnitt Saarbrücken bevorstehe. Der Führer hat dem widersprochen, und ich habe dem auch widersprochen. Sonst war von nichts die Rede.

PROF. DR. EXNER: Also ist die Darstellung Lahousens in dem Punkt jedenfalls richtig, daß Sie nur diesen Teil der Besprechung miterlebt haben?

JODL: Von meiner Seite ist gegen die Darstellung Lahousens kein Wort einzuwenden; absolut richtig.

PROF. DR. EXNER: Es ist im Prozeß wiederholt von der Artilleriebeschießung und dem Luftbombardement von Warschau gesprochen worden. Waren Sie an dieser Befehlsgebung beteiligt?

JODL: Ja, ich war insofern mitbeteiligt, als nämlich der Oberbefehlshaber des Heeres beim Führer beantragte, die Artilleriebeschießung freizugeben, als der Artillerieaufmarsch beendet war. Der Führer lehnte das ab. Er sagte, das ist ja Wahnsinn, was hier geschieht durch die Polen. Er befahl mir neue Flugblätter zu entwerfen, was ich persönlich auch getan habe, sofort, und diese Flugblätter nochmals über der Stadt Warschau abwerfen zu lassen. Und erst als diese erneute Aufforderung, den aussichtslosen Widerstand aufzugeben, keinen Erfolg hatte, gab er die Artilleriebeschießung und die Luftangriffe auf die Festung Warschau frei – und ich betone das Wort »Festung«.

PROF. DR. EXNER: Hatten Sie bei der Befehlserteilung auch etwas mit der Übereinstimmung der deutschen und der sowjetrussischen Operation zu tun?

JODL: Ja, als wir noch drei Tagemärsche von der Weichsel entfernt waren, da informierte mich zu meiner größten Überraschung, ich glaube, der Vertreter des Auswärtigen Amtes im Führerhauptquartier dahingehend, daß Sowjetrußland die polnischen Gebiete...

VORSITZENDER: Angeklagter! Wenn Sie wollen, können Sie etwas schneller sprechen.

JODL:... die polnischen Gebiete östlich einer vereinbarten Demarkationslinie zeitgerecht durch sowjetische Truppen besetzen würde. Als wir nun uns dieser vereinbarten Demarkationslinie, die mir auf einer Karte gegeben wurde, als wir uns dieser Demarkationslinie näherten – es war die Linie: ostpreußisch-litauische Grenze – Narew-Weichsel-San – da telephonierte ich nach Moskau an den Militär-Attaché und unterrichtete ihn, daß wir voraussichtlich im Laufe des morgigen Tages an einzelnen Stellen diese Demarkationslinie erreichen könnten. Ich bekam dann telephonisch nach kurzer Zeit die Mitteilung, die russischen Divisionen seien noch nicht fertig.

Als wir dann aber am übernächsten Tage die Demarkationslinie erreichten und in Verfolgung der Polen auch überschreiten mußten, bekam ich wieder aus Moskau nachts 2.00 Uhr die Mitteilung, daß um 4.00 Uhr früh die sowjetrussischen Divisionen auf der gesamten Front antreten würden. Das ist auch pünktlich geschehen, und ich habe dann einen Befehl entworfen, daß unsere deutschen Truppen überall dort, wo sie die Verbindung mit den Sowjettruppen aufgenommen hätten und nach Vereinbarungen mit diesen, hinter die Demarkationslinie zurückzugehen hätten.

PROF. DR. EXNER: An welchen Tagen das geschehen ist, wissen Sie nicht?

JODL: Das Antreten genau kann ich nicht sagen; es wird etwa gewesen sein am 14. oder 15. September.

PROF. DR. EXNER: Wir wollen uns jetzt mit den Angriffskriegen gegen die neutralen Staaten beschäftigen.

VORSITZENDER: Dr. Exner! All das, was der Angeklagte uns eben gesagt hat, ist doch für diesen Fall absolut unerheblich und scheint mir einfach ein Zeitverlust zu sein. Ich weiß nicht, warum Sie ihn das tun lassen.

PROF. DR. EXNER: Es wird Ihnen zum Vorwurf gemacht, daß Sie Ihren persönlichen Einfluß und Ihre engen Beziehungen zum Führer dazu benützten, eine ganze Reihe von neutralen Staaten anzugreifen. Sagen Sie, ist das richtig?

JODL: Nein, das ist unrichtig. Ich erinnere mich, daß ein Zeuge hier von einem unheimlichen Einfluß oder auch von einer unheimlichen Riegelstellung gesprochen hat, jedenfalls von etwas Unheimlichem. Aber mein Einfluß auf den Führer war leider nicht im geringsten so groß, wie er nach meiner Stellung eigentlich hätte sein können oder vielleicht auch hätte sein müssen. Der Grund liegt in der gewaltigen Persönlichkeit dieses Machtmenschen, der Berater überhaupt sehr schlecht vertrug.

PROF. DR. EXNER: Wann hörten Sie zum ersten Male von einem Plan einer etwaigen Norwegenbesetzung?

JODL: Zum ersten Male sprach der Führer mit mir – ich glaube es war Mitte November 1939 – jedenfalls längere Zeit, nachdem der Großadmiral Raeder zum erstenmal mit ihm gesprochen hatte. An dieser ersten Besprechung – die war, glaube ich, am 10. Oktober – habe ich nichts erfahren, und auch der Führer hat mich nicht orientiert. Aber Mitte November sprach er mit mir darüber. Genaues habe ich dann erst erfahren bei dem Vortrag des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine, der am 12. Dezember stattgefunden hat und bei dem ich dabei war.

PROF. DR. EXNER: Ich weise diesbezüglich auf C-64, GB-86 hin, im Dokumentenbuch Seite 46. Ich brauche das aber nicht verlesen. Erster Band, Seite 46.

Wie war der Standpunkt des Führers dazu?

JODL: Der allgemeine Standpunkt des Führers war damals – das liegt auch schriftlich fest –: »Ich habe keinerlei Interesse daran, die Kriegsschauplätze auszuweiten, aber wenn wirklich die Gefahr einer Besetzung Norwegens durch England besteht, und wenn das wahr ist, dann ist die Lage eine andere.«

PROF. DR. EXNER: Ist damals etwas befohlen worden?

JODL: Es wurde damals gar nichts befohlen, sondern er wies mich nur an, weiter über dieses Problem überhaupt nachzudenken. Die Vorarbeiten sind, wie ebenfalls dokumentarisch festliegt, am 27. Januar 1940 begonnen worden.

PROF. DR. EXNER: Das ist erkennbar aus dem Dokument C-63, GB-87.

Waren Sie damals der Ansicht, daß die Versicherung, die Hitler im September und im Oktober 1939 gegeben hatte, die norwegische Neutralität zu respektieren, waren Sie der Ansicht, daß diese Versicherung geschah in der Absicht, Norwegen einzulullen, wie die Anklage behauptet?

JODL: Diese Behauptung ist glatt zu widerlegen, und zwar mit einigen Daten, die ich nennen werde. Diese Versicherungen, diese politischen Versicherungen sind vom Führer abgegeben worden oder von der Reichsregierung – ich weiß es nicht – am 2. September und am 6. Oktober. Am 9. Oktober hat der Führer jene berühmte Denkschrift geschrieben und unterschrieben, die bekannt ist unter dem Dokument L-52. Ich weiß nicht, ob das Gericht darüber Klarheit hat, daß es eine Denkschrift des Führers persönlich ist.

PROF. DR. EXNER: Das ist also L-52, US-540; bei mir ist die Stelle abgedruckt im ersten Band, Seite 48.

Für wen war diese Denkschrift berechnet?

JODL: Diese Denkschrift, das geht, glaube ich, aus dem Dokument hervor, ging nur an die drei Oberbefehlshaber und an den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Sie ist Wort für Wort vom Führer selbst diktiert und in zwei Nächten gemacht worden.

PROF. DR. EXNER: Ich lese den zweiten Absatz vor, der bei mir auf Seite 48 abgedruckt ist:

»Die Nordischen Staaten: Ihre Neutralität ist, wenn nicht gänzlich unvorhergesehene Momente eintreten, auch für die Zukunft als wahrscheinlich anzunehmen. Die Fortführung des deutschen Handels mit diesen Ländern erscheint auch bei längerer Kriegsdauer möglich.«

JODL: Es ist ganz ausgeschlossen, daß in dieser geheimsten Denkschrift der Führer etwas anderes niedergelegt hat als seine wahre Absicht zu diesem Zeitpunkt. Das ist aber auch um so begreiflicher, als erst einen Tag später, nämlich am 10. Oktober, zum erstenmal der Großadmiral Raeder mit solchen Befürchtungen an den Führer herantrat.

PROF. DR. EXNER: Handelte es sich bei der Besetzung Norwegens um einen schwerwiegenden Entschluß für die Führung?

JODL: Es war ein ganz ungeheurer Entschluß. Nur in Kürze. Er setzte die ganze deutsche Flotte aufs Spiel. Er hatte zur Folge, daß wir eine Küste von über 3000 Kilometern verteidigen mußten. Das kostete uns fast 300000 Mann, die dort brach lagen. Darum hing dieser Entschluß auch von wirklich sicheren Nachrichten ab, daß nämlich wirklich für Norwegen eine Gefahr drohe, und deshalb ist auch für diesen Operationsplan »Weserübung« kein Zeitpunkt bestimmt worden, und aus diesem Grunde habe ich später auch den Vorschlag gemacht, daß man die Kräfte für die Operation Norwegen, falls sie notwendig würde, und die für einen Angriff im Westen völlig voneinander trennen solle.

PROF. DR. EXNER: Welches waren denn die Gründe, die Besetzung doch bis in alle Einzelheiten vorzubereiten?

JODL: Die Gründe sind ganz offen und eindeutig in der Weisung vom 1. März 1940, es ist das im Dokument C-174 zum Ausdruck gebracht.

PROF. DR. EXNER: Es ist GB-89.

JODL: Ja, wir mußten auf jeden Fall bereit sein...

VORSITZENDER: Beziehen Sie sich auf 174-PS oder?

PROF. DR. EXNER: Es ist nicht bei mir abgedruckt. Er beruft sich auf ein Dokument, welches die englische Anklage als GB-89 vorgelegt hat.

VORSITZENDER: Aber 174 muß doch etwas bedeuten, nicht wahr?

Der Angeklagte sagte Dokument 174.

PROF. DR. EXNER: C-174.

MR. ROBERTS: Herr Vorsitzender, das ist C-174.

VORSITZENDER: C-174, gut.

MR. ROBERTS: Es wurde von Herrn Elwyn Jones vorgelegt und befindet sich im dritten Dokumentenbuch.

VORSITZENDER: Jawohl.

PROF. DR. EXNER: Nun, in Ihrem Tagebuch sagen Sie, der Führer suche nach einer Begründung. Es wurde schon einmal erklärt, was das wohl bedeuten mag, aber Sie haben es selber geschrieben und müssen es daher am besten wissen. Was ist damit gemeint?

JODL: Der Führer sagte in diesen Tagen, wo ich das niederschrieb, – nicht in ein Tagebuch, sondern in mein Notizheft, mein Aufschreibeheft – da sagte er: »Um einen solchen Entschluß durchzuführen, brauche ich absolut zuverlässige Nachrichten, mit denen ich ihn auch wirklich vor der Welt begründen und als notwendig beweisen kann. Ich kann nicht sagen, ich habe das nur von Herrn Quisling erfahren.« Und deswegen trieb ich in dieser Zeit gerade die Abwehr in besonderem Maße an, doch genauere Unterlagen über diese vielen Meldungen, die wir bekamen, dem Führer zu verschaffen.

PROF. DR. EXNER: Nun hat Großadmiral Raeder die Tatsachen dargetan, aus denen auf die Pläne Englands zu schließen war. Haben Sie da einiges hinzuzufügen oder ist das erledigt?

JODL: Im großen und ganzen hat der Großadmiral Raeder die ganzen Meldungen schon wiedergegeben. Eines ist mir noch in Erinnerung und auch in meinem Notizheft aufgeschrieben worden, das besondere Drängen in der französischen Presse, ganz öffentlich, daß Deutschland unter allen Umständen von dem schwedischen Erz abgeschnitten werden müsse. Es kam dann das Minenlegen in den norwegischen Hoheitsgewässern; es kam der Fall »Altmark«, der nach meinem Studium des Völkerrechts ein eklatanter Bruch dieses Abkommens war über die Rechte und Pflichten neutraler Staaten in einem Seekriege, und zwar der Artikel 1 und 2...

PROF. DR. EXNER: Bezüglich der beiden ersten Punkte, die der Zeuge erwähnt, möchte ich hinweisen auf das Dokument 1809-PS, das ist sein Tagebuch, GB-88, Seite 53 des ersten Bandes meiner Sammlung. Da ist im Tagebuch am 10. März eingetragen:

»Die Nachricht über die Verhandlungen Finnland-Rußland sind politisch sehr erfreulich. Die französische Presse tobt darüber, da sie es für notwendig hält, Deutschland vom schwedischen Erz abzuschneiden.«

Und dann noch die Eintragung vom 25. März:

»Engländer beginnen in dänischen und norwegischen Hoheitsgewässern unsere Handelsschiffe zu belästigen oder gar zu beschießen.«

Nun, sagen Sie noch, was löste den Beschluß aus zum Angriff?

JODL: Die endgültige Entscheidung des Führers ist am 2. April gefallen, und zwar auf zwei Nachrichten hin: das erste waren Meldungen der Kriegsmarine über mehrfache Beschießung deutscher Handelsdampfer sowohl in den norwegischen wie in den dänischen Hoheitsgewässern. Und die zweite Meldung war eine Meldung Canaris', daß im Nordteil der englischen Ostküste englische Truppen und Transportschiffe zur Verschiffung bereitgestellt seien.

PROF. DR. EXNER: Welche Folgerungen für uns hätte ein Zuvorkommen Englands gehabt?

JODL: Ich kann darüber auf die Ausführungen des Großadmirals Raeder verweisen und nur sagen: Norwegen im Besitz Englands – und der Krieg wäre für uns zur Hälfte verloren gewesen. Wir wären in der Nordflanke strategisch umfaßt und wären unfähig gewesen, infolge unserer geringen Flottenstärke, das jemals wieder zu korrigieren.

PROF. DR. EXNER: Hatte man später unzweifelhaften Beweis gefunden, daß die englischen Pläne auf Wahrheit beruhten?

JODL: Wir erbeuteten die gesamten Akten der englischen Brigade, die in Namsos und anderswo gelandet war. Wir nahmen überraschend gefangen den englischen Kriegsberichter Rommilly in Narvik, der dort alles andere eher als deutsche Schiffe erwartete, sonst hätte er sich der Gefangennahme entziehen können und der auf die Frage, was er denn in dem friedlichen Narvik über Krieg berichten wolle, keinerlei Auskunft geben konnte.

Wir erbeuteten dann später die gesamten Akten des französischen Generalstabs, die zum Teil ja durch den Verteidiger des Großadmirals Raeder schon vorgelegt sind. Besonders lehrreich und für mich von Interesse waren aber die Tagebücher, die die englischen Offiziere, teilweise auch Unteroffiziere, die wir in Norwegen gefangennahmen, bei sich trugen. Sie bewiesen mindestens das eine, daß alle diese Truppen bereits eingeschifft waren und in dem Augenblick, als unsere deutsche Flotte nach Norwegen vorstieß, wieder an Land gesetzt wurden.

PROF. DR. EXNER: Ich möchte hier wieder auf zwei Tagebucheintragungen verweisen, Seite 54 im ersten Band meines Dokumentenbuches; Eintragung vom 24. April und Eintragung vom 26. April. Da heißt es:

»Major Soltmann berichtet über Vernehmung der Engländer und bringt weitere wichtige Papiere, darunter die geheime Rangliste. Mittags treffen die ersten Gefangenen in Berlin ein. Sie werden in der Alexanderkaserne vernommen und bestätigen die Echtheit der Befehle. Alles Material wird dem Auswärtigen Amt übergeben.«

Ich verweise endlich auch noch auf den Fragebogen Soltmann. Das ist das Dokument AJ-4, welches ich hier vorlege, Seite 173 des zweiten Bandes; ich brauche das aber nicht zu verlesen, sondern ich verweise nur auf die Antwort Soltmanns auf die Fragen 4 und 5.

Nun, eine letzte Frage zu dieser norwegischen Angelegenheit. Der englische Vertreter der Anklagebehörde hat gesagt, das zeige die Ehrenhaftigkeit der Soldaten, die Norwegen angegriffen haben und dann Lügen und Ausreden gebrauchten. Was haben Sie dazu zu sagen?

JODL: Die Anklage hat damit ein rein operatives Problem auf die Ebene der soldatischen oder menschlichen Ehre geschoben. Das war bisher in der Welt nicht üblich. Ich kann nur sagen, ich habe Norwegen weder angegriffen, noch habe ich Lügen und Ausreden gebraucht. Aber ich habe meine ganze Kraft eingesetzt, um zum Gelingen einer Operation beizutragen, die ich für unbedingt notwendig hielt, um einer ebensolchen englischen Absicht zuvorzukommen. Wenn einmal die Siegel von den Archiven geöffnet werden, dann wird sich ja die Richtigkeit meiner Auffassung klar erweisen. Aber selbst wenn es falsch wäre, an der Ehrlichkeit meiner subjektiven Einstellung zu dieser Zeit kann deswegen nichts geändert werden.

PROF. DR. EXNER: Wir sprechen jetzt von den Westkriegen. Gab es nach dem Polenfeldzug bereits einen Operationsplan für Angriffe im Westen?

JODL: Nein. Zunächst gab es keinen Angriffsplan im Westen sondern im Gegenteil, es gab eine, besonders im Heere weitverbreitete Auffassung, daß der Krieg von selbst einschlafen würde, wenn wir uns nur im Westen ruhig verhielten. Das ging so weit, daß der Oberbefehlshaber des Heeres sogar bewegliche Infanteriedivisionen in Festungsdivisionen umwandelte, also ihnen die ganzen Bewegungsmittel wegnahm,

PROF. DR. EXNER: Wußten Sie schon im Polenfeldzug von den Absichten des Führers gegenüber dem Westen?

JODL: Während des Polenfeldzuges war der Führer selbst zweifelhaft. Auch er konnte sich keine plausible Erklärung machen über die völlige Untätigkeit der französischen und englischen Kräfte in Frankreich, die nur mit Hilfe ihrer Kriegsberichte eine Art Scheinkrieg inszenierten. In Wirklichkeit fiel aber an der Front kein Schuß. Aber Ende September war sich meiner Erinnerung nach der Führer doch darüber klar, daß, wenn England mal in einen Krieg eingetreten ist, es einen solchen Krieg auch bis zum bitteren Ende durchkämpft.

PROF. DR. EXNER: Als Generalstäbler müssen Sie folgende Fragen am besten beantworten können. Hätten wir uns vom rein strategischen Standpunkt aus gegenüber dem Westen auch rein defensiv verhalten können?

JODL: Ich will mich ganz kurz fassen, weil derartige Probleme nicht direkt mit dem Prozeß zu tun haben. Ich will nur sagen, es wäre der größte strategische Fehler gewesen; denn unsere damalige Überlegenheit mußte in demselben Maße schwinden, als wir zögerten, davon angriffsweise Gebrauch zu machen; denn England brachte laufend weitere Divisionen nach Frankreich und ebenso die Franzosen aus ihrem Kolonialreich.

Ich glaube, mehr brauche ich darüber nicht zu sagen.

PROF. DR. EXNER: Ich verweise auf C-62, GB-106. In meinem Dokumentenbuch erster Band, Seite 56. Ich brauche es aber nicht zu verlesen. Es ist eine Weisung für die Kriegführung, und es sind auch wiederum die Grundgedanken, die wir da gehört haben, zum Ausdruck gebracht.

JODL: Eines ist vielleicht doch noch wichtig. Der Führer nahm diese Gefahr, daß wir eben nicht mehr überlegen bleiben würden, auf die Dauer so ernst, daß er ja den Angriff im Winter führen wollte, obwohl sämtliche Soldaten, die es überhaupt gab, ihm davon abgeraten haben.

PROF. DR. EXNER: Da wäre zu verweisen auf unser Dokument im ersten Band, Seite 48/49. Es ist die Denkschrift des Führers über die Führung des Krieges im Westen, die Generaloberst Jodl bereits zitiert hat, L-52, US-540. Eine ausführliche Begründung dafür ist auf Seite, 49 meines Dokumentenbuches. Warum wurde denn nicht Frankreich angegriffen, ohne die Neutralität Hollands, Belgiens und Luxemburgs zu verletzen?

JODL: Es war auch für den Führer keine Kleinigkeit sich neue Gegner zu verschaffen in einer Stärke von 500000 Mann, wie es die holländisch-belgischen Kräfte darstellten. Das führte dazu, daß wir den Angriff im Westen tatsächlich mit unterlegenen Kräften führen mußten, nämlich mit 110 Divisionen gegen rund 135 feindliche. Ohne Not tut das kein Feldherr.

PROF. DR. EXNER: Nun, was waren die Gründe?

JODL: Wir waren nicht imstande, die Maginot-Linie an ihren stärksten Stellen, die dann übrig geblieben wären, nämlich zwischen dem Rhein und der luxemburgischen Grenze oder am Oberrhein, wo die Vogesen noch dazu kamen, diesen Westwall an diesen Stellen zu durchbrechen, ich meine die Maginot- Linie. Dazu fehlte die schwere Artillerie; aber das war kein moralischer Grund, sondern vielleicht gerade ein unmoralischer.

Die große Gefahr bestand aber darin, daß uns bei einem solch langwierigen Festungsangriff die gesamten englisch-französischen beweglichen Kräfte, durch Belgien und Holland vorstoßend, in den Rücken gefahren wären, und diese standen nämlich nördlich Lille, man kann wohl sagen mit laufenden Motoren für diese Aufgabe bereit. Und das Entscheidende war, daß sowohl der Führer aber auch wir selbst, wir Soldaten, aus den vielen Meldungen, die wir bekamen, unbedingt des Eindruckes waren, daß die belgisch- holländische Neutralität doch letzten Endes nur mehr eine scheinbare und vorgetäuschte war.

PROF. DR. EXNER: Wieso kamen Sie zu dieser Anschauung?

JODL: Die Meldungen im einzelnen sind nicht von Interesse. Aber es ist eine Unzahl von Meldungen von Canaris gewesen. Sie wurden ergänzt und wurden bestätigt durch Briefe des Duce, Mussolinis. Aber das absolut Beweisbare, das ganz Sichere, das war, was ich jeden Tag auf der Karte sah, es waren die nächtlichen Ein- und Ausflüge der englischen Luftwaffe, völlig unbekümmert um das neutrale holländisch-belgische Gebiet. Das mußte in uns die Überzeugung festigen, daß selbst, wenn die beiden Staaten wollten – und zu Beginn haben sie vielleicht gewollt –, sie auf die Dauer gar nicht neutral bleiben konnten.

PROF. DR. EXNER: Welche Gefahr hätte eine englisch-französische Besetzung Belgiens und Hollands für uns bedeutet?

JODL: Diese Gefahren sind ganz eindeutig vom Führer niedergelegt, erstens in seiner Denkschrift L-52, die schon wiederholt zitiert ist. Hier steht auf Seite 48 des Dokumentenbuches im untersten Abschnitt der Seite der Hinweis auf die ungeheure Bedeutung des Ruhrgebietes, von der man ja übrigens heute auch genügend Beweise hat.

In seiner Ansprache an die Oberbefehlshaber am 23. November 1939 – es ist das Dokument 789-PS, US-23, Seite 59 des ersten Dokumentenbuches – da hat er ebenfalls diese ungeheure Gefahr für das Ruhrgebiet geschildert, wenn überraschend eines Tages englisch-französische Kräfte vor diesem Gebiet gestanden wären. Er bezeichnete es dort als die »Achillesferse«, und das war es für die deutsche Kriegführung auch.

PROF. DR. EXNER: Und er sagte da auf Seite 59 unseres Dokumentenbuches:

»Wir haben eine Achillesferse: das Ruhrgebiet. Vom Besitz des Ruhrgebiets hängt die Kriegführung ab. Wenn England und Frankreich durch Belgien und Holland in das Ruhrgebiet vorstoßen, sind wir in höchster Gefahr.«

JODL: Ich kann natürlich oder konnte damals die absolute Richtigkeit der vielen Meldungen von Canaris nicht beschwören. Aber das, was wir nachträglich erbeuteten, und ich verweise da auf die Sitzung des Obersten Kriegsrats in London vom 17. November 1939, das hat im großen und ganzen doch die Richtigkeit der Abwehrmeldungen bestätigt.

PROF. DR. EXNER: Sie hatten wohl auch damals keinen Grund an der Ehrlichkeit von Canaris zu zweifeln, nicht?

JODL: Nein, damals lag aber auch nicht der geringste Anlaß vor.

PROF. DR. EXNER: Ja, während man ja jetzt etwas zweifelhaft geworden ist über seine Ehrlichkeit.

Nun, der deutsche Angriff war ursprünglich für November 1939 vorgesehen. Weshalb hat der Führer ihn denn wieder verschoben, immer wieder? Nicht weniger als 17 Befehle liegen vor, die immer wieder den Angriff verschieben.

JODL: Es ist nicht ganz richtig, daß der Führer für Mitte November den Angriff befohlen hätte, sondern er wollte den Angriff dann führen, wenn ihm die Meteorologen ein klares Frostwetter für etwa sechs bis sieben Tage voraussagten. Daran scheiterten aber die Meteorologen. Manchmal glaubten Sie, eine solche Wetterlage zu erkennen, dann wurden alle Vorbereitungen für den Angriff getroffen. Dann widerriefen sie diese Wettermeldungen wieder, und dann wurden die letzten Angriffsvorbereitungen wieder eingestellt. So ist es gekommen, daß wir sehr oft zum Angriff ansetzten und ihn dann doch wieder nicht durchführten.

Bei dieser Gelegenheit ist dann nach einer Meldung, die ich von Canaris bekam, auch die französische Armee mit einer Truppe ihrerseits schon ein Stück über die belgische Grenze gefahren. Ob es richtig ist, weiß ich nicht.

PROF. DR. EXNER: Die Ankläger werfen Ihnen vor, daß Sie diese Länder getäuscht und dann überfallen haben. Bitte äußern Sie sich dazu.

JODL: Hier gilt dasselbe, was ich vorhin schon sagte.

Ich war weder Politiker noch war ich militärischer Oberbefehlshaber der Wehrmacht. Ich stand unter dem Eindruck, und zwar unter dem beweisbaren Eindruck, daß die Neutralität dieser beiden Staaten in der Tatsache nicht mehr respektiert wurde. Und was den Ehrenkodex meines Handelns betrifft, muß ich sagen, das war der Gehorsam; denn er ist das ethische Fundament des Soldatentums überhaupt. Und daß ich weit davon entfernt bin, ihn unbegrenzt auszudehnen, ihn als Kadavergehorsam aufzufassen, darüber, glaube ich, wird man nach meinen bisherigen Ausführungen keinen Zweifel haben. Aber trotzdem kommt man nicht darum herum, daß es gerade in solchen operativen Dingen nichts anderes geben kann für den Soldaten wie Gehorsam.

Und wenn die Anklagebehörde heute hier in der Lage ist, die Anklage gegen deutsche Offiziere überhaupt zu erheben, so verdankt sie das nur diesem ethischen Prinzip des Gehorsams ihrer tapferen Soldaten.

PROF. DR. EXNER: Wir kommen jetzt zum Balkan. In Ihrem Tagebuch 1809-PS machen Sie am 19. März den Eintrag: »Der Balkan soll und muß ruhig bleiben.« – Das ist Seite 61 des ersten Bandes meines Dokumentenbuches, GB-88, 1809-PS, die Eintragung vom 19. März. Da heißt es zuerst:

»Führer kommt freudestrahlend und hochbefriedigt von der Besprechung mit dem Duce zurück. Völlige Übereinstimmung... Balkan soll und muß ruhig bleiben.«

Was bedeutet das?

JODL: Ich muß Sie korrigieren, Herr Professor. Es ist nicht mein Tagebuch.

PROF. DR. EXNER: Ja, dann muß ich eine Zwischenfrage stellen. Es wird immer von Ihrem Tagebuch gesprochen und Ihren Tagebüchern. Erklären Sie das, um was es sich da dreht, womit wir uns hier befassen. Das eine ist ein wirkliches Tagebuch und das andere nicht?

JODL: Es gibt nur ein Tagebuch, das ist Dokument 1780-PS, das ist von den Jahren 1937 bis 1938, und das habe ich selbst am Abend immer niedergeschrieben.

PROF. DR. EXNER: Nun und dieses Tagebuch 1809-PS, was war das?

JODL: Während des Krieges gibt es kein Tagebuch von mir; aber ich habe natürlich Dutzende von Notizheften ausgeschrieben, und wenn ein solches Aufschreibeheft fertig war, ausgeschrieben war, dann habe ich wichtige Stellen am Rande rot angestrichen und diese hat dann meine Sekretärin später herausgeschrieben, weil sie für die Kriegsgeschichtsschreibung und für das amtliche Tagebuch des Wehrmachtführungsstabes von Bedeutung sein konnten. Das ist zum Beispiel das Dokument 1809-PS.

PROF. DR. EXNER: Haben Sie das kontrolliert, was Ihre Sekretärin da zusammengestellt hat?

JODL: Nein, das habe ich nicht mehr kontrolliert und nicht mehr gesehen; das fiel dann der Anklagebehörde in die Hände.

PROF. DR. EXNER: Nun gibt es noch ein drittes, welches immer als Tagebuch hier zitiert wird. Das ist ein Tagebuch des Wehrmachtführungsstabes.

VORSITZENDER: Sie sagen, es fiel in die Hände der Anklagebehörde. Meinen Sie damit, daß es nicht zu den Dokumenten gehört, die Sie der Anklagebehörde übergaben?

JODL: Nein, ich wußte gar nicht, wo diese Auszüge aus meinem Aufschreibeheft geblieben waren, und die Anklagebehörde hat sie irgendwo erbeutet. Alles übrige sind Ausschnitte, Teilausschnitte aus dem amtlichen Tagebuch des Wehrmachtführungsstabes.

PROF. DR. EXNER: Und wer hat das geführt, das amtliche Tagebuch des Wehrmachtführungsstabes? Nicht Sie?

JODL: Nein, das hat immer ein hochwertiger von mir persönlich bestimmter Fachmann geführt.

PROF. DR. EXNER: Haben Sie das kontrolliert?

JODL: Zuletzt der Professor an der Universität Göttingen, Dr. Schramm.

PROF. DR. EXNER: Den werden wir als Zeugen hören.

Haben Sie kontrolliert, was in dieses offizielle Tagebuch hineingenommen wurde oder nicht?

JODL: Ich hatte meist nicht die Zeit, sondern ließ es durch General Scherff durchlesen, und wenn der irgend etwas Besonderes gefunden hat, so hat er mich darauf aufmerksam gemacht.

PROF. DR. EXNER: Also, das nur zur Klarstellung.

Jetzt kehren wir wieder zur Balkanfrage zurück. Es hieß in Ihrem sogenannten Tagebuch: »Der Balkan soll und muß ruhig bleiben.« Was war damit wohl gemeint?

JODL: Das war eine kurze Notiz über die Erzählungen des Führers, daß er sich mit Mussolini vollkommen darüber einig geworden sei, daß man am Balkan Ruhe haben müsse.

PROF. DR. EXNER: Und haben wir nicht versucht, die Balkanstaaten wirklich so ruhig als möglich zu halten?

JODL: Ja, dieser Versuch ist unaufhörlich gemacht worden. Es ist unser Verhalten gegenüber Jugoslawien so sorgsam gewesen wie gegenüber einer Primadonna. Das ging so weit, daß, als wir den griechischen Feldzug vorbereiten mußten, der Führer sogar den Antrag des Generalquartiermeisters des Heeres abgelehnt hat, plombierte Züge, Nachschubzüge durch Jugoslawien fahren zu lassen, was völkerrechtlich zulässig ist. Wir haben ferner auf Bulgarien eingewirkt, daß es sich an dem bevorstehenden Krieg in Griechenland nicht beteiligt, vor allem um die Türkei nicht zu alarmieren; und der Führer hoffte selbst nach dem Krieg Italien-Griechenland immer noch, den Konflikt, die persönliche militärische Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Griechenland vermeiden zu können.

PROF. DR. EXNER: Ich verweise da auf die Weisung Nummer 18, abgedruckt auf Seite 66 des ersten Bandes unseres Dokumentenbuches, wo ein Auszug aus 444-PS, GB-116 aufgenommen ist; hier finden wir in dem vorletzten Abschnitt folgendes:

»Die vorbereitenden Maßnahmen der Oberkommandos für die Kriegführung der nächsten Zeit sind nach folgenden Richtlinien zu treffen:«

Und dann im vorletzten Absatz dieser Seite heißt es:

»Auf eine Benutzung der durch Jugoslawien führenden Eisenbahn wird für den Aufmarsch dieser Kräfte nicht zu rechnen sein.«

Nun, was zwang uns dazu, dieses Programm aufzugeben?

JODL: Dieses Programm wurde völlig über den Hauten geworfen durch die Extratour Italiens, über die der Reichsmarschall und der Großadmiral schon berichtet haben. Ich habe nur kurz hinzuzufügen: Italien wurde wie immer geschlagen und schickte nun hilferufend den Chef der Operationsabteilung, das Commando Supremo, zu mir. Aber trotz dieser Notlage griff der Führer in den Kampf in Albanien nicht ein. Er hat keinen deutschen Soldaten dorthin geschickt, wenn auch Überlegungen dafür angestellt worden sind. Er befahl nur für das nächste Frühjahr eine Operation aus Bulgarien heraus gegen Griechenland vorzubereiten, und auch diese sollte zunächst nur den Zweck haben, das Becken von Saloniki zu besetzen und damit die Italiener unmittelbar zu entlasten, und nur für den Fall, der allerdings befürchtet wurde, daß durch diesen Wahnsinn Italiens nun englische Divisionen am Balkan auftreten würden, für diesen Fall war vorgesehen, naturgemäß ganz Griechenland freizugeben; denn wir konnten unmöglich eine Basis der englischen Luftwaffe in unmittelbarer Nähe der rumänischen Ölgebiete dulden. Und dieser Zwiespalt geht besonders deutlich hervor aus dem Befehl, der dem Gericht vorgelegt worden ist als Dokument 1541-PS, GB-117, auf Seite 63 des Dokumentenbuches und auf Seite 64; ich möchte doch zwei Stellen daraus, kurze Stellen, kurz zitieren. Auf Seite 63, Ziffer 2, Absatz b, heißt es:

»Unternehmen Marita. Meine Absicht ist daher,... diese Kräftegruppe« – ich zitiere jetzt – »diese Kräftegruppe über Bulgarien hinweg zur Besitznahme der Ägäischen Nordküste und, sollte dies erforderlich sein, des ganzen griechischen Festlandes anzusetzen.«

Und ich zitiere von Seite 64, Ziffer 4, Absatz a:

»Erstes Ziel der Operation ist die Besitznahme der Ägäischen Küste und des Beckens von Saloniki. Fortsetzung des Angriffs über Larissa und die Enge von Korinth kann notwendig werden.«

Aus diesen Eventualbefehlen geht ganz klar hervor, daß die Besetzung von ganz Griechenland nur für den Fall beabsichtigt war, daß wir durch Auftreten englischer Truppen dazu gezwungen würden, was damals noch nicht der Fall war.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird eine Verhandlungspause einlegen.