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[Das Gericht vertagt sich bis

6. Juni 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertachtundvierzigster Tag.

Donnerstag, 6. Juni 1946.

Vormittagssitzung.

[Der Angeklagte Jodl im Zeugenstand.]

DR. NELTE: Herr Generaloberst! Sie haben gestern meine letzte Frage über den General Thomas dahin beantwortet, daß dieser laufend Berichte über das Kriegspotential der Feindmächte an Sie und den Feldmarschall Keitel geliefert hat. Sind diese wichtigen Berichte stets Hitler vorgelegt worden?

JODL: Diese Berichte mit einer eingehenden graphischen Darstellung, Skizzen und Zeichnungen sind regelmäßig dem Führer vorgelegt worden und gaben vielfach Anlaß zu sehr heftigen Auseinandersetzungen, weil der Führer diese Darstellung des gegnerischen Kriegspotentials für weit übertrieben hielt.

DR. NELTE: Standen Sie und Feldmarschall Keitel auf dem Standpunkt, daß die Darstellungen des Generals Thomas begründet seien?

JODL: Sowohl Feldmarschall Keitel wie ich waren der Auffassung, daß bei dem sehr sorgfältigen Studium der gegnerischen Rüstungsleistungen diese Angaben von Thomas zweifellos im großen und ganzen vollkommen richtig waren.

DR. NELTE: Sie haben von dem Zeugen Gisevius gehört, daß Thomas ein Gegner der Kriegführung Hitlers gewesen sein soll. Ist Ihnen dies im Laufe der Jahre und bei den Berichterstattungen jemals auch erkennbar in Erscheinung getreten?

JODL: Das ist mir nicht in Erscheinung getreten. Das einzige, was mir in Erscheinung getreten ist, das war, daß er sich gegen diesen übertriebenen Optimismus, dem der Führer zu huldigen pflegte, gewandt hat und daß er vielleicht in seiner Grundeinstellung eher eine pessimistische als optimistische Natur war.

DR. NELTE: Ist General Thomas auf Betreiben Keitels aus seiner Stellung als Wehrwirtschaftsamtschef entlassen worden?

JODL: Nein; der General Thomas unterstand zu der Zeit, als er aus seiner aktiven Verwendung ausschied, dem Minister Speer; Minister Speer legte keinen Wert mehr darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten und beantragte beim Führer, daß er aus dem Rüstungsamt, das ja der Minister Speer übernommen hat, entlassen wurde. Das hat der Feldmarschall dann auf Befehl des Führers getan.

DR. NELTE: Ich kann also feststellen...

VORSITZENDER: Dr. Nelte! Inwiefern ist die Aussage über General Thomas im Falle Keitel erheblich? Inwiefern ist die Frage, ob General Thomas gegen die angeblichen Interessen Deutschlands handelte oder nicht, in den beiden Fällen Keitel oder Jodl erheblich? Die Zeugenaussage von Gisevius war für den Angeklagten Schacht erheblich. Es scheint mir, und ich glaube auch dem Gerichtshof, daß das für Ihren Mandanten und für den Fall des Generals Jodl völlig unerheblich ist. Es kann uns doch gleichgültig sein, ob General Thomas versucht hat, Hitler zu stürzen oder nicht.

DR. NELTE: Die Frage, um die es für den Angeklagten Keitel geht, ist, ob der Feldmarschall Keitel die Berichte, die Thomas geliefert hat, auch von sich aus vorgelegt und vertreten hat. Es ist hier von dem Zeugen Gisevius vorgetragen worden, und zwar unter Berufung auf Thomas als Informationsquelle, daß diese von Thomas gefertigten Berichte Hitler vorenthalten worden seien. Ich muß also den Beweis...

VORSITZENDER: Wir haben das schon gestern behandelt, und jetzt hat der Angeklagte Jodl gesagt, daß die Berichte, daß die von Thomas gefertigten Berichte dem Führer unterbreitet worden sind. Aber worauf ich Sie hinweisen will ist, daß die Frage, ob die Berichte von Thomas wahrheitsgetreu waren oder nicht, völlig unerheblich ist.

DR. NELTE: Für die Frage der Glaubwürdigkeit der Informationsquellen des Gisevius meines Erachtens nicht; aber ich will diese Frage zurückstellen.