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[Keine Antwort.]

MR. ROBERTS: Können Sie mir nicht antworten?

JODL: Ich kann Ihnen antworten, sobald ich das gelesen habe.

VORSITZENDER: Angeklagter! Die Frage war, ob Sie sich erinnern, was das Unternehmen »Schulung« war. Sie brauchen das Dokument nicht zu lesen, um diese Frage zu beantworten.

JODL: Meiner Erinnerung nach – von der ich aber nicht weiß, ob sie nicht erst hier aus dem Aktenstudium von Nürnberg stammt – war der Begriff »Schulung« die Vorbereitung für die Besetzung der Rheinlinie nach Räumung der westrheinischen Gebiete im Falle französischer Sanktionen...

MR. ROBERTS: Gut, ich verstehe.

JODL: Aber... Dazu ist noch etwas zu sagen.

MR. ROBERTS: Nun, warten Sie einen Augenblick. Das handelt sich dann doch um die Wiederbesetzung des Rheinlandes; stimmen Sie dem zu?

JODL: Nein, das befaßt sich nicht mit der Wiederbesetzung des Rheinlandes; das ist absolut falsch, sondern das...

MR. ROBERTS: Nun, wir wollen das Dokument zusammen betrachten und sehen, was darin geschrieben steht.

Vor allem ist es datiert vom 2. Mai 1935.

»Für das in der...«

Ich lese es Ihnen vor; dabei möchte ich folgendes klarstellen: Es ist scheinbar so geheim, daß es nicht einem Stenographen anvertraut werden konnte. Das ganze Dokument ist nämlich mit der Hand geschrieben, nicht wahr?

[Keine Antwort.]

MR. ROBERTS: Diese Frage können Sie doch bestimmt beantworten. Können Sie erkennen, ob es mit der Hand geschrieben ist oder nicht?

JODL: Das ist in Handschrift geschrieben, ja.

MR. ROBERTS: Warum sagen Sie das nicht?

Nun, wir wollen es uns ansehen. Es stammt vom Reichswehrminister; das ist von Blomberg, nicht wahr? Es ist die zweite Ausfertigung, »von Hand zu Hand«. Es geht an den Chef der Heeresleitung, an den Chef der Marineleitung und an den Reichsminister der Luftfahrt.

»Für das in der letzten Wehrmachtsbesprechung angeregte Unternehmen...«

deshalb habe ich Sie gefragt, ob Sie Stabsbesprechungen beiwohnten, sehen Sie...

»bestimme ich das Deckwort ›Schulung‹.«

Dann darf ich mich ganz kurz auf den Inhalt beziehen. Es ist

»eine gemeinsame Aktion der drei Wehrmachtsteile... Das Unternehmen muß... schlagartig als Überfall zur Ausführung gelangen« – ein Ausdruck, den wir später gut kennengelernt haben – »Größte Geheimhaltung... ist erforderlich... in Friedenszusammensetzung...«

Und unter Ziffer 3 heißt es:

»Jede Besserung der Rüstungslage wird eine Erweiterung der Vorbereitungen ermöglichen...«

Und dann die Frage an die Heeresleitung:

»Wie viele kampffähige Divisionen... können für das Unternehmen verfügbar gemacht werden?«

Nicht ein symbolisches Bataillon, wie Sie gestern sagten.

»Verstärkung der dort notwendigerweise unzureichenden Kräfte« – das war im Westen – »durch die sofort durch Bahn- oder Seetransport heranzuziehenden ostpreußischen Divisionen....Marineleitung: Gesicherte Durchführung der Abbeförderung der ostpreußischen Truppen auf dem Seeweg, falls der Landweg verschlossen.«

Worauf könnten sich diese geheimen Befehle beziehen, die so geheim waren, daß sie nur handschriftlich niedergeschrieben werden konnten, wenn nicht auf die Wiederbesetzung des Rheinlandes?

JODL: Wenn Sie mir eine ganz kurze Erklärung gestatten, dann wird die Zeit des Gerichts ungeheuer abgekürzt.

MR. ROBERTS: Bitte, Herr Zeuge, beantworten Sie zuerst meine Frage, und dann geben Sie Ihre Erklärung ab, wenn sie kurz ist. Die Frage ist: Auf was könnte es sich denn beziehen, wenn nicht auf die Wiederbesetzung des Rheinlandes?

JODL: Ich bin hier nicht als Hellseher. Ich kenne das Dokument nicht. Ich habe es nie gelesen. Ich war zu dieser Zeit nicht im Wehrmachtsamt – das hat ganz andere Unterschriften –, sondern ich war in der Operationsabteilung des Heeres, und ich habe dieses Papier weder gesehen noch je davon gehört. Wenn Sie das Datum ansehen, 2. Mai 1935, dann liegt das dokumentarisch fest; denn ich bin erst Mitte Juni 1935 in das Wehrmachtsamt gekommen. Ich kann Ihnen also nur auf Grund meiner Generalstabsausbildung einige Vermutungen sagen. Aber Vermutungen wünscht ja das Gericht nicht.

MR. ROBERTS: Gut, wenn das Ihre Antwort ist.

Und Sie, der Sie Feldmarschall von Blombergs Stabsbesprechungen beigewohnt haben, behaupten, daß Sie dem Gerichtshof gar nichts darüber sagen können, womit sich dieser geheime Operationsbefehl befaßt hat?

JODL: Das war doch vor meiner Zeit, da war ich nicht bei Blomberg.

MR. ROBERTS: Wollen Sie sich bitte das Dokument EC-405 anschauen. Lassen Sie ihn das deutsche Dokumentenbuch Seite 277 ansehen.

Herr Vorsitzender! Das ist Seite 26. – Hat er nicht ein deutsches Buch?

VORSITZENDER: Angeklagter! Sie haben doch gesagt, daß Sie sich daran erinnern, daß das Unternehmen »Schulung« die Vorbereitung für die Besetzung des Rheinlandes gewesen sei?

JODL: Nein, das Gegenteil habe ich gesagt. Ich habe gesagt, das Wort »Schulung« habe ich zum erstenmal hier im Gericht gehört und habe mir nun Gedanken gemacht: was könnte denn das gewesen sein.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird, dem Protokoll entnehmen können, was Sie sagten. Sie sagen also, daß Sie nicht gesagt haben, daß »Schulung« die Vorbereitung zur Besetzung des Rheinlandes bedeutete. Stimmt das?

JODL: Ich will sagen, daß ich ja als damaliger Generalstabsoffizier der Operationsabteilung wissen mußte, welche militärischen Vorbereitungen getroffen waren.

VORSITZENDER: Das ist aber nicht, wonach ich Sie fragte. Sondern ich will wissen, was Sie eben gesagt haben als Antwort. auf die Frage, ob Sie sich erinnern, was das Unternehmen »Schulung« bedeutet. Was haben Sie gesagt? Es ist möglich, daß die Übersetzung nicht richtig durchkam. Was sagten Sie?

JODL: Ich habe gesagt, ich glaube, mich zu erinnern – aber ich weiß nicht, ob diese Erinnerung nicht erst aus dem Studium der Dokumente hier stammt oder von früher –, daß mit dem Worte »Schulung« die Vorbereitungen gemeint waren, die für die Räumung des westrheinischen Gebietes und für eine Besetzung der Rheinlinie vorgesehen waren im Falle französischer Sanktionen; denn das war das einzige, womit wir uns damals befaßt haben. Dazu gehörten die ganzen Räumungsmaßnahmen, die ich dann später im Dokument EC-405 sowieso erwähnt habe.

MR. ROBERTS: Sie erinnern sich doch an das Datum des letzten Dokuments, 2. Mai 1935? Jetzt beziehe ich mich auf EC-405. Das ist im großen Dokumentenbuch Nummer 7 auf Seite 261 und auf Seite 277 des deutschen Buches. Dieses, Zeuge, ist eine Sitzung... Schauen Sie sich bitte Seite 43 und 44 des Originals an, das Sie haben. Haben Sie 43 und 44?

JODL: 43 und 44, jawohl.

MR. ROBERTS: Schön; Sie sehen da, es ist eine Sitzung des Arbeitsausschusses des Reichsverteidigungsrates. Es ist vom 26. Juni 1935 datiert, und unter »f« heißt es:

»Oberstleutnant Jodl über Beteiligung an Mobilmachungsvorarbeiten«.

Und die ersten drei Absätze befassen sich. mit der Mobilmachung. Ich will sie nicht verlesen. Aber im vierten Absatz heißt es:

»Besondere Behandlung erfordert die entmil. Zone. Der Führer und Reichskanzler hat in seiner Rede vom 21. 5. 35 und anderen Erklärungen zum Ausdruck gebracht, daß die Bestimmungen des Versailler Vertrages und des Locarno-Abkommens für die entmil. Zone beachtet werden. Auf das ›Aide mémoire‹ des Französischen Geschäftsträgers vom 17. 6. 35 über ›Ersatzdienststellen in der entmil. Zone‹ hat die Deutsche Reichsregierung geantwortet, daß weder die zivilen Ersatzbehörden noch andere Stellen in der entmil. Zone mit Mob.Aufgaben, wie Aufstellung, Ausrüstung und Bewaffnung von irgendwelchen Formationen für den Kriegsfall oder der Vorbereitung hierfür betraut sind.«

Wenn von Blombergs handgeschriebener Brief vom 2. Mai 1935 sich auf Vorbereitungen zur schlagartigen Wiederbesetzung des Rheinlandes bezog, dann war es doch sehr unehrlich vom Führer, wenn er 19 Tage später, am 21. Mai, sagte, daß das Locarno- Abkommen und der Versailler Vertrag beachtet werden würden, nicht wahr?

JODL: Nein, das war nicht unehrlich; denn, wenn es überhaupt richtig ist, daß sich der Begriff »Schulung...«

VORSITZENDER: Ich glaube, das ist Auffassungssache, wenn Sie gestatten.

MR. ROBERTS: Ich muß natürlich im weiteren Verlauf dem Zeugen gegenüber gewisse Bemerkungen machen. Sie werden ohne Zweifel feststellen, Herr Vorsitzender, daß ich von dieser speziellen Entscheidung, die sich vermutlich nur auf diese Frage bezieht, nicht abzuweichen versuche.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß Sie keine Bemerkungen machen, sondern Ihr Kreuzverhör, soweit wie möglich, auf Tatsachen beschränken sollen.

MR. ROBERTS: Was Ihre Entscheidung anlangt, Herr Vorsitzender... ich habe sehr große Erfahrung im Kreuzverhör, vor vielen Gerichten; ich füge mich natürlich Ihrer Anordnung, Herr Vorsitzender.

Es ist sehr schwierig, ein Kreuzverhör nur auf Tatsachen zu beschränken; aber ich werde mein möglichstes versuchen.

Ich will jetzt weiterlesen:

»Da zur Zeit außenpolitische Verwicklungen unter allen Umständen vermieden werden müssen, dürfen in der entmil. Zone nur unabweisbar notwendige Vorarbeiten durchgeführt werden. Die Tatsache solcher Vorarbeiten oder die Absicht hierzu unterliegt sowohl in der Zone selbst wie auch im übrigen Reich strengster Geheimhaltung.

Die mobilmachungsmäßig gelagerten Waffen, Geräte, Abzeichen, feldgraue Umformen und Ausrüstungsstücke dürfen nicht gezeigt werden.«

Jetzt lese ich aus dem letzten Abschnitt vor:

»Das Niederlegen von schriftlichen Anweisungen für Mobilmachungszwecke ist nur soweit zulässig, als es zur reibungslosen Durchführung der für die entmil. Zone vorgesehenen Maßnahmen unbedingt notwendig ist. Die Aufbewahrung in Panzerschränken muß ausnahmslos gewährleistet sein.«

Sie haben Waffen und Ausrüstungsgegenstände in der entmilitarisierten Zone gestapelt, stimmt das?

JODL: Das waren Waffen und Ausrüstungsgegenstände der Landespolizei, der Schutzpolizei und der Gendarmerie. Truppen waren nicht dort; infolgedessen waren auch keine Waffen für sie dort.

MR. ROBERTS: Hat die Polizei feldgrau getragen?

JODL: Die Polizei hat meines Wissens eine graugrüne Uniform getragen oder eine grüne Uniform.

MR. ROBERTS: Warum mußte dies so geheimgehalten werden, wenn es nur Polizeiausrüstung war?

JODL: Das war die Ausrüstung außerdem noch für den verstärkten Grenzaufsichtsdienst, den Zollschutz, von dem ich schon gesagt habe, daß es beabsichtigt war...

MR. ROBERTS: Meine Frage ist: Warum die Geheimhaltung, Herr Zeuge? Warum war Geheimhaltung notwendig, wenn Sie nicht den Versailler Vertrag brachen? Können Sie das nicht beantworten?

JODL: Ich habe mich über die Notwendigkeit und die Gründe der Geheimhaltung all dieser Maßnahmen in meiner Zeugenaussage bereits eingehend geäußert, und ich stelle fest, daß es in diesen ganzen Vorarbeiten sich darum handelte, im Falle einer Besetzung des westrheinischen Gebietes durch Frankreich, am Rhein selbst mit Hilfe der Schutzpolizei, der Gendarmerie und des verstärkten Grenzaufsichtsdienstes eine Sperrlinie aufzubauen. Das war die damalige Absicht, nur für diesen Fall. Daß ich von der Rheinlandbesetzung erst acht Tage vorher oder sechs Tage vorher erfahren habe, habe ich unter Eid bereits ausgesagt.

MR. ROBERTS: Ich weiß, daß Sie das ausgesagt haben, und ich möchte Ihnen gegenüber behaupten, daß Ihre Aussage darüber ganz unwahr war, und ich möchte behaupten, daß sie auch über viele andere Punkte unwahr gewesen ist. Wollen Sie sich bitte wieder dem ersten Absatz zuwenden, den ich Ihnen vorgelesen habe. Da heißt es:

»Auf das ›Aide mémoire‹ des Französischen Geschäftsträgers vom 17. 6. 35 über ›Ersatzdienststellen in der entmil. Zone‹ hat die Deutsche Reichsregierung geantwortet, daß weder die zivilen Ersatzbehörden noch andere Stellen in der entmil. Zone mit Mob.Aufgaben, wie Aufstellung, Aufrüstung und Bewaffnung von irgendwelchen Formationen für den Kriegsfall oder der Vorbereitung hierfür betraut sind.«

Zeigt nicht der darauffolgende Absatz über die Waffen, die Geräte, die Abzeichen und die feldgrauen Uniformen, daß der Französische Geschäftsträger nicht die Wahrheit erfahren hat?

JODL: Ich weiß nicht; ich wiederhole ja doch nur, was dem Französischen Geschäftsträger erwidert worden ist, und ich glaube, daß das im wesentlichen auch richtig war: Keine Mobilmachungsaufgaben, wie Aufstellung, Ausrüstung und Bewaffnung von Formationen für den Kriegsfall. An einen Krieg war überhaupt nicht gedacht, mit keinem Wort, von niemandem.

MR. ROBERTS: Ich möchte diesen Punkt nicht wiederholen. Darf ich Sie an den Artikel 43 des Versailler Vertrags erinnern – ich glaube, dem Gerichtshof stehen auch Abschriften davon zur Verfügung. Artikel 42 umreißt das Gebiet; das linke Rheinufer und das rechtsrheinische Ufer westlich einer 50 Kilometer östlich des Stromes verlaufenden Linie. Artikel 43 sagt:

»Ebenso ist in der im Artikel 42 bezeichneten Zone die ständige oder zeitweise Unterhaltung oder Ansammlung von Streitkräften untersagt. Das gleiche gilt für jedwede militärischen Übungen und die Beibehaltung aller materiellen Vorkehrungen für eine Mobilmachung.«

Ich halte Ihnen vor, daß die Schritte, die Sie damals unternahmen – die auf der Sitzung damals erwähnt wurden – eine klare Verletzung des Versailler Vertrags gewesen sind. Stimmen Sie dem zu oder nicht?

JODL: Nein, dem stimme ich nicht zu, weil sie nur für den Fall getroffen worden waren, daß der Gegner den Vertrag nicht hält und uns wieder angreift wie damals im Ruhrgebiet.

MR. ROBERTS: Gut. Ich möchte mich nun von Zeit zu Zeit auf ein Dokument beziehen, welches als Ihre Rede bezeichnet worden ist, L-172. Ich will es Ihnen übergeben. Ich möchte zuerst klarstellen, als was Sie das Dokument bezeichnen; denn Sie möchten doch nicht an einem Tag das eine sagen und dann am nächsten Tag das Gegenteil?

JODL: Ich habe...

MR. ROBERTS: Dieses Dokument zeigt doch verschiedentlich Ihre Handschrift. Ich kann Ihnen die Seiten sagen, wenn Sie wollen. Wenn Sie Seite...

JODL: Nein, unnötig. Es enthält viele, viele handschriftliche Streichungen und Notizen von mir. Aber ich habe...

MR. ROBERTS: Ich danke Ihnen, Herr Zeuge, daß Sie mir die Mühe erspart haben. Ist dies eine Rede –, der Entwurf einer Rede, die Sie im Jahre 1943 in München vor den Gauleitern gehalten haben?

JODL: Ich habe schon klar gesagt, der Papierkorb davon, nicht die Rede, die ich gehalten habe, sondern Teile eines ersten Entwurfs und die Masse, was da drinn ist, sind Vortragsnotizen meines Stabes, die er nur für die Bearbeitung dieses Vortrags zugeschickt hat. Daraufhin habe ich ganze Seiten weggestrichen und den ganzen Papierkorb wieder zurückgeschickt; und dann habe ich erst meine Rede gemacht.

MR. ROBERTS: Nun, ich will das nachprüfen; denn Sie haben doch ganz andere ausgesagt als ein amerikanischer Offizier Sie bei zwei verschiedenen Gelegenheiten verhörte?

Sie haben damals ganz anders ausgesagt, nicht wahr?