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[Pause von 10 Minuten.]

PROF. DR. EXNER: Herr Präsident! Ich möchte auf folgendes aufmerksam machen. Mein Klient ist seinerzeit gehört worden hier, und zwar durch einen Dolmetscher, da er die englische Sprache nicht versteht. Es ist auf Grund dieser Aussage ein Protokoll, wie ich eben höre, in englischer Sprache vorhanden. Dieses Protokoll hat er nie gesehen und hat es nicht unterschrieben, und jetzt wird ihm dieses Protokoll, das in englischer Sprache abgefaßt ist, in einer deutschen Übersetzung wieder vorgehalten. Meines Ermessens ist es unmöglich, unter solchen Umständen den Angeklagten auf bestimmte Worte festzulegen, welche in dem Protokoll stehen. Er steht zu dem, was er gesagt hat; aber er kann nicht alles anerkennen, was in dem Protokoll steht, wenn...

VORSITZENDER: Das ist wahr. Der Gerichtshof wird diese Tatsache in Erinnerung behalten, wenn Sie seine Aufmerksamkeit darauf lenken werden.

MR. ROBERTS: Hoher Gerichtshof! Ich gehe von diesem Punkte jetzt ab. Ich glaube, der Zeuge sagte, daß dieses Dokument die Grundlage der Rede war. Ich akzeptiere das und gehe jetzt weiter. Wollen Sie bitte dem Zeugen sein Tagebuch geben, 1780-PS, deutsches Dokument C-113, Seite 133 im großen Dokumentenbuch.

Herr Zeuge! Ich glaube, Sie haben diese Eintragung bereits gesehen – sie ist vom 5. November 1937 –, mit der ich mich befasse:

»Führer entwickelt... seine Gedanken über zukünftige Entwicklung, Absichten und Führung der Politik.«

Es ist Seite 133 im großen Dokumentenbuch.

VORSITZENDER: Wenn Sie sagen »großen Buch« meinen Sie Nummer 7?

MR. ROBERTS: Ja, das Dokumentenbuch Nummer 7. Entschuldigen Sie, ich hätte ihm eine Nummer geben sollen.

»5. 11. 1937:

Führer entwickelt dem Ob.d.W, H, M und L sowie Reichsaußenminister seine Gedanken über zukünftige Entwicklung, Absichten und Führung der Politik. Wiedergabe der Gedanken weicht zwischen den des Chefs WA (R Kr Min) und Ob.d.L.... ab. Absicht L...«

Ist damit Ihre Abteilung gemeint, »Landesverteidigung«, Ihre Absicht, diese Gedanken zu Papier zu bringen?

[Keine Antwort.]

MR. ROBERTS: Bitte, Herr Zeuge, antworten Sie!

JODL: Es heißt »Absicht L«; das heißt: Absicht der Abteilung Landesverteidigung, die Gedanken zu Papier bringen und den Wehrmachtsteilen übermitteln.

MR. ROBERTS: Jawohl. Die Zusammenkunft, über die Sie sprachen, war doch, was wir die Hoßbach- Konferenz nannten; das ist 386-PS. Der Gerichtshof kennt es sehr gut. Sie erinnern sich doch an diese Konferenz. Sie haben doch das Protokoll hier oft gelesen?

JODL: Ja; aber ich war bei der Konferenz nicht dabei. Was hier verlesen worden ist, an das erinnere ich mich.

MR. ROBERTS: Ich weiß, daß Sie nicht anwesend waren. Aber wahrscheinlich erhielten Sie als Chef der Abteilung Landesverteidigung Mitteilung über das, was bei dieser Konferenz besprochen wurde?

JODL: Ich habe mich bereits darüber geäußert, daß die Mitteilung, die ich bekommen habe, in keiner Weise etwas Sensationelles war; die Weisungen für die Vorbereitungen nach dieser Zeit liegen dem Gericht ja schriftlich vor. Damit ist ja bewiesen, was wir damals vorbereitet und ausgearbeitet haben. Wir haben den Befehl vom 20. Mai, wir haben den Befehl vom 14. Juni; es liegt ja vor.

VORSITZENDER: Angeklagter! Sie wurden nur gefragt, ob Sie Mitteilung davon erhalten haben, was bei der Konferenz besprochen wurde. Es war nicht nötig, darüber lange Ausführungen zu machen.

MR. ROBERTS: Sie sehen, ich versuche, einfache Fragen zu stellen und bitte auch um einfache Antworten. Ich möchte Sie keinesfalls unterbrechen.

Wurde Ihnen mitgeteilt, daß Hitler gelegentlich dieser Konferenz sagte, daß das deutsche Problem eine Raumfrage sei?

JODL: Nein; nicht ein Wort.

MR. ROBERTS: Wurde Ihnen mitgeteilt, daß Hitler bei dieser Konferenz sagte, daß die deutsche Frage nur mit Gewalt gelöst werden könne?

JODL: Nein.

MR. ROBERTS: Wurde Ihnen mitgeteilt, daß Hitler sagte, daß die deutsche Wiederaufrüstung praktisch vollendet sei?

JODL: Nein.

MR. ROBERTS: Und die letzte Frage, die ich an Sie stelle: Wurde Ihnen mitgeteilt, daß Hitler sagte, daß Österreich und die Tschechoslowakei im Falle eines Krieges das erste Ziel sein würden?

JODL: Die Mitteilung über die aktivere Vorbereitung eines Aufmarsches gegen die Tschechoslowakei, das glaube ich, war in den Ausführungen enthalten; aber ich kann nur sagen, die Einzelheiten, die ich vom Feldmarschall Keitel bekommen habe, sind mir nicht mehr gegenwärtig. Ich weiß nur das eine, daß es keinerlei Überraschung oder Sensation für mich war, sondern daß nur kleine Korrekturen der bisher ausgegebenen Weisungen notwendig wurden.

MR. ROBERTS: Jawohl, danke. Nun, Sie waren nicht auf dem Obersalzberg anwesend, als Keitel zusammen mit Schuschnigg im darauffolgenden Februar dort war?

JODL: Nein, da war ich nicht anwesend.

MR. ROBERTS: Aber Keitel hat Ihnen später mitgeteilt, was sich ereignet hat?

JODL: Er hat einige ganz kurze Bemerkungen darüber gemacht, erzählungsweise, denn mich ging das weiter ja nichts an.

MR. ROBERTS: Haben Sie diese Eintragungen in Ihrem Tagebuch gemacht? Und zwar die nächste nach der, auf die ich mich jetzt beziehe, Seite 133, Buch Nummer 7, dieselbe Seite, am 11. Februar 1938?

»Abends und 12. 2. Grl. Keitel mit Grl. v. Reichenau und Sperrte in Obersalzberg. Schuschnigg und G. Schmidt wurden wieder unter schwersten politischen und militärischen Druck gesetzt.«

Hat Keitel Ihnen das erzählt?

JODL: Ja. Sie haben nur das Wort »wieder« eingefügt, das steht in meinem Tagebuch nicht. Diesen Eintrag habe ich persönlich gemacht, und zwar deswegen, weil mir Keitel erzählte, beim Mittagessen hätten Reichenau und Sperrle kriegerische Reden geführt, indem sie über die neue Aufrüstung Deutschlands erzählt hatten.

MR. ROBERTS: Sehr gut, jawohl. Nun im März, ich glaube, da gibt es keine Meinungsverschiedenheit, haben Sie einen oder zwei Befehle für das Unternehmen »Otto« unterschrieben oder paraphiert.

JODL: Jawohl. Es hieß aber damals nicht »Otto«, sondern »für den Einmarsch in Österreich«.

MR. ROBERTS: Und als Hitler hörte, daß Schuschnigg die öffentliche Meinung durch eine Volksabstimmung feststellen wollte, entschloß er sich, sofort einzufallen?

JODL: Ja, mir wurde erzählt, als er hörte, daß hier eine groteske Vergewaltigung der öffentlichen Meinung stattfinden sollte durch den Trick einer Abstimmung, da sagte er, dies dulde er unter keinen Umständen. So wurde mir erzählt.

MR. ROBERTS: Er wollte also nicht dulden, daß die öffentliche Meinung festgestellt wurde?

JODL: Nein; er würde nicht dulden, daß die öffentliche Meinung durch diesen Trick vergewaltigt wird, so wurde mir erzählt.

MR. ROBERTS: Die Deutsche Wehrmacht marschierte dann in Österreich ein. Ist das richtig?

JODL: Das ist richtig, die Wehrmacht marschierte ein.

MR. ROBERTS: Und Österreich hat von diesem Tage an alle Wohltaten des Nationalsozialismus erfahren?

JODL: Das ist eine politische Frage; es hätte jedenfalls vielleicht das glücklichste Land der Welt werden können.

MR. ROBERTS: Ich habe Sie nicht gefragt, was es hätte werden können, sondern was Österreich erfuhr? Es erfuhr die SS, die Gestapo, die Konzentrationslager, die Unterdrückung von Gegnern und die Verfolgung der Juden. Stimmt das nicht?

JODL: Das sind Fragen, mit denen ich mich nicht beschäftigt habe. Die Frage müssen Sie an die zuständigen Leute stellen. Es hat außerdem mich bekommen als Artilleriekommandeur; und mich haben sie geliebt, das stelle ich nur fest.

MR. ROBERTS: Gut. Sie behaupten, daß die Leute sehr froh waren, Sie dort zu sehen?

JODL: Die Leute, die unter meinem Befehl standen, die waren glücklich über diesen Offizier, das kann ich Ihnen sagen.

MR. ROBERTS: Die mußten doch so tun, ob sie es waren oder nicht. Nicht wahr?

JODL: Nein, das mußten sie sicher nicht. Sie brauchten jedenfalls, nachdem ich lange weg war, mir nicht noch begeisterte Briefe zu schreiben, die ich während des ganzen Krieges immer bekommen habe von diesen Österreichern, denen mein Herz gehörte.

MR. ROBERTS: Es gab einen Mann, der nicht froh war, Sie zu sehen. Stimmt das?

JODL: Ich kenne keinen solchen Mann.

MR. ROBERTS: Nein?

JODL: Nein.

MR. ROBERTS: Wie war es mit Schuschnigg?

JODL: Schuschnigg habe ich nie gesehen, der kennt mich nicht, ich kenne ihn nicht, ich weiß nicht...

MR. ROBERTS: Er war sicherlich nicht darüber erfreut, daß Sie dorthin gekommen sind, nicht wahr?

JODL: Das kann ich nicht sagen.

MR. ROBERTS: Was ist mit ihm geschehen?

VORSITZENDER: Wir wissen das, Herr Roberts.

MR. ROBERTS: Herr Präsident! Ich weiß das. Ich kann mir nicht denken, daß meine Frage nicht zulässig ist. Aber wenn Sie es nicht wünschen – sie gehört zu einer Reihe von Fragen – werde ich sie zurückziehen.