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[Zum Zeugen gewandt:]

Es ist eine Notiz von der »Q«-Abteilung Ihres Stabes:

»Am 30. März 1943 wurde im Toftefjord... feindlicher Kutter gestellt, Kutter wurde vom Feind gesprengt. Besatzung: 2 Mann tot, 10 Gefangene.

Kutter war entsandt von der Norwegischen Marine von Scalloway...

Bewaffnung: 2 Colt-Mitrailleusen, 2 Maschinengewehre auf Stativ. Ein kleiner Sender vorhanden... und 1000 kg Sprengstoff sollen an Bord gewesen sein... Absicht war Aufbau einer Organisation für Sabotagehandlungen gegen Stützpunkte, Batteriestellungen, Stab- und Truppenunterkünfte, Brücken...

Führerbefehl durch SD vollzogen.

Wehrmachtsbericht vom 6. April gibt darüber folgendes bekannt:

In Nordnorwegen wurde ein feindlicher Sabotagetrupp bei der Annäherung an die Küste zum Kampf gestellt und vernichtet.«

Das war falsch, nicht wahr?

JODL: Ich bestätige den Wehrmachtsbericht vom 6. April, der so eingesetzt wurde, wie ich am 6. April den Beitrag zu diesem Wehrmachtsbericht von dem Befehlshaber in Norwegen bekommen habe; denn diese kurze Formulierung hat immer der Befehlshaber an der Front gemacht. Was nun tatsächlich passiert ist, das ist hier in der Vortragsnotiz vom 10. Mai niedergelegt. Aber leider, leider Gottes, habe ich die nie gesehen, denn am 10. Mai 1943 da fuhr ich mit dem Zug nach Bad Gastein, um meine schwere Ischiaserkrankung auszukurieren. So ist es leider gekommen, daß ich das Dokument erst hier in Nürnberg gesehen habe. Es tut mir leid, denn es wäre eines der wenigen gewesen, wo ich hätte vielleicht eingreifen können.

MR. ROBERTS: Ja, aber Zeuge, sehen Sie sich das einmal an, diese Aktion wurde nicht am 10. Mai unternommen, sondern vor oder am 6. April. Sehen Sie sich bitte den letzten Absatz an:

»Wehrmachtsbericht vom 6. April gibt darüber folgendes bekannt: In Nordnorwegen wurde ein feindlicher Sabotagetrupp bei der Annäherung an die Küste zum Kampf gestellt und vernichtet.«

In Wirklichkeit waren sie schon gefangengenommen und vom SD wie Hunde erschossen worden.

JODL: Ja, das habe ich ja eben gesagt. Ich habe aber vor dem Beitrag vom 6. April über die Angelegenheit nichts erfahren, sondern es ist erst am 10. Mai zu unserer Kenntnis gekommen, weshalb der Wehrmachtführungsstab diese Notiz aufgestellt hat, denn diese ganze Untersuchung der Vorgänge, die machte nämlich die Abwehr, das Amt Canaris mit seiner Sicherheitspolizei zusammen; nicht mit dem SD, das ist falsch, sondern mit der Sicherheitspolizei. Ich erfuhr leider nicht diese Einzelheiten, die Abwehr hat sie erfahren; denn ich habe mich mit der ganzen Frage überhaupt nur deswegen befaßt, weil ich den Wehrmachtsbericht zu redigieren hatte. Sonst wäre ich zu diesem Kommandobefehl überhaupt nicht gekommen; ich kam zu ihm wie die Jungfer zum Kinde.

MR. ROBERTS: Ich will Ihnen jetzt noch einen Fall zeigen; es ist Dokument 2610-PS.

Euer Lordschaft! Es ist im kleinen Dokumentenbuch 7a auf Seite 23, im deutschen kleinen Buch auf Seite 41.

Zeuge! Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß dieses Dokument unter allen Dokumenten, auf die ich mich stütze, das einzige ist, das nicht zu den laufenden, von uns erbeuteten Dokumenten gehört. Es ist ein Bericht aus der Abteilung des Judge Advocate General's Departement, United States Army. Es betrifft 15 Soldaten der Vereinigten Staaten, die auf Grund dieses Befehls erschossen worden sind. Sehen Sie sich Seite 2 an:

»In der Nacht des 22. März 1944 landeten zwei Offiziere und dreizehn Soldaten – Angehörige des... Sonder- Aufklärungsbataillons der amerikanischen Armee – in einigen amerikanischen Marinekuttern nahe Stazione di Framura, an der italienischen Küste. Alle waren Angehörige der Armee der Vereinigten Staaten und standen für die Vereinigten Staaten in militärischen Diensten. Zur Zeit ihrer Landung... trugen sie ordnungsgemäße... Felduniformen, sie hatten keine Zivilkleidung. Ihre Aufgabe war, einen Eisenbahntunnel im Hauptbahnnetz La Spezia-Genua zu zerstören. Die deutschen Heereskräfte bedienten sich dieser Eisenbahn zur Versorgung der Bedürfnisse ihrer in Cassino und am Anzio-Landungspunkt kämpf enden Truppen.«

Das war doch ein rein militärisches Ziel, dieser Tunnel?

JODL: Ja, ein absolut, militärisches Ziel.

MR. ROBERTS: Und alle 15 Männer wurden auf Grund des Befehls, den Sie verteilt haben, erschossen?

JODL: Ich habe nicht verstanden... Des Befehls, den ich verteilt habe, ja.

MR. ROBERTS: Den Sie am 19. Oktober verteilt haben. Sie haben einen Zusatzbefehl zum Führerbefehl verteilt; ich glaube, der letzte Absatz hat Sie empört. Das ist 503-PS.

JODL: Sie müssen richtiger sagen, »den Sie haben verteilen müssen«.

MR. ROBERTS: Ich werde zu dieser Frage gleich kommen. Ich bin anderer Meinung. Ich habe nicht mit Ihnen darüber zu diskutieren; ich will Ihnen einige Fragen stellen.

General Dostler, der die Erschießung dieser Leute angeordnet hat, wurde, wie Sie sehen selbst auf Anordnung dieses Kriegsgerichts erschossen.

Ich werde jetzt den Kommandobefehl verlassen und...

JODL: Darf ich zu dem Dokument noch etwas sagen?

MR. ROBERTS: Ja, natürlich, was Sie wollen.

JODL: Mir ist dieser Vorfall niemals zur Kenntnis gekommen. Ich habe jedenfalls keinerlei Erinnerung. Er erschien meines Wissens auch nie im Wehrmachtsbericht, und zwar deswegen, weil der General Dostler den ganzen Vorfall auch nicht seinem Oberbefehlshaber Kesselring gemeldet hat, der in diesem Falle vielleicht einen anderen Weg hätte gehen können und gegangen wäre.

MR. ROBERTS: Warum sagen Sie, daß Sie diesen Befehl verteilen ›mußten‹? Es kann doch niemand einen anderen dazu zwingen, einen Mordbefehl zu verteilen, wenn er nicht will?

JODL: Ich habe längere Ausführungen gemacht, daß dieser Befehl nicht ohne weiteres als ein Befehl zum Mord aufgefaßt werden konnte, sondern daß man sehr ernste und sehr berechtigte völkerrechtliche Zweifel und Überlegungen über Recht oder Unrecht dieses Befehls anstellen konnte.

Im übrigen müßten Sie für eine solche Zwangslage das allerbeste Verständnis haben, denn auch hier jetzt in meiner Situation kann ich ja nicht tun und sagen, was ich mag, und anders erging es mir diese fünfeinhalb Jahre auch nicht.

MR. ROBERTS: Sie hätten sich weigern können. Sie und die anderen Generale hätten sagen können: »Wir sind alle ehrenhafte Soldaten. Wir werden diesen Befehl nicht veröffentlichen und herausgeben.«

JODL: Gewiß, es hätte unter anderen Umständen sein können, erstens, wenn ich zu dieser Zeit nicht diesen Konflikt mit dem Führer gehabt hätte, und zweitens, wenn mir das englische Kriegsministerium meine Aufgabe etwas mehr erleichtert hätte. Aber diese Vorkommnisse und diese Erklärung, die es am 2. September abgegeben hat, die hat den Führer in diese Wut gebracht, gegen die ich nicht angehen konnte. Und wie sehr ich mich geweigert habe, dafür ist das Dokument selbst der beste Beweis; denn die Androhung der Strafe und die eingehende Begründung, die ist gegen mich gesprochen.

VORSITZENDER: Herr Roberts! Ich glaube, es wäre jetzt ein geeigneter Zeitpunkt für eine Verhandlungspause.